Arbeitsrecht

Beförderungsrichtlinien der Universitätskliniken – Facharztanerkennung

Aktenzeichen  AN 1 K 13.02072

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47896
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
BayUniKlinG Art. 14 Abs. 2
ZustV-WFKM § 1

 

Leitsatz

1. Der Beamte hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung, jedoch kann er verlangen, dass über seine Bewerbung ohne Rechtsfehler auf Grund leistungsbezogener Kriterien entschieden und von praktizierten, das Ermessen bindenden Richtlinien nicht zu seinem Nachteil abgewichen wird (stRspr, BVerwG BeckRS 2003, 25254). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die “Leitlinien des Klinikums für die Beförderung von Ärzten im Beamtenverhältnis”, die eine Beförderung bei fehlender Facharztanerkennung ausschließen, müssen bei der Entscheidung über die Beförderung unberücksichtigt bleiben. Denn zum Erlass von Beförderungsrichtlinien für das im Dienst des Freistaats Bayern stehende wissenschaftliche Personal, das an den Universitätskliniken tätig ist, sind die Bayerischen Staatsministerien zuständig und nicht die Universitätskliniken. (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist zweifelhaft, ob das in den Beförderungsrichtlinien festgelegte Erfordernis einer Facharztanerkennung für die Beförderung einer Überprüfung am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG standhält (Parallelentscheidung BeckRS 2016, 47897). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Universitätsklinikums E. vom 30. April 2013 und der Widerspruchsbescheid des Universitätsklinikums E. vom 30. Oktober 2013 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Beförderungsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
6. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die streitgegenständlich erhobene Verbescheidungsklage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Begehren auf Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 14. Der Bescheid des Universitätsklinikums E. vom 30. März 2013 und der Widerspruchsbescheid dieser Behörde vom 30. Oktober 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B. v. 23.10.2008 – 2 B 114/07, juris Rn. 7) hat ein Beamter grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn besteht grundsätzlich nur in den Grenzen des bereits bekleideten statusrechtlichen Amtes (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 30.8.1962 – 2 C 16.60, BVerwGE 15, 3 sowie z. B. U. v. 26.6.1986 – 2 C 41.84, Buchholz 237.4 § 8 LBG Hamburg Nr. 1 und v. 31.5.1990 – 2 C 16.89, Buchholz 237.6 § 14 NdsLBG Nr. 1).
Andererseits gilt für die Besetzung von Beförderungsämtern einer Laufbahn ausschließlich der Leistungsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen außerhalb von Art. 33 Abs. 2 GG Verfassungsrang eingeräumt ist (BVerwG, U. v. 28.10.2004 – C 23.03, BVerwGE 122, 147 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30). Der Dienstherr ist bei der Anwendung des ihm im Rahmen des Leistungsgrundsatzes eingeräumten Beurteilungsspielraums verpflichtet, neben dem Interesse an der bestmöglichen Besetzung einer Beförderungsstelle auch dem Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Aufstieg Rechnung zu tragen (BVerwG, U. v. 17.9.1964 – 2 C 121.62, BVerwGE 19, 252, 255 = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 6, v. 9.10.1975 – 2 C 62.73, BVerwGE 49, 214, 220 und vom 16.10.1975 – 2 C 43.73 – BVerwGE 49, 232, 237). Er darf deshalb den Beamten nicht aus unsachlichen Gründen von der Beförderung ausschließen. Der Beamte kann beanspruchen, dass über seine Bewerbung ohne Rechtsfehler vorrangig aufgrund leistungsbezogener Kriterien entschieden und von praktizierten, das Ermessen bindenden Richtlinien nicht zu seinem Nachteil grundlos abgewichen wird (st.Rspr, vgl. u. a. U. v. 21.8.2003 – 2 C 14.02, BVerwGE 118, 370, 372 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 27 m. w. N.).
Hiervon ausgehend macht die Klägerin zutreffend nur einen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Beförderungsantrag geltend. Sie hat mit diesem Begehren auch Erfolg.
Das Universitätsklinikum E. stützt seine Entscheidung, die Klägerin nicht zur Akademischen Oberrätin (BesGr A 14) zu befördern, auf die – in der 265. Sitzung des Klinikumsvorstands vom 23. Januar 2012 beschlossenen – „Verwaltungsinternen Leitlinien des Klinikums bei Ernennungen und Beförderungen von Ärzten im Lebenszeitbeamtenverhältnis“, insbesondere auf das Fehlen der hiernach erforderlichen Facharztanerkennung der Klägerin.
Die genannten Leitlinien sind jedoch nicht rechtswirksam und vermögen deshalb eine Ablehnung des Beförderungsantrags der Klägerin nicht zu tragen.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Klägerin ist gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Universitätsklinika des Freistaats Bayern (Bayerisches Universitätsklinikagesetz – BayUniKlinG) vom 23. Mai 2006 (GVBl 2006, 285), in Kraft getreten am 1. Juni 2006, Beamtin des Beklagten. Zwar ist das Universitätsklinikum E. als selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts und damit nach Art. 18 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz als „andere Behörde“, der nach § 1 Nr. 2 der Verordnung über dienstrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (ZustV-WFKM) vom 3. Januar 2011 (GVBl 2011, 26) die Zuständigkeit für die Beamten i. S. v. Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 BayUniKlinG wirksam übertragen wurde, Ernennungsbehörde für die Klägerin und damit auch zuständig für deren Beförderung in ein höherwertiges Amt.
Das Universitätsklinikum E. als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht berechtigt, eigene und damit spezifisch nur für seinen Bereich geltende Beförderungsrichtlinien für das beim Klinikum beschäftigte, jedoch nach der oben genannten Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 BayUniklinG nach wie vor im Dienst des Beklagten stehende beamtete wissenschaftliches Personal zu erlassen. Durch den Verbleib der Akademischen Räte in einem Dienstverhältnis zum Beklagten wurde, wie aus den Gesetzesmaterialien hervorgeht, seitens des Gesetzgebers der vorrangigen Aufgabe der betroffenen Bediensteten in Forschung und Lehre Rechnung getragen und mehrfach erhobenen Forderungen des Wissenschaftsrates nach einer Stärkung der wissenschaftlichen Tätigkeit des genannten Personals entsprochen (vgl. hierzu Landtagsdrucksache 15/4398 vom 6.12.2005, Seite 14). Obwohl der genannte Personenkreis nach Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 BayUniKlinG auch in der ärztlichen Versorgung der Kliniken eingesetzt und dem entsprechend gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 BayUniKlinG auch die Bezahlung durch die Kliniken erfolgt, ist zur Wahrung der Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG sicherzustellen, dass für die im Dienste des Beklagten stehenden wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen i. S. d. Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayHSchG, die an Universitätskliniken eingesetzt sind (Art. 14 Abs. 2 Nr. 4 BayUniKlinG), einheitliche Beförderungsrichtlinien gelten.
Dies ergibt sich auch aus der Regelung des Art. 3 Abs. 2 LlbG.
Danach findet für die Zuständigkeit zum Erlass von Verwaltungsvorschriften, zu denen auch Beförderungsrichtlinien gehören, Art. 15 BayBG Anwendung.
Gemäß Art. 15 BayBG erlässt die zu seiner Durchführung erforderlichen Verwaltungsvorschriften das Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat im Benehmen mit den jeweils beteiligten Staatsministerien, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt; Verwaltungsvorschriften, die nur den Geschäftsbereich eines Staatsministeriums betreffen, erlässt dieses Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat.
Da eine Übertragung der Zuständigkeit für den Erlass von Beförderungsrichtlinien auf die Universitätskliniken in der ZustV-WFKM nicht erfolgt ist (vgl. die abschließende Aufstellung in § 3 ZustV-WFKM), wäre eine entsprechende Beförderungsrichtlinie für das im Dienste des Freistaats Bayern stehende wissenschaftliche Personal, das an den fünf in einer Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts in Bayern vorhandenen Universitätskliniken (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayUniKlinG) tätig ist, durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zu erlassen.
Auf diese Weise würden unter Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG einheitliche Chancen auf Beförderung für den oben bezeichneten Personenkreis gewährleistet und dem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch potentieller Konkurrenten auf einen Beförderungsdienstposten Rechnung getragen.
Dies ist durch die derzeitig praktizierte Handhabung des Erlasses gesonderter Beförderungsrichtlinien durch das Universitätsklinikum E. bzw. der anderen vier bayerischen Universitätskliniken nicht gewährleistet.
Es kann deshalb offen bleiben, ob die Behauptung des Beklagten zutrifft, bei Entscheidungen über Beförderungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter sei die in den Richtlinien des Universitätsklinikums genannte Voraussetzung des Vorliegens eines Antrags des Chefarztes, die ersichtlich kein leistungsbezogenes Auswahlkriterium im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG darstellt, im tatsächlichen Verwaltungsvollzug nicht gefordert, sondern nur auf die in der dienstlichen Beurteilung ausgesprochene Verwendungseignung abgestellt worden (vgl. die Ausführungen der Bevollmächtigten des Beklagten im Schriftsatz vom 16.6.2015).
In diesem Zusammenhang wäre auch zu hinterfragen, ob das in den Beförderungsrichtlinien des Universitätsklinikums E. festgelegte Erfordernis einer Facharztanerkennung für eine Beförderung einer Überprüfung an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG standhält. Denn auch insoweit ist in den Blick zu nehmen, dass nach den oben bereits dargestellten Erwägungen des Gesetzgebers bei Erlass des Bayerischen Universitätsklinikagesetzes gerade die wissenschaftliche Tätigkeit der wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Universitätskliniken gestärkt werden sollte. Es erscheint deshalb zweifelhaft, dass ein Aufstieg in der genannten Gruppe ausgeschlossen sein sollte, sofern ein wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht über die Facharztanerkennung verfügt.
Nach alledem war der Klage daher stattzugeben.
Als unterliegender Beteiligter trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es der Klägerin nach ihren persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren ohne rechtskundigen Rat alleine zu betreiben (vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 14. Aufl., Rn. 13 zu § 162).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen