Arbeitsrecht

Beschwerde wegen Nichtbearbeitung eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe – Anhörungsrüge

Aktenzeichen  2 L 16/22, 2 L 166/21

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0210.2L16.22.00
Normen:
§ 67 Abs 4 S 1 VwGO
§ 152a VwGO
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Zur Auslegung einer Beschwerde wegen Nichtbearbeitung eines PKH-Antrags als Anhörungsrüge.(Rn.3)

Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg, 9. November 2021, 4 A 131/21 MD, Urteil

Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

Die zulässige (dazu 1.) Anhörungsrüge der Klägerin ist gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet (dazu 2.), weil der Senat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör mit seinem Beschluss vom 7. Januar 2022 – 2 L 166/21.Z -, mit dem ihr Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 9. November 2021 – 4 A 131/21 MD – abgelehnt worden ist, nicht verletzt hat (§ 152a Abs. 1, Abs. 4 VwGO).
1. Das Schreiben der Klägerin vom 19. Januar 2022, mit dem sie gegen den Beschluss des Senats vom 7. Januar 2022 – 2 L 166/21.Z – Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Berufung eingelegt hat, ist bei sachgerechter Würdigung (§ 88 VwGO) als Anhörungsrüge i.S.d. § 152a VwGO auszulegen, da ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Senats nicht gegeben ist und die Klägerin geltend macht, der Senat habe einen von ihr gestellten PKH-Antrag nicht bearbeitet und ihr damit der Sache nach das rechtliche Gehör versagt.
Die Anhörungsrüge ist zulässig. Insbesondere unterliegt sie keinem Vertretungszwang. Eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO unterliegt dem Vertretungszwang gemäß § 152a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO nur dann, wenn ein solcher für das frühere Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht bestand, dessen Fortführung angestrebt wird (vgl. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 152a VwGO Rn. 36; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 67 VwGO Rn. 16). Bei einem Anhörungsrügeverfahren, welches auf Fortführung des beim Oberverwaltungsgericht abgeschlossenen Prozesskostenhilfeverfahrens abzielt, handelt es sich um ein Prozesskostenhilfeverfahren i.S.d. § 152a Abs. 2 Satz 5 i.V.m. 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO, das nicht dem Vertretungszwang unterliegt (vgl. VGH BW, Beschluss vom 8. Januar 2019 – 2 S 2804/18 – juris Rn. 3; Hartung/Schramm, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1. Januar 2022, § 67 VwGO Rn. 47). So liegt es, wenn der Antragsteller eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe geltend macht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 17 E 666/13 – juris Rn. 4). Nichts Anderes kann für den hier vorliegenden Fall gelten, in dem die Klägerin die Nichtentscheidung über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Verfahren auf Zulassung der Berufung rügt.
2. Die Anhörungsrüge der Klägerin ist jedoch unbegründet. Die Klägerin macht mit ihrem Schreiben vom 19. Januar 2022 geltend, sie habe einen PKH-Antrag gestellt, weil es den Rechtsanwaltszwang für ihre Berufung gebe, und dieser sei vom Senat nicht bearbeitet, insbesondere mit keinem einzigen Wort erwähnt worden.
Diese Rüge ist unbegründet. Zwar hieß es in dem Schreiben der Klägerin vom 16. Dezember 2019: „Beantragung der Zulassung der Berufung auf das Urteil Aktenzeichen: 4 A 131/21 MD mit meinem PKH-Antrag, der Ihnen bereits vollumfänglich vorliegend ist, …“. Der hiermit angesprochenen PKH-Antrag war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits unanfechtbar abgelehnt. Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in ihrer Klageschrift vom „05.-10.08.2021“ auf Seite 3 „hilfsweise, für den Fall des Unterliegens“ beantragt, ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren. Mit Schreiben vom 2. September 2021 hat sie für ihren „nur vorsorglich beantragten PKH-Antrag“ eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Diesen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. November 2021 – 4 A 131/21 MD – abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 22. Dezember 2021 – 2 O 147/21 – zurückgewiesen. Damit war das Prozesskostenhilfeverfahren, gerichtet auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, endgültig abgeschlossen. Einen weiteren PKH-Antrag für die zweite Instanz, insbesondere für den mit Schreiben vom 16. Dezember 2021 gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung, hat die Klägerin nicht gestellt.
Zwar kann ein Kläger zunächst ohne anwaltliche Vertretung einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Berufungszulassungsantrag stellen, soweit die Beauftragung eines Rechtsanwalts aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Wegen der dann eingetretenen Versäumung der einmonatigen Antragsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO kann er in diesem Fall grundsätzlich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO stellen, sodass er gegebenenfalls nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen Rechtsanwalt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragen könnte. In diesem Fall muss der Kläger jedoch innerhalb der Antragsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) einen vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 166 VwGO, § 121 Abs. 1 ZPO) für den Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht einreichen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2022 – 19 A 3054/21 – juris Rn. 5 f. m.w.N.; Happ, in: Eyermann, a.a.O., § 124a VwGO Rn. 44). Reicht ein Berufungskläger vor Ablauf der Begründungsfrist ein formell ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch für das Berufungsverfahren ein, darf das Oberverwaltungsgericht die Berufung nicht vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag als unzulässig verwerfen, sondern muss es zunächst nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der vollständigen Einreichung des Gesuchs entscheiden und die Erfolgsaussichten in der Hauptsache prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – VI ZB 36/16 – juris Rn. 6; Roth, in: Posser/Wolff, a.a.O., § 124a VwGO Rn. 33). Will eine Partei die Einlegung eines Rechtsbehelfs von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig machen, muss sie unmissverständlich erklären, dass sie den Rechtsbehelf noch nicht einlegt (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 6. Dezember 2002 – Vf. 67-VI-01 – juris Rn. 21). Gleiches gilt, wenn eine Partei neben dem unbedingt eingelegten Rechtsbehelf noch einen hierauf bezogenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen will.
Diesen Weg einer unmissverständlichen Erklärung in diesem Sinne hat die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch nicht beschritten. Da die Klägerin – wie ausgeführt – jedenfalls ausdrücklich keinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt hat, konnte der Senat ihren Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 7. Januar 2022 – 2 L 166/21.Z – mangels Vertretung gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO als unzulässig verwerfen, ohne damit ihr rechtliches Gehör zu verletzen.
3. Selbst wenn die Bezugnahme in dem Schreiben der Klägerin vom 16. Dezember 2021 auf einen PKH-Antrag als neuer und eigenständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren zu verstehen gewesen sein sollte, hätte dieser keinen Erfolg gehabt. Denn die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Stellt ein anwaltlich nicht vertretener Kläger einen Prozesskostenhilfeantrag für ein beabsichtigten Verfahren auf Zulassung der Berufung, muss sich aus der innerhalb der Antragsbegründungsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) vorgelegten Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs das Vorliegen eines Zulassungsgrunds im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO zumindest in groben Zügen erkennen lassen (BremOVG, Beschluss vom 25. Januar 2022 – 2 LA 392/21 – juris Rn. 10). Diese Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch durchzuführendes Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts erfüllt das Schreiben der Klägerin vom 16. Dezember 2021 nicht. Die Klägerin benennt schon keinen Zulassungsgrund i.S.d. § 124 Abs. 2 VwGO, soweit sie vorträgt, sie beantrage, die Berufung zuzulassen, um die Überprüfung nicht nur in rechtlicher, sondern insbesondere in sachlicher Hinsicht zu tätigen, weil es an der gesetzlich greifbar vorliegenden Sachlichkeit darüber fehle. Soweit diese nur schwer nachvollziehbare Formulierung so auszulegen sein sollte, dass die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend machen will, lassen ihre Ausführungen das Vorliegen eines Zulassungsgrundes selbst in groben Zügen nicht erkennen. Unter 1.), 2.) und 3.) wendet sie sich gegen die Richtigkeit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (vom 9. November 2021) und macht geltend, die Aussagen der Beklagten über den Inhalt des Schreibens an sie vom 8. Juli 2021 seien so von der Richterin nicht wiedergegeben worden, die Aussage des Vertreters der Beklagten über sein Verständnis der Verfügung vom 8. Dezember 2020 sei irrelevant, ebenso wie die Aussage des Vertreters der Beklagten, sie habe die Wohnung bis zum 17. Januar 2021 zum Blumen gießen betreten dürfen. Inwieweit sich hieraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts ergeben sollen, die Beklagte sei gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet, die Wohnung der Klägerin in zwangsweiser Durchsetzung der Verfügung vom 8. Dezember 2020, gerichtet an die A-GmbH, zu versiegeln, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht näher dargelegt. Das gleiche gilt, soweit sich die Klägerin unter 4.) dagegen wendet, dass die Richterin im Urteil geschrieben habe, die Vermieterin habe mit dem Bauordnungsamt im Februar 2021 in Kontakt gestanden und dem Bauordnungsamt Auskünfte gegeben. Die gesamten Ausführungen der Klägerin in dem Schreiben vom 16. Dezember 2021 lassen in keiner Weise erkennen, dass und weshalb die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte ihr gegenüber verpflichtet gewesen sei, die Wohnung zu versiegeln, falsch gewesen sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, da für die hier getroffene Entscheidung eine streitwertunabhängige Festgebühr von 66 € anfällt (vgl. Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) (vgl. VGH BW, Beschluss vom 23. April 2021 – 2 S 1161/21 – juris Rn. 5 ff.)
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben