Arbeitsrecht

Außerordentliche Kündigung von Konsiliararztverträgen

Aktenzeichen  022 O 2736/17

Datum:
25.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40971
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 313, § 626
SGB V § 73 Abs. 7, § 87b, § 128 Abs. 2
BayBO-Ä § 31
StGB § 299a
KHEntG § 1, § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Verstößt ein zwischen einem Krankenhausträger und einem Arzt geschlossener Konsiliararztvertrag gegen das Verbot der entgeltlichen Patientenzuweisung (hier offengelassen), scheidet eine außerordentliche fristlose Kündigung durch den Krankenhausträger jedenfalls dann aus, wenn die branchenüblichen Vertragsbedingungen durch den Krankenhausträger selbst gestellt worden sind, dem Vertrag ein von der Deutschen Krankenhausgesellschaft veröffentlichtes Vertragsmuster zugrunde liegt und er bereits einige Jahre stillschweigend und beanstandungsfrei gelebt wurde. (Rn. 29 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern 128.775,95 € nebst ausgerechneten Verzugszinsen in Höhe von 9.601,00 € sowie weitere Zinsen aus 128.775,95 € in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.09.2016 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.611,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.09.2017 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klagen sind zulässig und begründet.
A. Das Landgericht Augsburg ist örtlich und sachlich zuständig. Es liegen zulässige subjektive und objektive Klagenhäufung, §§ 59 f., 260 analog ZPO vor.
B. Die Klagen sind überwiegend begründet. Eine teilweise Abweisung erfolgt nur hinsichtlich der zu viel eingeforderten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und unzulässiger Zinsen/Zinshöhe.
Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB wegen unberechtigter fristloser Kündigung gegen den Beklagten zu. Der Beklagte ist Träger der Krankenhäuser an der Paar und muss sich das rechtswidrige Verhalten des Geschäftsführers nach § 278 BGB zurechnen lassen.
Die am 16.06.2015 mündlich bzw. 17.06.2015 schriftlich erklärte und zugegangene außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers der Klinik ist unwirksam und stellt damit eine Pflichtverletzung im Rahmen des Vertragsverhältnisses dar. Es liegt kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB vor, insbesondere war dem Beklagten ein Abwarten der Kündigungsfrist und eine ordentliche Kündigung zumutbar.
Es gilt zunächst klarzustellen, dass es vorliegend einzig um die Frage geht, ob die außerordentliche Kündigung wirksam war. Dass das Vertragsverhältnis ordentlich zum 31.12.2015 gekündigt wurde und werden konnte, ist unstreitig.
I. Bei fristlosen Kündigungen geht es dabei immer um die Frage, ob sich der Kündigende auf Tatsachen berufen kann, die einen wichtigen Grund darstellen. Zu fragen ist, ob „auf Grund (dieser Tatsache) dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (…) nicht zugemutet werden kann“, § 626 I BGB.
Nach Würdigung des Einzelfalls sieht das Gericht keinen wichtigen Grund auf Seiten des Beklagten gegeben, welcher eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde.
Dabei sind folgende Interessen im vorliegenden Einzelfall zu würdigen und abzuwägen:
Der Vertrag mit den umstrittenen Klauseln wurde den Klägern vom Krankenhaus vorgelegt. Das Krankenhaus befürchtete somit die Unwirksamkeit des Vertrages bzw. die Strafbarkeit des Verhaltens aufgrund ihrer eigenen vorgelegten Klauseln.
Das Vertragsverhältnis wurde einige Jahre stillschweigend gelebt, ohne dass es Beanstandungen gab.
Bei den streitgegenständlichen Verträgen handelt es sich um die Nachbildung eines Vertragstextes, der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsmuster veröffentlicht wurde. Die Gesellschaft war es auch, die anschließend das Krankenhaus dazu aufgefordert hatte, die Verträge auf Normverstöße prüfen zu lassen. Nachdem sie die Vertragsmuster erstellt hatte, kann das Risiko eines Normverstoßes nicht allein von den Klägern getragen werden, indem ihre Verträge fristlos gekündigt werden.
Die streitgegenständlichen Verträge entsprachen den in der Branche üblichen Verträgen, wobei die Vergütung sogar geringer als in Vergleichsfällen war.
Der von der Beklagten ins Feld geführte § 299 a StGB trat in der Form erst ein Jahr nach der umstrittenen außerordentlichen Kündigung in Kraft. Es wäre genügend Zeit gewesen, die Situation in Ruhe zu eruieren und ggf. fristgerecht zu kündigen. Eine Berufung auf den § 299 a StGB kann daher nicht durchgreifen, auch wenn ein Verstoß gegen die Strafvorschrift möglicherweise eine Kündigung rechtfertigen würde.
Auch wenn sich der Beklagte auf Parallelvorschriften des § 299 a StGB beruft (z.B. § 31 MBO-Ä, § 31 BayBO-Ä, §§ 73 VII, 128 II SGB V), rechtfertigen die vorliegenden Umstände des Einzelfalls eine fristlose Kündigung nicht. Dabei lässt das Gericht hier offen, inwiefern die genannten Vorschriften für die Parteien Geltung beanspruchen bzw. ob sie erfüllt sind. Gegen einen wichtigen Grund spricht hier schon, dass diese Vorschriften bereits bei Vertragsschluss vorlagen und dem Beklagten dann bereits hätten bekannt sein müssen. Daher ist es ihm zumutbar, bei Kündigung unter Berufung auf ebendiese Vorschriften, ihren Vertragspartnern eine ausreichende Kündigungsfrist zu gewähren. Schließlich geht es um ihre eigenen Klauseln. Der Kündigungsgrund kommt aus ihrer Sphäre. Selbst wenn sie erst mit der Zeit Bedenken gegen die abgeschlossenen Verträge bekommen hat, so bestand – nach mehreren Jahren der Vertragsdurchführung – kein so plötzlicher zeitlicher Drang, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Denn die Kündigungsfrist dient dem Vertragspartner dazu, sich nach einer anderen Tätigkeit umzusehen und sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Grundsätzlich rechtfertigen nur schwerwiegende (vertragliche) Verstöße des Vertragspartners, ihm diese Frist zu nehmen, nämlich nur dann, wenn dem Kündigenden in Anbetracht der Verfehlung ein Abwarten der Kündigungsfrist unzumutbar ist.
Unstreitig ist im vorliegenden Fall auch, dass die Kläger – als besondere Spezialisten auf ihrem Fachbereich – ihre Tätigkeit im Krankenhaus stets einwandfrei erbracht haben und für die erhaltenen Vergütungen fachärztliche Arbeit auf professionell-hohem Niveau geleistet haben. Daher kann hier schon kein evidenter Verstoß gegen das Verbot der entgeltlichen Patientenzuweisung bzw. kein Wettbewerbsverstoß angenommen werden. Ein solcher setzt an allererster Stelle voraus, dass die gezahlte Vergütung unangemessen ist, was sich daraus ergeben kann, dass die Zahlung ohne eine adäquate Gegenleistung erbracht wurde oder aber die Referenzwerte der Vergütung ohne stichhaltige Begründung überschritten werden. Dass eine Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Krankenhaus nicht per se verboten ist, zeigt bereits § 1 Krankenhausentgeltgesetz.
Dem Beklagten war nach Abwägung aller widerstreitenden Interessen deshalb ein Abwarten der regulären Kündigungsfrist zumutbar gewesen.
Ein Abstellen auf § 313 BGB (wie vom Beklagten vorgetragen), ist hier aus selbigen Gründen nicht möglich. Auch bei § 313 III BGB geht es um die Frage der „Zumutbarkeit“, welche aus den bereits erwähnten Aspekten hier bejaht werden kann.
II. Das Verschulden wird gem. § 280 I 2 BGB widerleglich vermutet. Ansatzpunkte, welche gegen ein Verschulden des Beklagten sprechen, wurden nicht vorgetragen.
III. Die Kläger haben einen Anspruch auf Ersatz ihres durch die unwirksam ausgesprochene fristlose Kündigung entstandenen Schaden nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB.
Sie haben für das Gericht nachvollziehbar vorgetragen und vom Beklagten der Höhe nach unbestritten, dass ihnen durch den Verlust der Möglichkeit, nach den ursprünglichen Vertragsmodalitäten im Krankenhaus … tätig sein zu dürfen, ein Schaden von insgesamt 138.376,96 € entstanden ist. Dieser setzt sich aus dem eigentlichen Schaden i.H.v. 128.775,95 € entgangener Gewinn und den bis zum 28.09.2016 angefallenen Zinsen zusammen.
C. Das Gericht hält bei den Rechtsanwaltskosten jedoch nur einen Anspruch i.H.v. 2.611,93 € für begründet. Dieser errechnet sich aus dem Gegenstandswert von 138.376,96 € bei einer 1,3 Geschäftsgebühr (2174,90 €), der Post- und Telekommunikationspauschale von 20 € und 19% Mehrwertsteuern. Anders als vom Beklagtenvertreter vorgetragen, sieht das Gericht im vorliegenden Fall eine Erhöhung auf 1,8 aufgrund besonderer Schwierigkeit nicht als erforderlich an. Auch hält es die zweifache Geltendmachung von vorgerichtlichen Anwaltskosten (in Unterpunkt 2 der Klageziffer 1 und in der Klageziffer 2) nicht für begründet. Nach § 249 BGB kann der Schaden nur ein mal eingefordert werden.
Die Zinshöhe von 5% ergibt sich aus § 288 I BGB. Mangels „Entgeltforderung“ i.S.v. § 288 II BGB war eine Verzinsung zu 9% nicht möglich.
D. Die Zinsen hinsichtlich der Hauptforderung i.H.v. 128.775,96 € ergeben sich aus Verzug gem. §§ 280 I, II, 286 BGB ab Fälligkeit. Vertraglich wurden 8 Prozentpunkte vereinbart. Jedoch ist eine Verzinsung der bereits ausgerechneten Verzugszinsen (9.601,00 €) nicht mehr möglich (§ 289 BGB). Insoweit war die Klage teilweise abzuweisen.
E. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte nach § 92 II Nr. 1 ZPO.
E. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus §§ 709 S. 2 ZPO.


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