Arbeitsrecht

Beteiligungsbefugnis amtierender Gremien in Verfahren betreffend Wahlen zum künftigen Personalrat und fehlende Dienststellenzugehörigkeit im personalvertretungsrechtlichen Sinn bei freigestellten Arbeitnehmern

Aktenzeichen  17 PC 16.531

Datum:
19.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG BayPVG Art. 9,  13  I  1,  14 S. 1, 81 II

 

Leitsatz

1 In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem Streitgegenstand die Frage des aktiven und passiven Wahlrechts einer Person für die Wahlen zum zukünftigen Personal- oder Gesamtpersonalrat ist, ist die Rechtsstellung der (noch) amtierenden Gremien nicht unmittelbar berührt und ihnen fehlt die Beteiligungsbefugnis (Parallelentscheidung LAG BW DB 1994, 1091). (redaktioneller Leitsatz)
2 Das aktive und passive Wahlrecht nach Art. 13 BayPersVG setzt neben der Beschäftigteneigenschaft eine (fort-)bestehende Dienststellenzugehörigkeit, d.h. Eingliederung in die Dienststelle, voraus (Fortschreibung BVerwG NZA-RR 2016, 106). (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einer vereinbarten unwiderruflichen Freistellung und Urlaubsanrechnung und Anrechnung etwaiger Zeitguthaben aus der variablen Arbeitszeit bis zum Beendigungstermin des Arbeitsverhältnisses, bei der der Arbeitnehmer seine laufenden Arbeiten an seinen Vorgesetzten oder eine andere vom Arbeitgeber benannte Person übergeben hat, besteht bei dem Arbeitnehmer keine Dienststellenzugehörigkeit im personalvertretungsrechtlichen Sinn und damit auch kein aktives und passives Wahlrecht für künftige Personalratswahlen (Präzisierung BVerwG NZA-RR 2016, 106). (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei einem freigestellten Mitglied des Personalrats wird die Eingliederung in die Dienststelle und die Dienststellenzugehörigkeit im personalvertretungsrechtlichen Sinn nicht aufgehoben (Fortschreibung BVerwG DÖV 2016, 308). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 8 PE 16.176 2016-02-23 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung des aktiven und passiven Wahlrechts für die am 21. Juni 2016 stattfindende Wahl zum Einzel- und Gesamtpersonalrat bei der Bayerischen Landesbank sowie die Gewährung von Zutritt zu den Geschäftsräumen der Bayerischen Landesbank und gleiches Informationsrecht wie allen Mitarbeitern.
Mit gerichtlichem Vergleich vom 10. März 2015 einigten sich der Antragsteller und die Bayerische Landesbank, vertreten durch den Beteiligten zu 2, darüber, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 2017 enden und der Antragsteller seine laufenden Arbeiten ordnungsgemäß bis zum 12. März 2015 an seinen Vorgesetzten oder eine andere von der Bayerischen Landesbank zu benennende Person übergeben solle. Zudem verpflichtete sich die Bayerische Landesbank, den Antragsteller ab sofort bis zum Beendigungsdatum unwiderruflich und unter Urlaubsanrechnung und Anrechnung von etwaigen Zeitguthaben aus der variablen Arbeitszeit von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen. Gleichzeitig wurde eine Vorruhestandsvereinbarung getroffen. Auf die Ankündigung des Antragstellers vom 5. November 2015, dass er an den anstehenden Personalratswahlen teilnehmen wolle, teilte der Beteiligte zu 2 mit Email vom 6. November 2015 mit, dass er nicht mehr Beschäftigter i. S. d. Art. 4 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) sei und ihm somit weder das aktive noch das passive Wahlrecht zustehe.
Der Antragsteller beantragte daraufhin am 2. Februar 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eine einstweilige Verfügung auf Feststellung, dass er als Mitarbeiter der Bayerischen Landesbank aktives und passives Wahlrecht bei der Personalratswahl 2016 habe und ihm daher ab sofort wieder uneingeschränkter Zugang zu den Geschäftsräumen der Bayerischen Landesbank und gleiches Informationsrecht wie allen Mitarbeitern zu gewähren sei. Mit Beschluss vom 23. Februar 2016 lehnte das Verwaltungsgericht die Anträge ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anordnungsanspruch zu verneinen sei, da es für die Ausübung eines Personalratsmandats erforderlich sei, dass das Personalratsmitglied in der Dienststelle tatsächlich tätig sei. Dies könne beim Antragsteller jedenfalls ab dem 12. März 2015 nicht mehr festgestellt werden.
Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Das aktive und passive Wahlrecht sei in dem geschlossenen Vergleich nicht explizit ausgeschlossen worden. Zudem begründe die Vorruhestandsklausel keinen Vorruhestand im Rechtssinn; er sei bis zum Rentenbeginn (1.4.2019) ein „normaler“ Mitarbeiter, der lediglich freigestellt sei. Er gehöre weiterhin der Dienststelle an und sei in diese eingegliedert. Aufgrund der Freistellung könne er sich wesentlich intensiver um die Belange der Mitarbeiter kümmern. Zudem gebe es mehrere Vergleichsfälle in der Vergangenheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist, ungeachtet der Frage, ob sie zulässig ist, jedenfalls unbegründet.
Der Senat hat von Amts wegen zu beachten, dass der bisher als Beteiligter zu 2 geführte Personalrat der Dienststelle Nürnberg der Bayerischen Landesbank und der bisher als Beteiligter zu 3 geführte Gesamtpersonalrat der Bayerischen Landesbank zu Unrecht in erster Instanz am personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren beteiligt worden sind. Ihnen fehlt es an der Beteiligtenbefugnis. Denn es geht vorliegend um die Frage des aktiven und passiven Wahlrechts des Antragstellers für die Wahlen zum künftigen Personal- bzw. Gesamtpersonalrat, so dass die Rechtsstellung der (noch) amtierenden Gremien nicht unmittelbar berührt wird (vgl. auch LAG BW, B. b. 13.4.1994 – 9 TaBV 4/94 – juris [nur Leitsätze] zu einem Beschlussverfahren, in dem der Arbeitgeber versucht, die angesetzte Betriebsratswahl zu verhindern, auszusetzen oder zu korrigieren). Der Senat trägt dieser Rechtslage Rechnung und sieht nach Anhörung des Personalrats und des Gesamtpersonalrats (vgl. BVerwG, B. b. 22.9.2015 – 5 P 12.14 – ZfPR 2016, 2 Rn. 11 m. w. N.) von ihrer weiteren Beteiligung am Verfahren ab. Des Weiteren ist am Verfahren nicht die Bayerische Landesbank beteiligt, sondern deren Dienststellenleiter, also deren Vorstand (jetziger Beteiligter zu 2); dem Arbeitgeber i. S. d. Betriebsverfassungsrechts, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG im Beschlussverfahren stets zu beteiligen ist, entspricht – außer bei Sonderregelungen wie Art. 9 BayPVG – im Bereich des Personalvertretungsrechts der Dienststellenleiter (vgl. Art 7 BayPVG). Auch die Bezeichnung der jeweiligen Wahlvorstände (Beteiligter zu 1 und jetziger Beteiligter zu 3) wurde von Amts wegen näher konkretisiert. Das Rubrum war, worauf die Beteiligten hingewiesen worden sind, entsprechend zu ändern.
Für die einstweilige Verfügung in Personalvertretungssachen gelten nach Art. 81 Abs. 2 BayPVG i. V. m. § 85 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) die Vorschriften über die einstweilige Verfügung des Achten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 935 ff. ZPO) entsprechend. Danach setzt die einstweilige Verfügung einen Verfügungsgrund und einen Verfügungsanspruch voraus. Die Beschwerde ist schon deshalb unbegründet, weil ein Verfügungsanspruch nicht gegeben ist.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayPVG sind grundsätzlich alle Beschäftigten wahlberechtigt. Wählbar sind grundsätzlich alle Wahlberechtigten, die am Wahltag seit sechs Monaten dem Geschäftsbereich ihrer obersten Dienstbehörde angehören und seit einem Jahr in öffentlichen Verwaltungen oder von diesen geführten Betrieben beschäftigt sind (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayPVG). Nach der Konzeption dieser Regelungen setzen das aktive und passive Wahlrecht neben der Beschäftigteneigenschaft eine (fort-)bestehende Dienststellenzugehörigkeit, d. h. die Eingliederung in die Dienststelle, voraus (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, B. b. 22.9.2015 – 5 P 12.14 – ZfPR 2016, 2 Rn. 19 m. w. N.; BayVGH, B. b. 10.3.2009 – 17 P 07.1982 – juris Rn. 31 m. w. N.). Für die Eingliederung in die Dienststelle, insbesondere wenn es um das Wahlrecht geht, kommt es dabei grundsätzlich nicht die auf dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis beruhende rechtliche Beziehung, sondern auf das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis an (vgl. BayVGH, B. b. 10.3.2009 a. a. O.).
Zwar besteht zwischen dem Antragsteller und der Bayerischen Landesbank unstreitig zum Zeitpunkt der Wahl bis Ende März 2017 noch ein Beschäftigungsverhältnis. Der Antragsteller hat jedoch mit Beginn der im Vergleich vom 10. März 2015 vereinbarten Freistellung seine Dienststellenzugehörigkeit zur Bayerischen Landesbank im personalvertretungsrechtlichen Sinn verloren. Für diese ist nämlich kennzeichnend, dass der Beschäftigte durch eine tatsächliche Arbeitsaufnahme innerhalb der Arbeitsorganisation der Dienststelle dort nach Weisung des Dienststellenleiters an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirkt (BVerwG, B. b. 22.9.2015 – 5 P 12.14 – ZfPR 2016, 2 Rn. 24 m. w. N.). Eine weisungsgebundene Tätigkeit übt der Antragssteller seit der Freistellung nicht mehr aus. Denn er ist unstreitig seit seiner Freistellung nicht mehr in der Dienststelle tatsächlich tätig. Es liegt somit nur noch das – de jure – fortbestehende rechtliche Band zur Dienststelle, nicht aber die – de facto – erforderliche tatsächliche Beschäftigung in der Dienststelle vor. Soweit der Antragsteller darauf verweist, auch ein freigestelltes Personalratsmitglied übe tatsächlich keine weisungsgebundene Tätigkeit in der Dienststelle aus und dürfte demnach ebenfalls nicht wählen bzw. wählbar sein, kann er nicht durchdringen. Der für Mitglieder des Personalrats geltende Art. 46 BayPVG, der unter anderem Regelungen zur Freistellung (Absatz 3) bzw. zum Versäumnis von Arbeitszeit (Absatz 2) enthält, basiert auf der Grundannahme, dass Personalratsmitglieder wie andere Beschäftigte eine – weisungsgebundene – Arbeitsverpflichtung trifft, die nach Maßgabe der Personalratstätigkeit gemindert wird oder ganz entfällt. Ist aber ein Arbeitnehmer – wie vorliegend aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber – von jeglicher Arbeitsleistung befreit, so existiert keine Arbeitszeit, welche für Personalratstätigkeit in Anspruch genommen werden könnte (BVerwG, B. b. 15.5.2002 – 6 P 8.01 – BVerwGE 116, 242). Bei einem freigestellten Mitglied des Personalrats wird daher – anders als beim Antragsteller – die Eingliederung in die Dienststelle nicht aufgehoben (BVerwG, B. b. 19.11.2015 – 2 B 26.15 – ZBR 2016, 140 Rn. 8).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, es habe in der Vergangenheit Mitarbeiter gegeben, denen das aktive oder passive Wahlrecht in vergleichbaren Fallgestaltungen zugestanden worden sei. Das aktive und passive Wahlrecht ergibt sich allein aus dem Gesetz (vgl. Art. 13, 14 BayPVG). Sollten in der Vergangenheit (ehemalige) Beschäftigte der Bayerischen Landesbank in das Wählerverzeichnis eingetragen worden sein, wären damit lediglich die formellen Voraussetzungen für die faktische Ausübung des Wahlrechts geschaffen worden, ohne dass der Eintragung eine verbindliche Entscheidung über das Wahlrecht zugekommen wäre (vgl. BVerwG, B. b. 26.11.2008 – 6 P 7.08 – BVerwGE 132, 276 Rn. 24). Davon unabhängig gibt es auch keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Eine Kostenentscheidung erübrigt sich (Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayPVG i. V. m. § 80 Abs. 1, § 2a Abs. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).


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