Arbeitsrecht

Betriebsrat, Interessenausgleich, Teilzeitbegehren, Arbeitszeitreduzierung, dauerhafte Freistellung, Ferienmonat August, rechtsmissbräuchlich

Aktenzeichen  6 Sa 110/19

Datum:
27.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2020, 295
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TzBfG § 8 Abs. 4
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1, § 66 Abs. 1, § 69 Abs. 2, § 72 Abs. 2, § 72a
BGB § 242
ZPO § 97, § 519, § 520
BUrlG § 7

 

Leitsatz

Ein Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit um 1/12 mit dem Ziel der dauerhaften Freistellung im Ferienmonat August kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn dieser Monat regelmäßig zu den arbeitsintensivsten Monaten zählt und Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer dadurch von vorneherein deutlich eingeschränkt würden. (Rn. 45)

Verfahrensgang

12 Ca 2177/18 2019-01-09 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09.01.2019 – Az.: 12 Ca 2177/18 – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch diesem nicht zusteht. Auf die ausführlichen und sorgfältigen Ausführungen des Erstgerichts in den Entscheidungsgründen wird ausdrücklich Bezug genommen und von deren lediglich wiederholenden Darstellung daher abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Auch nach dem Berufungsvorbringen ist festzustellen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Teilzeitvereinbarung hat. Das Teilzeitbegehren des Klägers ist in zweifacher Hinsicht unbegründet.
Dem Teilzeitbegehren des Klägers stehen betriebliche Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG entgegen. Nach dieser Vorschrift liegt ein betrieblicher Grund insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe hat, der Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 20.01.2015, 9 AZR 735/13; BAG, Urteil vom 13.11.2012, 9 AZR 259/11).
Die Prüfung, ob betriebliche Gründe entgegenstehen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig in drei Stufen vorzunehmen, die das Arbeitsgericht zutreffend dargestellt und angewendet hat. Der Arbeitgeber hat sein Organisationskonzept hinsichtlich der Urlaubsnahme und Urlaubsgewährung im August eines Jahres im Einzelnen dargelegt und auch die tatsächliche Durchführung dieses Konzeptes verdeutlicht. Dabei hat der Arbeitgeber anhand der vorgetragenen Angaben belegt, dass es sich bei dem August, insbesondere auch 2018, sich um den umsatzstärksten Monat eines Jahres handelt, in dem zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes nicht allen Urlaubswünschen der Mitarbeiter nachgekommen werden kann. Die Beklagte hat dargelegt, dass sie zum Ausgleich der im August besonders gehäuften Urlaubsansprüche der Mitarbeiter auf ihre Verfahrensanweisung tatsächlich zurückgreift, nach der in der Regel im August maximal 10 Urlaubstage, in einzelnen Ausnahmefällen 15 Urlaubstage, gewährt werden. Eine weitergehende Gewährung von Urlaubstagen im August sieht die durchgeführte Verfahrensanweisung gerade nicht vor. Die Beklagte hat damit hinreichend dargelegt, dass ein entsprechendes Organisationskonzept vorliegt, um sämtliche Urlaubswünsche einigermaßen in Einklang zu bringen und sie dieses tatsächlich durchführt. Diesen nicht verfahrensrechtlich beachtlich angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts folgt das erkennende Gericht. Dieses Konzept steht dem Urlaubswunsch des Klägers, für jedes Jahr im August insgesamt Urlaub in Anspruch nehmen zu können, entgegen. Dieses Konzept, das der Vorgabe des § 7 BurlG entspricht, stellt auch hinreichend gewichtige Gründe dar, der Verringerung der Arbeitszeit im Sinne des Klägers nicht zuzustimmen. Soweit der Kläger pauschal bestreitet, dass es im August Engpässe geben würde, reicht dies nicht aus, denn der Arbeitgeber hat die hohe Auslastung, die Verfahrensanweisung, die mit dem Betriebsrat abgestimmt sei, sowie die tatsächliche Urlaubsgewährung im Einzelnen dargelegt. Hiergegen konnte der Kläger nichts weiter vorbringen. Gegen die Durchführung dieses Konzepts spricht auch nicht, dass die Beklagte für eine Woche zwei Mitarbeiter nach Baden-Württemberg abordnen musste und konnte. Entgegen der nicht im Einzelnen dargelegten Behauptung des Klägers ergibt sich damit, dass die Beklagte in der fraglichen Zeit nicht generell Mitarbeiter abordnet, sondern dass dies nur ausnahmsweise auf gesonderte Anordnung erfolgt ist. Einer Einvernahme des Zeugen insoweit bedurfte es daher nicht. Es kann keine Rede davon sein, dass generell überschüssiges Personal nach Baden-Württemberg abgeordnet worden wäre. Hinsichtlich der Urlaubsnahme ist entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht auf die Gesamtzahl der Beschäftigten abzustellen, sondern nur auf von der Tätigkeit her auf mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer, vorrangig im TSC Hersbruck bzw. in der Niederlassung Nürnberg. Die von der Beklagten dargestellte Urlaubsproblematik für den August ergibt sich auch hinsichtlich der gesamten Niederlassung Nürnberg, so dass es nachvollziehbar ist und einen hinreichend gewichtigen Grund darstellt, nicht Arbeitnehmer willkürlich zwischen den TSC auszutauschen. Nach alldem bestehen hinreichend gewichtige Gründe, der gewünschten Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen, da dem rational nachvollziehbaren und § 7 BUrlG geschuldeten Organisationskonzept die gewünschte Arbeitszeitverteilung des Klägers entgegensteht und dieses Konzept durch die Vielzahl der Urlaubswünsche für den August notwendig und angemessen ist. Der Kläger verkennt, dass die Folgen des Ausfalls seiner Arbeitsleistung im gesamten August im Notfall durch den Einsatz anderer Arbeitnehmer gegebenenfalls reduziert werden könnten, damit aber das anerkennenswerte Organisationskonzept nicht mehr gewahrt wäre.
Dabei spielt es keine Rolle, dass die Verfahrensanweisung keine entsprechende Rechtsnormqualität hat, da die Beklagte nach dieser Anweisung uneingeschränkt verfährt und diese tatsächlich zur Anwendung kommt, unabhängig davon, dass nach ihrem Vorbringen diese mit dem Betriebsrat abgestimmt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob ein entsprechendes Organisationskonzept vorliegend gegeben ist und nach diesem verfahren wird sowie, ob dies einen hinreichend gewichtigen Grund darstellt, dem Teilzeitbegehren nicht zuzustimmen.
Es kann dem Kläger insoweit nicht gefolgt werden, als er die Meinung vertritt, dass nicht geprüft worden wäre, ob dem Arbeitgeber durch eine Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung unter Wahrung des Organisationskonzeptes mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers in Einklang gebracht werden könnte. Auch insoweit verkennt der Kläger, dass es bei der Beklagten kein überschüssiges Personal in seinem Tätigkeitsbereich gibt, das bei seinem Ausfall durch Urlaubsnahme im August ersatzweise eingesetzt werden könnte. Im vorliegenden Fall geht es im Kern gerade nicht um den Ausgleich der durch den Urlaub ausfallenden Arbeitszeit des Klägers, sondern um den nach § 7 BUrlG vorgegebenen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen für eine Einbringung des Urlaubs im August durch die verschiedenen Mitarbeiter. Gerade um die widerstreitenden Interessen der unterschiedlichen Arbeitnehmer in Einklang zu bringen, hat die Beklagte ihr Organisationskonzept hinsichtlich der Einbringung von Urlaub im August ausgestaltet und verfährt danach. Damit geht es vordergründig um den Ausgleich der unterschiedlichen Urlaubsinteressen von Mitarbeitern mit schulpflichtigen Kindern, von Mitarbeitern, die aus anderen Gründen auf die Urlaubsnahme im August angewiesen sind und der Vielzahl von sonstigen Mitarbeitern mit einem Urlaubswunsch für den August. Um die Auftragsabarbeitung auch im August zu gewährleisten und auf der anderen Seite möglichst den Urlaubswünschen der Arbeitnehmer zumindest in verringerter Form nachzukommen, hat die Beklagte ihre Verfahrensanweisung und damit ihr Organisationskonzept vorgegeben; dieses in dem Sinne, möglichst viele Urlaubswünsche im August in Einklang zu bringen und den Urlaubswünschen im August möglichst vieler Mitarbeiter zumindest in verkürzter Form zu entsprechen. Der Kläger verkennt, dass gegebenenfalls der Ausfall seiner Arbeitsleistung im August ausgeglichen werden könnte, es vorliegend aber um die möglichst sozial gerechte und einheitliche Urlaubsgewährung geht. Der Teilzeitwunsch des Klägers würde dieses Konzept gerade unterlaufen und die Chancen anderer Arbeitnehmer, im August Urlaub gewährt zu bekommen, ohne zwingenden Grund verringern. Es würde dadurch das Organisationskonzept gerade nicht gewahrt. Die Tatsache, dass der Kläger ein schulpflichtiges Kind hat, wird bereits im Rahmen der Verfahrensanweisung und des § 7 BUrlG hinsichtlich der Berücksichtigung von Urlaubswünschen einbezogen und berücksichtigt.
Es ist daher auch nicht entscheidungserheblich, wie viele andere Mitarbeiter noch schulpflichtige Kinder haben, da Mitarbeiter auch aus anderen Gründen auf einen Urlaub im August angewiesen sein können und grundsätzlich alle Urlaubswünsche der Mitarbeiter zu berücksichtigen sind. Ein fairer Interessenausgleich soll gerade durch die Verfahrensanweisung und unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 7 BUrlG gewährleistet werden. Dieser durch das Gesetz vorgegebene zwingende Interessenausgleich würde durch das Teilzeitbegehren des Klägers unzumutbar unterlaufen. Durch eine Stattgabe des Teilzeitbegehrens des Klägers würde die Verfahrensanordnung und die Regelung des § 7 BUrlG wesentlich beeinträchtigt. Wie der Kläger richtig ausführt, bedarf das Teilzeitbegehren eines Arbeitnehmers keiner Begründung. Soweit das Arbeitsgericht berücksichtigt hat, dass der Kläger ein schulpflichtiges Kind hat, hat es zutreffend festgestellt, dass das Verlangen des Klägers nicht willkürlich ist, sondern einem nachvollziehbaren Interesse an der Freistellung im August entspricht. Dem stehen aber, ohne dass dem Urlaubswunsch des Klägers stets Vorrang einzuräumen wäre, erfahrungsgemäß und wie dargelegt die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegen. Dem Arbeitgeber ist es nach seinen Darlegungen nicht möglich, im August allen Arbeitnehmern den jeweils gewünschten Urlaub zu gewähren, sondern er muss sich, um seinen Betrieb aufrechtzuerhalten, darauf beschränken, nur einen Teil der Urlaubswünsche zu realisieren. Demnach ist auch nicht entscheidungserheblich, wie viele andere Mitarbeiter schulpflichtige Kinder oder eventuell andere Gründe haben, um im August Urlaub nehmen zu wollen.
Demnach war dem Teilzeitwunsch des Klägers schon nicht zu entsprechen.
Der Teilzeitwunsch des Klägers stellt aber auch eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB dar. Die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit, verbunden mit dem Wunsch, den gesamten August arbeitsfrei zu haben, bezweckt nach obigen Ausführungen, die Verfahrensanordnung der Beklagten zu unterlaufen und dem Kläger entgegen der gesetzlichen Regelung des § 7 BUrlG gerade für den August in den folgenden Jahren die Urlaubsnahme zu sichern. Damit will der Kläger ersichtlich erreichen, dass Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer zur selben Zeit, gegebenenfalls auch aus denselben Gründen wie beim Kläger, dauerhaft nicht berücksichtigt werden und eine Entscheidung über die Urlaubsgewährung nach billigem Ermessen im Sinne des § 7 BUrlG nicht mehr erfolgen soll. Dies will der Kläger dadurch erreichen, dass er eine nach § 8 TzBfG noch geringere Reduzierung seiner Arbeitszeit beansprucht. Der Kläger begehrt damit unter Inkaufnahme einer nur unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und damit der Arbeitsvergütung, eine bestimmte Verteilung seiner Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung nach § 7 BUrlG keinen Anspruch hätte, so dass dies ein rechtsmissbräuchliches Verringerungsverlangen darstellt. Der Arbeitnehmer will durch sein Verringerungsbegehren nur eine Freistellung in beliebten Ferienzeiträumen garantiert bekommen, ohne dass er damit zu rechnen hätte, dass ein Urlaubsantrag für diese Zeiten etwa aus dringenden betrieblichen Belangen oder gerade wegen den gehäuften Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer abgelehnt oder im Umfang reduziert werden könnte. Bereits dies spricht dafür, dass der Kläger das Mittel des Teilzeitbegehrens zweckwidrig dazu verwenden will, eine Arbeitszeitverteilung durchzusetzen, auf die er sonst keinen Anspruch hätte und dem aufgrund der Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer wohl auch nicht entsprochen werden könnte. Auch hierbei kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte dem Kläger gegebenenfalls statt 10 Urlaubstagen auch einmal 15 oder 20 Urlaubstage gewähren könnte, was zwar gegen die Verfahrensanweisung verstoßen würde, aber wegen § 7 BUrlG gegebenenfalls ausnahmsweise in Betracht käme. Der Kläger will aber mit seinem Begehren vielmehr dauerhaft zu Lasten (unter Einschränkung der Urlaubansprüche) anderer Arbeitnehmer sich einen Anspruch verschaffen, der ihm ansonsten nicht zukäme. Dies rechtfertigt den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung.
Nach alldem hat das Arbeitsgericht das Teilzeitbegehren des Klägers zu Recht abgelehnt, die Berufung ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).


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