Arbeitsrecht

Disziplinarklage

Aktenzeichen  M 19B DK 19.2905

Datum:
4.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2578
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BDG § 9,§ 10, § 13 Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 1
StGB § 242, § 244 Abs. 1 Nr. 1a
BBG § 61 Abs. 1 S. 2, § 77 Abs. 1 S. 1
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) erkannt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) erkannt (§ 9 Bundesdisziplinargesetz – BDG).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere wurden die weiteren im Disziplinarverfahren gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe (weitere Diebstähle und unrichtige Arbeitszeitbuchung) in der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 2020 zu Protokoll des Gerichts ausgeschieden bzw. das Disziplinarverfahren insoweit beschränkt (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 BDG). Außerdem wurde der Gesamtpersonalrat auf Antrag des Beklagten im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß beteiligt.
2. Das Gericht legt seiner Entscheidung die Vorwürfe aus den Urteilen des Amtsgerichts E… vom 7. November 2017 und des Landgerichts L… vom 8. Februar 2018 zugrunde. Der im Urteil des Amtsgerichts E… dargestellte Sachverhalt, auf den das Landgericht L… in seinem Urteil Bezug genommen hat, steht für das Gericht bindend fest (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG). Der Beklagte hat die Vorwürfe überdies im gesamten straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren eingeräumt.
Nach den strafgerichtlichen Feststellungen entwendete er am 23. und 25. Oktober 2016 während seines Dienstes im Servicepoint der Bundespolizei am Flughafen M… in Uniform und mit Dienstwaffe Geldbeträge in Höhe von insgesamt 45 €. Am 23. Oktober 2016 entwendete er 10 €, am 25. Oktober 2016 15 € aus der Kaffeekasse und beseitigte danach die hinterlassenen Fingerabdrücke mit einem Taschentuch. Am 25. Oktober 2016 entwendete er zudem 20 € aus einem als Köder bereitgestellten Rucksack und trug dabei Handschuhe, um keine Spuren zu hinterlassen. Die Taten wurden weitgehend auf Video aufgezeichnet. Weitere Diebstähle werden dem Beklagten nicht vorgeworfen.
Aufgrund dieser Taten verurteilten die Strafgerichte ihn wegen Diebstahls mit Waffen in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen (§§ 242 Abs. 1 und 2, 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3, 22, 23, 47 Abs. 2, 53, 56 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten. Trotz der Mitnahme des fremden Geldes ist der Diebstahl bei der dritten Tat nicht vollendet, da es sich um eine Diebesfalle handelte. Wegnahme i.S.d. § 242 StGB setzt den Bruch fremden Gewahrsams, d.h. die gegen den Willen des Berechtigten erfolgende Aufhebung des Gewahrsams voraus. Bei einer Diebesfalle, d.h. dem Bereitstellen einer Sache in der Absicht, eine Person zur Wegnahme zu veranlassen, um sie zu überführen, liegt kein vollendeter, sondern nur ein versuchter Diebstahl vor, weil der Berechtigte in die Wegnahme einwilligt (BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 16b D 14.642 – juris Rn. 41).
3. Durch sein Verhalten hat der Beklagte innerdienstlich (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) ein einheitliches Dienstvergehen begangen und schuldhaft, nämlich mit direktem Vorsatz, die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG i.V.m. §§ 242, 244 StGB), zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verletzt.
4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer. Der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahmebemessung reicht bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (4.1.). Trotz der Umstände der Tatbegehung (4.2.), des Fehlens anerkannter Milderungsgründe (4.3.) und des Vorliegens erschwerender Umstände (4.4.) führt die Bemessungsentscheidung wegen der für den Beklagten sprechenden Umstände (4.5.) nicht zur Höchstmaßnahme, weil er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG verloren hat. Daher ist vorliegend lediglich die Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) auszusprechen (4.6.).
4.1. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet.
Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BDG). Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG). Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BDG). Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG). Wer durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG).
Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dabei ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist. Deshalb dürfen die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden. Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen. Maßstab ist hierbei, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen könnte, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, B.v. 8.3.2018 – 2 B 48.17 – juris Rn. 10).
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensschadens am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Straftaten (BVerwG, U.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15). Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 10.10.2018 – 16a D 17.955 – juris Rn. 64). Hier sieht das Strafgesetzbuch für die ersten beiden Diebstähle einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren vor (vgl. § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB), für den aufgrund der gestellten Diebesfalle nur versuchten dritten Diebstahl einen Strafrahmen von fünf (vgl. § 244 Abs. 3 StGB) bzw. siebeneinhalb Jahren (vgl. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB), weshalb ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet ist.
Bei dem vorliegenden innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem abgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 15). Der Beklagte wurde aber ohnehin zu einer Freiheitsstrafe (von 7 Monaten) verurteilt.
Insgesamt kommt einem Kollegendiebstahl disziplinarrechtlich erhebliches Gewicht zu. Die in einer Dienststelle zusammen arbeitenden Beschäftigten müssen sich hinsichtlich der Sicherheit ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte jederzeit auf die Ehrlichkeit ihrer Kollegen verlassen können. Gleichermaßen muss auch der Dienstherr unbedingt und ausnahmslos darauf vertrauen können, dass ein Beamter die ihm mit der alltäglichen Zusammenarbeit unvermeidbar eröffneten Zugriffsmöglichkeiten nicht für strafbare Handlungen ausnutzt (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 9.8.2012 – 3 A 10476.12 – juris Rn. 36). Ein Diebstahl zum Nachteil eines Kollegen vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise. Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen (BVerwG, B.v. 2.3.2012 – 2 B 8.11 – juris Rn. 9; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2019, MatR/II Rn. 334). Entgegen der Auffassung der Klägerin wirkt sich die Stellung als Polizeibeamter bei einem Kollegendiebstahl nicht erschwerend aus; insoweit macht es keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter oder ein Beamter aus einem anderen Verwaltungszweig seine Kollegen bestiehlt (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11 – juris Rn. 20)
4.2. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die konkrete Tatbegehung eine Verfehlung von hohem Eigengewicht offenbart. Der Beklagte hat die Taten während seines Dienstes, am Dienstort, in Uniform und unter Mitführen der Dienstwaffe begangen. Er hat sich trotz der Häufung von Diebstählen in der Bundespolizeiinspektion Flughafen M… II seit April 2015 und des Aufrufs im Schreiben des Leiters vom Juli 2015 zu sorgfältigem Umgang mit Wertgegenständen und Wachsamkeit nicht von der Tatbegehung abhalten lassen. Besonders schwer wiegt dabei, dass er die Diebstähle an seinen Kollegen verübt und dabei die Folgen für den dienstlichen Bereich in Kauf genommen hat, nämlich die Gefährdung des gegenseitigen Vertrauens und des Zusammenhalts unter den Kollegen (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 2 WD 29.11 – juris Rn. 63). Besonders schwer wiegen weiter die gezielten Maßnahmen zur Verdeckung der Taten, so das Abwischen der Kaffeekasse und das Mitführen von Handschuhen im Oktober und deren Einsatz bei dem versuchten Diebstahl aus dem als Diebesfalle bereitgestellten Rucksack. Dieses Vorgehen offenbart eine erhebliche kriminelle Energie.
Im Übrigen ist das Stellen einer Diebesfalle zur Überführung eines Beamten durchaus zulässig. Es verstößt weder gegen rechtsstaatliche Grundsätze noch gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, aus konkretem Anlass Bedienstete mit Hilfe einer präparierten Diebesfalle auf ihre Redlichkeit zu überprüfen. Vielmehr ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Vorgesetzte bei der Abwägung der Fürsorgepflichten für geschädigte oder unschuldig unter Verdacht geratene Bedienstete mit der Fürsorgepflicht zugunsten eines in die Falle tappenden Diebes ersterer klar den Vorrang einräumen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 2 WD 29.11 – juris Rn. 79).
Hinsichtlich des aufgrund der gestellten Diebesfalle nur versuchten Diebstahls gilt, dass eine versuchte Straftat den Beamten ebenso belastet wie eine vollendete. Entscheidend ist insoweit allein, dass er durch ein bestimmtes Verhalten schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat. Denn die Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung untersagt die Begehung von Straftaten jeder Art und nicht nur die Begehung von vollendeten Straftaten, so dass schon der Versuch einer Straftat sämtliche Merkmale der Dienstpflichtverletzung verwirklicht (BayVGH, U.v. 23.10.2019 – 16b D 18.876 – juris Rn. 23; U.v. 9.12.2015 – 16b D 14.642 – juris Rn. 41).
4.3. Die Klägerin geht weiter zutreffend davon aus, dass anerkannte Milderungsgründe nicht vorliegen.
Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein – ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sogenannter „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 56; U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 44).
Die Klägerin geht in der Disziplinarklage zutreffend davon aus, dass vorliegend keine anerkannten Milderungsgründe gegeben sind. Gegen ein persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage spricht, dass wegen des in der Vergangenheit gezeigten, auf seinen Vorteil bedachten Verhaltens des Beklagten (im Hinblick auf die Einteilung hinsichtlich Dienstplan und Einsatzort sowie die Erfassung seiner Arbeitszeit) kein persönlichkeitsfremdes Verhalten vorliegt. Aus diesem Grund ist auch keine persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation anzunehmen; diese scheitert überdies daran, dass ein mehrmaliges Fehlverhalten mit gezielten Vorbereitungs- und Verdeckungshandlungen vorliegt. Für eine Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase fehlt es an einer dokumentierten Auffälligkeit des Beklagten im Tatzeitraum (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 11). Der Beklagte nimmt diese Milderungsgründe auch nicht zu seiner Entlastung in Anspruch.
Weiter spricht auch der anerkannte Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sachen nicht zugunsten des Beklagten. Die Grenze insoweit ist bei einem entwendeten Betrag von etwa 50 € anzusetzen. Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert. Dieser Milderungsgrund ist hier jedoch ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatbegehung zusätzlich belastet wird (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 26 f.; BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 78). Er hat die Tat als Polizeibeamter im Dienst, am Dienstort, in Uniform und bewaffnet begangen, seine Kollegen geschädigt und durch die planvollen Verdeckungshandlungen eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt.
4.4. Zu Lasten des Beklagten sprechen zudem folgende Umstände:
4.4.1. Er hat über Jahre hinweg keine guten dienstlichen Leistungen gezeigt. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Beurteilungen 2008, 2010, 2012 und 2014, in denen er jeweils nur die Gesamtnote „5“ erhielt. Entgegen dem textlichen Pendant „entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht“ wurden in der Regelbeurteilung 2014 nur vier von 672 Polizeiobermeistern bzw. 12 von rund 2800 Polizeivollzugsbeamten bei der Bundespolizeidirektion M… mit dieser Gesamtnote und damit entsprechend schlecht beurteilt. Wenig überzeugende dienstliche Leistungen lassen sich auch den drei im Disziplinarverfahren eingeholten Persönlichkeitsbildern entnehmen. So berichten EPHK K… und EPHK E… von einem erheblichen Fortbildungsbedarf, dem keine Fortbildungsbereitschaft des Beklagten gegenüberstehe. EPHK K… erwähnt weiter Probleme im Hinblick auf unkorrektes Buchungsverhalten. EPHK E… kommt zu der Schlussfolgerung, die Identifikation des Beklagten mit dem Dienst sei nicht stark ausgeprägt gewesen.
4.4.2. Zu Lasten des Beklagten spricht weiter der zu seiner Verteidigung gedachte Vortrag, den verübten Taten sei ein Diebstahl an ihm selbst vorausgegangen und er habe sich lediglich den entwendeten Betrag in Höhe von 50 € wiederholen wollen. Wegen des Fehlens einer zeitnahen Anzeige hält das Gericht diesen Vortrag nicht für glaubhaft. Allerdings kann ein zulässiges Verteidigungsverhalten im Disziplinarverfahren, wie etwa eine wahrheitswidrige Äußerung, nicht zulasten des Beamten gewürdigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 21). Dennoch offenbart der in diesem Vorbringen liegende Gedanke der zulässigen Selbsthilfe eine falsche Grundeinstellung und widerspricht in diametraler Weise dem System, für das der Beklagte als Polizeivollzugsbeamter steht.
4.5. Trotz der vorstehenden Gesichtspunkte von erheblichem Gewicht kommt das Gericht dennoch im Hinblick auf die zu Gunsten des Beklagten sprechenden Umstände zu dem Ergebnis, dass er das Vertrauen des Dienstherrn oder der Öffentlichkeit noch nicht vollständig verloren hat, sondern ein Restvertrauen geblieben ist.
Die sogenannten anerkannten Milderungsgründe stellen keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen be- und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 57; U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 45).
Zu Gunsten des Beklagten sprechen hier folgende Umstände:
4.5.1. Beim Blick auf die konkrete Tatbegehung ist zu berücksichtigen, dass die Tattage 23. und 25. Oktober 2016 in engem zeitlichem Zusammenhang stehen, weshalb ein einheitliches Tatgeschehen und ein zeitlich begrenztes Fehlverhalten vorliegt. Der Beklagte hat seine Dienstwaffe überdies lediglich im Rahmen seiner Uniformierung im Dienst getragen und sie nicht zur Tatbegehung eingesetzt. Außerdem handelt es sich bei dem entwendeten Betrag in Höhe von 45 € um eine nur geringe Summe. Die hypothetische Erwägung, dem Beklagten sei es um die Entwendung des jeweils vorgefundenen Bargeldes gegangen und dessen Höhe sei für ihn beim Öffnen der Behältnisse nicht erkennbar gewesen (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 9.8.2012 – 3A 10476.12 – juris Rn. 37), führt nicht dazu, dass die Geringwertigkeit völlig außer Acht gelassen werden könnte. Der Diebstahl eines so geringen Betrags ist hinsichtlich seines Unwertgehalts nicht mit dem einer großen Summe vergleichbar.
4.5.2. Der Beklagte ist bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
4.5.3. Ganz erheblich zu seinen Gunsten spricht zudem sein Nachtatverhalten. Er war im straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren geständig. Außerdem hat er sich in einem Brief vom 3. November 2016 bei seinem Dienstgruppenleiter schriftlich entschuldigt. Auch wenn das Gericht seine Einlassung, er habe den Entschuldigungsbrief bereits beim Dienstantritt nach seinem Urlaub am 11. November 2016 bei sich geführt, nicht für glaubhaft hält, hält es ihm seine schriftliche Entschuldigung und das in dem Brief zum Ausdruck gebrachte Bedauern zugute. Überdies hat er den entwendeten Betrag in dem Brief an den Dienstgruppenleiter gesandt und damit den Schaden wieder gut gemacht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass das Nachtatverhalten erst erfolgt ist, nachdem die Tat entdeckt war und daher nicht ausreicht, um den anerkannten Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung zu erfüllen (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 9.5.2018 – 16a D 16.1597 – juris Rn. 34). Das Nachtatverhalten lässt jedoch Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes erkennen, die die Einschätzung rechtfertigen, der Beklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, weshalb das in ihn gesetzte Vertrauen noch nicht endgültig zerstört, sondern nur stark erschüttert erscheint.
4.5.4. Zu seinen Gunsten spricht weiter, dass er sich im Tatzeitpunkt in einer finanziell sehr angespannten Lage befand. Er hatte aufgrund der Trennung von seiner dritten Ehefrau und der Unterhaltsverpflichtung für seine fünf Kinder erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. 2014 wurde schließlich gegen ihn ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Er hat im Disziplinarverfahren und auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass er am 23./25. Oktober 2016 nicht in der Lage war, das Betanken seines Kfz zu bezahlen, weil er nicht über die erforderlichen Barmittel verfügt habe und der ihm monatlich zur Verfügung stehende finanzielle Rahmen bereits ausgeschöpft gewesen sei. Diese finanziell sehr angespannte Situation wird sich voraussichtlich 2021 verbessern, weil dann das Verbraucherinsolvenzverfahren beendet sein und er infolge der Beendigung der Berufsausbildung seines 1997 geborenen Sohnes nicht mehr für fünf, sondern nur noch für vier Kinder unterhaltspflichtig sein wird.
4.5.5. Ohne Auswirkung auf die Disziplinarmaßnahmebemessung bleiben die vom Beklagten angeführten Umstände, die Taten hätten nicht in der Öffentlichkeit stattgefunden und seien nicht bekanntgeworden. Zum einen wurden die Taten durchaus im Kollegenkreis bekannt und wurde in der Presse über das Strafverfahren berichtet. Zum anderen ist Entscheidungsmaßstab für die Frage, in welchem Umfang der Dienstherr oder die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in die zukünftige pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, die Annahme, das Dienstvergehen einschließlich aller be-und entlastenden Umstände würde bekannt (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 54).
4.6. Im Hinblick auf die zugunsten des Beklagten sprechenden Umstände geht das Gericht davon aus, dass ein Restvertrauen in ihn geblieben ist und statt der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis lediglich die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung angezeigt erscheint. Angesichts der Schwere der Tat und der weiteren Umstände wäre dabei die Zurückstufung um zwei Stufen tat- und schuldangemessen. Allerdings lässt § 9 Abs. 1 Satz 1 BDG eine Zurückstufung nur in ein Amt derselben Laufbahn, also in das Eingangsamt einer Laufbahn zu. Das Eingangsamt in der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei, in der der Beklagte seinen Dienst leistet, ist das Amt eines Polizeimeisters/ einer Polizeimeisterin in der Besoldungsgruppe A7 (vgl. § 17 BBG, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Bundespolizei-Laufbahnverordnung – BPolLV – i.V.m. Anlage 1 hierzu). Das Gericht kann den derzeit in Besoldungsgruppe A8 befindlichen Beklagten daher lediglich um eine Stufe zurückstufen.
Der Umstand, dass eine Zurückstufung um zwei Stufen vorliegend nicht möglich ist und das disziplinarrechtliche Instrumentarium damit nur eine relativ milde Maßnahme bereithält, führt wegen des verbliebenen Restvertrauens nicht dazu, dass statt der Zurückstufung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist. Angesichts der für den Beklagten sprechenden Umstände und seiner Unterhaltsverpflichtung für fünf Kinder wäre die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht mit dem auch im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Klägerin mit ihrem Antrag aus der Disziplinarklage nicht durchgedrungen ist, aber dennoch eine Disziplinarmaßnahme gegen den Beklagten ausgesprochen wurde, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben