Arbeitsrecht

Dienstrechtsreform in Bayern zum 1.1.2011: Überleitungsregelung in Art. 106 Abs. 1 S. 2 BayBesG ist rechtmäßig

Aktenzeichen  B 5 K 15.328

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133495
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 106
AGG § 15
RL 2000/78 EG Art. 6 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die schlichte betragsmäßige Überleitung der Besoldungsansprüche von Beamten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Besoldungsregelung bereits ernannt waren, setzt ihre Benachteiligung aufgrund des Lebensalters fort. Diese Regelung ist jedoch iSv Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt, weil sie der Wahrung des Besitzstands dieser Beamten dient und eine rückwirkende Einstufung der Beamten nach Maßgabe eines unionsrechtskonformen Systems übermäßig großen Verwaltungsaufwand verursachen würde und überaus kompliziert und fehlerträchtig wäre. (Rn. 18) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Grundsätzlich hat der Beamte Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist aber eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich. (Rn. 21) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Die grundlegende Unterscheidung zwischen einer Neueinstufung in der Besoldungsgruppe für die Zukunft und einer Entschädigung für die altersdiskriminierende Besoldung in der Vergangenheit kann auch von einem juristischen Laien erwartet werden. (Rn. 22) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht weder für die Zukunft ein Anspruch auf eine Neueinstufung in eine andere Stufe seiner Besoldungsgruppe noch ein Anspruch auf Entschädigung für die Vergangenheit zu.
a) Die streitgegenständliche Entscheidung vom 7. April 2015 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, soweit der Beklagte damit die Einstufung des Klägers in eine höhere Stufe seiner Besoldungsgruppe abgelehnt hat. Der jetzigen Einstufung des Klägers in seine Besoldungsstufe liegt die Überleitungsregelung des Art. 106 Abs. 1 Satz 2 BayBesG zugrunde. Danach wurde er mit Inkrafttreten des Bayerischen Besoldungsgesetzes zum 1. Januar 2011 derjenigen Stufe seiner Besoldungsgruppe zugeordnet, die dem Betrag des am 31. Dezember 2010 zustehenden Grundgehalts entsprach.
Zwar benachteiligte die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27 und 28 BBesG a.F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters und verstieß deswegen gegen die Richtlinie 2000/78/EG (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2011 – Hennigs und Mai – C-297/10 u.a. – Slg. 2011, I-7965). Ebenso setzt die schlichte betragsmäßige Überleitung der Besoldungsansprüche von Beamten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Besoldungsregelung bereits ernannt waren, ihre Benachteiligung aufgrund des Lebensalters fort. Diese Regelung ist jedoch i.S.v. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt, weil sie der Wahrung des Besitzstands dieser Beamten dient und eine rückwirkende Einstufung der Beamten nach Maßgabe eines unionsrechtskonformen Systems übermäßig großen Verwaltungsaufwand verursachen würde und überaus kompliziert und fehlerträchtig wäre. Zwar wäre es auch möglich gewesen, das neue Einstufungssystem im Interesse einer materiellen Beseitigung der Altersdiskriminierung rückwirkend auf sämtliche Bestandsbeamten anzuwenden oder hierfür eine Übergangsregelung zu schaffen, die den bevorzugten Bestandsbeamten die Besoldung in der vorherigen Höhe solange garantiert hätte, bis sie die nach dem neuen Besoldungssystem für die Erreichung einer höheren Besoldungsstufe erforderliche Erfahrung erworben hätten. Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Denn die nachträgliche individuelle Feststellung von Vordienstzeiten wäre in Anbetracht der hohen Zahl von Beamten, der Länge des betroffenen Zeitraums, der Verschiedenheit der jeweiligen Laufbahnen und der Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der Vordienstzeiten ergeben könnten, übermäßig kompliziert und in erhöhtem Maß fehleranfällig gewesen. Der Europäische Gerichtshof hat diese besonderen administrativen Schwierigkeiten ausnahmsweise für einen Übergangszeitraum als ausreichend gewichtig angesehen (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6/13 – BVerwGE 150, 234 – juris Rn. 68 ff. unter Verweis auf EuGH, U.v. 19.6.2014 – Specht – C-501/12 – NVwZ 2014, 1294).
Darüber hinaus besteht auch keine selbständige Ungleichbehandlung durch die zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen besoldungsrechtlichen Regelungen, nach denen nach diesem Zeitpunkt ernannte Beamte unmittelbar der ersten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe zugeordnet werden. Denn deren Besserstellung ist die unmittelbare und untrennbare Folge der – nach den obigen Ausführungen rechtmäßigen – Überleitungsregelung des Art. 106 Abs. 1 Satz 2 BayBesG.
b) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Entschädigung für die im Zeitraum vom 18. August 2006 bis zum 31. Dezember 2010 erfolgte altersdiskriminierende Besoldung zu. Mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum 18. August 2006 könnte sich ein solcher Anspruch ab diesem Zeitpunkt zwar grundsätzlich aus § 15 AGG ergeben. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz findet nach § 24 Nr. 1 AGG unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung auch für Beamte der Länder entsprechende Anwendung. Da das frühere Besoldungssystem der §§ 27 und 28 BBesG a.F. in unzulässiger Weise unmittelbar an das Lebensalter der Beamten anknüpfte und diese Vorschriften somit gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG verstießen, kommt in solchen Fällen grundsätzlich eine Entschädigung nach § 15 Abs. 1 oder 2 AGG in Betracht.
Allerdings müsste der Entschädigungsanspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Kenntnis von der Benachteiligung schriftlich geltend gemacht werden, § 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AGG. Grundsätzlich hat der Beamte Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist aber eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich. Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 geklärt worden (BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6/13 – BVerwGE 150, 234 – juris Rn 51 f. m.w.N.). Die Frist zur Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches endete demnach mit dem Ablauf des 8. November 2011.
Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG bezweckt, dass dem Arbeitgeber angesichts der in § 22 AGG geregelten Beweislastverteilung nicht zugemutet wird, entsprechende Dokumentationen bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen (BT-Drucks. 16/1780, S. 38). Das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist dabei erfüllt, wenn der Schuldner aus dem Schreiben die Auffassung des Gläubigers entnehmen kann, wegen des Verhaltens des Schuldners bestünden Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6/13 – BVerwGE 150, 234 – juris Rn. 49). Ein solcher Inhalt kann den Schreiben des Klägers vom 7. März 2011 und 31. März 2011 (Bl. 71 und 76 der gerichtlichen Beiakte III) nach Überzeugung des Gerichts allerdings nicht beigemessen werden. Mit beiden Schreiben hatte sich der Kläger an das Landesamt für Finanzen gewandt, um eine Neueinstufung in seiner Besoldungsgruppe zu erreichen. Dieses Begehren war – was im Wortlaut des klägerischen Schreibens vom 31. März 2011 auch ausdrücklich zu Tage tritt – ausschließlich auf die zukünftige Besoldung gerichtet. Beiden Schreiben war nicht zu entnehmen, dass der Kläger daneben auch für die Vergangenheit Ansprüche erheben würde. Gerade im Hinblick auf den Schutzzweck der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG kann dies nicht als Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG angesehen werden. Die grundlegende Unterscheidung zwischen einer Neueinstufung in der Besoldungsgruppe für die Zukunft und einer Entschädigung für die altersdiskriminierende Besoldung in der Vergangenheit kann auch von einem juristischen Laien erwartet werden, zumal dies hier auch offensichtlich unterschiedliche finanzielle Auswirkungen hat. Eine Zahlung für vergangene Zeiträume hat der Kläger gegenüber dem Beklagten erstmals mit seinem Schreiben vom 14. Dezember 2012 (Bl. 81 der gerichtlichen Beiakte III) und damit deutlich nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geltend gemacht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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