Arbeitsrecht

Eingruppierung – materielle Bindungswirkung – Streitgegenstand

Aktenzeichen  1 Sa 307/19

Datum:
5.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2021:1005.1SA307.19.00
Normen:
§ 322 Abs 1 ZPO
§ 308 Abs 1 S 1 ZPO
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 27. September 2019, 2 Ca 2223/18, Urteil

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 27. September 2019 – 2 Ca 2223/18 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht Erfurt zurückverwiesen.
2. Die Kostenentscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin ab dem 01.08.2011.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Landkreis bzw. dessen Rechtsvorgänger seit dem 01.09.1988 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden unstreitig die für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung. Die Klägerin verfügt über einen Abschluss der Ingenieurschule für Bauwesen Gotha als Diplom-Ingenieurin (FH) der Ausbildungsrichtung „Hochbau“.
Seit dem Jahr 2000 wird die Klägerin als Mitarbeiterin Immissionsschutz/Abfallwirtschaft beschäftigt. Bezüglich ihrer Tätigkeiten wird auf die Stellenbeschreibung vom 03.01.2000 (Bl. 87 ff. d.A.) verwiesen. Ab dem 01.07.2008 wurde der Klägerin ergänzend die Bearbeitung diverser Genehmigungsverfahren im Rahmen des Bundesimmissionsschutzgesetzes übertragen. Insoweit wird auf die Ergänzung zur Stellenbeschreibung vom 01.07.2008 (Bl. 91 d.A.) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2014 erhob die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Erfurt eine Klage auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr ab dem 01.08.2011 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise Entgeltgruppe 11 und höchst hilfsweise ab Mai 2013 nach Entgeltgruppe 10 Stufe 6 zu zahlen. Ferner machte sie Entgeltdifferenzansprüche ab August 2011 geltend. In diesem unter dem Aktenzeichen 7 Ca 3077/14 geführten Verfahren stützte die Klägerin ihren Anspruch auf die Anlage 1a zum BAT-O für Angestellte im allgemeinen Verwaltungsdienst. Im Verfahren stritten die Parteien darüber, ob dieser Tarifvertrag zur Anwendung kommt oder ob – nach Auffassung des Beklagten – die Tätigkeitsmerkmale des spezielleren Tarifvertrags für technische Angestellte für die klägerische Tätigkeit maßgeblich sind. Noch vor der gerichtlichen Entscheidung bat die Klägerin um einen Hinweis gemäß § 139 ZPO, falls das Gericht entgegen ihrer Rechtsauffassung von einer Zuordnung der klägerischen Tätigkeit zum Tarifvertrag für technische Angestellte ausgehe, da für diesen Fall hilfsweise die Erfüllung der dortigen Tätigkeitsmerkmale dargelegt würde. Ein entsprechender Hinweis seitens des Gerichts und ein entsprechender hilfsweiser Vortrag der Klägerin erfolgten nicht.
Mit Urteil vom 30.07.2015 – Az. 7 Ca 3077/14 – (als Anlage K 11 in diesem Verfahren überreicht, Bl. 338 ff. d.A.) stellte das Arbeitsgericht Erfurt fest, dass der Beklagte verpflichtet sei, an die Klägerin ab Januar 2015 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 6 TVöD zu zahlen. Ferner verurteilte es den Beklagten zur Zahlung von Differenzvergütung für den Zeitraum von Mai 2013 bis Dezember 2014 nach Entgeltgruppe 10 Stufe 6. Im Übrigen wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Feststellungsantrag mit dem Hauptbegehren einer Feststellung der Vergütungspflicht nach Entgeltgruppe 12 bzw. 11 bereits unzulässig sei, da die Stufenzuordnung der Klägerin nicht geklärt sei und die Stufen nicht im Antrag genannt seien. Der Antrag auf Feststellung einer Vergütungspflicht nach Entgeltgruppe 10 Stufe 6 sei jedenfalls für den Zeitraum ab 01.01.2015 zulässig und begründet. Differenzvergütungsansprüche für den Zeitraum Mai 2013 bis Dezember 2014 könne die Klägerin ebenfalls nur nach Entgeltgruppe 10 Stufe 6 verlangen. Eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12 bzw. 11 habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht dargetan. Für den mit über 50 % ihrer Tätigkeit maßgeblichen Arbeitsvorgang „Genehmigungen nach dem BImSchG“ seien ausschließlich Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrages für technische Angestellte maßgebend. Zu diesem Tarifvertrag und zu den maßgeblichen Aufbaufallgruppen fehle jeglicher Sachvortrag der Klägerin.
Mit ihrer gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Erfurt vom 30.07.2015 (7 Ca 3077/14) eingereichten Berufung führte die Klägerin an, sie stütze ihr Eingruppierungsbegehren nunmehr hilfsweise auf den Tarifvertrag für technische Angestellte. Für sie sei zuvor nicht erkennbar gewesen, dass das Arbeitsgericht auch Darlegungen zur Erfüllung der Heraushebungsmerkmale nach dem Tarifvertrag für technische Angestellte erwartet hätte. Entsprechende Darlegungen habe die Klägerin getreu ihrer Rechtsauffassung nicht gemacht. Das Arbeitsgericht habe hierzu auch keine Feststellungen treffen können. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht am 01.06.2017 zum Az. 3 Sa 468/15 (Bl. 708 der dortigen Verfahrensakten) hat die Klägerin die eingelegte Berufung zurückgenommen.
Aktuell erhält die Klägerin eine Vergütung der Entgeltgruppe 10 Stufe 6.
Mit ihrer vorliegenden Klage hat die Klägerin die Eingruppierungsfeststellung begehrt, dass die beklagte Partei verpflichtet sei, ihr ab 01.08.2011 nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise nach Entgeltgruppe 11 Vergütung zu zahlen. Ihre am 14.12.2018 beim Arbeitsgericht Erfurt eingegangene Klage stützt die Klägerin nunmehr auf den Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Rechtskraft des Urteils im Verfahren 7 Ca 3077/14 stehe der aktuellen Klageerhebung nicht entgegen. Zu berücksichtigen sei, dass die Parteien im Vorprozess vornehmlich um die Frage gestritten hätten, welches der für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Tarifvertrag sei. Eine Identität der Streitgegenstände sei bereits deshalb nicht gegeben, da die Klägerin nunmehr – anders als im Vorprozess – ihren Eingruppierungsanspruch auf den Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen stütze. Dies sei ein neuer Streitgegenstand. Eine erneute Klage könne nur bei identischem Streitgegenstand unzulässig sein.
Zu berücksichtigen sei ferner, dass das Arbeitsgericht im Vorprozess den Eingruppierungsfeststellungsantrag mangels Nennung der Stufen als unzulässig abgewiesen habe. Diesem Prozessurteil komme nur eine beschränkte Rechtskraft zu. Mit dem aktualisierten Antrag im vorliegenden Verfahren habe die Klägerin die Stufen im Klageantrag nunmehr genau bezeichnet.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, ihr ab 01.08.2011 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12 Stufe 5 und ab 01.05.2013 Stufe 6, hilfsweise ab 01.08.2011 nach Entgeltgruppe 11 Stufe 5 und ab 01.05.2013 Stufe 6 zu zahlen und etwaige Bruttonachzahlungsbeträge, beginnend mit dem 01.12.2012, ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die erneute Klage sei bereits wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig. Zu berücksichtigen sei, dass sich das Arbeitsgericht gerade auch mit der Frage befasst habe, ob sich die Eingruppierung nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrages zur Neufassung der Fallgruppen 1a oder nach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrags für Angestellte in technischen Berufen bestimme.
