Arbeitsrecht

Dienstrechtswidriges Verhalten bei schichtinterner Weihnachtsfeier als innerdienstliche Pflichtverletzung

Aktenzeichen  M 19L DB 16.1186

Datum:
13.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 161881
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 7, Art. 8, Art. 14, Art. 58 Abs. 3
BeamtStG § 34 S. 1, S. 3, § 35 S. 2

 

Leitsatz

1. Es gehört zu den dienstrechtlichen Pflichten eines Polizeivollzugsbeamten, sich so zu organisieren, dass er seinen Dienst bei Dienstbeginn in vollständiger Uniform ableisten kann und seine Dienstwaffe einsatzbereit ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ungeachtet der generellen Zusage eines Freizeitausgleichs setzt die tatsächliche Freistellung aber das Wissen um die tatsächliche Inanspruchnahme der Zusage und die konkreten Zeiten des beabsichtigten Freizeitausgleichs voraus. Insoweit ist es an dem Polizeivollzugsbeamten, die erforderliche konkrete Absprache mit seinem Vorgesetzten zu treffen. Das eigenmächtige Verlassen des Dienstes steht hiermit nicht in Einklang. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Sexuell anzügliche Bemerkungen gegenüber weiblichen Begleitpersonen bei einer schichtinternen Weihnachtsfeier stellen eine innderdienstliche Verletzung der Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, dar. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Disziplinarverfügung des Polizeipräsidiums M. vom 17. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (Art. 3 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG – i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Nach Art. 58 Abs. 3 BayDG prüft das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Gericht ist danach nicht auf die Prüfung beschränkt, ob der dem Kläger mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist. Es hat vielmehr darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist und darf dabei in Anwendung der in Art. 14 BayDG niedergelegten Grundsätze eine eigene Ermessensentscheidung treffen. Dabei hat es jedoch das Verschlechterungsverbot zu beachten; dies bedeutet, dass das Gericht keine strengere als die verhängte Disziplinarmaßnahme aussprechen darf (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 2 A 4.04 – juris Ls. 2 und Rn. 23).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere hat der Kläger eine Beteiligung der Personalvertretung nicht beantragt.
2. Eine schuldhafte Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten ergibt sich aus den im Tatbestand unter 2.2., 2.3. und 4. geschilderten Sachverhalten, nicht aber aus dem dort unter 2.1. dargestellten Vorfall.
2.1. Der Umstand, dass der Kläger am 3. März 2014 gegen 8:00 Uhr in Zivilkleidung und ohne Dienststelle bei der PI 13 erschien, begründet keine beamtenrechtliche Pflichtverletzung. In der E-Mail des Polizeipräsidiums M. vom 27. Februar 2014 war ihm lediglich mitgeteilt worden, dass er ab 1. März 2014 zu seiner Stammdienststelle PI … zurückzukehren und seinen Dienst dort am Montag, den 3. März 2014, anzutreten habe. Er wurde hierin aber weder über die Uhrzeit des Dienstbeginns noch über sein genaues Einsatzgebiet informiert. Es erscheint daher zulässig, dass der Kläger in Zivilkleidung und ohne Dienstwaffe bei der PI erscheint, sich zuerst über diese Umstände Kenntnis verschafft und erst dann seine vollständige Dienstkleidung anlegt, die sich nach seinem glaubhaften Vortrag – anders als in der Disziplinarverfügung ausgeführt – in seinem vor der Inspektion abgestellten PKW befunden hat.
2.2. Eine beamtenrechtliche Pflichtverletzung ist jedoch darin zu sehen, dass der Kläger seinen Dienst am 2. April 2014 ohne Uniform und ohne Dienstwaffe angetreten und für einige Stunden verrichtet hat. Seine Dienstwaffe hatte er nach eigenen Angaben zu Hause vergessen. Mit E-Mail vom 1. April 2014 war ihm mitgeteilt worden, dass er seinen Dienst als Dienstgruppenleiter der C-Schicht am Folgetag um 12:00 Uhr antreten müsse. Es ist daher zu erwarten, dass er schon bei Dienstbeginn um 12:00 Uhr (sine tempore) vollumfänglich einsatzbereit ist. Der Kläger trägt hierzu vor, aufgrund diverser Gespräche und des Lesens dienstlicher E-Mails sei es ihm nicht möglich gewesen, seine Uniform anzulegen. Weiter meint er, wäre er nicht am 3. März 2014 für vier Wochen in zwangsweisen Freizeitausgleich geschickt worden, wäre der Vorfall mit der Waffe nicht passiert. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, das Vorliegen einer beamtenrechtlichen Pflichtverletzung zu entkräften. Es ist Aufgabe des Klägers, sich so zu organisieren, dass er seinen Dienst bei Dienstbeginn in vollständiger Uniform ableisten kann und seine Dienstwaffe einsatzbereit ist.
Mit diesem Verhalten hat der Kläger innerdienstlich gegen seine Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), und gegen seine Pflicht, die dienstlichen Anordnungen auszuführen und die allgemeinen Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG), verstoßen. Hinsichtlich der einschlägigen dienstlichen Anordnungen und allgemeinen Richtlinien wird auf die Disziplinarverfügung (dort S. 5 f.) verwiesen. Der Kläger handelte hierbei vorsätzlich.
2.3. Eine beamtenrechtliche Pflichtverletzung liegt weiter darin, dass der Kläger seinen Freizeitausgleich am 3. April 2014 nicht konkret mit EPHK D. abgesprochen hat. Bei Dienstbeginn am 2. April 2014 hatte er zwar gegenüber EPHK D. erwähnt, dass seine Mutter aus dem Krankenhaus entlassen werde und er deshalb frei haben möchte, woraufhin EPHK D. ihm – nach vorheriger Mitteilung – die Freistellung vom Dienst zusagte. Eine weitere Absprache mit EPHK D. oder einem anderen Vorgesetzten fand danach jedoch nicht mehr statt. Ohne eine solche verließ der Kläger, der am 3. April 2014 für die gesamte Nachtschicht als Wachleiter zur Einweisung eingeteilt war, gegen 23:30 Uhr seinen Dienst. Er trägt insoweit vor, die Zusage eines Freizeitausgleichs für eine gesamte Schicht beinhalte einen solchen auch für eine lediglich teilweise Schicht. Dies ist zutreffen. Ungeachtet der generellen Zusage eines Freizeitausgleichs setzt die tatsächliche Freistellung aber das Wissen um die tatsächliche Inanspruchnahme der Zusage und die konkreten Zeiten des beabsichtigten Freizeitausgleichs voraus. Insoweit wäre es an dem Kläger gewesen, die erforderliche konkrete Absprache mit seinem Vorgesetzten zu treffen. Das eigenmächtige Verlassen des Dienstes steht hiermit nicht in Einklang.
Auch insoweit hat der Kläger innerdienstlich und vorsätzlich gegen seine Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), und gegen seine Pflicht, die dienstlichen Anordnungen auszuführen (§ 35 Satz 2 BeamtStG), verstoßen.
2.4. Eine beamtenrechtliche Pflichtverletzung des Klägers ist weiter in seinem Verhalten gegenüber den Begleiterinnen seiner Kollegen beim schichtinternen Weihnachtsessen am 1. Dezember 2014 zu sehen. Von einem vorgesetzten Polizeibeamten ist ein respektvoller Umgang mit den Begleiterinnen seiner Mitarbeiter zu erwarten. Anzügliche Bemerkungen mit sexuellem Hintergrund lassen die einzuhaltende Distanz vermissen und sind insoweit keinesfalls zulässig.
Mit dem dargestellten Verhalten hat der Kläger die Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verletzt. Ihm ist insoweit Vorsatz anzulasten, weil er die fraglichen Äußerungen mit Wissen und Wollen getätigt hat.
Die Pflichtverletzung erfolgte dabei nach Auffassung des Gerichts innerdienstlich. Am 1. Dezember 2014 führte die Dienstgruppe D, als deren Dienstgruppenleiter der Kläger eingesetzt war, eine schichtinterne Weihnachtsfeier durch, an der neben aktuellen Schichtangehörigen auch ehemalige Kollegen teilnahmen, wobei drei Beamte in Begleitung erschienen. Nach dem Besuch eines Weihnachtsmarktes fand die eigentliche Feier in einem Lokal mit mittelalterlichem Essen statt. Die Ausgaben für die Weihnachtsfeier wurden aus der Schichtkasse bezahlt. Die dargestellten Äußerungen des Klägers gegenüber den anwesenden Damen führten während und nach der Weihnachtsfeier zu Diskussionen unter den Schichtbeamten der Dienstgruppe D. Bei der Abgrenzung zwischen innerdienstlichen und außerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen ist maßgeblich auf die materielle Dienstbezogenheit abzustellen (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2016, MatR/I Rn. 10c). Eine innerdienstliche Pflichtverletzung liegt demnach vor, wenn das pflichtwidrige Verhalten in das Amt und in die damit verbundene dienstlichen Pflichten des Beamten eingebunden war (vgl. nur BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14). Die materielle Dienstbezogenheit stellt auf die Auswirkungen ab, die ein Verhalten auf den Dienst hat (Zängl, a.a.O.). Hier hatte das Verhalten des Klägers auf der Weihnachtsfeier Auswirkungen auf den Dienstbetrieb und seine Stellung als unmittelbarer Vorgesetzter der Angehörigen der D-Schicht. Diese stuften sein Verhalten auf der Weihnachtsfeier als ungebührlich ein, diskutierten hierüber noch auf der Feier selbst und auch am nächsten Tag im Rahmen des Dienstbetriebs und setzten die Dienststellenleitung hiervon in Kenntnis, wobei sie sich insoweit in einem ausdrücklichen Loyalitätskonflikt gegenüber dem Kläger befanden (vgl. Disziplinarakte Bl. 56).
Der bedingt bestellte Beweisantrag zur Außerdienstlichkeit der Weihnachtsfeier war abzulehnen, weil der Umstand, ob eine inner- oder außerdienstliche Pflichtverletzung vorliegt, keine Tatsache, sondern eine Rechtsfrage und damit dem Beweis nicht zugänglich ist.
3. Das vom Kläger begangene einheitliche innerdienstliche Dienstvergehen erfordert im vorliegenden Fall jedenfalls eine Pflichtenmahnung durch Ausspruch eines Verweises nach Art. 7 BayDO. Das Erscheinen zum Dienst ohne Dienstkleidung, der Antritt von Freizeitausgleich ohne die erforderliche Absprache und insbesondere das Verhalten des Klägers auf der Weihnachtsfeier lassen ein Absehen von disziplinarischen Maßnahmen nicht zu. Im Hinblick auf den Umfang der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen, die bereits mit Disziplinarverfügung vom 10. November 2009 verhängte Geldbuße und das wenig positive aktuelle Persönlichkeitsbild vom 21. März 2017 wäre zwar statt des Ausspruchs eines Verweises eher die erneute Verhängung einer Geldbuße in niedriger Höhe angemessen gewesen. Deren Auferlegung im gerichtlichen Verfahren steht jedoch das Verbot der reformatio in peius entgegen.
Die Klage war damit abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG, § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gebührenfrei.


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