Arbeitsrecht

Beamte, Beamter, Arzt, Untersuchungsanordnung, Disziplinarverfahren, Amtsarzt, Gutachten, Eilverfahren, Beamten, Wirksamkeit, Antragsteller, Verwirkung, Untersuchung, Statthaftigkeit, einstweiligen Anordnung, gehobener Dienst, Erlass einer einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  RN 1 E 21.2094

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 51189
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtschutzes gegen die Anordnung zur ärztlichen Untersuchung zur Klärung des Fortbestehens seiner Dienstunfähigkeit.
Der am … geborene Antragsteller war zuletzt als Technischer Fernmeldeamtsrat (BesGr A 12) im Dienste der Antragsgegnerin tätig. Mit Urkunde vom 29.5.2012 wurde der Antragsteller wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Im Juni 2014 wurde seitens des HR Business Services der Antragsgegnerin eine Reaktivierungsüberprüfung angestoßen. In einem internen Vermerk vom 10.7.2014 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller nach Wertung aller Zusammenhänge im pflichtgemäßem Ermessen nicht wieder in den aktiven Dienst berufen werde. Auf Grund des unveränderten bzw. nicht wesentlich gebesserten Gesundheitszustands sei der Ruhestandsbeamte für eine Wiedereingliederung in den aktiven Dienst nicht geeignet. Eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis gemäß § 45 BBG komme daher nicht in Betracht, auch eine Teildienstfähigkeit sei nicht gegeben. Mit Schreiben vom selben Tag wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass die aktuelle Überprüfung hinsichtlich seiner möglichen Reaktivierung gemäß § 46 BBG abgeschlossen sei und seine Reaktivierung aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht komme.
Aus einem Vermerk zur Altfall-Überprüfung, § 46 Abs. 1 Satz 2 BBG vom 22.2.2021 ergibt sich unter dem Punkt „Prüfung“, „1. Entscheidung PNU“ die Herausnahme der Akte des Antragstellers aus der Wiedervorlage. Unter „2. Stützt sich die Entscheidung zu 1.) auf ein betriebs-/amtsärztliches Gutachten?“ ist das Feld „nein“ angekreuzt. Bei dem Punkt „3. Herausnahme aus Wiedervorlage korrekt“ wurde das Feld „nein“ angekreuzt. Unter „Sonstiges“ wurde ausgeführt: „Die Herausnahme ist aufgrund eines privatärztlichen Attests erfolgt. Zudem wurde die Durchführung der im Zurruhesetzungsgutachten (und auch in den Gutachten davor) ärztlich auferlegten Intensivtherapie nicht geprüft. In Anbetracht des Lebensalters und des Krankheitsbildes hätte eine amts-/betriebsärztliche Begutachtung erfolgen müssen.“ Als „Entscheidung der BAnst PT/Weiteres Vorgehen“ wurde angegeben: „Aufnahme in den Regelprozess“.
Unter dem 7.7.2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die beabsichtigte Überprüfung seiner Dienstfähigkeit nach dem BBG mit. Die Dienstherrnfunktion nehme die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation wahr. Die Überprüfung erfolge grundsätzlich bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze. Der Antragsteller werde gebeten, den beiliegenden Fragebogen sowie die Schweigepflichtentbindungserklärung auszufüllen und ggf. aktuelle ärztliche Unterlagen (max. 1 Jahr alt) beizufügen.
Mit am 5.8.2021 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben legte der Antragsteller den ausgefüllten Fragebogen samt ärztlicher Bescheinigung vom 5.8.2021 vor.
Mit Schreiben vom 8.9.2021 wurde dem Antragsteller eine Untersuchungsaufforderung zur Klärung des Fortbestehens seiner Dienstunfähigkeit am 27.10.2021, 11:00 Uhr, übersandt. Als Untersuchungsort wurde angegeben: Herrn Dr. B* …, Arzt für Orthopädie, Praxis Dr. B* …, … Um überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen, die zu seiner Dienstunfähigkeit geführt hätten, weiterhin vorlägen, werde eine ärztliche Untersuchung gemäß § 48 Bundesbeamtengesetz (BBG) beauftragt. Die ärztliche Untersuchung werde nach § 46 Abs. 7 BBG angeordnet. Vorsorglich werde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er als Beamter im Ruhestand verpflichtet sei, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen (§ 46 Abs. 7 Satz 1 BBG). Die schuldhafte Verweigerung der Untersuchung gelte als Dienstvergehen nach § 77 Abs. 2 Nr. 4 BBG. Die Verfolgung von Dienstvergehen richte sich nach dem Bundesdisziplinargesetz. In beamtenrechtlicher Hinsicht sei darauf hingewiesen, dass es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung möglich sei, von der Dienstfähigkeit dann auszugehen, wenn einer angeordneten Untersuchung ohne Entschuldigung nicht Folge geleistet werde. Auf das beigefügte Merkblatt „ärztliche Untersuchung nach §§ 46, 48 Bundesbeamtengesetz (BBG) (Reaktivierungsüberprüfung, § 46 Abs. 1 Satz 2 BBG) hier: Merkblatt für Beamtinnen und Beamten zur ärztlichen Schweigepflicht“ werde hingewiesen. Einzelheiten des Untersuchungstermins seien dem Untersuchungsauftrag an die I* Hellip GmbH zu entnehmen. Hinsicht der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftstücks verwiesen.
In Anlage 1 zum Untersuchungsauftrag vom 30.8.2021 wurde unter dem Punkt „Angaben zur dienstlichen Tätigkeit“ angegeben: „Bitte überprüfen und bewerten Sie die Dienstfähigkeit der o.g. Person auf Grundlage der nachfolgend aufgeführten Angaben zur dienstlichen Tätigkeit. Diese Beschreibung enthält die (abstrakt-funktionellen) Aufgaben, die von der o.g. Person wahrgenommen werden sollten. Die Anforderungen stellen mögliche physische und psychische Belastungen auf Arbeitsplätzen in seiner/ihrer Laufbahngruppe dar. Auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit kommt es hierbei nicht an.“ Unter dem Punkt „Laufbahn“ wurde aufgeführt: „Gehobener Dienst – Deutsche Telekom AG“. Als „abstrakt-funktionelle Aufgaben“ wurde genannt: „psycho-mentale Belastbarkeit, hohes Maß an sozialer Kompetenz, Bildschirmtauglichkeit, hohes Maß an Flexibilität, Stressresistenz, je nach Aufgabenbereich häufige Dienstreisen“. Unter dem Punkt „Anforderungen“ wurde angegeben: „Teilweise Führungsaufgaben in fachlicher und/oder personeller Verantwortung; Leiter/-in von Gruppen und Teams, Referent/-in, Experte/Expertin.“
Mit am 20.10.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Anordnung der ärztlichen Untersuchung beantragen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die Rechtsprechung des BVerwG zur Zulässigkeit von Eilrechtsschutz gegen Anordnungen zur Untersuchung der Dienstfähigkeit sei bekannt. Untersuchungen zur Dienstunfähigkeit seien von Amtsärzten durchzuführen und nicht von Privatärzten, § 48 Abs. 1 BBG. Ob durch Bestimmung der obersten Dienstbehörde der beauftragte Facharzt als Gutachter zugelassen worden sei, sei unbekannt (§ 48 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BBG). Es werde ferner der Einwand der Verwirkung erhoben. Zeit- und Umstandsmoment der Verwirkung lägen vor. Der Antragsgegnerin müsse vorgeworfen werden, dass es mit ihren Dienstpflichten nicht zu vereinbaren sei, erstmals nach knapp zehn Jahren nach der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit eine erstmalige Reaktivierungsuntersuchung anzuordnen. Das Zeitmoment von knapp zehn Jahren spreche gegen die Berechtigung der Antragsgegnerin und für eine Verwirkung. Das Umstandsmoment, dass im Laufe von zehn Jahren trotz eigener Pflichtenstellung die Untersuchung unterlassen worden sei, begründe ebenfalls die Verwirkung. Ferner sei bei Untersuchungen im Hinblick auf den orthopädischen Formenkreis davon auszugehen, dass zwar orthopädische Erkrankungen und ihre Therapie durchaus langwierig sein könnten, andererseits nach erfolgreicher Therapie eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit gegeben sein könne. Auch dies hätte der Antragsgegnerin Anlass geben müssen, vielleicht nicht ein Jahr nach der Pensionierung, aber jedenfalls vor Ablauf von fünf Jahren eine orthopädische Untersuchung in Auftrag zu geben.
Der Antragsteller beantragt,
Der Antragsgegnerin wird einstweilen untersagt, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über diesen Antrag die Weisung zu einer Reaktivierungsüberprüfung gemäß § 46 Satz 2 BBG vom 8.9.2021 zu vollziehen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Unter dem 21.10.2021 ließ die Antragsgegnerin im Wesentlichen erwidern: Der Antragsteller sei nach § 46 Abs. 7 BBG verpflichtet, sich untersuchen zu lassen. Von dieser gesetzlichen Verpflichtung könne er auch nicht im Rahmen eines Eilverfahrens entbunden werden. Das Eilverfahren diene nicht dazu, gesetzlich eindeutig normierte Verpflichtungen außer Kraft zu setzen. Ein Verwirkungstatbestand sei bereits dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bereits aus diesem Grund könne überhaupt kein Anlass zur Verweigerung der ärztlichen Untersuchung bestehen. Anhand der Reaktion sei vielmehr zu vermuten, dass Dienstfähigkeit vorliege. Durch die Untersuchung als Vorbereitungshandlung könne auch gar kein Rechtsnachteil entstehen, der in einem Eilverfahren dringend zu entscheiden wäre. Es gebe objektiv auch keinen Anlass, die gesetzlich normierte Verpflichtung in irgendeiner Weise einzuschränken. Die Wirksamkeit der Untersuchungsanordnung könne nicht damit bestritten werden, dass nur ein Amtsarzt hierzu befugt sei. Der Gesetzeswortlaut des § 46 Abs. 7 BBG verlange dies in seinem klaren Wortlaut entsprechend nicht. § 48 BBG ermögliche in der Aufzählung ausdrücklich auch andere Ärzte als Gutachter zu benennen. In der beigefügten Anlage „Bestimmung Ärztinnen und Ärzte der I* … als Gutachter*innen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 BBG“ seien in der Namensliste die möglichen Gutachter*innen dargestellt, auf der sich auch der hier angesprochene Arzt befinde. Das pauschale Bestreiten der Kompetenz des Facharztes ohne irgendwelche näheren Anhaltspunkte könnte dem Eilantrag daher nicht zum Erfolg verhelfen. Zur weiteren Erwiderung in dem Punkt angeblicher Verwirkung werde auf den beiliegenden Beschluss des VG Düsseldorf vom 17.9.2021, Az.: 10 L 1946/21, nebst zweitinstanzlicher Entscheidung hierzu, sowie den Beschluss des VG Oldenburg vom 19.7.2018, Az. 6 B 2833/18, verwiesen. Ferner legte die Antragsgegnerin die Sachakte einschließlich des Gutachterauftrags der I* …, die „Bestimmung der Ärztinnen und Ärzte der I* Hellip GmbH (I* …*) als Gutachterinnen und Gutachter nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG)“ sowie die Auftragsbestätigung der I* Hellip GmbH (I* …*) vom 8.9.2021 vor. Auf den Inhalt der Schriftstücke wird jeweils vollumfänglich Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 21.10.2021 ließ der Antragsteller vortragen: Nach Ansicht des BVerwG könne der Antragsteller der Untersuchung fernbleiben und dieses Fernbleiben solle nicht als Dienstpflichtverletzung gewertet werden können (BVerwG, B.v. 1.4.2019 – 2 VR 1/19 – juris). Diese Rechtsprechung sei zum Zurruhesetzungsverfahren ergangen. Sie sei bei der Reaktivierungsuntersuchung ebenfalls anzuwenden. Da der BayVGH dem BVerwG folge, wäre demnach der Antrag bereits unzulässig. Nach dieser Rechtsprechung könne sich der Antragsteller vorbehalten, nicht an der Untersuchung teilzunehmen. Aus der Sachakte sei nicht ersichtlich, dass an den dem Antragsteller mitgeteilten Facharzt ein Untersuchungsauftrag ergangen sei, sondern eine Gutachter GmbH habe den Auftrag an einen Orthopäden weitergegeben. Es werde weiterhin mit Nichtwissen bestritten, dass die GmbH und/ oder der Orthopäde die rechtlichen Voraussetzungen zur Anfertigung solcher beamtenrechtlichen Gutachten besäßen. Es erschließe sich nicht, wie ein Orthopäde die Befähigung besitzen sollte, die Gesundung und Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Antragstellers von einer Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis zu attestieren. 2014 scheine es eine Nachuntersuchung gegeben zu haben, die die Fortdauer der Dienstunfähigkeit attestiert habe. Seitdem seien keine Nachuntersuchungen angeordnet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie die von der Antragstellerin vorgelegte Sachakte Bezug genommen (vgl. § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO entsprechend).
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist unzulässig.
Eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten ist gemäß § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar und ein hierauf gerichteter Rechtsschutzantrag ist deshalb bereits unzulässig. Denn nach § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden.
Vorliegend wendet sich der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung vom 8.9.2021 mit Termin der Untersuchung am 27.10.2021, 11.00 Uhr. Wie aus der Begründung des Schreibens vom 8.9.2021 hervorgeht, handelt es sich bei der Untersuchungsaufforderung um eine Untersuchungsanordnung zur Klärung des Fortbestehens einer Dienstunfähigkeit des Antragstellers.
Wie durch das BVerwG höchstrichterlich geklärt ist, ist eine solche Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten als behördliche Verfahrenshandlung im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens gemäß § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar, sondern – falls der Beamte der Anordnung nicht folgt – nur im Rahmen des (Eil- oder) Klage-)Verfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung (inzidenter) gerichtlich überprüfbar. Eine Untersuchungsanordnung ist als gemischt dienstlich-persönliche Weisung mangels unmittelbarer Außenwirkung kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Ein hierauf gerichteter Rechtsschutzantrag ist deshalb unzulässig (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 18 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies damit, dass es sich bei der Aufforderung zur Untersuchung lediglich um einen ersten Schritt in einem gestuften Verfahren handelt, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet. Die Untersuchung dient der Ermittlung der medizinischen Daten, die nötig sind, um festzustellen, ob der Beamte dienstunfähig ist. Auf der Basis dieser vom Dienstherrn zu treffenden Feststellung wird ggf. das Zurruhesetzungsverfahren fortgeführt.
Unter Aufgabe der früheren Spruchpraxis – von einer in § 44a Satz 2 VwGO geregelten Ausnahme und damit von der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO auszugehen, weil die Möglichkeit bestehe, dass die Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung an den Beamten mit disziplinarischen Mitteln geahndet werde (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris Rn. 8 m.w.N.) – hat sich im Jahr 2019 auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Erwägungen und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen (so bereits unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht in BayVGH, B.v. 7.6.2019 – 3 CE 19.847 – juris Rn. 8, 9 und – 3 CE 19.916 – juris Rn. 13, 14; explizit für den Bereich des Bundesbeamtenrechts BayVGH, B.v. 7.6.2019 – 6 CE 19.942 – juris; s. ausführlich ebenso OVG NW, B.v. 22.8.2019 – 1 B 1511.18 – juris Rn. 7 ff.; OVG SH, B.v. 24.7.2019 – 2 MB 1.19 – juris Rn. 4 ff.; VGH BW, B.v. 13.1.2020 – 4 S 2269.19 – juris).
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert Art. 19 Abs. 4 GG auch unter dem Gesichtspunkt der möglichen disziplinarrechtlichen Sanktion keine isolierte (und vorläufige) Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine Untersuchungsanordnung (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 25 ff. zu § 44 Abs. 1, 6 BBG). Denn die Wirkungen der Untersuchungsanordnung kommen einer Vollstreckbarkeit nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen nicht so nahe, dass der Ausschluss isolierten Rechtsschutzes unzumutbar ist.
Zwar ist der Beamte nach § 44 Abs. 6 BBG verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde untersuchen zu lassen. Nach § 62 Satz 2 BBG sind Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen zu befolgen. Kommt der Beamte einer Untersuchungsanordnung nicht nach, verletzt er seine Dienstpflicht aus § 44 Abs. 6 BBG. Nach der gesetzlichen Konzeption des Bundesbeamtengesetzes steht es dem Beamten nicht frei, einer Untersuchungsaufforderung nachzukommen oder nicht. Dem aktiven Beamten droht jedoch auch bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme; vielmehr handelt es sich um eine nur theoretische Möglichkeit. Kommt es im Einzelfall gleichwohl zu einem Disziplinarverfahren, wäre die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 BDG zu prüfen und die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung hätte regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge. Rechtliche oder faktische Nachteile schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind ohnehin unbeachtlich, zumal auch sonst ein Beamter keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die bloße Einleitung eines Disziplinarverfahrens hat. Auch der Aspekt der Grundrechtsrelevanz der ärztlichen Untersuchung erfordert keinen isolierten (und vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn wenn der Beamte sich der angeordneten Untersuchung nicht unterzieht, drohen ihm keine unzumutbaren Nachteile (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 25 ff.).
Diesen Erwägungen schließt sich die zur Entscheidung berufene Kammer an. Wenngleich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Fall einer Untersuchungsanordnung im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens erging, ergibt sich vorliegend für die Untersuchungsanordnung zur Prüfung des Fortbestehens der Dienstunfähigkeit des Antragstellers im Rahmen eines Reaktivierungsverfahrens nichts anderes. Die vom Bundesverwaltungsgericht angestellten Erwägungen sind auf die vorliegende Fallkonstellation der Untersuchungsanordnung zur Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten übertragbar. Die Verpflichtung des Ruhestandsbeamten zur ärztlichen Untersuchung ergibt sich aus § 46 BBG. Nach § 46 Abs. 7 Satz 1 BBG sind Beamtinnen und Beamte zur Prüfung ihrer Dienstfähigkeit verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen zu lassen. Nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BBG gilt es bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten sowie früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen als Dienstvergehen, wenn sie einer Verpflichtung nach § 46 Abs. 7 BBG schuldhaft nicht nachkommen.
Nach den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts ist auch für den Fall eines Ruhestandsbeamten davon auszugehen, dass selbst der Aspekt der Grundrechtsrelevanz der ärztlichen Untersuchung keinen isolierten und vorläufigen Rechtschutz gegen die Untersuchungsanordnung erfordert. Unterzieht sich der Ruhestandsbeamte der angeordneten Untersuchung nicht, drohen ihm – ebenso wie dem aktiven Beamten – keine unzumutbaren Nachteile. Denn dem Ruhestandsbeamten steht – wie dem aktiven Beamten gegen seine Zurruhesetzungsverfügung – Rechtschutz gegen eine in einem weiteren Schritt erst noch erfolgende Reaktivierungsentscheidung des Dienstherrn zu.
Das Bundesverwaltungsgericht geht im Fall der Untersuchungsanordnung im Rahmen einer Zurruhesetzung (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 28) davon aus, dass dem Beamten kein Disziplinarverfahren droht, wenn er die Untersuchungsanordnung befolgt. Befolgt der Beamte die Untersuchungsanordnung dagegen nicht, wird der Dienstherr in der Regel das (statusverändernde) Zurruhesetzungsverfahren weiter betreiben und in diesem Rahmen wegen des Rechtsgedankens des § 444 ZPO – bzw. in den Ländern, in denen ausdrücklich geregelt ist, dass bei rechtsgrundloser Verweigerung der ärztlichen Untersuchung der Beamte so behandelt werden kann, als sei Dienstunfähigkeit festgestellt, nach der jeweiligen Bestimmung des Landesrechts – von der Dienstunfähigkeit des Beamten ausgehen und die Zurruhesetzung verfügen. Nichts anderes kann für die vorliegende Reaktivierung gelten. Entzieht sich ein Ruhestandsbeamter ohne hinreichenden Grund einer vom Dienstherrn angeordneten ärztlichen Überprüfung, ob er wieder dienstfähig ist, stellt dies ein erhebliches Indiz gegen die Fortdauer der Dienstunfähigkeit dar (vgl. OVG NW, B.v. 2.1.2003 – 6 B 2110/02 – BeckRS 2003, 14204, Rn. 2 m.w.N.). Nach diesem Grundsatz kann das die Benutzung eines bestimmten Beweismittels schuldhaft vereitelnde Verhalten einer Partei als ein Umstand gewertet werden, der – wenn auch nicht notwendig – für die Richtigkeit des Vorbringens des Gegners spricht (vgl. BVerwG, B.v. 19.6.2000 – 1 DB 13/00 – NVwZ 2001, 436, 437; BVerwG, U.v. 18.9.1997 – 2 C 33/96 – NVwZ-RR 1998, 574; BVerwG, U.v. 26. 4. 1960 – II C 68/58 – NJW 1960, 2114, 2115). Mithin kann die für eine Reaktivierung in das aktive Beamtenverhältnis vorauszusetzende Erwartung, der Beamte werde den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügen, grundsätzlich darauf gestützt werden, dass dieser sich ohne hinreichenden Grund einer angeordneten ärztlichen Untersuchung entzogen hat, wodurch die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit angenommen wird.
Auch im Übrigen sind die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts auf den vorliegenden Fall übertragbar. Anders als bei einem aktiven Beamten (und damit anders als in dem dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorliegenden Fall) kommen als Disziplinarmaßnahme gegen Ruhestandsbeamte nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BDG grundsätzlich die Kürzung des Ruhegehalts (§ 11 BDG) und die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG) in Betracht. Allerdings ist auch hier davon auszugehen, dass in der Praxis die Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung im Rahmen eines Reaktivierungsverfahrens – für sich genommen – nur höchst selten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens und den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme zur Folge hat (so VG Magdeburg, U.v. 28.1.2020 – 15 A 5/19 – juris zu einer Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehaltes wegen einer Verweigerung der angeordneten ärztlichen Untersuchung). Es ist damit auch im Fall einer Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten mit dem Bundesverwaltungsgericht davon auszugehen, dass damit dem Beamten auch bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme droht. Auch insoweit gilt für den Ruhestandsbeamten:
Selbst für den Fall der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bleibt es dem Beamten unbenommen, die Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen der Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme überprüfen zu lassen. Im Falle der Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung bliebe die Nichtbefolgung regelmäßig sanktionslos. Rechtliche oder faktische Nachteile schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind ohnehin unbeachtlich; auch sonst hat ein Beamter keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die bloße Einleitung eines Disziplinarverfahrens (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 29).
Bei der vorliegenden Untersuchungsanordnung im Reaktivierungsverfahren handelt es sich, wie auch bei der Untersuchungsanordnung im Zurruhesetzungsverfahren um die „erste Stufe“ und nicht um eine vom Dienstherrn in der „zweiten Stufe“ anzuordnende Maßnahme, die einer Untersuchungsanordnung nachfolgt oder sie voraussetzt, so dass die o.g. Aspekte auch übertragbar sind (gegen die Übertragbarkeit und für die Möglichkeit des Rechtsschutzes, ohne, dass § 44a VwGO entgegensteht, beispielsweise bei der Anordnung, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen: BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 38).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist demnach bereits als unzulässig abzulehnen, so dass es auf die vom Antragsteller vorgetragenen Zweifel an der Gutachterauswahl sowie eine etwaige Verwirkung nicht mehr ankommt.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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