Arbeitsrecht

Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung – Zustimmungsverweigerung wegen Kurzarbeit der Bestandsmitarbeiter

Aktenzeichen  2 MV 13/20

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14339
Gerichtsart:
Kirchliches Arbeitsgericht
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Kirchengerichte
Normen:
MAVO Eichstätt § 33 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5, § 34 Abs. 2
KAGO § 47 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zur Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung (hier: Hauptsacheverfahren 2 MV 13/20 zum Verfahren 2 MV 12/20 wegen einstweiliger Verfügung). (Rn. 34 – 54)
2. Die Entscheidung („Definitionsmacht“), ob die von der Mitarbeitervertretung vorgebrachten Gründe für ihre Zustimmungsverweigerung unter dem Gesichtspunkt des Katalogs in § 34 MAVO (hier: MAVO Eichstätt) ausreichend sind oder nicht, liegt grundsätzlich nicht bei dem Dienstgeber, sondern bei dem im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens zuständigen Kirchlichen Arbeitsgericht. Die gegenüber dem Dienstgeber angegebenen Gründe brauchen nicht schlüssig zu sein. Lediglich in Ausnahmefällen, in denen die von der Mitarbeitervertretung angeführten Gründe sich offensichtlich so weit von dem Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe entfernen, dass sie sich schlechterdings keinem der Tatbestände des § 34 Abs. 2 MAVO zuordnen lassen, ist der Dienstgeber nicht gehalten, das Zustimmungsverfahren weiter durchzuführen. (Rn. 45)
3. Selbst wenn man annimmt (vgl. 2 MV 12/20), die Mitarbeitervertretung könne letztlich die Zustimmung zur Einstellung nicht nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO mit der Begründung verweigern, der Dienstgeber müsse vor der Einstellung eines neuen Mitarbeiters erst die Kurzarbeit vorhandener Mitarbeiter – ganz oder teilweise – beenden oder unterbrechen, liegt doch kein Fall der offensichtlichen Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung vor. Die von der Mitarbeitervertretung angeführte Begründung ihrer Zustimmungsverweigerung ist nicht von vornherein unbeachtlich. Die Auffassung, dass es geboten sei, Kurzarbeit abzubauen, bevor Neueinstellungen vorgenommen werden, ist zumindest vertretbar und nicht offensichtlich abwegig. Demzufolge kann die Zustimmung der Mitarbeitervertretung nicht nach § 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO als erteilt gelten. Von der Durchführung des in § 33 Abs. 3 und 5 MAVO vorgesehenen Zustimmungsverfahrens kann auch nicht mit der Begründung abgesehen werden, dass die von der Mitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung voraussichtlich ohnehin vom Kirchlichen Arbeitsgericht nach § 33 Abs. 4 MAVO ersetzt wird. (Rn. 46 – 47)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Zustimmungsverfahren im Zusammenhang mit der Einstellung von Frau A. ordnungsgemäß durchzuführen und abzuschließen, bis die Zustimmung der Klägerin erteilt ist oder vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird oder die Beklagte von der beabsichtigten Maßnahme Abstand nimmt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Frau A. als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in der Einrichtung so lange nicht zu beschäftigen, bis das Zustimmungsverfahren zu deren Einstellung durchgeführt und entweder die Zustimmung der Klägerin erteilt ist oder vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
4. Die Beklagte hat die notwendigen Auslagen der Klägerin im Verfahren 2 MV 13/20 einschließlich der Kosten der Beauftragung ihres Bevollmächtigten zu tragen.
5. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Gründe

Mit dem vorliegenden Urteil im Hauptsacheverfahren entscheidet das Kirchliche Arbeitsgericht gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Hauptsacheverfahrens gewonnenen Überzeugung sowohl über die Klage als auch über die Widerklage.
A. Die Klage hat mit den zuletzt gestellten Anträgen 1. und 2. Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die sachliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 2 KAGO.
Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Rechtsstreit aus einer Mitarbeitervertretungsordnung zugrunde. Der Klägerin geht es um die Durchsetzung ihrer von der Beklagten angeblich verletzten Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit der Einstellung einer Mitarbeiterin.
