Arbeitsrecht

Berücksichtigung von Ausbildungszeiten bei Festsetzung von Versorgungsbezügen

Aktenzeichen  M 12 K 15.1687

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 u. 3
APOgD § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1,

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Entscheidung kann ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, die im Zeitraum vom 1. April 1967 bis 31. März 1970 beim Land Berlin in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis absolvierte Zeit als Verwaltungslehrling als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzuerkennen und die Versorgungsbezüge dementsprechend neu festzusetzen. Der Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2015 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO).
1. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist Art. 20 Abs. 1 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG). Nach dem Versorgungsfallprinzip ist das Recht maßgeblich, das zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles anwendbar ist. Für den Kläger als Landesbeamten ist dies nicht mehr das Bundesbeamtenversorgungsgesetz (BBeamtVG), sondern das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz, das dieses ersetzt (Art. 117 BayBeamtVG).
Nach Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG kann die Mindestzeit der vorgeschriebenen Ausbildung (insbesondere Fachschul-, Hochschul-, und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit) als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden.
Welche Ausbildung vorgeschrieben ist, bestimmt sich nach den laufbahnrechtlichen Regelungen zur Zeit der Ableistung der jeweiligen Ausbildung (BVerwG, B.v. 6.5.2014 – 2 B 90/13 – juris).
Bei mehreren aufeinanderfolgenden Beamtenverhältnissen bleiben bei der Versorgung aus dem neu begründeten Beamtenverhältnis Ausbildungsanforderungen für das frühere Beamtenverhältnis jedenfalls dann außer Betracht, wenn der Beamte nacheinander mehrere rechtlich und sachlich voneinander unabhängige Beamtenverhältnisse eingegangen ist und einen Versorgungsanspruch nur aus dem Beamtenverhältnis erworben hat, aus dem er in den Ruhestand getreten ist (BVerwG, U.v. 25.10.1972 – VI C 4.70 – juris).
Vorliegend hat der Kläger lediglich aus dem am 1. September 1987 beim Beklagten begründeten Beamtenverhältnis einen Versorgungsanspruch erworben. Die zuvor beim Land Berlin und bei der Landeshauptstadt München eingegangenen Beamtenverhältnisse haben durch Entlassung geendet.
Ob im Hinblick darauf, dass der Kläger nach der Beendigung seines Beamtenverhältnisses beim Land Berlin sowohl von der Landeshauptstadt München als auch vom Beklagten laufbahngleich ohne erneute Probezeit zum Beamten auf Lebenszeit ernannt wurde, eine Kontinuität der nacheinander eingegangenen Beamtenverhältnisse mit der Folge angenommen werden kann, dass die für das erste Beamtenverhältnis beim Land Berlin vorgeschriebenen Ausbildungsanforderungen für die Bestimmung der anrechenbaren Ausbildungszeit maßgebend wären (vgl. VGH Mannheim, B.v. 26.8.1991, 4 S 920/90 – juris), kann vorliegend dahinstehen. Denn der Kläger hat weder bei Zugrundelegung der bayerischen Ausbildungsanforderungen noch der Anforderungen des Landes Berlin Anspruch auf Berücksichtigung seiner Zeit als Verwaltungslehrling als ruhegehaltsfähige Dienstzeit.
a) Bei Zugrundelegung der Ausbildungsanforderungen des Landes Berlin ergibt sich die vorgeschriebene Ausbildung aus der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung für den gehobenen nichttechnischen Dienst der allgemeinen Verwaltung (APOgD) vom 1.4.1964 (Dienstblatt Teil I, S. 54 ff.). Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 APOgD durften zur Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Dienstes der allgemeinen Verwaltung nur Bewerber zugelassen werden, die das Reifezeugnis eines Gymnasiums oder eine entsprechende Schulbildung besitzen (a) oder das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Realschule oder eine gleichwertige Schulbildung besitzen und eine Verwaltungslehre erfolgreich beendet haben (b). Gem. § 6 Abs. 1 APOgD besteht die Ausbildung für die Bewerber mit Reifezeugnis lediglich aus dem Vorbereitungsdienst, für die übrigen Bewerber aus der Verwaltungslehre und dem Vorbereitungsdienst. Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass im Land Berlin – anders als zur damaligen Zeit noch in Bayern – die Hochschulreife die Regelschulbildung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes war. Eine Verwaltungslehre war kein Teil der allgemein geforderten Ausbildung. Vielmehr war sie von Bewerbern mit lediglich mittlerem Schulabschluss als Ersatz für die fehlende Vorbildung schulischer Art vor der Zulassung zum Vorbereitungsdienst zu absolvieren.
Die allgemeine Schulbildung – wie hier die Hochschulreife – zählt jedoch gem. Art. 20 Abs. 3 BayBeamtVG nicht zur vorgeschriebenen Ausbildung. Dies gilt auch dann, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – durch eine andere Art der Ausbildung ersetzt wurde. Eine Berücksichtigung der Zeit als Verwaltungslehrling kommt daher unter Zugrundelegung der Ausbildungsvorschriften des Landes Berlin nicht in Betracht.
b) Gleiches gilt bei Zugrundelegung der damals geltenden bayerischen Ausbildungsvorschriften. Maßgeblich wäre danach die Gemeinsame Zulassungs- und Ausbildungsordnung für den mittleren und gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst (GZA Verw) vom 14.1.1966 (GVBl S. 84 ff.). Gem. § 3 GZA Verw war zu Beginn der Ausbildung des Klägers als Verwaltungslehrling am 1. April 1967 in Bayern kein Praktikum als Dienstanfänger vorgeschrieben. § 3 Abs. 1 Nr. 4 GZA Verw, der ein zweijähriges Praktikum als Dienstanfänger vorsah, ist gem. § 26 Abs. 1 GZA Verw erst am 1. September 1968 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich der Kläger in Bayern jedoch bereits im Vorbereitungsdienst befunden (s.u.).
Da der Kläger zu Beginn seiner Ausbildung beim Land Berlin das gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 GZA Verw geforderte Mindestalter von 18 Jahren noch nicht erreicht hatte, hätte der Kläger zwar nach bayerischer Rechtslage gem. § 24 Abs. 1 Verordnung über die Laufbahnen der bayerischen Beamten (LbV) vom 17.10.1962 (GVBl S. 251 ff.) vor dem Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis als sog. Dienstanfänger beschäftigt werden können. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine vorgeschriebene Ausbildung i. S. d. Art. 20 BayBeamtVG. Die Regelung diente lediglich dazu, die Möglichkeit zu eröffnen, Bewerber, die das Mindesteinstellungsalter noch nicht erreicht haben, bereits an die Verwaltung zu binden. Gem. Art. 26 LbV können Dienstanfänger, die sich bewährt haben, bei Vorliegen der sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen als Beamte auf Widerruf in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden. Es bestand weder eine Verpflichtung zur Einstellung als Dienstanfänger seitens des Beklagten noch eine Verpflichtung des Bewerbers, vor der Einstellung als Beamter auf Widerruf eine Ausbildung als Dienstanfänger zu durchlaufen. Beiden Parteien hätten vielmehr die Vollendung des 18. Lebensjahres abwarten können. Die Einstellung des Klägers wäre dann direkt im Beamtenverhältnis auf Widerruf erfolgt. Der Überbrückungszeitraum als Dienstanfänger bis zum Erreichen des Mindesteinstellungsalters kann daher nicht gem. Art. 20 BayBeamtVG als vorgeschriebene Ausbildungszeit anerkannt werden.
Mit dem Erreichen des Mindesteinstellungsalters, im Fall des Klägers somit zum 5. April 1968, wäre der Kläger in Bayern als Beamter auf Widerruf eingestellt worden (§ 26 LbV), ohne zuvor ein Praktikum als Verwaltungslehrling oder Dienstanfänger durchlaufen zu haben. Der Kläger hätte alle zum damaligen Zeitpunkt geltenden Zulassungsvoraussetzungen für den gehobenen Dienst gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GZA Verw erfüllt. Dies wurde nach Auskunft des Beklagten in der Praxis auch bei Bewerbern, die zuvor als Dienstanfänger begonnen hatten, so gehandhabt. Dementsprechend bestimmt auch § 26 Abs. 3 GZA Verw für am 31. August 1968 vorhandene Dienstanfänger, dass das Praktikum für Dienstanfänger des gehobenen Dienstes mit Vollendung des 18. Lebensjahres endet.
Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Tatsache, dass der Kläger in Bayern bereits mit Erreichen des Mindesteinstellungsalters in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden wäre, nicht dazu, dass ihm die Zeit als Verwaltungslehrling beim Land Berlin ab Vollendung des 18. Lebensjahres nunmehr als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anerkannt werden müsste. Gem. Art. 14 Abs. 1 BayBeamtVG ist ruhegehaltsfähig die Dienstzeit, die der Beamte ab der ersten Berufung in ein Beamtenverhältnis im Dienst eines inländischen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurückgelegt hat. Die erstmalige Berufung des Klägers in ein Beamtenverhältnis ist zum 1. April 1970 beim Land Berlin erfolgt. Sonstige Zeiten können nur nach den Art. 15 ff. BayBeamtVG als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anerkannt werden, Ausbildungszeiten speziell gem. Art. 20 BayBeamtVG. Nachdem es sich bei der Verwaltungslehre des Klägers nicht um eine vorgeschriebene Ausbildung handelt (s.o.), kann diese Zeit nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Eine fiktive Vorverlegung des Zeitpunkts der erstmaligen Verbeamtung ist nicht möglich.
Auch aus der Tatsache, dass seitens des Landes Berlin für die Zeit der Verwaltungslehre offenbar eine Nachversicherung erfolgt ist, kann nicht gefolgert werden, dass der nunmehr die Versorgung gewährende Dienstherr diese Zeit als ruhegehaltsfähig berücksichtigen müsste. Es hat sich hierbei nämlich weder um eine Tätigkeit in einem Beamtenverhältnis noch um eine nach dem maßgeblichen Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG vorgeschriebene Ausbildung gehandelt.
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 4.043,52 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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