Arbeitsrecht

Bestimmtheit einer Beschäftigungsklage – Zustandekommen eines Änderungsvertrags – tarifvertragliches Schriftformerfordernis – arbeitsvertragliche Schriftformklausel – Terminalmanager – Flugsicherheit

Aktenzeichen  10 AZR 16/20

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:240321.U.10AZR16.20.0
Normen:
Art 1 GG
Art 2 GG
§ 125 S 1 BGB
§ 133 BGB
§ 145 BGB
§ 157 BGB
§ 242 BGB
§ 275 Abs 1 BGB
§ 305 Abs 1 BGB
§ 305b BGB
§ 310 Abs 3 S 2 BGB
§ 611a Abs 1 BGB
§ 613 BGB
Art 2 BGBEG
§ 3 EntgFG
§ 106 S 1 GewO
§ 2 Abs 1 NachwG
§ 37 Abs 4 BetrVG
§ 37 Abs 5 BetrVG
§ 38 Abs 1 S 3 BetrVG
§ 64 Abs 6 S 1 ArbGG
§ 66 Abs 1 S 3 ArbGG
§ 138 Abs 2 ZPO
§ 138 Abs 3 ZPO
§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
§ 263 ZPO
§ 264 Nr 2 ZPO
§ 268 ZPO
§ 524 Abs 2 S 2 ZPO
§ 533 ZPO
§ 562 Abs 1 ZPO
§ 1 TVG
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

Erhebt ein Arbeitnehmer Klage auf Beschäftigung und ist allein die Art der Beschäftigung streitig, ist die Klage hinreichend bestimmt, wenn im Klageantrag das Berufsbild genannt ist, nach dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Köln, 11. Oktober 2018, Az: 14 Ca 1367/18, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 15. November 2019, Az: 4 Sa 771/18, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. November 2019 – 4 Sa 771/18 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers, als sog. Terminalmanager (Einsatzleiter) beschäftigt zu werden.
2
Die Beklagte führt ua. am Flughafen Köln/Bonn die Sicherheitskontrollen der Flugpassagiere und ihres Handgepäcks im Auftrag der Bundespolizei durch. Sie ist Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW).
3
Der Kläger war bis zum Jahr 2017 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Er ist bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 24. November 2003 als Fluggastkontrolleur beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält in § 9 Nr. 1 eine Regelung, wonach mündliche Nebenabreden nicht bestehen und Ergänzungen dieses Vertrags zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürfen.
4
Die Tarifgemeinschaft BDSW, FraSec GmbH und FIS GmbH sowie ver.di schlossen den Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 4. September 2013 (MTV Aviation). Er enthält in § 2 allgemeine Bestimmungen. In dessen Absatz 2 heißt es:
        
„Bei der Einstellung eines/r Beschäftigten ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag entsprechend dem Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (NachwG) abzuschließen. Änderungen dieses Arbeitsvertrages bedürfen gleichfalls der Schriftform. Der/dem Beschäftigten ist eine Ausfertigung auszuhändigen.“
5
Mit Schreiben vom 16. Juli 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ab dem 1. Juni 2015 zusätzlich „den tariflichen Lohnzuschlag 2.1 ‚Terminalleiter‘ gemäß LTV NRW aktuell in Höhe von 1,50 brutto/Stunde“ zur Auszahlung bringe.
6
Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Er war zeitweise an drei Arbeitstagen pro Woche nach § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG für die Durchführung von Betriebsratstätigkeit von der Arbeitsleistung teilfreigestellt. Mit der Betriebsratswahl, die in der Zeit vom 3. bis 5. Juni 2019 stattfand, entfiel die Teilfreistellung.
7
Im Mai 2017 schrieb die Beklagte für ihre Niederlassung am Flughafen Köln/Bonn intern die Tätigkeit als Einsatzleiter/in aus. Der Kläger bewarb sich darum mit Schreiben vom 30. Juni 2017. Darin heißt es:
        
„Bewerbung als Terminalmanager
        
…,    
        
hiermit bewerbe ich mich um die interne Stelle als Terminalmanager.
        
Ich bin seit 2002 als Luftsicherheitsassistent am Köln Bonner Flughafen tätig. Alle Ihre Voraussetzungen erfülle ich und bin bereit, den operativen Bereich ‚Terminalmanager‘ durch meine Fachkenntnisse und sozialen Kompetenzen mit großer Freude zu unterstützen.
        
Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit sowie Flexibilität gehören zu meinen Stärken. Bedingt durch meine jahrelange Erfahrung im Sicherheitsbereich und den sicheren Umgang mit Menschen sehe ich mich für diese Position geeignet. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn ich Ihnen in einem persönlichen Gespräch meine Stärken deutlich machen dürfte.
        
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.
        
…“    
8
Die Beklagte unterrichtete den Betriebsrat über die Besetzungen der Stellen mit dem Kläger und zwei anderen Arbeitnehmern. Der Betriebsrat stimmte den Stellenbesetzungen zu. Daraufhin wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 26. Juli 2017 unter dem Betreff „Stellenausschreibung Terminalmanager/in“ an den Kläger. Dieses Schreiben lautet:
        
„…    
        
Sie haben sich für die Position im Terminalmanagement beworben. Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir uns für Sie entschieden haben.
        
Eine Unterweisung erfolgt in Kürze durch die Betriebsleitung.
        
Wir freuen uns auf eine weitere gute Zusammenarbeit.
        
Für eventuelle Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
        
…“    
9
Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens entschloss sich die Beklagte, davon abzusehen, einen Einsatzleiter oder Terminalmanager zu beschäftigen. Der Kläger verrichtete jedenfalls nach dem 4. August 2017 keine Tätigkeiten als Terminalmanager.
10
Am 14. August 2019 trafen die Parteien eine Vereinbarung über den Umfang der Arbeitszeit des Klägers und ihre Verteilung auf die Tage von Montag bis Freitag.
11
Der Kläger hat behauptet, am 4. August 2017 auf Veranlassung des Betriebsleiters der Beklagten als Terminalmanager gearbeitet zu haben. Das ergebe sich aus einer E-Mail vom selben Tag, die er an den Betriebsleiter der Beklagten gerichtet habe.
12
Der Kläger hat gemeint, er habe sich mit der Beklagten auf eine Beschäftigung als Terminalmanager verständigt. In seiner Bewerbung liege ein Angebot, den bestehenden Arbeitsvertrag zu ändern. Dieses Angebot habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 26. Juli 2017 angenommen. Die Vertragsänderung sei wirksam. Ihr stehe nicht das Schriftformerfordernis nach § 2 Abs. 2 Satz 2 MTV Aviation entgegen, weil es nur deklaratorischen Charakter habe.
13
Zudem habe die Beklagte mit dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 16. Juli 2015 den Kreis der nach § 37 Abs. 4 BetrVG mit dem Kläger auf der ersten Führungsebene vergleichbaren Arbeitnehmer anerkannt. Mit Blick darauf habe der Kläger aus § 37 Abs. 5 BetrVG auch Anspruch darauf, tatsächlich auf der ersten Führungsebene beschäftigt zu werden. Dazu gehöre die Position eines Terminalmanagers.
14
Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Beschäftigung als Terminalmanager (Einsatzleiter) verlangt. Auf Nachfrage des Arbeitsgerichts hat er seinen Antrag dahin umgestaltet, dass er die Beschäftigung nur an den Tagen ohne Freistellung nach § 38 BetrVG geltend mache. Nach dem Ende der teilweisen Freistellung ist der Kläger in der Berufungsinstanz außerhalb der Frist zur Anschlussberufung zu seinem ursprünglich gestellten Antrag zurückgekehrt.
15
Zuletzt hat der Kläger beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, ihn als Terminalmanager (Einsatzleiter) zu beschäftigen.
16
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, dass der Kläger am 4. August 2017 als Terminalmanager gearbeitet habe. Er habe dokumentiert, an diesem Tag Betriebsratsarbeit versehen zu haben.
17
Nach Auffassung der Beklagten sei der Vertrag nicht geändert worden. Jedenfalls sei eine mögliche Vertragsänderung aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 MTV Aviation nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Die Tarifnorm beinhalte ein konstitutives Schriftformerfordernis, dem die Erklärungen der Parteien nicht genügten.
18
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Kläger über die Freistellung nach § 38 BetrVG von derzeit drei Arbeitstagen pro Woche hinaus als Terminalmanager (Einsatzleiter) zu beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger – nach dem Ende der teilweisen Freistellung – ohne Einschränkung als Terminalmanager (Einsatzleiter) zu beschäftigen ist. Die Parteien hätten den Arbeitsvertrag einvernehmlich geändert. Dem stünden die Formerfordernisse in Tarif- und Arbeitsvertrag nicht entgegen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.


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