Arbeitsrecht

Disziplinarmaß bei Betrug gegenüber dem Dienstherrn

Aktenzeichen  16a D 19.681

Datum:
1.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20659
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 6, Art. 11, Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
StGB § 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1
BKEntschV-GV § 3
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 2, S. 3, § 47 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beamter, der seinen Dienstherrn unter Verletzung der Wahrheitspflicht um des eigenen materiellen Vorteils willen in betrügerischer Weise schädigt, belastet das zwischen ihm und seinem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis schwer und nachhaltig; Ausgangspunkt der disziplinaren Maßnahmebemessung ist daher die Höchstmaßnahme. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen regelmäßig anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
4. Selbst überdurchschnittliche Beurteilungen sind regelmäßig nicht geeignet, gravierende Dienstpflichtverletzungen in einem durchgreifend milderen Licht erscheinen zu lassen. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das schuldmildernde Gewicht einer reuigen Selbstanzeige ist nicht gegeben, wenn die Offenbarung erfolgt, um einer Offenbarung durch einen Dritten zuverozukommen. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 19L DK 18.2155 2019-03-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
Die Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.) Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer Disziplinarmaßnahme nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Eine Obergerichtsvollzieherin, die sich des gewerbsmäßigen Betrugs schuldig gemacht hat, beeinträchtigt das für die Ausübung ihres Berufs erforderliche Vertrauen ihres Dienstherrn und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit aufs Schwerste und macht sich untragbar. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass die Beklagte wegen des endgültigen Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.3).
1. Der Senat legt seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Gegenstand der Disziplinarklage ist. Die Beklagte hat die Vorwürfe vollumfänglich eingeräumt.
Das Fehlverhalten der Beklagten stellt ein einheitliches (Hermann in Hermann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht, Beamtenstrafrecht, 1. Aufl. 2014, Rn. 167 ff.) Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG dar. Mit ihrem Verhalten hat die Beklagte gegen die Pflicht zur Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 53 StGB), die Pflicht zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Das Dienstvergehen ist innerdienstlich.
2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 12/13).
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurück (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O.; B.v. 05.7.2016 – 2 B 2.16 – juris Rn. 14).
Vorliegend stellen die dienstpflichtverletzenden Handlungen, welche Gegenstand der Disziplinarklage sind, sehr schwere Dienstpflichtverletzungen dar. Das ergibt sich schon daraus, dass für den – wie hier – besonders schweren Fall des Betrugs ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe besteht. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu zehn Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20).
2.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil sie durch ihr Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verwaltung bei ihren Entscheidungen im personellen und fürsorgerischen Bereich auf die absolute Ehrlichkeit ihrer Bediensteten sowie darauf angewiesen ist, dass diese bei der Wahrnehmung ihrer Rechte, insbesondere bei der Geltendmachung von Ansprüchen, der Wahrheits- und Offenbarungspflicht ohne jede Einschränkung genügen. Deshalb lässt sich die Verwaltung – hier die Landesjustizkasse – die Richtigkeit der Angaben des Beamten von ihm versichern (vgl. z.B. Abrechnungsschein der Beklagten für den Zeitraum vom 1.4.2013 bis 30.4.2013, Bl. 25 BMO Bd. II). Ein Beamter, der seinen Dienstherrn unter Verletzung der Wahrheitspflicht um des eigenen materiellen Vorteils willen in betrügerischer Weise schädigt, belastet deshalb das zwischen ihm und seinem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis schwer und nachhaltig (BVerwG, B.v. 26.9.2001 – 1 D 32.00 – juris Rn. 28 m.w.N. zu einem Beihilfebetrug). Unter Zugrundelegung dessen ist hier die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der disziplinaren Maßnahmebemessung.
2.3 Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil sie durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen regelmäßig anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben.
Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier wegen der gesamten Umstände des Dienstvergehens geboten. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich.
Zu Lasten der Beklagten wirkt sich zunächst die erhebliche Schadenshöhe aus. Der Senat geht von einem Gesamtschadensbetrag von 100.469,32 € aus. Davon waren 62.553,32 € Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung, während die wegen Verjährung nicht angeklagten Betrugstaten (Kalenderjahre 2008 bis 2010) zu einem Schaden von 37.916,00 € geführt haben.
Aber auch ungeachtet der erheblichen Schadenshöhe liegen Erschwernisgründe vor, die die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen. Die jährlichen Betrugstaten zogen sich über acht Jahre lang hin und waren durch Eigennutz geprägt. Die Beklagte hat eine aus ihrem Amt resultierende besondere Vertrauensstellung gegenüber dem Dienstherrn ausgenutzt. Gerichtsvollzieher üben ein herausgehobenes Amt aus. Dabei ermöglicht der Dienstherr jenen Beamten eine weitgehend selbständige Dienstausübung außerhalb der Dienstgebäude. Der Dienstherr erlaubt den Gerichtsvollziehern in beschränkten Umfang die Beschäftigung von Hilfspersonal, wobei die Kosten vom Dienstherrn erstattet werden. Aufgrund der räumlichen Trennung der Gerichtsvollzieher von den Dienstgebäuden sowie den mit dem Amt verbundenen Aufgaben ist eine Kontrolle der Führung der Amtsgeschäfte von Gerichtsvollziehern nur in beschränkten Umfang möglich. Deshalb ist das Bestehen eines tragfähigen Vertrauensverhältnisses unabdingbare Voraussetzung für das Amt des Gerichtsvollziehers. Dieses besondere Vertrauen beinhaltet auch, dass die Quartals- und Jahresabrechnungen für die Gerichtsvollzieher jeweils auf deren Erklärungen beruhen. Eine Kontrolle durch den Dienstherrn ist aufgrund der eigenständigen Aufgabenwahrnehmung auch insoweit nur in beschränkten Umfang möglich und beschränkt sich zudem weitgehend auf die von den Gerichtsvollziehern geführten „Bücher“. Dieses Wissen um die beschränkten Kontrollmöglichkeiten und den Umfang von Prüfungen hat sich die Beklagte für ihre Taten nutzbar gemacht. Ohne die unerwartete Überschneidungsmitteilung der Bundesknappschaft an das Arbeitsamt für den vorgeblichen „Bürohelfer“ D. und eine darauf beruhende Befassung des Arbeitsamts hätte sich die Beklagte nicht ihrer unmittelbaren Vorgesetzten anvertraut. Die Taten wurden begangen, ohne dass eine erkennbare und entschuldigende wirtschaftliche Notlage vorlag. Es handelte sich nicht um eine einmalige und unüberlegte Spontantat. Die Taten beschränkten sich nicht auf die falsche schriftliche Darstellung von Beschäftigungsverhältnissen. Die Beklagte hat bei den jährlichen Prüfungen auch unmittelbar gegenüber den Prüfungsbeamten falsche Angaben gemacht. Die Offenbarung der tatsächlichen Gegebenheiten erfolgte erst, als mit einer Meldung der Arbeitsagentur zu rechnen war.
In der Summe zeigen die aufgeführten Umstände eine über einen langen Zeitraum an den Tag gelegte erhebliche kriminelle Energie der Beklagten auf, die ihre Pflichtverletzungen als sehr schwerwiegend kennzeichnen.
Demgegenüber erreichen die zugunsten der Beklagten in die Bemessung über die Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Gesichtspunkte weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte.
Die in der Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe kommen der Beklagten – unstreitig – nicht zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13).
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG kann mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht zukommen, wenn ein sogenannter anerkannter („klassischer“) Milderungsgrund nicht erfüllt ist. Diese Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden (BVerwG, B.v. 17.10.2019 – 2 B 79.18 – juris Rn. 13).
Neben der in den Blick zu nehmenden vollständigen Wiedergutmachung des Schadens ist der Beklagten zugute zu halten, dass sie nicht einschlägig disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Ferner hat der Senat die sich in den Beurteilungen widerspiegelnde Erfüllung der an sie gestellten Anforderungen (2002: 10 Punkte; 2006: 11 Punkte; 2010: 12 Punkte; 2014; 10 Punkte) und das unter dem 1. Februar 2018 erstellte aktuelle Persönlichkeitsbild berücksichtigt. Allerdings sind selbst überdurchschnittliche Beurteilungen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Dienstpflichtverletzungen in einem durchgreifend milderen Licht erscheinen zu lassen. Jeder Beamte ist generell verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich achtungssowie vertrauenswürdig, insbesondere gesetzestreu zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind daher geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 30).
Schließlich vermag die Beklagte auch nicht ihre Argumentation zu entlasten, es sei nur formal ein Schaden entstanden. Ungeachtet dessen, wieviel Arbeitszeit die Beklagte selbst aufgewendet hat und ob dies überobligatorisch war, hat sie hierfür keinen Anspruch auf Erstattung. Sie hatte auch zu keinem Zeitpunkt die Aufwendungen getragen, die sie sich erstatten ließ. Der Schaden des Fiskus ist also keine Fiktion, sondern bei einem Vergleich der Vermögenslagen real eingetreten. Im Übrigen wäre es ohne Feststellung eines eingetretenen Schadens nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Betrugs gekommen.
Im Rahmen der Gesamtabwägung hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Beklagte den Sachverhalt gegenüber dem Beklagten offenbart hat. Diesem Umstand kommt indes kein großes Gewicht zu. Die Beklagte hat zwar ihre „Konstruktion“ offenbart, jedoch nicht, weil sie die Taten bereut hat, sondern um einer Offenbarung durch die Bundesagentur für Arbeit zuvorzukommen. Offenkundig war der Beklagten das Risiko zu hoch, sodass sie versuchte, aktiv das Schlimmste zu verhindern. Soweit sie nunmehr vorträgt, ohne ihre Offenbarung hätte der Dienstherr mangels Kontrollmitteilung der Bundeagentur für Arbeit nichts erfahren, ist das zwar richtig, mildert aber die Schwere des Dienstvergehens nicht entscheidend ab. Das schuldmildernde Gewicht einer reuigen Selbstanzeige kommt diesem Verhalten nicht zu.
Auch die Rückzahlung aller für die angebliche Beschäftigung von zwei Bürokräften geltend gemachten Aufwendungen kann die Beklagte nicht entlasten. Sie ist das Minimum dessen, was von jedem Beamten ohnehin zu verlangen ist (BVerwG, B.v. 31.7.2017 – 2 B 1.17 – juris Rn. 9).
Auch die beiden von der Beklagten vorgelegten Atteste hat der Senat im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass die Tatbegehung durch eine seit 2008 bestehende permanente Überlastung und auch damit verbundene körperliche Beschwerden wie Übermüdung, Erschöpftheitszustände oder Antriebslosigkeit begünstigt wurde. Ein derartiger Befund würde Pflichtverletzungen erklären, bei denen gebotene Handlungen unterlassen wurden, z.B. Abrechnungen nicht oder nicht regelmäßig erfolgen, weil der Beamte hierzu nicht kam oder sich nicht aufraffen konnte. Bei den vorliegenden Pflichtverletzungen hat die Beklagte jedoch umgekehrt eine besondere kriminelle Energie gezeigt, in dem sie aktiv Vertragsverhältnisse vortäuschte und falsche Abrechnungen erstellte, um sich selbst zu bereichern. Die Tat zeichnet sich nicht durch pflichtwidrige Passivität aus, sondern dadurch, dass die Beklagte aktiv und fortlaufend Täuschungshandlungen begangen hat. Ein schuldmindernder Aspekt kann daher in der behaupteten Belastung durch die Erschöpftheitszustände nicht gesehen werden.
Diese mildernden Gesichtspunkte in ihrer Person und ihren persönlichen Umständen bei der Tatbegehung haben auch in der Gesamtschau nicht das Gewicht, das einem anerkannten Milderungsgrund zukommt, sodass es an der für die Fortsetzung des gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses notwendigen Vertrauensgrundlage fehlt. Wie oben ausgeführt besitzt das Dienstvergehen der Beklagten ein herausgehobenes Gewicht. Demgemäß bedürfte es ganz erheblicher mildernder Aspekte, wenn ihretwegen eine mildere als die Höchstmaßnahme in Betracht kommen sollte. Die bei der Beklagten festzustellenden mildernden Gesichtspunkte erreichen auch zusammen bei weitem nicht das Gewicht eines der anerkannten Milderungsgründe, die nach der Rechtsprechung zwingend zu einer Maßnahmereduzierung führen und die als Vergleichsmaßstab für die Bedeutung anderer Milderungsgründe heranzuziehen sind. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
4. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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