Arbeitsrecht

Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit bei Vereinbarung einer “regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit”

Aktenzeichen  6 Sa 270/16

Datum:
24.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVöD TVöD § 6 Abs. 2

 

Leitsatz

Entgegen der Ansicht der Klägerin war keine feste wöchentliche Arbeitszeit vereinbart, sondern eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 6 Abs. 2 TVöD. Da die Verteilung dieser Arbeitszeit generell billigem Ermessen entsprach, waren die auf Basis einer vereinbarten festen Arbeitszeit gestellten Anträge erfolglos. (Rn. 42)
Enthält ein Arbeitsvertrag eine Regelung, nach der eine „durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit“ bzw. „regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit“ festgelegt und im Übrigen auf die tarifvertraglichen Bestimmungen verwiesen wird, ist – wenn das Arbeitsverhältnis dem Geltungsbereich des TVöD unterfällt – nach § 6 Abs. 2 S. 1 TVöD für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Demgemäß kann der Dienstplan bzw. die betriebsübliche Arbeitszeit vom Arbeitgeber so gestaltet werden, dass der einzelne Arbeitnehmer die festgelegte wöchentliche Stundenzahl überschreitet oder unterschreitet, solange jedenfalls innerhalb eines Jahres im Durchschnitt die im Arbeitsvertrag festgelegte Stundenzahl erreicht wird. In diesem Rahmen kann der Arbeitgeber durch Ausübung seines Direktionsrechts die tatsächliche Stundenzahl und deren Lage nach billigem Ermessen festlegen. (Rn. 42) (red. LS Alke Kayser)

Verfahrensgang

16 Ca 2146/15 2016-04-28 Urt ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 28.04.2016, Az. 16 Ca 2146/15, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Das Arbeitsgericht hat den ausgeurteilten Tenor offensichtlich als ein weniger zu den gestellten Anträgen angesehen und deshalb insoweit tenoriert und im Übrigen (die darüber hinausgehenden Anträge) die Klage abgewiesen. Ob dies zutrifft, ist vorliegend nicht zu prüfen, da insoweit das Urteil nicht angegriffen worden ist.
II.
Die Berufung ist sachlich nicht begründet. Das Erstgericht hat die ursprünglichen Anträge zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin und Berufungsklägerin steht keine feste wöchentliche Arbeitszeit von 19,5 Stunden zu. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag gerade nicht eine wöchentliche Arbeitszeit von 19,5 Stunden vereinbart, sondern eine „durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit“ bzw. „regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit“ festgelegt. Im Übrigen haben die Parteien auf die tarifvertraglichen Bestimmungen verwiesen, inzwischen dem TVöD. Zu diesen Bestimmungen gehört § 6 TVöD, der ausdrücklich die „regelmäßige Arbeitszeit“ zum Inhalt hat. In Absatz 2 bestimmt Satz 1:
„Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen.“
Mit dem Begriff „regelmäßige Arbeitszeit“ ist die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit, genauer die vereinbarte regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemeint (vgl. LAG Nürnberg, Urteil vom 13.08.2014, Az.: 2 Sa 79/14, nach juris). Eine etwaige einseitige Änderung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber darf sich damit allerdings nicht auf die vertraglich festgelegte Vergütung des Arbeitnehmers negativ auswirken, er hat Anspruch auf die Vergütung entsprechend der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Etwas anderes würde nur gelten, wenn im Arbeitsvertrag eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit auf Wochentage oder einen Arbeitstag festgelegt wäre. Ohne eine solche Vereinbarung, wie vorliegend, ist der Arbeitgeber in seinem Direktionsrecht insoweit nicht eingeschränkt. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD ist für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Das bedeutet, dass der Dienstplan bzw. die betriebsübliche Arbeitszeit so gestaltet werden kann, dass der einzelne Arbeitnehmer die Wochenstundenzahl überschreiten oder unterschreiten kann, solange jedenfalls innerhalb eines Jahres ein Durchschnitt von 19,5 Stunden wöchentlich erreicht wird. Aber auch dann ist der Arbeitgeber nicht frei in seiner Einteilung, das Direktionsrecht darf der Arbeitgeber nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ausüben. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Festlegung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit gehört grundsätzlich zum Kern der Befugnisse des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts, die Arbeitsleistung zu definieren, § 106 GewO. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Arbeitgeber die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit diese nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung (hier: Dienstvereinbarung), Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. Keine der in § 106 GewO genannten Vorschriften legen die Lage der Arbeitszeit der Klägerin fest. Der Arbeitsvertrag bestimmt in Verbindung mit dem Tarifvertrag nur den Umfang der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf ein Jahr betrachtet. All dies beinhaltet entgegen der Ansicht der Klägerin keine Festlegung der Arbeitszeit dahin, dass Woche für Woche eine feste Arbeitszeit von 19,5 Stunden vereinbart worden wäre. Die Beklagte konnte vielmehr kraft Weisungsrecht die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit unterschreiten oder auch überschreiten. Die Beklagte kann demnach für jede einzelne Woche aufgrund ihres Weisungsrechts die tatsächliche Stundenzahl und deren Lage nach billigem Ermessen festlegen.
Nach dem Vorbringen der Beklagten wird diese regelmäßige Arbeitszeit auf ein Jahr betrachtet auch erreicht. Die Klägerin hat hiergegen im Einzelnen nichts vorgebracht. Die Bestimmung der zu erbringenden Arbeitszeit muss in jedem Fall billigem Ermessen entsprechen. Hierzu kann auf die Ausführungen in der Begründung des Ersturteils und den Ausführungen in der Berufungserwiderung verwiesen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächliche Handhabung der Beklagten hierzu nicht billigem Ermessen entspricht, insbesondere auch soweit es die regelmäßige Festlegung betrifft, ergeben sich nicht. Auch konnte die Klägerin dafür nichts konkret vorbringen.
Soweit die Klägerin beispielsweise anführt, theoretisch könne die Beklagte sie für eine halbe Stunde Arbeitszeit von Hirschaid nach Erlangen beordern, so ist für eine solche oder ähnliche Handhabung tatsächlich kein Anhaltspunkt ersichtlich (dies dürfte vom Ermessen auch wohl nicht gedeckt sein). Dies wäre aber im Einzelfall eine Frage, ob je nach Anweisung billiges Ermessen eingehalten worden ist oder nicht. Dies ist aber nach den gestellten Anträgen nicht zu entscheiden. Einen Einsatz zur Vertretung der Kolleginnen und insbesondere bei Sonderveranstaltungen lässt der Arbeitsvertrag ausdrücklich zu, da die Klägerin sich verpflichtet hat, auch außerhalb der regulären Arbeitszeit (abends, an arbeitsfreien Tagen) zu arbeiten.
Die Nichteinhaltung billigen Ermessens ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Beklagte für die zusätzliche Einbringung von Stunden keine abstrakten Regelungen aufgestellt hat. Keinen der in Betracht kommenden und benannten Regelungen ist zu entnehmen, dass diese der Beklagten es auferlegten, allgemein eine Ankündigungsfrist festzulegen oder eine Mindeststundenzahl je zusätzlichem Einsatz oder eine Deckelung für die über- oder unterdurchschnittlichen Stunden vorzugeben. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die jeweilige Einbringung von Stunden jeweils billigem Ermessen entspricht. Diese einzelnen Fälle sind aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Einzelvertraglich ergeben sich daher die mit den Anträgen geltend gemachten Ansprüche nicht. Es besteht keine Vereinbarung einer festen wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden. Im Rahmen des § 6 Abs. 2 TVöD ist die Klägerin auch bei Zuordnung einer geringeren Wochenstundenzahl als der regelmäßig vereinbarten verpflichtet, die entsprechenden Stunden nachzuarbeiten und die Beklagte befindet sich dann auch nicht im Verzug. Es geht nicht um die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit, sondern um die Verteilung der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
Die Dienstvereinbarung hat, wie dargelegt, als kollektivrechtliche Regelung zu den Arbeitszeiten für die Beklagte hinsichtlich der Museumsaufsichten keine Einschränkungen ergeben. Die Betriebsparteien wollten ersichtlich mit dieser Vereinbarung die Arbeitszeiten im S… abschließend kollektivrechtlich regeln. Damit ist der Personalrat – hier durch den Gesamtpersonalrat – bei den Regelungen zur Arbeitszeit der Museumsaufsichten beteiligt worden, entsprechend Art. 75 Abs. 4 Satz 1 BayPVG. Diese Regelung besteht, bis sie durch eine andere Regelung ersetzt wird, eine solche ist aber nicht ersichtlich. Die Mitwirkung bzw. Mitbestimmung hat zum Ergebnis, dass für die Museumsaufsichten und damit auch für die Klägerin kein Gleitzeitkonto eingerichtet worden ist mit den dann notwendigen Bestimmungen gemäß § 10 TVöD. Die Arbeitszeitregelungen für die Museumsaufsichten sind allein durch Dienstplan zu regeln und unterliegen damit allein der Bestimmung des Arbeitgebers nach billigem Ermessen. Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind durch die Dienstvereinbarung insoweit beachtet worden. Wollte der Stammpersonalrat dies ändern, weil er gegebenenfalls mit den getroffenen Regelungen nicht einverstanden wäre, müsste er erst die getroffene Dienstvereinbarung ändern. Es kommt daher entscheidungserheblich nicht darauf an, ob der Stammpersonalrat die getroffenen Regelungen mitträgt oder nicht. Daraus ergibt sich, dass kollektivrechtlich keine generellen insbesondere das Weisungsrecht der Beklagten einschränkende Regelungen getroffen worden sind. Es bleibt daher abschließend bei der Bestimmung, dass die Arbeitszeiten der Museumsaufsichten von der Beklagten durch Dienstplan nach billigem Ermessen festzulegen sind. Ob dabei im Einzelfall Rechte des Personalrats zu beachten sind und beachtet worden sind, steht in Anbetracht der gestellten Anträge nicht zur Entscheidung an.
Die Entscheidung des Erstgerichts erweist sich, soweit sie angegriffen worden ist, daher als richtig. Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).


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