Das Kirchliche Arbeitsgericht geht davon aus, dass die Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Eichstätt (im Folgenden kurz: MAVO Eichstätt) einschlägig ist. Hiergegen haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung keine Einwände erhoben. Das Kloster … liegt jedenfalls in der Diözese Eichstätt. Ohnehin dürfte die Rechtslage auch nach anderen auf der sog. Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (Rahmen-MAVO) beruhenden Mitarbeitervertretungsordnungen so zu beurteilen sein, wie aus dem nachfolgenden Abschnitt II. ersichtlich.
2. Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-)Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren Sitz in dessen Dienstbezirk hat.
3. Die zuletzt gestellten Anträge 1. und 2. sind hinreichend bestimmt (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes und § 27 KAGO) bzw. einer sachdienlichen Auslegung zugänglich.
4. Für die Klageanträge besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Frage, ob die Zustimmung der Klägerin zu der beabsichtigten Einstellung als erteilt gilt, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit der Klage (bzw. der hilfsweise erhobenen Widerklage) zu prüfen.
II. Die Klage ist mit den Anträgen 1. und 2. begründet.
1. Die Beklagte hat das Zustimmungsverfahren im Zusammenhang mit der Einstellung von Frau A. zum 01.11.2020 nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Die Klägerin, die die Zustimmung zur Einstellung verweigert hat, kann daher verlangen, dass die Beklagte das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß durchführt und abschließt, bis die Zustimmung der Klägerin erteilt ist oder vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird oder die Beklagte von der beabsichtigten Maßnahme Abstand nimmt.
a) In den Angelegenheiten der §§ 34 bis 36 sowie des § 18 Absätze 2 und 4 MAVO Eichstätt kann der Dienstgeber gemäß § 33 Abs. 1 MAVO Eichstätt die von ihm beabsichtigte Maßnahme oder Entscheidung nur mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung treffen. Dabei hat er das in § 33 Abs. 2 bis 5 MAVO Eichstätt im Einzelnen geregelte Verfahren einzuhalten. Einstellungen und Anstellungen bedürfen gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 MAVO Eichstätt der Zustimmung der Mitarbeitervertretung. Eine Einstellung liegt vor, wenn eine Person in die Einrichtung eingegliedert wird, um zusammen mit den dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den arbeitstechnischen Zweck der Einrichtung durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 MAVO Eichstätt).
Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmung gemäß § 34 Abs. 2 MAVO Eichstätt nur verweigern, wenn
1. die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnungen oder sonstiges geltendes Recht verstößt,
2. durch bestimmte Tatsachen der Verdacht begründet wird, dass die Bewerberin oder der Bewerber durch ihr oder sein Verhalten den Arbeitsfrieden in der Einrichtung in einer Weise stören wird, die insgesamt für die Einrichtung unzuträglich ist oder der Dienstgeber eine Person, die ihm zur Arbeitsleistung überlassen wird im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, länger als sechs Monate beschäftigen will. Mehrere Beschäftigungen eines Leiharbeitnehmers bei demselben Dienstgeber werden zusammengerechnet.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass sie sich bezüglich der Einstellung der Mitarbeiterin A. auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Eichstätt berufen wollte bzw. beruft.
b) Im Verfahren 2 MV 12/20 über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist die Sach- und Rechtslage lediglich summarisch geprüft und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen worden (vgl. Abschn. IV. des Beschlusses vom 17.12.2020 – 2 NV 12/20 sowie Abschn. III. des Beschlusses vom 16.01.2021 – 2 MV 12/20 -).
c) Wie im Beschluss vom 17.12.2020 – 2 MV 12/20 – festgehalten, ist allerdings fraglich, ob die von der Klägerin zur Begründung der Zustimmungsverweigerung angeführten Umstände vom Regelungsbereich des § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Eichstätt erfasst sind.
Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmung zur Einstellung nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Eichstätt nämlich nur dann verweigern, wenn die Einstellung selbst gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, kircheneigene Ordnungen oder sonstiges geltendes Recht verstößt. Die durch die Einstellung angeblich verletzte Norm muss die Einstellung als solche untersagen. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Eichstätt ist also lediglich dann gegeben, wenn der Zweck einer Verbotsnorm nur dadurch erreicht werden kann, dass die Einstellung insgesamt unterbleibt (vgl. Jüngst in Thiel/Fuhrmann/Jüngst, MAVO – Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung, 8. Aufl. 2019, § 34, Rn. 68; vgl. ferner Bundesarbeitsgericht 14. Dezember 2004 – 1 ABR 54/03 – sowie Bundesarbeitsgericht 30. September 2014 – 1 ABR 79/12 -, jeweils zu § 99 BetrVG).
