Arbeitsrecht

Berufung, Elterngeld, Arbeitgeber, Dienstherr, Revision, Sozialversicherung, Wohnhaus, Bescheid, Lehrkraft, Bundesamt, Leistungsanspruch, Widerspruch, Schulleitung, Anspruch, Bundesrepublik Deutschland, Wert des Beschwerdegegenstandes, bisherige Wohnung

Aktenzeichen  L 9 EG 41/18

Datum:
29.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53371
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Trotz gewisser Ähnlichkeit zu einer Entsendung bzw. Abordnung nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BEEG, ist eine Entsendung gem. § 4 SGB IV einer Auslandsdienstlehrkraft bei Lehrtätigkeit an einer Auslandsschule und Abschluss eines eigenen Dienstvertrags mit dieser Schule bei gleichzeitiger Beurlaubung von dem öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis bzw. eine Abordnung, Versetzung oder Kommandierung im Rahmen des in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses nicht gegeben.
2. Eine erweiternde Auslegung des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BEEG ist nicht möglich.
3. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

Verfahrensgang

S 9 EG 15/17 2018-09-19 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 19. September 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 13.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2017 abgewiesen.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2017. In der Sache wendet sich die Klägerin gegen die Ablehnung von Elterngeld und begehrt dessen Gewährung für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer am 28.09.2016 geborenen Tochter. Statthaft ist damit eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht gemäß § 151 SGG am 07.11.2018 gegen das am 10.10.2018 zugestellte Urteil des SG beim LSG eingelegt. Die Berufung ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 SGG, die Klägerin hat zwar das von ihr begehrte Elterngeld nicht beziffert, da sie jedoch für 12 Lebensmonate Elterngeld begehrt, wird der Wert des Beschwerdegegenstandes bereits bei Annahme des Mindestbetrags von 300.- Euro monatlich den Grenzwert von 750.- Euro weit übersteigen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das SG dargestellt, dass ein Anspruch der Klägerin nach der Abreise nach H nicht aus einem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen ableitbar ist. Weiterhin zutreffend hat das SG dargestellt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihrer Abreise weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und damit die Anspruchsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 BEEG nicht erfüllt. Ebenfalls zutreffend hat das SG ausgeführt, dass sich ein Anspruch auch nicht aus § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 BEEG ergeben kann. Im Zeitraum vor der Abreise nach H bezog die Klägerin Mutterschaftsgeld i. H. v. 73,85 Euro kalendertäglich, so dass aus diesem Grund kein Anspruch auf Elterngeld bestand. Diesbezüglich wird vollumfänglich gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die umfassende Begründung des SG verwiesen.
Es wird nicht verkannt, dass eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Entsendung bzw. Abordnung nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BEEG dem vorliegenden Fall nicht abgestritten werden kann. Denn der Ehemann der Klägerin wurde durch Vermittlungsbescheid vom 05.11.2015 durch das ZfA als deutsche Auslandsdienstlehrkraft an die DSIS verpflichtet. Auch übernahm die ZfA die Gehaltszahlungen in Form von Zuwendungen. Auch ergibt sich aus dem Gesetz über die Förderung deutscher Auslandsschulen (Auslandsschulgesetz), dass der Bund die Schulaufsicht führt und den deutschen Auslandsschulen Weisungen erteilen kann (§ 4 Auslandsschulgesetz). In § 11 Auslandsschulgesetz wird geregelt, dass die erforderlichen Lehrkräfte den deutschen Auslandsschulen durch den Bund auf bestimmte Zeit vermittelt werden und der Bund sicherstellt, dass die deutschen Auslandsschulen nicht aus eigenen Mitteln für die Kosten der Vergütung der vermittelten erforderlichen Lehrkräfte aufkommen müssen.
Dennoch ist diese Vermittlung durch die ZfA weder eine Entsendung gemäß § 4 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) noch eine Abordnung, Versetzung oder Kommandierung im Rahmen des in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 BEEG. Denn der Ehemann der Klägerin ist gerade nicht im Rahmen seines bestehenden Arbeitsverhältnisses bzw. öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses vorübergehend ins Ausland gesandt worden. Das öffentlich-rechtliche Zuwendungsverhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland stellt kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis i. S. v. § 7 SGB IV dar, denn er war der Bundesrepublik Deutschland nicht zur Leistung nichtselbständiger Arbeit verpflichtet und hat auch nicht auf deren Weisung und unter Eingliederung in deren Arbeitsorganisation gearbeitet (vgl. BSG, Urteil vom 23.10.2003, B 4 RA 15/03 R, RdNr. 23). Vielmehr hat der Ehemann der Klägerin mit dem Träger der Auslandsschule einen eigenen Dienstvertrag abgeschlossen. Von seinem öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis mit dem Freistaat Bayern war er in dieser Zeit ohne Dienstbezüge beurlaubt. Nur Fachberater schließen mit der ZfA direkt einen Arbeitsvertrag ab (vgl. Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und den Kultusministern der Länder der Bundesrepublik Deutschland zum Einsatz von Lehrkräften im deutschen Auslandsschulwesen und zum Gesetz über die Förderung Deutscher Auslandsschulen vom 05.12.2013, 2.1.1(Rechtlicher Status)). In dem mit dem Träger der Schule geschlossenen Arbeitsvertrag ist auch geregelt, dass der Schulleiter als Vorgesetzter entsprechende Weisungsbefugnisse für die innere Ordnung der Schule und die schulrechtlichen Vorschriften des Gastlandes hat. Ausgenommen von der Weisungsbefugnis des Schulleiters sind nur Angelegenheiten, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffen. Der Ehemann der Klägerin ist damit nicht im Rahmen eines bestehenden Dienstverhältnisses ins Ausland entsandt worden, sondern hat in H einen neuen Dienstvertrag geschlossen, der unabhängig von seinem Beamtenverhältnis im Freistaat Bayern galt. Damit unterliegt diese Fallkonstellation nicht dem in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 vorausgesetzten Sachverhalt (vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2020, B 10 EG 7/18 R, RdNr. 48 f. für ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis; danach genügt ein verbliebenes Rumpfarbeitsverhältnis, das ruhend gestellt wurde, bei Begründung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber nicht für die Annahme des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BEEG).
Eine erweiternde Auslegung des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BEEG auf den vorliegenden Sachverhalt ist nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2010, B 10 EG 12/09 R, für die entsprechende Regelung des § 1 Abs. 2 S. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz – BErzGG). Dies gebieten weder Wortlaut, systematische Stellung, Zweck oder Entstehungsgeschichte. Insbesondere, da durch § 1 Abs. 2 BEEG bereits Ausnahmen von der grundsätzlichen Voraussetzung des Vorliegens eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland geregelt werden, ist diese Vorschrift eng zu interpretieren (BSG a. a. O., RdNr. 20 f.).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nach dem BSG (Urteil vom 27.03.2020, B 10 EG 7/18 R, RdNr. 51 f.; Urteil vom 24.06.2010, B 10 EG 12/09 R, RdNr. 32 zur identischen Regelung in § 1 Abs. 2 BErzGG), dessen Meinung der Senat vorliegend folgt, nicht. Die Anknüpfung der Elterngeldberechtigung an einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder an ein Fortbestehen des inländischen Sozialversicherungsverhältnisses bzw. öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses ist keine willkürliche Leistungsvorgabe. Der Gesetzgeber hat bei der Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er Elterngeld als steuerfinanzierte Sozialleistungen gewährt, einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2011, 1 BvR 1853/11; BSG, Urteil vom 21.06,2016, B 10 EG 8/15 R, RdNr. 28). Dies gilt auch für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Willkürverbot gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz oder aus anderen Verfassungsnormen ergibt sich nicht die Verpflichtung, im Ausland lebende deutsche Staatsangehörige generell bei der Gewährung von Elterngeld zu berücksichtigen. Durch die Gewährung von Elterngeld grundsätzlich nur an Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, wird das gesetzgeberische Ziel verfolgt, die Änderung der Lebenssituation infolge der Elternschaft unter den spezifischen wirtschaftlichen Verhältnissen in Deutschland auszugleichen. Durch § 1 Abs. 2 BEEG lässt der Gesetzgeber diese Leistungen auch Personen zukommen, die während eines nur vorübergehenden Auslandsaufenthaltes noch einen hinreichend engen Bezug zur inländischen Arbeitswelt haben. Die Differenzierung danach, ob weiterhin eine inländische Sozialversicherungspflicht besteht bzw. das öffentlich-rechtliche Dienst- oder Amtsverhältnis weiterbesteht, ist ein sachgerechtes Differenzierungskriterium, das insbesondere aufgrund des weiten Gestaltungfreiraums des Gesetzgebers nicht zu beanstanden ist.
Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 und Nummer 3 BEEG werden nicht erfüllt, der Ehemann der Klägerin war nicht als Entwicklungshelfer, Missionar, Mitglied oder Vereinbarungspartner des evangelischen Missionswerks Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionare e. V., des Deutschen Katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen tätig und er war auch nicht in einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig. Auch hat der Ehemann der Klägerin nicht vorübergehend eine nach § 123 a Beamtenrechtsrahmengesetz oder § 29 Bundesbeamtengesetz zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrgenommen.
Die Berufung ist danach nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.


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