Arbeitsrecht

Bleibeprämie, Betriebsstilllegung, unzuständig, Zuständigkeit, Einigungsstelle, Stilllegung, Mitbestimmungsrechte

Aktenzeichen  4 TaBV 19/18

Datum:
12.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41948
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 87
ArbGG § 100 Abs. 2 S. 1, § 100 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Die Einigungsstelle ist für die Regelung einer Bleibeprämie offensichtlich unzuständig, wenn die vollständige Betriebsstilllegung bereits erfolgt ist.

Verfahrensgang

2 BV 8/18 2018-08-28 Bes ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 28.08.2018, Az.: 2 BV 8/18, wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und über die Zahl der Beisitzer.
Die Beteiligte zu 2) hatte am Standort G… ein sogenanntes Replenishment Warehouse mit zuletzt ca. 320 Mitarbeitern betrieben, das auf Grund Interessenausgleichs vom 11.05.2018 zum Ablauf des 30.06.2018 vollständig stillgelegt wurde.
Der Antragsteller ist der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat.
Die Beteiligte zu 2) sagte etwa 10 Mitarbeitern in den Monaten April/Mai 2018 Bleibeprämien zu, um diesen einen Anreiz zu geben, ihre Arbeitsleistung weiterhin ordnungsgemäß zu erbringen. In den jeweiligen schriftlichen Vereinbarungen (vgl. Kopie Bl. 9, 10 d.A.) wurde die Auszahlung der Prämie davon abhängig gemacht, dass bis 30.06.2018 keine Eigenkündigung ausgesprochen wird, die Fehlzeitenquote wegen Arbeitsunfähigkeit 6% nicht übersteigt und die Arbeitsleistung im regulären Tagesgeschäft vertragsgemäß erbracht wird.
Gegen eine vom Antragsteller geltend gemachte Mitbestimmung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird von der Beteiligten zu 2 eingewandt, es handle sich um individuelle Vereinbarungen mit einzelnen Führungskräften ohne einen kollektiven Bezug.
In dem am 17.08.2018 per Telefax bei Gericht eingegangenen Antrag beansprucht der Antragsteller die Einsetzung eines Einigungsstellenvorsitzenden zum Regelungsgegenstand „Gewährung von Prämien im Zuge der Standortschließung“ und die Festsetzung der Zahl der Beisitzer.
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 28.08.2018 Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 100 Absatz 2 Satz 1 ArbGG, und auch innerhalb der Frist von zwei Wochen eingelegt und begründet worden, § 100 Absatz 2 Satz 2 ArbGG.
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Erstgericht hat im Ergebnis zutreffend den Antrag zurückgewiesen, da die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist, § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
a. Nach § 100 Absatz 1 Satz 2 ArbGG kann der Antrag eines Betriebspartners auf Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle und Festlegung der Zahl der Beisitzer zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dies ist der Fall, wenn die Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, wenn ihre Zuständigkeit also bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 9. Aufl., § 100 Rdz 9f, m.w.N.).
b. Nach zwischenzeitlicher Stilllegung des gesamten Betriebes zum 30.06.2018 kann eine Zuständigkeit des Antragstellers für die von ihm begehrte Betriebsvereinbarung unter keinem rechtlichen Aspekt mehr festgestellt werden.
Der antragstellende Betriebsrat nimmt für sich die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung) und 11 (Festsetzung von Prämien) BetrVG in Anspruch. Diese Mitbestimmungsrechte kommen im vorliegenden Fall unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage.
Durch eine kollektivrechtliche Regelung erst nach dem Termin der Stilllegung des Betriebes kann nämlich der von der Beteiligten zu 2) mit der Prämienzahlung verfolgte Zweck, bestimmten Mitarbeitern einen finanziellen Anreiz für ein von ihnen gewünschtes Verhalten in der Zeit unmittelbar vor dem Stilllegungstermin zu geben, nicht mehr erreicht werden.
Insoweit wäre die von der erstrebten Kollektivregelung verfolgte Zweckrichtung, bestimmten Mitarbeitern eine nachträgliche Belohnung zukommen zu lassen, eine andere als die von der Beteiligten zu 2) vorgegebene.
Der Arbeitgeber entscheidet in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitbestimmungsfrei über den Zweck, den er mit seiner Leistung verfolgen will, und insoweit auch über den Personenkreis, den er begünstigen will, sowie über den finanziellen Rahmen, der für die Erbringung der Leistung zur Verfügung gestellt wird (vgl. Richardi, BetrVG, 16.Aufl., § 87 Rdz 795, m.w.N.). Damit ist die von der Beteiligten zu 2) vorgegebene Zweckrichtung rechtlich verbindlich und unterfällt nicht einer Korrektur oder Modifizierung im Rahmen der vom Antragsteller begehrten Mitbestimmung. Dieser hätte nur zeitnah nach der Auslobung der Prämienzahlung im Frühjahr 2018 und vor dem endgültigen Stilllegungstermin eine mitbestimmte Prämienregelung innerhalb der vorgegebenen Zweckrichtung der Leistung erwirken können. Hiervon hat er keinen Gebrauch gemacht und sein Mitbestimmungsrecht auch nicht rechtzeitig gesichert.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Erstgerichts zum Restmandat des Betriebsrats verwiesen.
Das Restmandat des § 21 b BetrVG dient nicht der Sanktion eines betriebsverfassungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Es weitet die Befugnisse des Betriebsrats über seine Amtszeit hinaus aus, jedoch beschränkt auf solche Gegenstände, die gerade durch eine Betriebsschließung bedingt sind, aber wegen deren faktischen Umsetzung nicht mehr während der regulären Amtszeit geregelt werden können (vgl. BAG Beschluss vom 08.12.2009 – 1 ABR 41/09 mit weiteren Nachweisen).
III.
Die Entscheidung hat der Vorsitzende alleine zu treffen, § 98 Absatz 3 Satz 3 ArbGG.


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