Arbeitsrecht

Disziplinarrecht, Berufungsverfahren, Schulleiter eines Gymnasiums (BesGr. A 15 + Z), Untreue im besonders schweren Fall in drei tatmehrheitlichen Fällen, Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils, Widerruf eines Geständnisses

Aktenzeichen  16a D 18.2369

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36713
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 14 Abs. 1, 2, 25 Abs. 1, 26, 63
StGB §§ 11 Abs. 1 Nr. 2, 266 Abs. 1, 2, 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 10A DK 17.2106 2018-09-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Der Senat kommt bei der Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat (1.), das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte vom Verwaltungsgericht zurecht mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geahndet wurde (2.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer Disziplinarmaßnahme nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Schulleiter, der sich wiederholt der Untreue zu Lasten des Schulvermögens schuldig gemacht hat, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit aufs Schwerste und macht sich untragbar. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die Gesamtwürdigung sämtlicher be- und entlastender Umstände ergibt, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist (2.3).
Das Disziplinarverfahren weist nicht die geltend gemachten Mängel in formeller Hinsicht auf (Art. 53 Abs. 1 BayDG). Der in der Berufungsbegründung wiederholte Vorwurf, die im Disziplinarverfahren gestellten Anträge auf Einvernahmen der Zeugin M. sowie des Zeugen G. seien unter Verstoß gegen Art. 26 Abs. 3 BayDG abgelehnt worden, trifft nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht (UA S. 10, 11, unter 1.) zu Recht festgestellt, dass den Beweisanträgen im Hinblick auf die Bindungswirkung der Disziplinarbehörde an die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren (Art. 25 Abs. 1 BayDG) gar nicht stattgegeben hätte werden dürfen. Soweit die Bindungswirkung reicht, steht es der Disziplinarbehörde nicht mehr zu, Beweise zu erheben. Im Übrigen waren die im strafgerichtlichen Verfahren gemachten Aussagen der beiden Zeugen so eindeutig, dass die Beweisanträge des Beklagten nicht geeignet waren, die bestehende Beweislage zu erschüttern (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2020, Art. 26 Rn. 68).
1. Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Strafurteil des zuständigen Amtsgerichts vom 4. April 2016 zugrunde liegt, steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbsatz 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind sämtliche tatsächliche Feststellungen zur objektiven und subjektiven Seite einer Straftat eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend. Die Bindungswirkung umfasst auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat (BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1.15 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 23). Allerdings hat die Auffassung der Strafgerichte über die Subsumierbarkeit des festgestellten Sachverhalts unter einen Straftatbestand für die Disziplinargerichte keine bindende Wirkung (VGH BW, U.v. 11.12.2008 – DL 16 S 3107/07 – juris Rn. 137). Damit kann im vorliegenden Fall allein aufgrund der Bindungswirkung nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte durch sein Verhalten den Tatbestand der Untreue verwirklicht hat.
1.1 Insoweit macht die Berufungsbegründung geltend, der festgestellte Sachverhalt erfülle nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 266 StGB, vielmehr liege die Prüfung anderer Straftatbestände näher. Ohne weitere Begründung sei im Strafurteil lediglich festgestellt worden, der Beklagte sei für das fragliche Konto verfügungsberechtigt gewesen, obwohl nicht feststehe, dass er überhaupt eine entsprechende Befugnis gehabt habe; jedenfalls habe er eine solche Befugnis nicht missbraucht.
1.2 Der Senat bewertet den festgestellten Sachverhalt – dem zutreffenden Strafurteil folgend – rechtlich wie folgt: Der Beklagte hat dadurch, dass er die – an den nachfolgenden strafbaren Handlungen unbeteiligte – Schulsekretärin M. dreimal angewiesen hat, erhebliche Bargeldbeträge vom Schulkonto abzuheben und ihm auszuhändigen, die er dann mit gewissem zeitlichen Abstand auf drei verschiedene private Konten – aufgestockt in zwei Fällen durch eigene Mittel – eingezahlt hat, eine Untreue im besonders schweren Fall in drei tatmehrheitlichen Fällen (§ 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 4, § 53 StGB) begangen.,
Untreue im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Gemessen daran erfüllen die dem Beklagten im Strafurteil zur Last gelegten Einzahlungen von dem aus einem Schulkonto stammenden Bargeld auf private Konten seiner Familie den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484 – juris Rn. 72; SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10 – juris Rn. 74).
Der Beklagte hatte – entsprechend der Regelung für staatliche Schulen (vgl. Art. 1 Satz 1, Art. 3, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BaySchFG) – in seiner Funktion als Leiter einer privaten Schule die Aufgabe, die zur Erfüllung der schulischen Belange von der Schulträgerin bereitgestellten Mittel zu bewirtschaften; hierzu zählte im vorliegenden Fall insbesondere die Verwaltung des für verschiedene schulische Ausgaben angelegten „Klassenfahrten-Kontos“ (vgl. § 1 Abs. 4, § 24 Abs. 1 1. Spiegelstrich, § 40 LDO, Art. 3 Abs. 2, Art. 57 BayEUG). Dem Beklagten war dementsprechend (zumindest auf das genannte Konto bezogen) die Bewirtschaftung der für den Schulaufwand bereitgestellten Mittel zur selbständigen Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten der Schule – einschließlich der Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel – übertragen (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BaySchFG). In dieser dienstlichen Stellung erfüllte er somit, vergleichbar einem Amtsinhaber im öffentlichen Dienst, dessen Amt typisch vermögensfürsorgerische Aufgaben mit sich bringt, die täterschaftlichen Voraussetzungen des Untreuetatbestandes („tauglicher Untreuetäter“, vgl. BGH, U.v. 6.5.1986 – 4 StR 124/86 – juris Rn. 7; vgl. BeckOK StGB/Wittig, Stand: 1.5.2021, § 266 StGB Rn. 40, 40.1; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 266 Rn. 11).
Der Beklagte hat zudem im Strafverfahren seine Berechtigung, über das maßgebliche Schulkonto zu verfügen, und seine Verantwortlichkeit hierfür eingestanden (vgl. Strafurteil v. 4.4.2016, S. 4). Dementsprechend ist er von Anbeginn seiner Tätigkeit als Schulleiter seit September 2007 verfahren und hat die Schulsekretärin M. laufend angewiesen, für ihn Bargeldbeträge vom fraglichen Konto abzuheben. Für die rechtliche Beurteilung der Vermögensfürsorgepflicht macht es dabei keinen Unterschied, ob er das Geld eigenhändig abgehoben oder mit dieser Aufgabe eine Hilfsperson beauftragt hat. Ebenso wenig spielt im Hinblick auf die dem Beklagten eingeräumte tatsächliche Verfügungsbefugnis eine Rolle, ob sein Vortrag, er sei von der Schulträgerin angewiesen worden, die auf dem Konto liegenden Beträge möglichst niedrig zu halten, zutrifft oder nicht. Im Übrigen hat die Beweisaufnahme im Strafverfahren die Richtigkeit dieser Behauptung nicht bestätigt. Es steht mit für das Disziplinarverfahren bindender Wirkung fest, dass dem Beklagten als Schulleiter die finanziellen Interessen des M.-Gymnasiums anvertraut und er für den Schutz des Vermögens der Schulträgerin, der Schulstiftung der Diözese R., jedenfalls insoweit verantwortlich war, als es das „Klassenfahrten-Konto“ betrifft.
Die Vermögensbetreuungspflicht betraf auch nicht eine völlig untergeordnete Verantwortlichkeit des Beklagten in Form einer Nebenpflicht, sondern stellte sich schon im Hinblick auf seine Stellung als Schulleiter und auf die Höhe der Beträge, die regelmäßig auf dem Konto eingingen, als „mitbestimmende, nicht nur beiläufige Verpflichtung“ dar (vgl. BGH, B.v. 16.8.2016 – 4 StR 163/16 – juris Rn. 10,18; Matt in Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. 2020, § 266 Rn. 21 m.w.N.).
Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, dass er in drei Fällen fremde Geldmittel, über die zu verfügen er die Befugnis ausschließlich im schulischen Interesse besaß, zu privaten Zwecken vereinnahmt und damit entgegen der ihm von der Schulträgerin eingeräumten Befugnis verwendet hat. Die private Vereinnahmung der Beträge kann unabhängig von der eingetretenen, bereits dargestellten Bindungswirkung des Strafurteils auch vor dem Hintergrund der eindeutigen Beweislage nicht mehr in Abrede gestellt werden.
Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ist auch ein Vermögensnachteil bei der Schulträgerin (Kontoinhaber) eingetreten, dessen Vermögen spätestens durch die vom Beklagten vorgenommene Einzahlung der ihm in bar zur Verfügung stehenden Geldmittel auf die privaten Konten der Familie in Höhe der veruntreuten Gelder vermindert wurde, ohne dass dem zugleich ein unmittelbarer Vermögensvorteil in entsprechender Höhe gegenübergestanden wäre. Es kann dabei offenbleiben, ob der Vermögensnachteil nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt – etwa schon bei Mitnahme der Geldbeträge aus dem Schulgebäude – eingetreten ist. Der Eintritt des Schadens ist jedenfalls bei der unberechtigten Nutzung des anvertrauten Vermögens für private Zwecke ohne weiteres zu bejahen (vgl. zum Begriff des Vermögensnachteils: BeckOK StGB/Wittig a.a.O. Rn. 47 f.). Der Vermögensnachteil liegt hier in der unberechtigten Überführung schulischer Gelder auf eigene Konten des Beklagten und seiner Familie, womit die Grenze einer bloßen, nicht schadensgleichen Vermögensgefährdung überschritten ist (vgl. hierzu: BeckOK StGB/Wittig a.a.O. Rn. 55 f.). Die vom Beklagten behauptete Absicht, die Gelder zurückzuzahlen, und der Hinweis auf seine insoweit jederzeit vorhandenen finanziellen Möglichkeiten stehen dem nicht entgegen, weil der eingetretene Vermögensnachteil dadurch nicht beseitigt wird (BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 42).
1.3 Der Beklagte hat durch die Begehung der Straftaten zugleich gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen, durch sein Verhalten innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG), und sein Amt uneigennützig zu führen (§ 34 Satz 2 BeamtStG).
1.4 Mit den vorgenannten Pflichtverletzungen hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt als Schulleiter und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 15.11.2018 – 2 C 60.17 – juris Rn. 19).
Die Frage, ob ein pflichtwidriges Verhalten als innerdienstliches oder als außerdienstliches Dienstvergehen anzusehen ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 5.18 – juris Rn. 21; Weiß GKÖD Band II, Stand Juli 2020, J 090). Die erforderliche Abgrenzung ist nicht bloß anhand einer formellen Dienstbezogenheit (zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang), sondern in erster Linie materiell danach vorzunehmen, wieweit sich das Fehlverhalten auf den Amtsbereich des Beamten ausgewirkt hat (materielle Dienstbezogenheit). Hiernach liegt ein Fehlverhalten außerhalb des Dienstes (nur dann) vor, wenn es weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – juris Rn. 57; U.v. 25.8.2009 – 1 D 1.08 – juris Rn. 54; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 10).
Gemessen daran hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Dagegen spricht zunächst nicht der Umstand, dass der Beklagte mit seinem Einverständnis aus dem staatlichen Gymnasialdienst (ab 1.8.2007 bis 14.2.2014) zur Leitung einer staatlich anerkannten Ersatzschule (eines kirchlichen Trägers) gemäß Art. 44 BaySchFG beurlaubt worden war. Denn auch während einer Beurlaubung besteht das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis zum beurlaubenden Dienstherrn fort (vgl. „zur Dienstleistung“, Art. 44 BaySchFG), wohingegen die Einzelheiten zu Art und Umfang der Pflichterfüllung während der Dauer der Beurlaubung von der Ersatzschule festgelegt werden. Die Beurlaubung ist hier unter der ausdrücklichen Bedingung erfolgt, dass die staatliche Lehrkraft ihre Dienstpflichten für den festgelegten Zeitraum an der näher bestimmten Ersatzschule erfüllt (vgl. Wachsmuth in PdK Bayern G-1a, Sept. 2019, Art. 44 BaySchFG, Erl. 3). Für sämtliche finanzielle Leistungen (insbesondere die Besoldung) bestand hingegen die Verpflichtung des Dienstherrn fort. Er hat den Beklagten im Übrigen auch während der Beurlaubung am 18. Juli 2008 zum Oberstudiendirektor ernannt.
Dem Beklagten waren – wie bereits dargelegt – die auf dem „Klassenfahrten-Konto“ liegenden Gelder von der Schulstiftung zur Verwendung für schulische Zwecke des M.-Gymnasiums anvertraut worden. Ihm war daher gemäß Art. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BaySchFG insoweit die Verfügungsbefugnis und damit die korrespondierende Vermögensbetreuungspflicht für dieses Konto dienstlich übertragen. Ein Zugriff auf das Konto war ihm nicht als Privatperson gestattet, sondern ausschließlich in seiner Funktion als Schulleiter. Damit bestand ein kausaler und funktionaler Zusammenhang zwischen den Untreuehandlungen und dem bekleideten Amt.
2. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb hat das Verwaltungsgericht nach Art. 14 Abs. 2, Art. 11 BayDG zu Recht auf die Höchstmaßnahme erkannt und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen.
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 ff.).
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurück (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 5.18 – juris Rn. 18; U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19; B.v. 5.7.2016 – 2 B 2.16 – juris Rn. 14). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu zehn Jahre, vgl. § 266 Abs. 1, 2 i.V.m § 263 Abs. 3 StGB), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20). Bei innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier: 10 Monate Freiheitsstrafe) dabei keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 15 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (2 C 6.14 – juris Rn. 19) ausdrücklich klargestellt hat, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgibt, so dass sich jede schematische Betrachtung – insbesondere anhand von Schwellenwerten – verbietet.
2.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Ermessenentscheidung führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die die Höchstmaßnahme erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen in der Regel anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen (BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 58). Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben.
Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Es handelt sich bei dem Dienstvergehen nicht um ein einmaliges Fehlverhalten, sondern um selbstständige Untreuehandlungen, die sich über etwa sechs Monate hinweg erstrecken und auf jeweils steigende Beträge beziehen. Ein Beamter, der der Schulträgerin des Gymnasiums, für das er als Schulleiter tätig ist, durch Untreuehandlungen zur eigenen Bereicherung oder derjenigen seiner minderjährigen Kinder erheblich schädigt, begeht ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Der Dienstherr (Schulträgerin) kann seine Bediensteten nicht auf Schritt und Tritt kontrollieren. Für eine effiziente Aufgabenerfüllung ist er darauf angewiesen, ihnen Vertrauen entgegenzubringen. Ein Beamter, der dies ausnutzt, um sich zu bereichern, belastet das unverzichtbare Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße und uneigennützige Aufgabenwahrnehmung empfindlich. Zudem musste zu Lasten des Beklagten die erhebliche Höhe des eingetretenen, später wieder gutgemachten Schadens (20.400 Euro) berücksichtigt werden. Der Beklagte bekleidete als hoch besoldeter Schulleiter eines Gymnasiums eine Vorgesetztenstelle, womit ihm Vorbildfunktion auch über den Kollegenkreis hinaus zukam. Seine (inner-)dienstliche Stellung wirkt sich erschwerend aus, weil die Verletzung insbesondere innerdienstlicher Pflichten durch Vorgesetzte größere Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung auslöst als bei Beamten in untergeordneter Dienststellung (vgl. Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2020, Art. 14 Rn. 10).
2.3 Mildernde Umstände von solchem Gewicht, dass trotz der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme als unangemessen erscheinen würde, liegen nicht vor.
Das Gewicht des Dienstvergehens wird zunächst nicht dadurch herabgesetzt, dass der Beklagte am 25. März 2014 Selbstanzeige gestellt hat, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Taten bereits Gegenstand der am 11. März 2014 abgehaltenen Besprechung zwischen der geschädigten Schulstiftung und dem Beklagten (vgl. Aussage des Geschäftsführers der Schulstiftung: Strafakte Bl. 64 bis 66) und damit „aufgedeckt“. In dieser Besprechung wurde dem Beklagten empfohlen, Selbstanzeige zu erstatten. Im Übrigen hat er sie dann am 8. April 2014 nach anwaltlicher Beratung „widerrufen“.
Zugunsten des Beklagten sind jedenfalls sein tadelloses (privates wie dienstliches) Verhalten vor den strafbaren Handlungen anzumerken, seine überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen, die sich aus der beigezogenen Personalakte ergeben sowie der Umstand, dass ihm die Taten wegen der unzureichenden Vorkehrungen und fehlenden zeitnahen Prüfungen durch die Schulträgerin „leicht gemacht“ wurden. Weiter spricht für den Beklagten seine alsbald erfolgte Wiedergutmachung des eingetretenen finanziellen Schadens in einem Umfang, der die vom Strafgericht rechtskräftig festgestellte Schadenssumme überschießt, sowie die lange Dauer des Disziplinarverfahrens, für die allerdings das vom Beklagten angestrengte, im Ergebnis erfolglose strafrechtliche Wiederaufnahmeverfahren mit mehr als zwei Jahren verantwortlich zeichnet.
Die dargestellten Aspekte sind in der vorzunehmenden Gesamtschau jedoch nicht geeignet, die Schwere der Dienstverfehlung derart abzumildern, dass eine andere Disziplinarmaßnahme als die Höchstmaßnahme in Betracht käme. Auch hervorragende dienstliche Leistungen und das Fehlen einer straf- oder disziplinarrechtlichen Vorbelastung vermögen die schweren Verfehlungen des Beklagten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, nicht zu „kompensieren“. Diese Umstände stellen sich vielmehr auch als Ausfluss der regelmäßig zu erfüllenden Dienstpflichten dar (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 40).
Soweit der Beklagte andeutet, die Untreuetaten stünden im Zusammenhang mit einem bereits im Jahre 2011 erlittenen Verkehrsunfall, der bei ihm zu einer „Wesensveränderung“ und einem „Kontrollverlust“ geführt habe, vermag der Senat diesem Vortrag schon deshalb nicht näher zu treten, weil die vorliegenden Akten insoweit jegliche Anhaltspunkte für die geltend gemachten Auswirkungen des Unfalls vermissen lassen und es an einer Dokumentation des behaupteten Unfallereignisses fehlt.
Auch der Umstand, dass der Beklagte eine höhere Schadenssumme an die Schulträgerin gezahlt hat, als seiner strafgerichtlichen Verurteilung entsprach, vermag sich nicht zu seinen Gunsten auszuwirken. Die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage und aus welchen Überlegungen heraus er sich hierzu bereitgefunden hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens.
Schließlich kann die unzureichende Dienstaufsicht durch Vorgesetzte nur in Ausnahmefällen unter dem Blickwinkel der Verletzung der Fürsorgepflicht als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden. Hierfür müssen jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich machten, solche aber pflichtwidrig unterblieben sind oder nur unzureichend durchgeführt wurden (BVerwG, U.v. 10.1.2007 – 1 D 15.05 – juris Rn. 22; B.v. 11.7.2014 – 2 B 70.13 – juris Rn. 9). Derartige konkrete Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich, zumal das Verhalten des Beklagten zuvor keinen Anlass zu dienstlichen Beanstandungen gegeben hatte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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