Die Vorschriften der §§ 95 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) regeln die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (erheblicher Arbeitsausfall, betriebliche Voraussetzungen, persönliche Voraussetzungen, Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für Arbeit). Eine Verbotsnorm dahingehend, dass während einer angeordneten Kurzarbeit, für die die Bundesagentur den betroffenen Mitarbeitern Kurzarbeitergeld bewilligt hat, dem Dienstgeber die Einstellung neuer Mitarbeiter in den von Kurzarbeit betroffenen Bereichen untersagt wäre, ist diesen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB III über den vermeidbaren Arbeitsausfall nicht eindeutig zu entnehmen. Vielmehr können Arbeitnehmer, die aus zwingenden Gründen eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, ihrerseits die persönlichen Voraussetzungen des Bezugs von Kurzarbeitergeld erfüllen (vgl. § 98 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB III).
Fraglich ist auch, ob eine etwaige individualrechtliche Nebenpflicht des Dienstgebers aus § 241 Abs. 2 in Verbindung mit § 611a BGB dahingehend, dass er statt einer Neueinstellung die Kurzarbeit von Bestandsmitarbeitern beenden müsste, als eine Verbotsnorm im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Eichstätt angesehen werden kann.
Soweit die Klägerin der Sache nach geltend machen möchte, es bestehe die Besorgnis, dass infolge der Einstellung der Mitarbeiterin A. bereits in der Einrichtung beschäftigte – in Kurzarbeit befindliche – Mitarbeiter einen Nachteil erleiden könnten, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt wäre, ist darauf hinzuweisen, dass § 34 Abs. 2 MAVO Eichstätt keinen dem § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG entsprechenden Zustimmungsverweigerungsgrund vorsieht (vgl. auch Jüngst in Thiel/Fuhrmann/ Jüngst, MAVO – Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung, 8. Aufl. 2019, § 34, Rn. 74).
d) Gleichwohl durfte die Beklagte die Zustimmungsverweigerung der Klägerin, die dem Verwaltungsleiter per E-Mail vom 23.10.2020 (vgl. Anlagenkonvolut zur Klage vom 13.11.2020) mitgeteilt worden ist, nicht als unbeachtlich ansehen. Vielmehr hätte die Beklagte, falls sie nicht von der beabsichtigten Maßnahme Abstand nehmen wollte, das Zustimmungsverfahren fortsetzen und die Klägerin nach § 33 Abs. 3 MAVO Eichstätt zu einem Einigungsgespräch einladen müssen.
Die Entscheidung („Definitionsmacht“), ob die von der Mitarbeitervertretung vorgebrachten Gründe für ihre Zustimmungsverweigerung unter dem Gesichtspunkt des Katalogs in § 34 MAVO Eichstätt ausreichend sind oder nicht, liegt nämlich grundsätzlich nicht bei dem Dienstgeber, sondern bei dem im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens zuständigen Kirchlichen Arbeitsgericht. Die gegenüber dem Dienstgeber angegebenen Gründe brauchen nicht schlüssig zu sein. Lediglich in Ausnahmefällen, in denen die von der Mitarbeitervertretung angeführten Gründe sich offensichtlich so weit von dem Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe entfernen, dass sie sich schlechterdings keinem der Tatbestände des § 34 Abs. 2 MAVO Eichstätt zuordnen lassen, ist der Dienstgeber nicht gehalten, das Zustimmungsverfahren weiter durchzuführen. Das Kirchliche Arbeitsgericht schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bzw. des Bundesverwaltungsgerichts zu den entsprechenden Mitbestimmungstatbeständen in § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bzw. in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder an (vgl. etwa Bundesarbeitsgericht 18. Juli 1978 – 1 ABR 43/75 -; Bundesarbeitsgericht 22. Mai 1985 -4 AZR 427/83 -; Bundesverwaltungsgericht 20. Juni 1986 – 6 P 4.83 -; Bundesverwaltungsgericht 7. Juli 1989 – 6 PB 10.88 -).
Ein solcher Fall der offensichtlichen Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung liegt hier jedoch nicht vor. Anders als in dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht angeführten Beispiel, dass die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Einstellung etwa mit der Begründung verweigert, die beabsichtigte Einstellung verstoße gegen das Pariser Klimaschutzabkommen, ist die hier von der Klägerin angeführte Begründung ihrer Zustimmungsverweigerung nicht offensichtlich abwegig. Die Auffassung, dass es geboten sei, Kurzarbeit abzubauen, bevor Neueinstellungen vorgenommen werden, ist zumindest vertretbar. Demzufolge kann die Zustimmung der Klägerin nicht nach § 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO Eichstätt als erteilt gelten, denn die Klägerin hat Einwendungen erhoben, die nicht von vornherein unbeachtlich sind.
Von der Durchführung des in § 33 Abs. 3 und 5 MAVO Eichstätt vorgesehenen Zustimmungsverfahrens kann hier nicht mit der Begründung abgesehen werden, dass die von der Klägerin verweigerte Zustimmung voraussichtlich ohnehin vom Kirchlichen Arbeitsgericht nach § 33 Abs. 4 MAVO Eichstätt ersetzt wird, wenn dieses die im Beschluss vom 17.12.2020 – 2 MV 12/20 – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage geäußerte Rechtsauffassung zu Grunde legt. Anders als im staatlichen Betriebsverfassungsrecht (vgl. § 99 BetrVG) ist im kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht vorgesehen, dass im Falle der Zustimmungsverweigerung der Dienstgeber zu einem Einigungsgespräch einzuladen hat und erst nach dessen Scheitern die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung beantragen kann (vgl. § 33 Abs. 3 und 5 MAVO Eichstätt). Gerade bei Sachverhalten wie dem vorliegenden bietet das Einigungsgespräch die Chance, dass etwa die Klägerin der Beklagten ihre Ansicht darüber darlegt, welche in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeiterinnen in Betracht kommen, die vorgesehene Tätigkeit als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin im Kloster … in der Gemeinschaft St. Alf. zu übernehmen, und dass Dienstgeber und Mitarbeitervertretung im Einigungsgespräch eine gemeinsame Lösung finden.
Die Sitzung der Mitarbeitervertretung am 02.02.2021, bei der unter TOP 3 über das Gerichtsverfahren zur Einstellung von Frau A. gesprochen worden ist, weil der Verwaltungsleiter den Wunsch des Dienstgebers nach einer außergerichtlichen Einigung äußerte, kann nicht als Einigungsgespräch im Sinne von § 33 Abs. 3 MAVO Eichstätt, zu dem der Dienstgeber einzuladen hat, angesehen werden. Die Einhaltung des in der Mitarbeitervertretungsordnung detailliert geregelten Verfahrens zur Herbeiführung eines hierdurch legitimierten Ergebnisses ist damit nicht entbehrlich geworden (vgl. Niklas Luhmann: Legitimation durch Verfahren, 6. Aufl., Frankfurt am Main 2001).
e) Die Beklagte hat auch nicht nach § 33 Abs. 5 Satz 1 MAVO Eichstätt bis zur endgültigen Entscheidung eine vorläufige Regelung getroffen oder treffen wollen.
Dies ergibt sich zum einen aus der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass das Zustimmungsverfahren nicht weiter durchzuführen sei, weil die Klägerin die Zustimmungsverweigerung mit Gründen versehen habe, die offenkundig, d.h. auf den ersten Blick erkennbar für jeden Kundigen, die Zustimmungsverweigerung nicht rechtfertigen könnten, weil sie sich überhaupt nicht in den Katalog des § 34 Abs. 2 MAVO einordnen ließen; die Zustimmung der Klägerin zur Einstellung von Frau A. gelte daher als erteilt.
Zum anderen kann eine wirksame vorläufige Regelung durch den Dienstgeber nach § 33 Abs. 5 Satz 2 MAVO Eichstätt nur getroffen werden, wenn er der Mitarbeitervertretung die vorläufige Regelung mitteilt und begründet und das Verfahren nach § 33 Abs. 2 bis 4 MAVO Eichstätt einleitet oder fortsetzt. Dies ist hier gerade nicht geschehen.
f) Nach alledem ist das Zustimmungsverfahren im Zusammenhang mit der Einstellung von Frau A. bisher weder ordnungsgemäß durchgeführt noch abgeschlossen worden. § 34 Abs. 1 MAVO Eichstätt weist der Mitarbeitervertretung ein subjektives Recht auf Beteiligung (vgl. § 28 MAVO Eichstätt) bei Einstellung und Anstellung zu mit der Folge, dass die Mitarbeitervertretung vom Dienstgeber die Einhaltung des in § 33 Abs. 1 bis 5 MAVO Eichstätt detailliert geregelten Verfahrensablaufs verlangen kann (vgl. auch Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 25. November 2016 – M 06/2016 -).
Die Beklagte wird daher verurteilt, dieses Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß durchzuführen und abzuschließen, bis die Zustimmung der Klägerin erteilt ist oder vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird oder die Beklagte – wie in § 33 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MAVO Eichstätt auch vorgesehen – von der beabsichtigten Maßnahme Abstand nimmt.
Ob die Beklagte die Klägerin von der beabsichtigten Maßnahme bereits hinreichend unterrichtet hat (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 MAVO Eichstätt) und ob im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einstellung ein Verstoß gegen Bestimmungen über Kurzarbeit in § 5 der Anlage 5 zu den AVR Caritas in Betracht kommt, mag offen bleiben.
2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese es so lange unterlässt, Frau A. als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in der Einrichtung zu beschäftigen, bis das Zustimmungsverfahren zu deren Einstellung durchgeführt und entweder die Zustimmung der Klägerin erteilt ist oder vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird.
a) Dass ein solcher Unterlassungsanspruch in der MAVO Eichstätt nicht ausdrücklich normiert ist, steht nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs kann sich dieser Anspruch aus § 33 MAVO ergeben. Die Zuweisung eines subjektiven Rechts in § 34 Abs. 1 MAVO gebietet es zugleich, dass die Mitarbeitervertretung bei dessen Verletzung nicht rechtlos gestellt ist, und die Mitarbeitervertretung kann grundsätzlich verlangen, dass der Dienstgeber die Maßnahme oder Entscheidung erst trifft, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung erteilt oder kirchenarbeitsgerichtlich ersetzt ist (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 31. August 2012 – M 15/11 -; Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 25. November 2016 – M 06/2016 -).
Nach dem weltlichen Betriebsverfassungsrecht mag die Frage eines Unterlassungsanspruchs im Regelungsbereich von § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) anders zu beurteilen sein (vgl. Bundesarbeitsgericht 23. Juni 2009 – 1 ABR 23/08 -; Bundesarbeitsgericht 9. März 2011 – 7 ABR 137/09 -). Eine dem § 101 BetrVG entsprechende Vorschrift, wonach der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen kann, eine ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte Maßnahme aufzuheben, enthält die MAVO Eichstätt jedoch ebenso wenig wie andere Mitarbeitervertretungsordnungen.
Ein effektiver Rechtsschutz der Klägerin gebietet daher, ihr aus § 34 Abs. 1 MAVO folgendes Beteiligungsrecht auf Zustimmung bei Einstellungen nunmehr im Hauptsacheverfahren durch ein Unterlassungsgebot gegenüber der Beklagten zu sichern.
b) Nach alledem kann die Klägerin verlangen, dass die Beklagte Frau A. als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in der Einrichtung so lange nicht beschäftigt, bis das Zustimmungsverfahren zu deren Einstellung durchgeführt und entweder die Zustimmung der Klägerin erteilt ist oder vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird.
Im Falle, dass die Beklagte von der beabsichtigten Einstellung Abstand nimmt (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MAVO Eichstätt), bedarf es keines Unterlassungsgebots mehr.
B. Die hilfsweise erhobene Widerklage fällt zur Entscheidung an, weil die Klage nicht entsprechend dem Antrag der Beklagten abgewiesen worden ist.
I. Gegen die Zulässigkeit der Widerklage und ihrer beiden Anträge bestehen keine Bedenken. Auf die Ausführungen zur Prüfung der Zulässigkeit der Klage (vgl. Abschn. A. I. 1. und 2. dieser Entscheidungsgründe) wird Bezug genommen.
II. Die Widerklage ist unbegründet. Beide Widerklageanträge werden abgewiesen.
1. Der Widerklageantrag auf Feststellung, dass die Zustimmung der Klägerin zu der Ein stellung von Frau A. zum 01.11.2020 als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in der Hausgemeinschaft St. Alf. als erteilt gilt, hat keinen Erfolg.
Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO Eichstätt gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht binnen einer Woche nach Eingang des Antrages bei ihr Einwendungen erhebt.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 21.10.2020 („Personaleinstellung“: vgl. Anlage zur Klage vom 13.11.2020) der Klägerin u.a. mit, sie beabsichtige, Frau A. ab 01.11. 2020 als Hauswirtschaftliche Mitarbeiterin im Kloster … in der Gemeinschaft St. Alf. unbefristet mit 15 Stunden/Woche zu beschäftigen, „Ersatzeinstellung für Reduzierung der TWAZ Frau B. und Stundenaufbau der Kongregation“, und bat um Zustimmung der Mitarbeitervertretung innerhalb von einer Woche. Die Klägerin teilte per E-Mail vom 23.10.2020 (vgl. Anlagenkonvolut zur Klage vom 13.11.2020), also innerhalb der Wochenfrist des § 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO Eichstätt, dem Verwaltungsleiter der Beklagten mit, sie könne der Personaleinstellung von Frau A. aus folgenden Gründen nicht zustimmen: „Frau A. wird im Hauswirtschaftlichen Dienst beschäftigt, allerdings befindet sich der Hauswirtschaftliche Dienst des Tagungshauses in Kurzarbeit. Es gilt, Kurzarbeit zu vermeiden und diese Mitarbeiter gegeben falls auf dieser Stelle zu besetzten.“
Wie bereits im Abschn. A. II. 1. c) dieser Entscheidungsgründe erläutert, liegt damit kein Fall einer offensichtlichen Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung vor. Die Auffassung, dass es geboten sei, Kurzarbeit abzubauen, bevor Neueinstellungen vorgenommen werden, ist zumindest vertretbar. Demzufolge kann die Zustimmung der Klägerin nicht nach § 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO Eichstätt als erteilt gelten.
2. Der wiederum hilfsweise gestellte Widerklageantrag, die Zustimmung der Klägerin zur Einstellung von Frau A. zum 01.11.2020 als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin in der Hausgemeinschaft St. Alf. zu ersetzen, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Vor einer gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung nach § 33 Abs. 4 MAVO ist nämlich zunächst das in § 33 Abs. 3 und 5 MAVO Eichstätt vorgesehene Zustimmungsverfahren durchzuführen. Davon kann hier nicht mit der Begründung abgesehen werden, dass die von der Klägerin verweigerte Zustimmung voraussichtlich ohnehin nach § 33 Abs. 4 MAVO Eichstätt vom Kirchlichen Arbeitsgericht ersetzt wird, wenn dieses die im Beschluss vom 17.12.2020 – 2 MV 12/20 – geäußerte Rechtsauffassung zu Grunde legt (vgl. auch Abschn. A. II. 1. d) der vorliegenden Entscheidungsgründe). Anders als im staatlichen Betriebsverfassungsrecht (vgl. § 99 BetrVG) ist im kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht vorgesehen, dass im Falle der Zustimmungsverweigerung der Dienstgeber zu einem Einigungsgespräch einzuladen hat und erst nach dessen Scheitern die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung beantragen kann (vgl. § 33 Abs. 3 und 5 MAVO Eichstätt).
C. Gerichtsgebühren werden nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KAGO nicht erhoben.
Der Kostenausspruch, wonach die Beklagte die notwendigen Auslagen der Klägerin einschließlich der Kosten der Beauftragung ihres Bevollmächtigten zu tragen hat, beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Spiegelstrich 4 MAVO Eichstätt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung im vorliegenden Hauptsacheverfahren 2 MV 13/20 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ohnehin erklärt, bezüglich der Kostentragung bestünden seitens der Beklagten keine Bedenken.
D. Die Revision wird für die Beklagte nach § 47 Abs. 2 KAGO zugelassen.
Die Rechtssache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 47 Abs. 2 Buchst. a) KAGO, als offenbar keine höchstrichterlichen Urteile der kirchlichen oder der staatlichen Gerichte für Arbeitssachen zu der Frage vorliegen, ob die Verweigerung der Zustimmung zu einer Neueinstellung darauf gestützt werden kann, dass zunächst Kurzarbeit der Bestandsmitarbeiter abzubauen sei.


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