Arbeitsrecht

Bezugnahmeklausel –  Änderungsvorbehalt für private Dienstwagennutzung

Aktenzeichen  7 Sa 802/18

Datum:
17.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 38196
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 307 Abs. 1, Abs. 2, § 308 Nr. 4, § 310 Abs. 4 S. 2
GewO § 106
ArbGG § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1, § 69

 

Leitsatz

Die Parteien haben über eine Bezugnahme im Arbeitsvertrag eine Fuhrparkanweisung für Dienstwagen zum Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses gemacht und weiter zumindest konkludent eine Privatnutzung des Dienstwagens vereinbart. Eine Modifizierung oder ein Widerruf der Fuhrparkanweisung insbesondere im Zusammenhang mit der Privatnutzung des Dienstwagens über die Formulierung im Arbeitsvertrag “in der jeweils gültigen Fassung” hielt der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, 2, 308 Nr. 4 BGB nicht stand, denn in der Änderungsklausel war kein trifftiger Grund für eine etwaige Änderung beschrieben. (Rn. 28 und 31 – 32)
1. Ob ein Verhalten als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden kann, ist danach zu beurteilen, wie der Erklärungsempfänger dies nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte.(Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Zurverfügungstellung eines Dienstwagens handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um eine Leistung iSv. § 308 Nr. 4 BGB. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 Ca 3428/18 2018-10-16 ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.10.2018 – 13 Ca 3428/18 abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Dienstwagen nach der Fuhrparkanweisung vom 01.07.1998 mit Stand vom 01.09.2012 – gemäß der dortigen Kategorie E – zur Verfügung zu stellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist auch begründet. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war daher abzuändern.
A. Gegen den gestellten Antrag in Form einer Feststellungsklage bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgericht Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG).
B. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt, dass die in einem Arbeitsvertrag festgehaltene Bezugnahme auf die „jeweilige“ Fassung eines einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenen Regelungswerks und die darin formulierte Gültigkeitsdauer bis zum Erlass eines neuen Regelungswerkes inhaltlich ein Vertragsveränderungsrecht des Arbeitgebers darstellt (vgl. BAG, 11.02.2009 – 10 AZR 222/08). Damit verfolgt der Arbeitgeber das gleiche Ziel wie mit anderen Bestimmungsrechten, insbesondere der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen und einem Widerrufsvorbehalt. Der Abänderungsvorbehalt stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Grundsätzlich sind Verträge bindend. Dies gehört zu den Grundelementen des Vertragsrechts (vgl. BAG, vgl. BAG, 11.02.2009 – 10 AZR 222/08). Ob ein Widerrufsrecht wirksam ist, ist nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm zu beurteilen. Da § 308 Nr. 4 BGB § 307 BGB konkretisiert, sind auch die Wertungen dieser Norm heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Danach ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt und dieser bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist (vgl. BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 113/09; 11. 02.2009 – 10 AZR 222/08; 12.01.2005 – 5 AZR 364/04). Und das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein (vgl. BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 113/09; 11.02.2009 – 10 AZR 222/08; BGH 19.10.1999). Weiter ist bei der Angemessenheitskontrolle nicht auf die tatsächlich erfolgten Änderungen durch die einseitigen Arbeits- und Sozialordnungen der Beklagten abzustellen, sondern auf die Möglichkeiten, die die Bezugnahmeklauseln geben. Es ist – anders als bei der früheren Prüfung im Rahmen des § 242 BGB – bei zu weit gefassten Klauseln nicht mehr zu prüfen, ob der Arbeitnehmer im konkreten Fall schutzwürdig ist. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zwingt zu einer generellen, typisierenden Prüfung (vgl. BAG, 11.02.2009 – 10 AZR 222/08; 24.10.2007 – 10 AZR 825/06). Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfall. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen auch solche Klauseln, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfalle nicht realisiert hat (vgl. BAG, 11.02.2009 – 10 AZR 222/08). Ohne einen sachlichen Grund für den Widerruf der Überlassung des Dienstwagens auch zur privaten Nutzung überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der Änderung der versprochenen Hauptleistungspflicht (vgl. BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 113/09). Die Widerrufsregelung muss nicht nur klar und verständlich sein (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie darf den Vertragspartner als solche nicht unangemessen benachteiligen. Die Bestimmung muss daher selbst erkennen lassen, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf. Die Änderung muss angemessen und zumutbar sein. Der Maßstab der § 307 Abs. 1 und 2, § 308 Nr. 4 BGB muss im Text der Klausel zum Ausdruck kommen. Die Widerrufsklausel hat sich demnach auf die Fälle zu beschränken, in denen ein anzuerkennender Sachgrund besteht, die Dienstwagenüberlassung zu widerrufen und die Privatnutzung damit einzustellen. Der Sachgrund muss in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was gegebenenfalls auf ihn zukommt. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) rechtfertigen keine Abweichung. Der nötigen Flexibilisierung wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Vertragsparteien auch in vorformulierten Vereinbarungen die Möglichkeit haben, die Überlassung eines Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung unter einen Widerrufsvorbehalt zu stellen, wenn die typisierten Sachgründe für den Widerruf bereits in der Vertragsklausel benannt werden (zum Ganzen vgl. BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 113/09).
C. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger auf der Grundlage seines Arbeitsvertrags iVm. mit der darin in Bezug genommenen Fuhrparkanweisung vom 01.07.1998 mit Änderungsdatum 01.09.2012 einen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte einen Dienstwagen – gemäß der dortigen Kategorie E – zur Verfügung stellt.
1. Die Parteien haben in dem zwischen ihnen am 14.09.2009 abgeschlossenen Arbeitsvertrag vereinbart, dass der Kläger für die Ausübung seiner Tätigkeit leihweise einen Firmen-PKW der Kategorie G erhält, den die Beklagte jederzeit zurückfordern kann. Weiter haben sie vereinbart, dass die Organisationsanweisung für Firmenfahrzeuge (=Fuhrparkanweisung) in der jeweils gültigen Fassung Bestandteil dieses Vertrages ist. Eine ausdrückliche Vereinbarung über eine Privatnutzung des Firmenfahrzeugs liegt nicht vor, ist aber konkludent erfolgt.
a) Ob ein Verhalten als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden kann, ist danach zu beurteilen, wie der Erklärungsempfänger dies nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (vgl. BAG, 14.06.2016 – 9 AZR 181/15).
b) Der Kläger beruft sich darauf, dass die Beklagte seit der Überlassung eines Dienstwagens und somit seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses in den monatlichen Gehaltsabrechnungen einen geldwerten Sachwert wegen der Privatnutzung des Fahrzeugs angesetzt hat und entsprechend Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge hieraus abgeführt hat, weil ihr bewusst war, dass der Kläger das Dienstfahrzeug auch privat nutzt. Diese Vorgehensweis hat der Kläger akzeptiert und zu keinem Zeitpunkt beanstandet. In diesem Zusammenhang wird auch unterstellt, dass auch in den Urlaubszeiten des Klägers entsprechend verfahren wurde. Die Beklagte wiederum hat zu keinem Zeitpunkt die Privatnutzung des Dienstfahrzeugs durch den Kläger beanstandet.
c) Bei dieser Sachlage ist es offensichtlich, dass die Parteien jedenfalls stillschweigend die Privatnutzung des dem Kläger überlassenen Dienstfahrzeugs vereinbart haben. Dass lediglich eine bloße Duldung in Zusammenhang mit der Privatnutzung vorliegt, ist nicht erkennbar und stünde auch in Widerspruch zur tatsächlichen Handhabung in Form der Ausweisung eines Sachbezugswertes in den monatlichen Gehaltsabrechnungen. Die Nutzung des Fahrzeugs, insbesondre die Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen bis hin zur Festlegung des Wagentyps ergibt sich aus der Fuhrparkanweisung vom 01.07. 1998 die im Rahmen der konkludenten Vereinbarung über eine Privatnutzung des Dienstfahrzeugs ebenfalls Vertragsgegenstand geworden ist (ebenso ArbG Berlin, 20.11. 2018 – 45 Ca 9573/18). Diese Fuhrparkanweisung wurde durch die Fassung mit Änderungsdatum 01.09.2012 modifiziert, deren Anwendung der Kläger durch seine Bestätigung mit Datum 21.08.2012, die Fuhrparkanweisung erhalten und gelesen zu haben, stillschweigend zugestimmt hat.
d) Diese modifizierte Fuhrparkanweisung mit Änderungsdatum 01.09.2012 ist nicht durch eine neue Fuhrparkanweisung mit Wirkung ab 01.01.2018 vertraglich vereinbart und damit abgelöst worden, denn der Kläger hat deren Anwendung schriftlich widersprochen und hat damit darauf bestanden, dass die bisherigen vertraglichen Regelungen weiterhin gelten.
2. Die wie oben ausgeführt zu Stande gekommen Vereinbarung einer Privatnutzung des dem Kläger zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeugs zu den Bedingungen der Fuhrparkanweisung vom 01.07.1998 in der Fassung vom 01.09.2012 ist auch nicht durch einen Widerruf seitens der Beklagten gegenstandslos geworden.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Zurverfügungstellung eines Dienstwagens um eine Leistung iSv. § 308 Nr. 4 BGB (vgl. BAG, 13.07.2010 – 9 AZR 113/09), denn ansonsten hätte das Bundesarbeitsgericht keine Inhaltskontrolle der in dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Car-Policy vorgenommen (vgl. auch ArbG Berlin, 20.11.2018 – 45 Ca 9573/18). Dass es sich im vorliegenden Fall bei der von der Beklagten gestellten Formulierungen im Arbeitsvertrag und der von ihr einseitig erstellten Fuhrparkanweisung um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt, ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Erörterung.
b) Es ist daher nach den Prüfungsmaßstäben der §§ 305 ff BGB zu prüfen, ob die einseitige Leistungsbestimmung in Form eines Widerrufsrechts wirksam ist. Hinsichtlich der Fuhrparkanweisung gilt auch nicht die Ausnahmeregelung des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB wonach §§ 305 ff BGB keine Anwendung auf Betriebsvereinbarungen findet, denn die einseitig von der Beklagten erstellte Fuhrparkanweisung ist mangels Beteiligung eines Betriebsrates keine Betriebsvereinbarung. § 310 Abs. 4 S. BGB, wonach die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind, ist insoweit bereits genüge getan, da die typisierten Sachgründe für einen Widerruf bereits in der Vertragsklausel benannt werden können (vgl. BAG, 13.04.2010 – 9 AZR 113/09) und insofern ist eine darüberhinausgehende weitere Berücksichtigung nicht veranlasst, insbesondere wenn der der Vertragspartner Arbeitgeber von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch macht.
c) Nach der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.04.2010 – 9 AZR 113/09 überwiegt ohne einen sachlichen Grund für den Widerruf der Überlassung des Dienstwagens auch zur privaten Nutzung das Interesse des Arbeitnehmers an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der Änderung der versprochenen Hauptleistungspflicht. Und vor allem hat nach der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts der Maßstab für eine angemessene und zumutbare Änderung im Text der Klausel zum Ausdruck kommen, denn der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss. Da die maßgeblichen Klauseln dazu schweigen, sind sie unwirksam und die Beklagte kann sich auf den darin festgelegten Widerruf nicht berufen.
d) Soweit sich die Beklagte auf die Anwendbarkeit einer „Jeweiligkeitsklausel“ im Ar beitsvertrag und in der Fuhrparkanweisung beruft und über diese Konstruktion die neue Fuhrparkanweisung mit Wirkung ab 01.01.2018 auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung bringen will, geht dies ins Leere. Denn nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.04.2010 – 9 AZR 113/09 ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist und dies ist nur dann der Fall, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt und dieser bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Da in den von der Beklagten vorgegeben Formulierungen zur Jeweiligkeitsklausel ebenso wie zum Vorliegen von Gründen für die Ausübung eines Widerrufsrechts keine Angaben stehen, wann ein triftiger Grund für eine Änderung vorliegt, ist die vorliegende Jeweiligkeitsklausel unwirksam.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 ZPO.
IV.


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