Arbeitsrecht

Auswahlentscheidung, Bundespolizei, Ermessensentscheidung, Personalratsmitglied, Personalvertretung, Verhältniswahl

Aktenzeichen  AN 7 PE 20.02109

Datum:
16.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32230
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
BPersVG § 17 Abs. 7, § 19 Abs. 3 S. 1, § 32 Abs. 1, § 33, § 46 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 83 Abs. 2
BPerVG § 17 Abs. 7
ArbGG § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 4, § 80, § 83 Abs. 2, § 85 Abs. 2 S. 2
ZPO § 920 Abs. 2, § 935, § 940, § 944
VwGO § 123
GKG § 2 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin streitet im einstweiligen Rechtschutzverfahren für eine hälftige Freistellung von dienstlichen Tätigkeiten zur Ausübung ihrer Personalratstätigkeit.
Das Bundespolizei aus- und Fortbildungszentrum … (BPOLAFZ …) ist eine Dienststelle der Bundespolizeiakademie und damit der Bundespolizei. Das BPOLAFZ … wurde im Jahr 2016 gegründet und nahm am 1. September 2016 seinen Betrieb auf. Derzeit sind dort ca. 800 Stammbeschäftigte beschäftigt. Es werden dort aktuell ca. 3.000 Anwärter und Anwärterinnen des mittleren und gehobenen Polizeidienstes ausgebildet.
Die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung des BPOLAFZ … erfolgte mit Verselbständigungsbeschluss vom 26. Juli 2019. Die Wahl zum Örtlichen Personalrat fand im BPOLAFZ … vom 12. bis 14. Mai 2020 statt. Der Örtliche Personalrat des BPOLAFZ … (ÖPR, Beteiligter zu 1.) besteht aus 17 Mitgliedern (14 Beamtenvertretern und 3 Arbeitnehmervertretern), die im Wege der Verhältniswahl gewählt worden sind. Für die Liste GdP (Gewerkschaft der Polizei) sind acht Beamten- und zwei Angestelltenvertreter, für die Liste der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) fünf Beamten- und ein Angestelltenvertreter und für „…“ ist eine Beamtenvertreterin in den ÖPR gewählt worden.
Die Antragstellerin ist für die DPolG als Beamtenvertreterin (Listenplatz 5) in den ÖPR gewählt worden. Bei den weiteren Beamtenvertretern der DPolG-Liste handelt es sich um Herrn K. … (Platz 1), Herrn S. … (Platz 2), Herrn J. … (Platz 4) und seit Mandatsniederlegung des Drittplatzierten Herrn V. … am 11. September 2020 Herr G. … als Angestelltenvertreter der DPolG ist Herr … gewählt worden.
Die Verfahrensbeteiligten sind sich einig, dass dem ÖPR rechtlich fünf Freistellungen zustehen, von denen drei auf die GdP und zwei auf die DPolG entfallen. Der zunächst angedachte Verzicht bzw. ein Start des ÖPR mit nur 4,5 Freistellungen (wie in der Vorsaison) wird aufgrund eines Beschlusses des ÖPR in der 2. Sitzung vom 19. Juni 2020, dass ein Aufstockungsantrag bei der Leitung des BPOLAFZ … (Beteiligter zu 2.) zu stellen ist, nicht weiterverfolgt. Der Verzicht auf Freistellung von einer halben Stelle wäre zu Lasten der DPolG gegangen. Eine Aufstockung auf Freistellungen in Höhe von 5,5 Stellen wird derzeit vom ÖPR nicht weiterverfolgt. Ein Einvernehmen mit dem Beteiligter zu 2. besteht insoweit nicht. Derzeit sind 4,5 Freistellungen wie folgt vergeben:
In der ersten Sitzung des ÖPR wurden zwei Freistellungen (1 x 100% und 2 x 50%) für Mitglieder der GdP (darunter den Vorsitzenden mit 50%) und eine 100%-Freistellung für die DPolG (Herr K. …*) beschlossen. In der zweiten Sitzung des ÖPR am 19. Juni 2020 wurden in geheimer Abstimmung zwei weitere 50%-Freistellungen für Vertreter der GdP und eine 50%-Freistellung für Herrn S. … von der DPolG beschlossen. Die Antragstellerin, die als weitere Kandidatin für eine 50%-Freistellung zur Wahl stand, wurde mit 7 : 10 Stimmen abgelehnt. Daraufhin stellte sich Herr J. … von der DPolG zur Wahl und wurde mit 14 : 3 Stimmen gewählt. Er erklärte (wohl) am 13. Juli 2020 mündlich, dass er die Freistellung nicht wahrnehmen möchte.
In der 3. Sitzung des ÖPR am 14. Juli 2020 wurde die Ablehnung der Antragstellerin erneut diskutiert, wobei sich Herr K. … von der DPolG auf den Standpunkt stellten, dass die Personen, die freigestellt werden, innerhalb der Wählerliste festzulegen seien bzw. die Reihenfolge der Freistellungen durch die Wahlliste vorgegeben sei und nicht durch Abstimmung im Personalrat zu bestimmen seien, da die größere Fraktion sonst immer Einfluss auf die Kandidaten der schwächeren Fraktion nehmen könne. Die Angabe eines Grundes der Ablehnung sei erforderlich, aber nicht erfolgt.
Aus der Niederschrift zur 3. Sitzung des ÖPR ergibt sich, dass beim Beteiligten zu 2. noch kein Antrag durch den ÖPR auf Aufstockung auf fünf Freistellungen gestellt worden ist, weil die Freistellung von Herrn J. … auf eigenen Wunsch hin ruhe.
Herr J. … erklärte am 17. Juli 2020 schriftlich, dass er keinen Anspruch auf die Freistellung erhebe und seine Freistellung an die Antragstellerin abtrete. Mit gleichem Datum erklärte die Antragstellerin ihre Bereitschaft, die Freistellung des zurückgetretenen Herrn J. … zu übernehmen.
Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 8. Oktober 2020 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Antragstellerin im Wege eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens die Verpflichtung des Beteiligten zu 1., die Antragstellerin dem Beteiligten zu 2. für eine Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit im Umfang von 50% vorzuschlagen. Außerdem beantragt sie, abgeändert mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2020, eine einstweilige Verfügung dahingehend, den Beteiligten zu 1. zu verpflichten, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, keine anderweitigen Mitglieder des Personalrats zur in der Hauptsache streitgegenständlichen hälftigen Freistellung vorzuschlagen sowie dem Beteiligten zu 2. zu untersagen, bis zu einer in der Hauptsache getroffenen rechtskräftigen Entscheidung eine Freistellung eines anderen Personalratsmitglieds auszusprechen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Antragstellerin die hälftige Freistellung ohne Begründung bzw. wegen des Verzichts auf die 500% Freistellung verweigerte werde und sie nach dem Rücktritt von Herrn J. … für eine Freistellung aus der Gruppe der DPolG einzig übrigbleibe. Die Vertreter der DPolG hätten in den Personalratssitzungen unter Verweis auf Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass dem ÖPR nach § 46 Abs. 4 BPersVG fünf Freistellungen zustünden und ein Verzicht auf eine Freistellung von 50% zu Lasten der Minderheitsliste nicht möglich sei. Weiter sei über die Freistellungsplätze, die einer Liste zukämen, innerhalb dieser Liste zu entscheiden.
Der Beteiligte zu 1., vertreten durch seinen Vorsitzenden, beantragte mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2020, den Antrag abzulehnen und führte zum Sachverhalt ergänzend aus, dass das Personalratsmitglied S. … der DPolG sowie der Vorsitzende des ÖPR nur mit 50% freigestellt worden seien, weil sie zusätzlich Mitglieder des Gesamtpersonalrats der Bundespolizeiakademie seien und dafür weitere 50% Freistellung in Anspruch nähmen. Die Antragstellerin habe in der 2. Sitzung des ÖPR nicht die erforderliche Mehrheit errungen. In der 3. Sitzung sei die Vergabe an die Antragstellerin zwar erneut thematisiert worden, aber kein erneuter Antrag der DPolG für eine Freistellung gestellt worden. Für die DPolG sei nach einer Mandatsniederlegung (Herr V. …, Platz 3) am 11. September 2020 Herr G. … der Liste der DPolG entsprechend nachgerückt.
Da die Abstimmung über die Freistellung der Antragstellerin auf Antrag der DPolG geheim stattgefunden habe, seien die Gründe hierfür nicht bekannt. Die Mitglieder seien bei der Wahl völlig frei gewesen, eine Begründung habe dafür nicht abgegeben werden müssen. Die Vergabe der Freistellungen (bzw. der Vorschlag hierzu) stehe dem Personalrat als solchem zu, nicht der Liste, der diese Freistellung rechnerisch zustehe. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Rechtsprechung beziehe sich auf die Vergabe einer Freistellung für den Gruppensprecher des Vorstandes nach § 32 BPersVG und den erweiterten Vorstand nach § 33 BPersVG, nicht aber auf ein sonstiges Mitglied. Außer der Antragstellerin und Herrn J. …, der die Freistellung im Nachgang abgelehnt habe, komme für die Gruppe der DPolG eine Freistellung noch für Herr G. … als Beamtenvertreter und Herr J-S … als Arbeitnehmervertreter in Frage. Ein alleiniger Anspruch auf die verbleibende Freistellung von 50% bestehe für die Antragstellerin damit derzeit nicht. Damit liege kein Verfügungsanspruch vor. Auch ein Verfügungsgrund bzw. Eilbedürftigkeit werde wegen der grundsätzlichen Wahrnehmung der Freistellung der anderen Gruppenmitglieder nicht gesehen, ebenso wenig ein Rechtschutzbedürfnis.
Der Beteiligte zu 2. beantragte mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2020, den Antrag abzulehnen und teilte mit, dass bisher im Einvernehmen zwischen dem ÖPR und der Leitung Freistellungen in Höhe von 450% erfolgt seien, dem ÖPR aber grundsätzlich Freistellungen über 500% zustünden. Über die noch ausstehenden 50% könne der ÖPR einen Antrag stellen.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2020 vertiefte die Antragstellerin ihre Begründung und verwies insbesondere darauf, dass die Antragstellerin als einzige Frau gem. § 17 Abs. 7 BPerVG vertreten sein müsse und eine Verweigerung der Stelle für die Antragstellerin ohne Begründung willkürlich sei. In der Personalratssitzung vom 14. Juli 2020 sei ausweislich des Protokolls unter Punkt 22 ff. nach dem Rücktritt von Herrn J. … ein weiterer Antrag im Sinne der Antragstellerin gestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte mit den Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten Bezug genommen.
II.
1. Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entscheidet wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit die zuständige Fachkammer für Personalvertretungsrecht Bund des Verwaltungsgerichts Ansbach durch die Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung bzw. Anhörung, § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG und § 944 ZPO. Die Verfahrensbeteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Anhörung einverstanden erklärt. Die Nichtwahrnehmung einer dem Personalrat zustehenden Freistellung nach § 46 BPersVG über längere Zeit stellt für diesen – und auch für das nicht zum Zuge kommende Personalratsmitglied – eine erhebliche Belastung dar, so dass Eilbedürftigkeit besteht und deshalb eine schnellstmögliche gerichtliche Entscheidung und damit allein durch die Vorsitzende angezeigt ist. Die ansonsten nötige Einberufung der ehrenamtliche Richter würde aus organisatorischen Gründen zu einer deutlichen Verzögerung der Entscheidung führen. Sie ist im Hinblick auf die pandemiebedingten Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Sars-CoV-19-Virus nach Möglichkeit zu vermeiden. Ob eine Entscheidung als Kammer in naher Zukunft im Hinblick auf zukünftige pandemiebedingten Einschränkungen überhaupt möglich sein würde, ist überdies unsicher.
2. Zwar gibt die Begründung des Antrags auf einstweilige Verfügung und des Hauptsacheverfahrens Anlass zu Zweifeln über den Streitgegenstand der Verfahren. Unter Auslegung des Begehrens nach dem zu Tage getretenen Antragsziel und unter Berücksichtigung des Bedürfnisses für eine gerichtliche Entscheidung sowie unter Berücksichtigung dessen, was von der Antragstellerin als einzelnem Personalratsmitglied gerichtlich überhaupt geltend gemacht werden kann, ist anzunehmen, dass die Antragstellerin im Eilrechtschutz nicht die Durchsetzung von fünf Freistellungen für den ÖPR als solches fordert. Dass dem ÖPR fünf Stellen zur Verfügung stehen, ist nämlich nicht streitig zwischen den Verfahrensbeteiligten. Der Beteiligte zu 2. erkennt dies an (vgl. Schriftsatz vom 30.10.2020) und im ÖPR wurde am 19. Juni 2020 der Beschluss gefasst, dass alle fünf Stellen beim Beteiligten zu 2. auch beantragt werden und der ursprünglich angedachte Verzicht auf eine halbe Stelle nicht weiterverfolgt wird. Dass dieser Antrag beim Beteiligten zu 2. bislang noch nicht gestellt ist, beruht allein auf dem Streit zwischen der Antragstellerin und dem ÖPR, wem die Freistellung zukommt, ist aber nicht Ausdruck eines dauerhaften Verzichts oder fehlenden Durchsetzungswillens. Hierfür bestehen keine ernsthaften Anhaltspunkte. Die Durchsetzung der dem ÖPR zustehenden Anzahl an Freistellungen nach § 46 Abs. 4 BPersVG stünde außerdem wohl nur dem ÖPR selbst zu, weil nur der Personalrat, nicht aber das einzelne Mitglied, Anspruchsinhaber ist (Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber/Griebeling/Hebeler, BPersVG, Stand Nov. 2019, § 46 Rn. 111, Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, BPersVG, 8. Aufl. 2013, § 46 Rn. 51, 131c). Das einzelne Mitglied könnte diesen Anspruch nach Auffassung des Gerichts nicht geltend machen, es ist insoweit nicht antragsbefugt. Ein so zu verstehender Antrag auf einstweilige Verfügung wäre somit schon unzulässig. Er ist im Wege der Auslegung auch zu Gunsten der Antragstellerin deshalb nicht anzunehmen.
Der Antrag der Antragstellerin ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass sie allein die Zuteilung der noch offenen halben Freistellung an sich begehrt. Dies entspricht auch der förmlichen – ursprünglichen wie geänderten – Antragstellung. Die unpassenden Ausführungen zur Begründung des Antrags zu einem nicht möglichen Verzicht auf die Freistellung zu Lasten einer dadurch benachteiligten Minderheit im ÖPR treten dahinter zurück.
3. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Insoweit ist von einer Antragsbefugnis der Antragstellerin auszugehen.
Für die Antragsbefugnis ist es ausreichend, dass – wie hier geltend gemacht – eine Verdichtung der Zuteilungsentscheidung auf die Person des Antragstellers in Betracht kommt. Die Antragstellerin ist dabei in einer eigenen Rechtsposition betroffen. Rein tatsächlich ist sie von der streitigen Rechtsfrage erheblich tangiert. Die Auswahlentscheidung des Personalrats hat gegebenenfalls nicht nur persönliche Bedeutung, sondern hat rechtliche Auswirkungen auf ihre dienstrechtliche Stellung (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). Das Bundesverwaltungsgericht billigt jedem Personalratsmitglied zudem ein rechtlich beachtliches Interesse an der Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit der vom Personalrat gefassten Beschlüsse aufgrund der Mitverantwortung jedes einzelnen Personalratsmitglieds zu (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.1977 – VII P 10/75- juris, so auch SächsOVG, B.v. 18.4.2012 – PL 9 A 574/11 – juris Rn. 24 f.). Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist die Auswahlentscheidung nicht allein durch die betroffene Wahlvorschlagliste durchsetzbar (so aber OVG NRW, B.v. 11.3.1993 – 1 B 3549/92.PVB – juris Rn. 25 ff. mit Hinweis auf den von § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG beabsichtigten Minderheitenschutz), sondern wegen der Dienstrechtsbetroffenheit auch durch das übergangene Personalratsmitglied selbst (in Ergebnis so auch Lorenzen, § 46 Rn. 111 m.w.N). Hierfür spricht auch, dass eine Personalratsliste kein Organ und kein selbständiges Teilorgan darstellt bzw. den Vertretern einer Liste keine ausreichende Verfasstheit zukommt (Faber, Das Beschlussverfahren im Personalvertretungsrecht, Die Personalvertretung 1996, S. 337, 340, SächsOVG, B.v. 18.4.2012 – PL 9 A 574/11 – juris Rn. 25) und es einer Personalratsliste damit an der Beteiligtenfähigkeit fehlen dürfte (vgl. Faber, a.a.O. m.w.N.).
4. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG setzt gemäß den anzuwendenden §§ 935, 940, 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass dem Antragsteller sowohl ein Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund zusteht. Nach § 940 ZPO ist ein ansonsten eintretender wesentlicher Nachteil glaubhaft zu machen.
a) Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist im einstweiligen Rechtschutz dabei grundsätzlich ausgeschlossen (für die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO Kopp/Schenke, VwGO, 3. Aufl., § 123 Rn. 14) bzw. im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nur ausnahmsweise dann möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtschutzes schlechterdings notwendig ist. Da der mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 geänderte Antrag lediglich auf die Offenhaltung der Freistellung gerichtet ist und nicht (mehr) darauf, dass die Antragstellerin jetzt schon, d.h. vor der Entscheidung über die Hauptsache, für die verbleibende Freistellung vorgeschlagen wird, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu besorgen. Darauf, ob auch die Durchsetzung eines konkreten Vorschlags im Eilwegverfahrens möglich ist (so etwa OVG NRW, B.v. 15.1. 1997 – 1 B 2834/96.PVB – juris Rn. 22), kommt es vorliegend nicht an.
b) Ein Verfügungsgrund ist der Antragstellerin nicht abzusprechen. Ohne den Eilantrag ist zu besorgen, dass die noch offene Freistellung anderweitig vergeben wird und damit ein Rechtsverlust eintritt. Der Beteiligte zu 2. gibt zwar an, eine Freistellung nicht vorzunehmen, solange kein Vorschlag des ÖPR vorliegt, zu einem derartigen Vorschlag des ÖPR kann es jedoch jederzeit kommen. Die Antragstellerin ist davor jedenfalls nicht geschützt. Es ist weder ausgeschlossen, dass ein konkreter anderweitiger Freistellungsantrag von ihrer eigenen Liste kommt und schon gar nicht, dass ein solcher von einer anderen Liste kommt, auch wenn dies derzeit nicht konkret absehbar ist.
c) Die Antragstellerin hat jedoch keinen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie wird sich in der Hauptsache mit ihrem Begehren, dass sie für die letzte zur Verfügung stehende hälftige Freistellung vorzuschlagen ist, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durchsetzen. Ein Anspruch auf die eigene Freistellung ergibt sich für sie weder aus einem vom Listenkollegen J. … abgetretenem Recht, noch durch Nachrücken auf dessen Platz bzw. aus ihrer Listenplatzierung und auch nicht aus sonstigen Umstände, die eine Entscheidung zu für sie bedingen würden.
Die Vergabe der Freistellungen innerhalb des – hier unstreitigen – Kontingents von fünf Freistellungen nach § 46 Abs. 4 BPersVG erfolgt durch den Beteiligten zu 2., dem jedoch nicht die Auswahl der Personen zusteht (Lorenzen, § 46 Rn. 111, 153). Hierüber befindet der ÖPR in eigener Zuständigkeit. Er schlägt der Leitung durch Beschluss die entsprechenden Personalratsmitglieder vor (Lorenzen, § 46 Rn. 111, 124 m.w.N.). Dieses Vorschlagsrecht steht dem Personalrat als Ganzem zu, nicht den einzelnen Listen oder Gruppen, auch nicht den Gewerkschaften (Lorenzen, § 46 Rn. 124, 138, 146). Sinn und Zweck der Freistellung ist nämlich die Sicherstellung der Aufgabenerfüllung des Personalrats (Lorenzen, § 46 Rn. 125). Hierüber kann dieser nur selbst wachen.
Der Personalrat hat bei seiner Vorschlagsentscheidung ein Ermessen (Lorenzen § 46 Rn. 125, BVerwG – B.v. 17.1.1969 – VII P 6.67 – juris Rn. 21), das vom Gericht nur eingeschränkt, nämlich nur auf Rechtsfehler, nicht aber auf die Zweckmäßigkeit, überprüft werden kann (Lorenzen, § 46 Rn. 150, BVerwG, B.v. 17.1.1969 – VII P 6.67 – juris Rn. 26). Die Ermessensentscheidung ist rechtlich jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt; die Einhaltung der Ermessensgrenzen ist vom Gericht überprüfbar. Aus der Beachtung dieser Einschränkung kann sich grundsätzlich die Verdichtung der Auswahlentscheidung auf ein Personalratsmitglied ergeben (Ermessensreduzierung auf Null). (Nur) in diesem Fall kann das Gericht im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtung auszusprechen und nur dann kann auch das Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes Erfolg haben. Ein gegebenenfalls vorliegender Ermessensfehler im Rahmen einer bereits erfolgten Abstimmung genügt für den Erfolg im einstweiligen Rechtschutz noch nicht (vgl. für einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO Kopp/Schenke, § 123 Rn. 12). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Antragstellerin ohne Begründung bzw. allein mit der Begründung auf eine geheime Abstimmung abgelehnt werden durfte. Für den Erfolg des Antrags wäre eine Verdichtung des Auswahlermessens auf die Person der Antragstellerin erforderlich. Diese ist nicht erkennbar.
(1) Aus dem vorstehend Dargelegten folgt, dass eine „Abtretung“ des Freistellungsplatzes von Herrn J. … an die Antragstellerin nicht möglich ist, der Antragstellerin hieraus kein Anspruch erwachsen ist. Eine Überlassung der Freistellung durch eine andere, mittels Personalratsbeschluss ausgewählte Person stellt nämlich keine Entscheidung des Personalrats im Ganzen dar. Das Auswahlrecht des Personalrats würde damit umgegangen. Der Sinn und Zweck der Gewährleistung der Aufgabenerfüllung wäre nicht erfüllt, wenn Einzelpersonen innerhalb des Personalrats auf diesem Weg die Entscheidung selbst treffen bzw. ändern könnten.
(2) Aus dem gleichen Grund ist die Antragstellerin durch den „Rücktritt“ von Herrn J. … auch nicht automatisch in die Freistellungsposition nachgerückt. Zwar ist sie ausgehend von der Wahlliste der DPolG die Nächstplatzierte auf der Liste, da die Listenplätze 1 und 2 (Herr K. … und Herr S. …*) bereits Freistellungen erhalten haben. Die nur halbe Freistellung für Herrn S. … beruht dabei darauf, dass dieser für weitere 50% seiner Tätigkeit im Gesamtpersonalrat freigestellt ist, so dass eine weitere Freistellung für ihn nicht möglich ist. Der Drittplatzierte Herr V. … ist zwischenzeitlich aus dem ÖPR ausgeschieden, so dass auch er nicht vorrangig zur Verfügung steht. Der Viertplatzierte Herr J. … lehnte die Freistellung in Nachhinein ab, so dass die Antragstellerin als Fünftplatzierte die nächstmeisten Stimme der Liste der DPolG auf sich vereinigt hat und von der Anzahl der Stimmen her vor dem nachgerückten Herrn G. … liegt. Die überwiegende Stimmanzahl ist indes kein zwingender und automatischer Grund für die begehrte Freistellung.
Nach § 46 Abs. 3 Satz 2 BPersVG sind für die Freistellungen zwingend zunächst die Vorstandsmitglieder nach § 32 Abs. 1 BPersVG vorzusehen. Hierunter fällt die Antragstellerin nicht. Sodann sind die nach § 33 BPersVG gewählten Ergänzungsmitglieder zu berücksichtigten. Auch dieser Personengruppe unterfällt die Antragstellerin nicht. Aus § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG – Satz 4 und 5 des § 46 Abs. 3 BPersVG sind von vorneherein nicht einschlägig – ergibt sich die – zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitige – Freistellung von zwei vollen Stellen zu Gunsten der Liste der DPolG, nicht aber eine Einengung auf bestimmte Personen dieser Liste. Insbesondere ergibt sich hieraus nicht die Anwendung des Höchstzahlverfahrens innerhalb der Liste. Die Auswahl trifft wie dargelegt der Personalrat vielmehr im Ermessenswege (Altvater, § 46 Rn. 65, Lorenzen § 46 Rn. 146, BVerwG, B.v. 17.1.1969 – VII P 6.67 – juris Rn.21). Die Regelung des § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG bezweckt die Abbildung der Wahlverhältnisse bei den Freistellungen, nicht aber den Schutz einzelner Personen. Bei einer reinen Verhältniswahl, wie sie hier (unstreitig) stattgefunden hat, haben die Wähler nicht die Möglichkeit, einzelne Personen der Liste auszuwählen und nach vorne zu wählen. Schon aus diesem Grund kann eine Missachtung des Wählerwillens, woraus einzig eine Ermessensreduzierung auf Null in Folge des Listenplatzes folgen könnte, nicht vorliegen.
(3) Ein Anspruch für die Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus § 17 Abs. 7 BPersVG, wonach die Geschlechter im Personalrat entsprechend dem Zahlenverhältnis vertreten sein sollen. Die Regelung bezieht sich nur auf die Zusammensetzung des Personalrats, trifft aber keinerlei Aussage zur Verteilung der Freistellungen. Diese ist allein in § 46 BPersVG geregelt, in dem sich kein Verweis auf § 17 Abs. 7 BPersVG findet. Der in § 46 Abs. 3 BPersVG niedergelegte Minderheitenschutz bezieht sich nur auf die Gruppen und Listen, nicht aber auf die Geschlechter. Eine Einengung der Auswahlentscheidung zu einem Anspruch für die Antragstellerin ergibt sich hieraus nicht.
(4) Da auch andere Gründe, die eine Auswahlentscheidung für die Antragstellerin bedingen würden, wie etwa besondere Fachkunde oder Erfahrung der Antragstellerin, nicht vorgetragen oder ersichtlich sind, ergibt sich bei summarischer Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes auch insoweit kein Anspruch der Antragstellerin auf die Freistellung.
(5) Die noch offene Freistellung fällt auch nicht deshalb auf die Antragstellerin, weil keine anderen Personalratsmitglieder (mehr) zur Verfügung stehen. Für eine Freistellung aus der Liste der DPolG kommen grundsätzlich ebenso die anderen Listenvertreter der DPolG, Herr G. … und der Angestelltenvertreter Herr J-S …, in Betracht. Dass diese die Freistellung abgelehnt haben oder aus anderen Gründen von vorneherein ausfallen, ist nicht ersichtlich und hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.
Es liegt auch keine Abstimmung unter den Listenvertreter der DPolG vor, dass die Freistellung der Antragstellerin zukommen soll. Jedenfalls ist dies nicht nachgewiesen. Aus dem Protokoll zur 3. Sitzung des ÖPR am 14. Juli 2020 ergibt sich dies – entgegen der Behauptung der Antragstellerseite im Gerichtsverfahren – nicht. Unter Nr. 22.3. des Protokolls der Sitzung vom 14. Juli 2020 ist zwar eine Diskussion im ÖPR wiedergegeben, nicht aber zum Ausdruck gebracht, dass alle Listenvertreter der DPolG hinter der Antragstellerin stehen. In der 2. Sitzung des ÖPR am 19. Juni 2020 hat auf Wunsch der DPolG eine geheime Abstimmung stattgefunden, so dass auf eine einheitliche Positionierung der Vertreter der DPolG zu Gunsten der Antragstellerin auch nicht geschlossen werden kann. Die Vertreter der DPolG hätten auch einen erneuten Antrag auf Freistellung der Antragstellerin stellen können, was – entgegen der Behauptung der Antragstellerseite – in der Sitzung am 14. Juli 2020 nicht geschehen ist. Nr. 22.3 des Protokolls der Sitzung gibt dies nicht wieder.
Nach vorausgehend Dargestelltem, dass der ÖPR als Ganzes zur Entscheidung berufen ist, würde eine solche Einigkeit innerhalb der Liste auch nicht zwingend zur Freistellung der Antragstellerin führen. Der ÖPR kann sich beim Vorliegen von dagegen sprechenden sachlichen Gründen und wenn eine Mehrheit für ein anderes Mitglied aus den Reihen der DPolG gefunden wird, durchaus darüber hinwegsetzen. Eine Einengung auf die Person der Antragstellerin ist derzeit (noch) nicht erkennbar.
(6) Die von der Antragstellerseite in Bezug genommene Rechtsprechung zur Einschränkung des Auswahlermessens des Personalrats, ist für die vorliegende Konstellation nicht einschlägig und auch nicht sinngemäß anwendbar. Sie ist zur Einschränkung des Ermessens aufgrund der Vorschrift des § 46 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 32 bzw. § 33 BPersVG ergangen, die hier aber nicht in Rede steht. Es geht hier nicht um den Minderheitenschutz zugunsten einer Gruppe (d.h. der Gruppen der Beamten oder der Angestellten) oder zugunsten von Funktionsträgern im ÖPR, es soll vielmehr die Auswahl einer Person ohne besondere Führungsfunktion innerhalb einer Liste erstritten werden. Dies ist in keiner Weise vergleichbar. Ermessenseinschränkende Vorschriften oder Erwägungen existieren für diesen Fall im BPersVG nicht. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verhaltungsgerichtshof (B.v. 12.4.1989 – 17 P 89.00673 – Leitsatz juris) ergibt sich vielmehr, dass selbst bei einer Personenwahl i.S.v. § 19 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 46 Abs. 3 Satz 4 BPersVG die Ermessensentscheidung des Personalrats durch den Listenplatz nicht obsolet bzw. vorgezeichnet ist, sondern dem Personalrat eine Auswahlentscheidung bleibt. Erst recht muss dies bei einer reinen Verhältniswahl gemäß § § 19 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG gelten.
Eine Verdichtung der Auswahlentscheidung auf die Antragstellerin ist im Ergebnis damit nicht glaubhaft gemacht, die einstweilige Verfügung damit mangels Verfügungsanspruch abzulehnen.
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 83 Abs. 2 BPersVG, § 80 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG.


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