Arbeitsrecht

Betriebsratsmitglied, Vergütung, Vergleichbarkeit, Begünstigungsverbot

Aktenzeichen  4 Sa 112/21

Datum:
10.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53029
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 37 Abs. 4
BetrVG § 78 S.2

 

Leitsatz

Klage eines Betriebsratsmitglieds auf Vergütungserhöhung entsprechend der Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt seines Amtsantritts mit ihm vergleichbar waren, nachdem er nach Amtsantritt einen Änderungsvertrag bezüglich einer geringerwertigen Tätigkeit (ohne Führungsverantwortung) unterschrieben hatte.

Verfahrensgang

22 Ca 10321/19 2020-12-10 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.12.2020, Az.: 22 Ca 10321/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist angesichts einer Beschwer in Höhe von € 51.822,72 nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft und mit den Schriftsätzen vom 17.02.2021 und 19.04.2021 innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG eingelegt und begründet, die angesichts der Zustellung des Urteils am 19.01.2021 gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 19.02.2021 bzw. – verlängert – am 19.04.2021 abliefen.
Die Berufung genügt inhaltlich den Anforderungen der §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 1 und 3 ZPO an die Begründung. Der Kläger rügt Rechtsfehler des Erstgerichts, soweit dieses den Klagevortrag als unsubstantiiert bezeichnet und den Kläger in der Darlegungs- und Beweislast gesehen hat.
II.
Die Berufung ist unbegründet: Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend den geltend gemachten Vergütungsanspruch des Klägers verneint.
1. Die in der Berufung zur Überprüfung gestellte Feststellungsklage ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig, namentlich erfüllt sie die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO, weil mit dem Antrag auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten ein Teil eines Rechtsverhältnisses zur Klärung gestellt ist, was genügt (BAG v. 25.04.2018, 7 AZR 520/16 Rn. 17 – zitiert nach juris; Ostrowicz u.a.-Künzl Rn.75), und ein Feststellungsinteresse in dem Streit der Parteien über die zutreffende Vergütungshöhe gegeben ist.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann nicht eine Vergütung entsprechend der durchschnittlichen Gehaltsentwicklung der von ihm benannten Vergleichsgruppe verlangen.
a. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich nicht aus § 37 Abs. 4 BetrVG.
(1) Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen sein als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden, und damit verhindern, dass das Einkommen des Betriebsratsmitglieds durch die Inanspruchnahme durch das Betriebsratsamt beeinträchtigt wird (st. Rspr., vgl. etwa BAG v. 14.10.2020, 7 AZR 286/18 Rn. 20 – zitiert nach juris). Insofern stellt die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG eine besondere Ausprägung und Konkretisierung des allgemeinen Benachteiligungsverbots des § 78 S. 2 BetrVG dar (BAG v. 18.01.2017, 7 AZR 205/15 Rn.22 – zitiert nach juris).
Vergleichbar sind diejenigen Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und die dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (zuletzt BAG v. 22.01.2020, 7 AZR 222/19 Rn. 21 – zitiert nach juris; BAG v. 18.01.2017, 7 AZR 205/15 Rn. 16 – zitiert nach juris; Giesen RdA 2020, 155, 158 f).
Allerdings untersagt § 78 Abs. 2 BetrVG die Gewährung von Vergütung, die das Betriebsratsmitglied nicht erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit erbracht, sondern gearbeitet hätte. Dieses Gebot, wonach Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen, dient – ebenso wie das Ehrenamtsprinzip nach § 37 Abs. 1 BetrVG – der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder (BAG v. 29.08.2018, 7 AZR 206/17 Rn. 33 f – zitiert nach juris; BAG v. 18.05.2016, 7 AZR 401/14 Rn. 21 ff.-zitiert nach juris).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger eine Gehaltsentwicklung wie diejenigen Mitarbeiter, die 2010 Teamleiter waren, nicht verlangen.
Zwar ist für die Entwicklung nach § 37 Abs. 4 BetrVG grundsätzlich eine Gruppe aus diesen Mitarbeitern zu bilden; denn zu Beginn seines Betriebsratsamts hatte der Kläger die Aufgabe als Teamleiter.
Im Hinblick auf das Begünstigungsverbot nach § 78 S. 2 BetrVG jedoch ist hier unter Berücksichtigung der Vereinbarung der Parteien zur Aufgabe des Klägers vom 26.10.2012 von diesem Grundsatz abzuweichen.
Die Parteien haben darin abgesprochen, dass der Kläger ab 01.12.2012 die Funktion als Teamleiter abgeben und als Techniker mit entsprechend geringerer Vergütung weiterarbeiten werde. Die Gleichstellung mit Teamleitern und deren Entwicklung würde ihn besser stellen, als wenn er weiterhin auf der neuen Stelle arbeitete und entsprechend remuneriert würde. Die im Vergleich mit den Teamleitern schlechtere Stellung ist dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger infolge der einvernehmlichen Vertragsänderung keine Personalführung mehr zu verantworten hatte, die ihrerseits die höhere Vergütung der Teamleiter begründete.
Der Einwand des Klägers, die Vereinbarung sei wegen seiner Betriebsratsarbeit erfolgt: er habe sich zwischen der Teamleiterfunktion und seinem Amt entscheiden müssen, ändert daran nichts. § 37 Abs. 2 BetrVG sieht im Fall einer Kollision von Betriebsratsamt und geschuldeter Arbeitsleistung eine an der ordnungsgemäßen Durchführung des Amts gemessene erforderliche Freistellung vor. Da aufgrund der Vertragsänderung die mit der Teamleitung verbundene Mehrverantwortung unabhängig von der Freistellung für Betriebsratsarbeit weggefallen ist, hätte die Gewährung von Teamleitervergütung eine unzulässige Begünstigung des Klägers gegenüber den anderen wie er als Techniker beschäftigten Arbeitnehmern zur Folge. Dass er sich bei der Vertragsänderung derart unter Druck befunden habe, dass eine freie Willensbildung nicht möglich gewesen sei, hat der Kläger nicht vorgetragen noch ist dies ersichtlich.
b. Wie das Arbeitsgericht zutreffend und sorgfältig ausgeführt hat, ist die geforderte Vergütungsentwicklung auch nicht nach § 78 S. 2 BetrVG deshalb zu gewähren, weil der Kläger eine entsprechende Beförderung fordern könnte.
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen nach § 78 S. 2 BetrVG wegen ihrer Amtstätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Wird ein Betriebsratsmitglied allein wegen des Amts nicht auf eine höherdotierte Stelle befördert, so ergibt sich aus dem Benachteiligungsverbot iVm. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf die erhöhte Vergütung (BAG v. 20.01.2021, 7 AZR 52/20 Rn. 23 – zitiert nach juris; BAG v. 22.01.2020, 7 AZR 222/19 Rn. 29 – zitiert nach juris).
Allerdings trägt der Kläger für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung einer unzulässigen Benachteiligung grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast (BAG v. 20.01.2021, 7 AZR 52/20 Rn. 24 – zitiert nach juris). Dabei genügt es nicht, dass sich aus seinem Vortrag ergibt, die Beförderung auf eine höher bezahlte Stelle sei ohne das Betriebsratsamt möglich und wahrscheinlich; das Gericht muss aufgrund der vorgetragenen Tatsachen und Hilfstatsachen zu der Überzeugung gelangen können, dass dem Betriebsratsmitglied ohne das Betriebsratsamt die höherwertige Tätigkeit tatsächlich übertragen worden wäre.
(2) An einer derartigen Darlegung fehlt es.
Der Kläger hat angegeben, sich wiederholt auf Team- und Abteilungsleiterstellen beworben zu haben.
Soweit er sich auf die Bewerbung vom März 2012 auf eine Teamleiterstelle bezieht, stellte diese keine Beförderungsstelle dar; denn zu dieser Zeit war der Kläger selbst noch als Teamleiter eingesetzt.
Soweit er auf die Bewerbungen aus den Jahren 2016 und 2018 rekurriert, ist zu beachten, dass er damit von seiner Stellung als Techniker eine solche als Abteilungsleiter zu erreichen suchte. Dazu, dass ein solcher Sprung überhaupt üblich und in seinem Fall sogar zwingend gewesen sei, hat er nichts vorgetragen. Dass er in der konkreten Situation der einzig zu berücksichtigende Kandidat gewesen sei, hat er nicht behauptet.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO: Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, insbesondere kommt dem Fall keine besondere über die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen hinausgehende Bedeutung i. S. d. § 72 Abs. II Nr. 1 ArbGG zu.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben