Arbeitsrecht

Beteiligungsrechte der Mitarbeitervertretung anlässlich von Umstellungsmaßnahmen

Aktenzeichen  1 MV 4/20

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47982
Gerichtsart:
Kirchliches Arbeitsgericht
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Kirchengerichte
Normen:
MAVO § 18 Abs. 1, § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 8, § 27, § 29, § 33, § 35 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4, § 36 Abs. 1 Nr. 10
ArbschG §§ 15 ff.
KAGO § 27
ArbGG § 46 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 259

 

Leitsatz

1. Verändert sich nur die Arbeitsmenge nicht jedoch die inhaltliche Gewichtung der Arbeitsaufgabe, liegt in der Regel eine höherwertige Tätigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr.4 MAVO nicht vor. (Rn. 31 – 34)
2. Zum Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen zur Verhütung von (sonstigen) Gesundheitsschädigungen (§ 36 Abs. 1 Nr.10 MAVO). (Rn. 39 – 42)
1. Ein auf Leistung gerichteter Klageantrag, der weder präzisiert, bei welchen konkreten dienstgeberseitigen Maßnahmen ein Beteiligungsrecht begehrt wird, noch die Art des Beteiligungsrechts benennt, genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Information nach § 27 MAVO ist nicht an eine bestimmte Form gebunden, sie kann insbesondere auch mündlich geschehen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Übertragung der Doppelgruppenleitung an Herrn B. ab 01.04. 2020 und die gruppenübergreifende Einarbeitung aller Mitarbeiter in beiden Wohngruppen der Anhörung und Mitberatung der Klägerin nach § 29 MAVO bedürfen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die notwendigen Auslagen der Klägerin, einschl. awaltliche Vertretung für dieses Verfahren trägt die Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Feststellungs- und Leistungsansprüche gegen die Beklagte wegen deren Maßnahmen bezüglich der Wohngruppe C. nur im sehr eingeschränkten Umfang zu. Im Übrigen waren sie unbegründet.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
A.
I. Die Anträge sind im Wesentlichen zulässig.
Der Rechtsweg/ die sachliche Zuständigkeit des Kirchlichen Arbeitsgerichts ist gegeben, da eine Streitigkeit aus dem Mitarbeitervertretungsrecht vorliegt (§ 2 Abs. 2 KAGO).
Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-) Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO auch örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren örtlichen Sitz in dessen Gerichtsbezirk hat. Weiter begegnen der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) keine rechtlichen Bedenken.
Für die auf Feststellung gerichteten Anträge ist das Feststellungsinteresse (§§ 27 KAGO, 256 ZPO) – jedenfalls im Rahmen der gebotenen Auslegung – zuzuerkennen. Ungeachtet des nicht immer präzisen Wortlauts zielen die klägerischen Anträge auf die Feststellung eines konkreten Beteiligungsrechts bei dienstgeberseitigen Maßnahmen und somit auf ein zwischen den Parteien feststellbares Rechtsverhältnis. Da die Beklagte die Beteiligungsrechte bestritten hat, werden die Feststellungsanträge auch der erforderlichen Konfliktlösungsfunktion gerecht.
II. Unzulässig ist jedoch der auf Leistung gerichtete Antrag zu Ziff.6.
Ein Leistungsantrag ist nur dann zulässig, wenn der ihm innewohnende Leistungsbefehl hinreichend bestimmt ist (§§ 27 KAGO, 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 253 Abs. 2 Nr.2 ZPO). Nur dann weiß die Beklagtenpartei, zu welcher Leistung sie durch das Urteil verpflichtet ist und es besteht die erforderliche Klarheit für das Vollstreckungsverfahren und die Rechtkraft (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 38. Auflage, § 253 Rdnr.11).
Dieser prozessualen Vorgabe wird der klägerische Antrag nicht gerecht. Er präzisiert weder bei welchen konkreten dienstgeberseitigen Maßnahmen ein Beteiligungsrecht begehrt wird, noch benennt er die Art des Beteiligungsrechts. Solchen rein „appellhaften“ Leistungsanträgen fehlt die gebotene Bestimmtheit (vgl. BAG v. 09.07. 2013, 1 ABR 17/12). Hinzu kommt, dass der klägerische Antrag inhaltlich auf eine zukünftige Leistung gerichtet ist. Ein solcher ist nur zulässig, wenn die Besorgnis besteht, dass sich die Schuldnerin/Beklagte der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (§ 259 ZPO). Auch dazu fehlt jeder Vortrag der Klägerin.
B.
I. Der Antrag auf Feststellung der klägerseitigen Anhörung und Mitberatung bei der Übertragung der Doppelgruppenleitung an Herrn B. und den damit zusammenhängenden Maßnahmen (gruppenübergreifende Einarbeitung aller Mitarbeiter beider Wohngruppen) ist begründet (§ 29 Abs. 1 Nr. 15 MAVO).
Nach der vorgenannten Bestimmung besteht das Beteiligungsrecht dann, wenn die dienstgeberseitige Maßnahme u.a. auf die Hebung der Arbeitsleistung gerichtet ist. Erforderlich ist also die erhöhte Inanspruchnahme der Mitarbeiterschaft in Bezug auf die körperlichen und/oder geistigpsychischen Belastungen (Eichstätter Kommentar [EK]/ Oxenknecht-W., § 29 Rdnr.77). Solches kann sich auch in der Übertragung zusätzlicher Arbeit manifestieren (Freiburger Kommentar [FK]/ Sroka, § 29 Rdnr.91). Von Derartigem ist hier nach dem Erkenntnis der Kammer aufgrund des Parteivorbringens auszugehen. So ist zum einen die Arbeitsmenge bei Herrn B. durch die Übertragung einer weiteren Gruppenleitung gestiegen. Die Beklagte hat aber auch eingeräumt, dass sich die Veränderungen nicht nur auf die Führungsebene beschränkten. Vielmehr sollte auch weitergreifend eine gewisse Verschränkung in der Gestaltung der Arbeitsabläufe zwischen den Gruppen Wohngruppe C. und Wohngruppe F. stattfinden. Auch wenn die Beklagte dies nicht für den Regelbetrieb gelten lassen wollte, hat sie doch zugestanden, dass in besonderen Lagen der sog. gruppenübergreifende Einsatz der Mitarbeiterschaft stattfinden sollte. Dies bedingt jedenfalls nicht nur gänzlich untergeordnet zusätzliche Herausforderungen für die Arbeitsabläufe. So muss man sich auf andere Bewohner/Klienten in der weiteren Wohngruppe mit anderen Arbeitsanforderungen einstellen und diesen gerecht werden. Auch im kollegialen Zusammenwirken muss mit veränderten Situationen gerechnet werden, deren Bewältigung erst gelingen muss. Auf solche Umstellungen zielt die Teleologie des § 29 Abs. 1 Nr. 15 MAVO und räumt deshalb der MAV das – inhaltlich allerdings beschränkte – Mitwirkungsrecht zur Interessenwahrung der Mitarbeiterschaft ein. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen, insbesondere hat sie das (vorherige) Procedere nach § 29 Abs. 2 – 4 MAVO nicht beachtet. Das entsprechende Feststellungsbegehren der Klägerin war deshalb begründet, ohne dass es auf eine Prüfung der Beteiligungsrechte nach § 29 Abs. 1 Nr. 14, 16 und 17 MAVO noch ankäme.
II. Die weiteren Anträge der Klägerin waren hingegen unbegründet.
1. Für die Übertragung der Doppelgruppenleitung an Herrn B. kommt der Klägerin kein Zustim mungsverweigerungsrecht nach §§ 33, 35 Abs. 1 Nr.4 MAVO zu.
Nach dieser Norm muss dem Mitarbeiter auf Dauer ein verändertes – hier höher zu bewertendes – Aufgabengebiet zugewiesen werden. Die höhere Bewertung muss sich aus der einschlägigen Vergütungsordnung, also den dortigen Tätigkeitsmerkmalen ergeben (FK/Sroka, § 35 Rdnr. 48). Dabei unterscheidet sich der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr.4 MAVO durchaus von dem der Nr.1/2. Letztere erfassen die dienstgeberseitige „Rechtsanwendung“, während Nr.4 die Änderung in der zugewiesenen Tätigkeit (aufgrund Direktionsrechts oder einvernehmlicher Vertragsänderung) im Auge hat. Die bloße Gewährung einer Zulage soll für sich genommen die „Höherwertigkeit“ noch nicht bedingen (EK/Schmitz, § 35 Rdnr. 49).
Danach unterfällt die Übertragung der Doppelgruppenleitung an Herrn B. nicht der hiesigen Bestimmung. Offenkundig ist dessen Eingruppierung in eine Entgeltgruppe der AVR unverändert geblieben. Die bloße Erhöhung der „Gruppenleiterzulage“ um den eher geringen Betrag von 60,- EUR rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wie die Klägerin selbst erklärt hat, handelt es sich um keine AVR-Zulage, sondern sie entspringt einer einrichtungsbezogenen Regelung. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass sie nach der Bewertung der Kammer die (individuellen) Arbeitserschwernisse in der Leitungsverantwortung für zwei Wohngruppen abbilden soll. Die Erschwernisse liegen dabei entscheidend in der vergrößerten Arbeitsmenge nicht jedoch in der inhaltlichen Gewichtung der Arbeitsaufgabe. Der zentrale Arbeitsinhalt (Leitungsu. Führungsverantwortung) ist nach Auffassung der Kammer unverändert.
Dieserhalb ergibt sich auch kein Dissens zur Entscheidung des KAGH (vom 15.05. 2020, M 17/2019).
Der KAGH hat dort darauf abgestellt, dass sich die „Höherwertigkeit“ – unabhängig von der tariflichen Eingruppierung – aus der größeren inhaltlichen Bedeutung der Arbeitsaufgabe ergeben kann (bisher: „einfache“ Jugendbildungsreferentin/Pfadfinder; nachfolgend: Missbrauchsbeauftragte u. Mitglied einer wichtigen diözesanen Stabsstelle). Eine derartige Verschiebung der inhaltlichen Gewichtung hat die darlegungsbelastete Klägerin hier nicht vorgetragen (dazu KAGH v. 15.12. 2017, M 02/ 2017). Es war auch nicht behauptet, dass die Doppelgruppenleitung (des Herrn B.) die hierarchische Struktur der Einrichtung nicht nur unerheblich verändert hat. Dabei mag es durchaus sein, dass wegen des beschränkten Maßes der Arbeitszeit untergeordnete Einzeltätigkeiten auf andere abgeschichtet oder vorübergehend nicht erledigt werden. Dies verändert den inhaltlichen Rang der Arbeitsaufgabe nicht. Es muss deshalb dabei verbleiben, dass die Übertragung der Doppelgruppenleitung im Wesentlichen nur die Arbeitsmenge betrifft. All dies wird nicht zuletzt in der nur geringfügig erhöhten Zulage dokumentiert.
Für die Klägerin besteht auch kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 35 Abs. 1 Nr.1/2 MAVO. Sie – als Darlegungsbelastete – hat zur Ein- oder Höhergruppierung des Herrn B. nichts Verwertbares vorgetragen. Insbesondere ist kein Bezug zu den Eingruppierungsmerkmalen der AVR (welchen?) hergestellt. Im Übrigen liegt – wie oben dargestellt – keine inhaltliche Veränderung des Herrn B. zugewiesenen Aufgabengebiets vor. Es war keine „andere“ Tätigkeit festzustellen (KAGH v. 15.05. 2020, aaO). Eine erneute Eingruppierung als „Rechtsanwendung“ war deshalb für die Beklagte nicht geboten. Solches folgt auch nicht aus der geringfügig erhöhten Zulage. Nach Bewertung der Kammer soll sie gewisse Arbeitserschwernisse ausgleichen und ist eine betriebliche Einzelfallregelung. Sie ist also nicht Teil einer allgemeinen Vergütungsstruktur (AVR) und hat keinen statusbildenden Charakter. Derartige Zulagen beinhalten keine Höhergruppierung (hM EK/Schmitz, § 35 Rdnr. 29; FK/Sroka, § 35 Rdnr. 17; ähnl. KAG Stuttgart-Rottenburg v. 20.07.2020, AS 24/20 mwN).
Ein Zustimmungsverweigerungsrecht für die Klägerin folgt schließlich auch nicht aus dem Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit. Zwar hat die Klägerin für eine zurückliegende Übertragung einer Doppelgruppenleitung einen dahingehenden Antrag der Beklagten vorgelegt. Dabei kann es dahinstehen, ob die Einrichtungspartner überhaupt befugt sind, von den zwingenden Normen zu den Beteiligungsrechten (§§ 29 ff. MAVO) abzuweichen. Jedenfalls sind für die Kammer keine hinreichenden Erkenntnisse dazu hervorgetreten, dass sich die Beklagte einer Selbstbindung für alle Fälle der Übertragung einer Doppelgruppenleitung unterwerfen wollte. Der dazu notwendige eindeutige Bindungswillen war weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Unbeachtlich war, dass die Beklagte nachfolgend (am 08.04.2020) einen Beteiligungsantrag an die Klägerin gerichtet hatte. Dies war erkennbar der vorsorglichen Rechtswahrung geschuldet.
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Informationsanspruch zu Änderungen des Stellenplans ist unbegründet, weil erfüllt (§ 27 Abs. 2 MAVO). Bei dem Begriff des Stellenplans, der eigentlich aus dem Recht der öffentlichen Verwaltung stammt, ist regelmäßig zwischen dem (abstrakten) Soll-Stellenplan und den Ist-Stellenplan zu differenzieren. Letzterer meint die konkrete Besetzung der ausgewiesenen „Plan“-Stellen. Richtig ist, dass der Dienstgeber nicht verpflichtet ist, nur wegen des Informationsbegehrens der MAV einen Stellenplan zu erstellen. Allerdings muss dann dem Informationswunsch in anderer formloser Weise nachgekommen werden (KAGH v. 02.03. 2007, M 06/06). Hier hat die Klägerin ihren Informationsanspruch nicht näher differenziert. Dies kann jedoch dahinstehen. Nach der Bewertung der Kammer aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung und dem Parteivorbringen (§ 43 Abs. 1, S.1 KAGO) ist die Beklagte ihren Informationspflichten hinreichend nachgekommen.
Die Information nach § 27 MAVO ist nicht an eine bestimmte Form gebunden, sie kann insbesondere auch mündlich geschehen (EK/Stöcke-M., § 27 Rdnr. 9 mwN). Es war zwischen den Parteien unstrittig, dass der pädag. Gesamtleiter der Beklagten Herr J. am 19.03.2020 in der MAV-Sitzung erschienen ist und dort alle personellen Veränderungen oder Ergänzungen für die Wohngruppe C. (B., D., G., H.) mit Wirkung zum 01.04.2020 vorgestellt hat. Damit war eine vorherige Information durch einen kompetenten Vertreter der Beklagten (§ 2 Abs. 2, S.1 MAVO) geschehen. Die allgemeinen Personaldaten der Mitarbeiter/-in B., D. und H. waren der Klägerin bekannt, über diejenigen von Frau G. wurde sie durch die Beteiligung zur Einstellung v. 17.03.2020 informiert (vgl. Anlage 16). Ein weitergehender Informationsanspruch ist nicht erkennbar.
3. Der Klägerin kommt zu den Entscheidungen der Beklagten für die Wohngruppe C. auch kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach §§ 33, 36 Abs. 1 Nr.10 MAVO zu.
Dieses Beteiligungsrecht ist u.a. dort eröffnet, wo der Dienstgeber Maßnahmen mit der deutlichen Zielrichtung „Verhütung von Gesundheitsbeschädigungen“ trifft. Wegen des gesetzlichen Zusammenhangs muss sich die Gefahr der Gesundheitsbeschädigung auf dem Niveau von drohenden Arbeitsunfällen bewegen. Deshalb sollen psychische Belastungen durch ein erhöhtes Arbeitsmaß oder erhöhte Anforderungen an die körperliche Konstitution nicht genügen (FK/Sroka, § 36 Rdnr.111). Im Wesentlichen geht es deshalb um die Ausfüllung der gesetzlichen Generalklauseln nach §§ 3, 4 ArbSchG. Dies wiederum erfordert eine unmittelbare objektive Gesundheitsgefahr, der der Dienstgeber zu begegnen hat (BAG v. 11.12.2012, 1 ABR 81/11; EK/Schmitz, § 36 Rdnr.109).
Die Klägerin hat ihr Zustimmungsbegehren ausschließlich mit dem Inhalt der Überlastungs-/Gefährdungsanzeige v. 06.03.2020 begründet. Dort hat die Mitarbeiterschaft der Wohngruppe C. die erhöhte Arbeitsbelastung ausgelöst durch mehrere betreuungsintensive Bewohner und die damit im Zusammenhang stehende unzureichende Personalausstattung reklamiert. Weiter (vgl. dort S.3) wird vor einer daraus resultierenden Fehleranfälligkeit und möglichen Gefährdung der Betreuten gewarnt. In Krisensituationen könne die körperliche Unversehrtheit der Bewohner und der Mitarbeiterinnen „nicht garantiert werden“. Schließlich wird die Verantwortung für eventuelle Schadensersatzforderungen abgelehnt. Aus all dem ist zur Überzeugung der Kammer die unmittelbare (objektive) Gesundheitsgefahr für die Mitarbeiterschaft nicht erkennbar. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich die Mitarbeiter/-innen der Wohngruppe C. über die möglichen Defizite in ihrer Einheit Gedanken machen und auf aus ihrer Sicht erforderliche Verbesserungen hinwirken wollen. Diese Defizite stammen jedoch nahezu ausschließlich aus den situativen Arbeitserfordernissen und der Personalausstattung. Eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit lässt sich daraus jedoch auch indiziell nicht herleiten.
Weiter besteht das Zustimmungsverweigerungsrecht auch deshalb nicht, weil die Maßnahmen der Beklagten bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht auf die Abwehr von Gesundheitsbeschädigungen der Mitarbeiter gerichtet waren. Vielmehr waren diese Maßnahmen zum einen rein organisatorischer Natur, indem für Problemfälle unter den Bewohnern eine anderweitige Unterbringung durchgeführt wurde (Herr L.) und eine gruppenübergreifende Unterstützung auf den Weg gebracht wurde. Zum anderen sollte die Personallage stabilisiert und gefestigt werden (Personaldispositionen B., D., G., H.). All dies sind objektiv keine Maßnahmen, die Arbeitsunfälle oder Gesundheitsbeschädigungen abwehren sollten. Sie dienten vielmehr allein der Arbeitsorganisation und der sachgerechten Personalbesetzung.
4. Unbegründet war auch die begehrte Feststellung, dass die Beklagte (von der Klägerin untech nisch als „Leitung der Einrichtung A.“ bezeichnet) mit den Maßnahmen hinsichtlich der Wohngruppe C. gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit verstoßen und damit die MAV-Tätigkeit der Klägerin behindert habe.
Die Klägerin verkennt die systematische Einordnung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 26 Abs. 1, S.1 MAVO). Diese sog. Generalklausel richtet sich an beide Betriebspartner gleichermaßen und kann die bestehenden Beteiligungsu. Mitwirkungsrechte ausgestalten. Sie generiert jedoch keine eigenen Mitbestimmungsrechte (EK/Stöcke-M., § 26 Rdnr.6). Insbesondere hindert sie den jeweiligen Partner der betrieblichen Mitbestimmung nicht an der Wahrnehmung seiner Rechtsposition. Dies bedeutet: Die Maßnahmen der Beklagten bezüglich der Wohngruppe C. sind nach dem Grundsatz der Spezialität anhand der (behaupteten) Mitbestimmungsrechte der Klägerin zu prüfen und ggf. dort zu sanktionieren. Für einen Rückgriff auf § 26 Abs. 1, S.1 MAVO ist hier kein Raum.
Im Tätigwerden der Beklagten ist auch keine Behinderung der MAV-Arbeit (§ 18 Abs. 1 MAVO) der Klägerin zu erkennen. Richtig ist, dass durch die genannte Bestimmung nicht nur das einzelne MAV-Mitglied geschützt wird, sondern auch die MAV als Organ (FK/Joussen, § 18 Rdnr. 8). Die rechtswidrige Behinderung muss sich jedoch gegen die Amtstätigkeit der MAV als solche richten (aaO, Rdnr. 16/17). Dementsprechend ist nicht jede (allgemeine) Organisations- oder Personalentscheidung des Dienstgebers, zu der die MAV eine andere inhaltliche Auffassung vertritt, bereits deshalb eine Behinderung der Arbeit Letzterer. Vielmehr sind solche Meinungs- und Interessengegensätze für die betriebliche Mitbestimmung nicht untypisch. Wenn also hier die Beklagte auf die Überlastungsanzeige der Wohngruppe C.-Mitarbeiterschaft – zumindest teilweise – anders reagiert hat, als es den Vorstellungen der Klägerin entsprach, war dies weder eine Sanktion noch eine Behinderung der MAV-Arbeit, sondern Ausfluss der Organisationsgewalt und des Direktionsrechts. Die Amtstätigkeit der Klägerin war im Übrigen auch deshalb nicht behindert, weil die Überlastungsanzeige allein von der Mitarbeiterschaft der Wohngruppe C. stammte.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
C.
Auf den entsprechend auszulegenden Antrag der Klägerin waren deren notwendige Auslagen dieses Verfahrens, nämlich diejenigen ihrer anwaltlichen Vertretung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht, der Beklagten – unabhängig von der Entscheidung in der Sache – aufzuerlegen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO i. Verbindung mit §§ 17 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 4.Spiegelstrich MAVO). Das Erfordernis der anwaltlichen Vertretung zur Rechtswahrung folgt zunächst aus der streitgegenständlichen Rechtsmaterie. Die Rechtsverfolgung selbst war nicht von vorneherein so offensichtlich ohne Erfolgsaussicht, dass die materielle Pflicht zur Kostenübernahme hätte verneint müssen.
Gerichtgebühren werden vor den kirchlichen Arbeitsgerichten nicht erhoben (§ 12 Abs. 1, S.1 KAGO).
D.
Die Zulassung der Revision kam nicht in Frage, da die (kirchen-) gesetzlichen Voraussetzungen nach § 47 Abs. 2 KAGO nicht vorlagen. Es galt, den vorgefundenen Einzelfall zu entscheiden. Von divergenzfähigen Entscheidungen wird nicht abgewichen.


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