Mit Urteil vom 27.09.2019 (Bl. 809 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Erfurt die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, maßgebend für die Grenzen der Rechtskraft sei der Streitgegenstand, der sich bei einem klageabweisenden Urteil erst aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen einschließlich des Parteivorbringens erschließe. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei identisch mit dem Streitgegenstand im Verfahren 7 Ca 3077/14. In beiden Verfahren werde die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin ab 01.08.2011 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise Entgeltgruppe 11 zu zahlen. Hierbei spiele es keine Rolle, dass die Klägerin ihren ursprünglichen Antrag nachträglich um Stufen ergänzt habe. Der dem Antrag zu Grunde liegende Sachverhalt sei identisch. Die Klagebegründungen entsprächen sich im Wesentlichen. Eine Änderung der Tätigkeit der Klägerin sei nicht eingetreten. Dass die Klägerin ihren Anspruch nunmehr auf eine andere Vergütungsordnung stütze, führe lediglich zu einem Austausch der Anspruchsgrundlage. Ein Anspruch darauf, den Antrag nur unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt geprüft zu wissen, sei rechtlich nicht anerkennenswert. Das Arbeitsgericht habe sich im Vorprozess auch materiell-rechtlich damit auseinandergesetzt, ob der Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise 11 des Tarifvertrags für technische Angestellte zustehe. Dies habe das Gericht verneint, da jeglicher Sachvortrag der Klägerin zu einem wertenden Vergleich zwischen den Anforderungen der Aufbaufallgruppen gefehlt habe.
Gegen das ihr am 11.11.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit bei Gericht am 11.12.2019 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 11.02.2020 mit Schriftsatz vom 11.02.2020, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen, begründet.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Die Klägerin führt an, zwar sei das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 30.07.2015 – Az. 7 Ca 3077/14 – durch Berufungsrücknahme rechtskräftig geworden. Im Vorprozess habe sie ihren Eingruppierungsanspruch jedoch ausschließlich auf den BAT-O und die Vergütungsordnung für die Angestellten im allgemeinen Verwaltungsdienst gestützt. Dementsprechend habe sie zum Erfüllen etwaiger Heraushebungsmerkmale auf Basis des Tarifvertrages für Angestellte in technischen Berufen nichts vorgetragen. Dies hole sie mit ihrer jetzigen Klage nach.
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft als unzulässig abgewiesen. Nicht das Gericht bestimme den maßgeblichen Streitgegenstand, sondern die Klägerin mit dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex. Dem in Bezug auf den Feststellungsantrag ergangenen Prozessurteil im Vorprozess komme nur eine beschränkte Rechtskraft zu.
Mit Blick darauf, dass das Arbeitsgericht lediglich über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat, beantragt die Klägerin Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung des zweitinstanzlichen Verfahrens am 05.10.2021 (Protokoll Bl. 913 d.A.) hat der Beklagte unstreitig gestellt, dass die Klägerin ab dem 01.08.2011 der Stufe 5 und ab 01.05.2013 der Stufe 6 zuzuordnen sei, unabhängig davon, welche Entgeltgruppe sich für die Klägerin ergebe.
Mit Blick hierauf hat die Klägerin im Berufungsverfahren die Stufenzuordnung aus ihrem Klageantrag wieder gestrichen und beantragt in der Sache,
das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 27.09.2019 – Az. 2 Ca 2223/18 – abzuändern und festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.08.2011 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise ab 01.08.2011 nach Entgeltgruppe 11 des TVöD/VKA bzw. dem Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen zu zahlen und etwaige Brutto-Nachzahlungsbeträge beginnend mit dem 01.12.2012 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft für unzulässig. Die von der Klägerin begehrte Vergütungszahlung nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise Entgeltgruppe 11 TVöD sei bereits Streitgegenstand des Vorprozesses unter dem Aktenzeichen 7 Ca 3077/14 gewesen. Zwar habe sich die Klägerin zur Begründung ihrer seinerzeitigen Eingruppierungsklage auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale berufen. Und ihre nunmehr eingereichte Klage begründe sie mit den Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrags für Angestellte in technischen Berufen. Klageantrag und zugrunde liegender Lebenssachverhalt seien jedoch identisch. Lediglich die Anspruchsgrundlage werde ausgetauscht.
Davon abgesehen habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise Entgeltgruppe 11 ab 01.08.2011. Die Eingruppierung der vom BAT-O in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten bestimme sich bis zum 31.12.2016 gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA weiter nach § 22 BAT-O in Verbindung mit der Vergütungsordnung Anlage 1a zum BAT. Die danach ermittelte Vergütungsgruppe sei gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA vorläufig einer Entgeltgruppe zugeordnet worden. Beschäftigte, die – wie die Klägerin – bereits vor Inkrafttreten der Entgeltordnung (VKA) bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren, seien gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA zum 1. Januar 1017 in die Entgeltordnung (VKA) übergeleitet worden. Gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA bleibe die bisherige Entgeltgruppe jedoch für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit beibehalten. Im Falle der Klägerin bedeute dies, dass sich ihre Eingruppierung auch nach Inkrafttreten der Entgeltordnung (VKA) weiterhin nach § 22 BAT-O in Verbindung mit der Vergütungsordnung Anlage 1a zum BAT bestimme.
Die Klägerin erfülle die Tätigkeitsmerkmale der von ihr geltend gemachten Entgeltgruppe 12, hilfsweise Entgeltgruppe 11 bzw. der diesen Entgeltgruppen entsprechenden „alten“ Vergütungsgruppen des Tarifvertrags für Angestellte in technischen Berufen vom 15.6.1972 in der Fassung vom 24.04.1991 nicht. Wegen des Wortlauts der maßgeblichen Vergütungsgruppen und des diesbezüglichen Vortrags des Beklagten wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 23.04.2019 ab Seite 5 (Blatt 364 ff. d.A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.
II. Die Berufung ist auch begründet. Sie führt nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO zur Aufhebung des Urteils vom 27.09.2019 und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung an das Arbeitsgericht Erfurt. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft als unzulässig abgewiesen.
1. Zu Recht verweist das Arbeitsgericht zunächst darauf, dass eine erneute Klage mit identischem Streitgegenstand wegen entgegenstehender Rechtskraft als unzulässig anzusehen ist (BAG 15.06.2016 – 4 AZR 485/14, Rn. 29; Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Auflage 2022, vor § 322 Rn. 20). Eine Identität der Streitgegenstände ist anzunehmen, wenn im Folgeprozess der nämliche Streitgegenstand zwischen denselben Parteien rechtshängig gemacht oder das kontradiktorische Gegenteil begehrt wird (BAG 15.06.2016 – 4 AZR 485/14, Rn. 29; BGH 17.03.1995 – V ZR 178/93, zu II.1.a der Gründe). Bei klageabweisenden Urteilen ist die in materielle Rechtskraft erwachsende festgestellte Rechtsfolge anhand der Begründung zu ermitteln und auszulegen, insbesondere anhand des Klageantrages und des Tatbestandes, da sich hiernach der Streitgegenstand bestimmt. Wurde eine Eingruppierungsfeststellungsklage rechtskräftig abgewiesen, ist die Rechtskraftwirkung unter Heranziehung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe zu bestimmen (BAG 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, Leitsatz 2 und Rn. 62). Für die Bestimmung des Rechtskraftumfangs eines klageabweisenden Urteils ist von maßgebender Bedeutung, ob es sich um ein bloßes Prozessurteil handelt, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist, oder um ein die Begründetheit verneinendes Sachurteil. Lediglich letzterem kann eine präjudizielle Wirkung hinsichtlich der materiellen Sachprüfung im nachfolgenden Verfahren zukommen (BAG 15.06.2016 – 4 AZR 485/14, Rn. 39).
2. Eine die Unzulässigkeit auslösende entgegenstehende Rechtskraft in diesem Sinne liegt hinsichtlich des im Vorprozess abgewiesenen Eingruppierungsfeststellungsantrags nicht vor.
a) Zwar entsprechen sich die Klagebegehren sowohl im Vorprozess als auch im Folgeprozess nach ihrem Wortlaut. Auch im Erstprozess hat die Klägerin – letztlich erfolglos – die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr Entgelt nach Entgeltgruppe 12, hilfsweise Entgeltgruppe 11 zu zahlen. Ob es sich hierbei wegen der begehrten Rechtsfolge (Vergütung nach Entgeltgruppe 12 bzw. 11) mit der Rechtsauffassung des Beklagten um identische Streitgegenstände handelt oder ob – wie die Klägerin meint – wegen der jeweils angeführten Vergütungsordnungen unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen, kann an dieser Stelle dahinstehen.
b) Denn zu beachten ist, dass das Arbeitsgericht im Vorprozess den Feststellungsantrag der Klägerin mangels Angabe der Stufen als unzulässig abgewiesen hatte.
Die materielle Rechtskraft eines Prozessurteils ist dahingehend beschränkt, dass das Prozessurteil rechtskräftig nur über die Prozessfrage entscheidet, auf die es gestützt wird. Die Rechtskraft eines Prozessurteils besagt, dass die Klage mit dem damals anhängigen Streitgegenstand unter den damals gegebenen prozessualen Umständen mindestens aus dem in den Entscheidungsgründen genannten Grund unzulässig war und ist. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand kann nur als zulässig behandelt werden, wenn sich die prozessualen Umstände in dem fraglichen Punkt gegenüber dem Vorprozess geändert haben (Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Auflage 2022, § 322 Rn. 1a mwN).
Das Arbeitsgericht im Vorprozess hatte in seinem nach Berufungsrücknahme rechtskräftigen Urteil vom 30.7.2015 (Az. 7 Ca 3077/14, s. Bl. 338 ff. d.A.) den Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses teilweise (in Hinblick auf die Entgeltgruppen 11 und 12) als unzulässig abgewiesen. Da über die Stufenzuordnung der Klägerin Streit bestand, der Antrag aber trotz gerichtlichen Hinweises nicht um die Stufenzuordnung ergänzt worden war, sah das Gericht den Streit der Parteien durch den zur Entscheidung gestellten Eingruppierungsfeststellungsantrag nicht als vollumfänglich abgebildet an.
Zu Recht hat die Klägerin im hiesigen Folgeprozess darauf hingewiesen, dass sie mit Schriftsatz vom 13.08.2019 ihren Klageantrag – noch vor der erstinstanzlichen Entscheidung – um die Stufen ergänzt hat (s. Bl. 461 d.A.). Diesen Antrag zitiert das Arbeitsgericht auch in seinem angegriffenen Urteil vom 27.09.2019. Mit der Ergänzung um die begehrten Stufen hätte der Eingruppierungsfeststellungsantrag jedenfalls nicht mit der seinerzeitigen Begründung als unzulässig abgewiesen werden dürfen. Die prozessualen Umstände haben sich vielmehr geändert. Die Rechtskraft des Prozessurteils, das auf die fehlende Benennung der Stufen gestützt worden war, konnte einer erneuten Klage unter Nennung der Stufen nicht entgegenstehen.
Nichts anderes ergibt sich, wenn der nunmehr am 5. Oktober 2021 geänderte Klageantrag betrachtet wird. Ausweislich des Protokolls (Bl. 913.R d.A.) hat die Klägerin auf Empfehlung der erkennenden Kammer den Klageantrag umgestellt und die zuvor im Klageantrag ergänzten Stufen wieder gestrichen. Dies erfolgte, da der Beklagte die Stufenzuordnung der Klägerin durch Erklärung zu Protokoll unstreitig gestellt hat. Hierzu ist anerkannt, dass das Feststellungsinteresse dann nicht verneint werden kann, wenn die rechtskräftige Entscheidung den Streit der Parteien umfänglich beilegt. Dies ist bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage ohne die Bezeichnung weiterer die Vergütungshöhe bestimmender Faktoren, wie etwa die Einstufung in einer Vergütungstabelle nach Stufen, nur dann der Fall, wenn über diese Faktoren kein Streit besteht (vgl. BAG 18.09.2018 – 9 AZR 199/18, Rn. 15). Da durch die Protokollerklärung des Beklagten der Streit um die Stufenzuordnung beigelegt wurde, ist eine Nennung der Stufen im Klageantrag verzichtbar. Der Klageantrag ist in diesem Fall auch ohne Nennung von Stufen zulässig, worauf die Kammer im Termin hingewiesen hat. Der Zulässigkeit des Klageantrags steht die Klageabweisung als unzulässig im Erstprozess nicht entgegen, da sich die zur Zulässigkeit führenden Umstände – die Protokollerklärung – erst nach Rechtskraft der Erstentscheidung ergeben haben.
3. Auch die im Vorprozess erfolgte teilweise Abweisung der Zahlungsklage führt nicht zur Unzulässigkeit der hiesigen Eingruppierungsfeststellungsklage wegen entgegenstehender Rechtskraft.
a) Mit Urteil vom 30.07.2015 hat das Arbeitsgericht den Zahlungsantrag der Klägerin gerichtet auf die Vergütungsdifferenz zwischen Entgeltgruppe 10 Stufe 5 und der von ihr begehrten Entgeltgruppe 12 hilfsweise Entgeltgruppe 11 rechtskräftig abgewiesen.
b) Diese Klageabweisung führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der nachfolgenden Eingruppierungsfeststellungsklage. Es liegt keine Identität der Streitgegenstände vor.
Nur bei Identität der Streitgegenstände ist eine nachfolgende Klage als unzulässig abzuweisen. Ist der Streitgegenstand nicht identisch, sondern die rechtskräftig erkannte Rechtsfolge für den nachfolgenden Rechtsstreit nur vorgreiflich („präjudiziell“), hindert die Rechtskraft das nachentscheidende Gericht nur an einer abweichenden Entscheidung. Ein Verstoß gegen diese Bindungswirkung macht die Klage nicht unzulässig, sondern allenfalls unbegründet (Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Auflage 2022, vor § 322 Rn. 22; BGH 16.01.2008 – XII ZR 216/05, Rn. 22, 23).
Anerkannt ist, dass unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen, wenn das Urteil in einem Vorprozess einen Feststellungsanspruch betrifft, wohingegen im Folgeprozess ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird (s. BAG 15.06.2016 – 4 AZR 485/14, Rn. 29; BGH 16.01.2008 – XII ZR 216/05, Rn. 22). Eine Identität der Streitgegenstände zwischen Feststellungsklage und Leistungsklage ist daher abzulehnen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Natur des Eingruppierungsprozesses: Zwar ist im Eingruppierungsprozess das Klageziel von Feststellungsklage und Leistungsklage regelmäßig gleich. Aus diesem Grund wird bei einer Überschneidung der Zeiträume von Zahlungs- und Feststellungsantrag der Feststellungsantrag in aller Regel mangels Feststellungsinteresses als unzulässig angesehen (BAG 29.06.2017 – 6 AZR 785/15, Rn. 14; BAG 18.04.2012 – 4 AZR 426/10, Rn. 20; Hamacher-Nübold, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Auflage 2019, Eingruppierung Rn. 1; Eylert/Kreutzberg-Kowalczyk, NZA-RR 2020, 337, 339). Dennoch ist zu beachten, dass der Leistungsantrag von vornherein durch die Berechnung des bezifferten Antrags auf den der Bezifferung zugrundeliegenden Zeitraum beschränkt ist. Die materielle Bindungswirkung der Eingruppierungsfeststellungsklage reicht demgegenüber über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz hinaus in die Zukunft. Solange das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist und die Tätigkeit des Beschäftigten sowie das tarifliche Entgeltschema unverändert bleiben, kann sich der Beschäftigte in einem etwaigen Folgeprozess auf die zu seinen Gunsten ergangene Feststellung berufen, er sei nach einer bestimmten Entgeltgruppe zu vergüten (Eylert/Kreutzberg-Kowalczyk, NZA-RR 2020, 337, 338). Auch in ihrem Umfang unterscheidet sich die Feststellungsklage von der Leistungsklage: die Feststellungsklage erstreckt sich auf sämtliche Rechte, die dem Arbeitnehmer mit der Vergütungsgruppe zustehen können (Zimmerling, NZA 1989, 418, 419).
c) Zu beachten ist ferner, dass – selbst bei unterstellter Identität der Streitgegenstände von Leistungs- und Feststellungsklage – die entgegenstehende Rechtskraft allenfalls zu einer Unzulässigkeit der Klage bezogen auf den überschneidenden Zeitraum bis 31.12.2014 hätte führen können.
Das Urteil im Vorprozess wies die Klage auf Vergütungsdifferenzen bezogen auf die Entgeltgruppen 12 bzw. 11 bis Ende 2014 ab. Materielle Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO konnte diese Abweisung allenfalls für den Zeitraum bis Ende 2014 entfalten. Da die von der Klägerin im Folgeprozess geltend gemachte Eingruppierungsfeststellungsklage den Zeitraum „ab 01.08.2011“ betrifft, hätte das Arbeitsgericht bei unterstellter Identität der Streitgegenstände mit der von ihm gegebenen Begründung die Klage nur bis einschließlich 31.12.2014 als unzulässig abweisen können. Für den Zeitraum ab 1. Januar 2015 hätte das Arbeitsgericht eine Sachprüfung nicht ablehnen dürfen.
4. Allerdings wird das Arbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Klageabweisung in Bezug auf den Zahlungsantrag im Vorprozess eine materielle Bindungswirkung für das klägerische Eingruppierungsbegehren dergestalt entfaltet, dass dem Gericht eine abweichende Sachentscheidung verwehrt ist.
a) Ist der Streitgegenstand – wie hier – nicht identisch, folgt aus der Rechtskraft zwar nicht die Unzulässigkeit als negative Prozessvoraussetzung des Folgeprozesses. Gleichwohl führt die materielle Rechtskraft (§ 322 Abs.1 ZPO) in Fällen, in denen die im Vorprozess entschiedene Rechtsfolge Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, zu einer materiell wirkenden Bindung des später entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung. Das nachfolgende Gericht ist an einer abweichenden Entscheidung der rechtskräftig entschiedenen (Vor-)Frage gehindert (BGH 17.02.1983 – III ZR 184/81, Rn. 12; Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Auflage 2022, vor § 322 Rn. 17).
b) Für die Frage der materiellen Bindungswirkung wird entscheidend sein, ob das Arbeitsgericht im Vorprozess mit der Abweisung der Zahlungsklage bis Ende 2014 in der Sache Vergütungsansprüche der Klägerin aus Entgeltgruppe 12 bzw. 11 insgesamt oder nur bezogen auf eine konkrete Vergütungsordnung abgewiesen hat.
aa) Zur Beantwortung dieser Frage wird das Arbeitsgericht zu entscheiden haben, wie der Streitgegenstand bei einer Eingruppierungsklage zu bestimmen ist.
Existieren – wie hier – unterschiedliche Vergütungsordnungen mit unterschiedlichen Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im allgemeinen Verwaltungsdienst und (spezieller) für Angestellte in technischen Berufen, die aber nach Überleitung zu der gleichen Entgeltgruppe des TVöD/VKA (hier 12 bzw. 11) führen können, spricht vieles dafür, dass der Streitgegenstand nicht nur durch das Klageziel (die begehrte Entgeltgruppe) und den zugrundeliegenden Sachverhalt (die klägerische Tätigkeit) determiniert wird. Vielmehr kommt im Eingruppierungsprozess den Eingruppierungsmerkmalen der jeweiligen Entgeltordnung eine besondere Bedeutung zu. So hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise eine Eingruppierung in eine Entgeltgruppe aufgrund der Erfüllung der entsprechenden Eingruppierungsmerkmale als einen anderen Streitgegenstand angesehen als die Eingruppierung in dieselbe Entgeltgruppe aufgrund eines Bewährungsaufstiegs (BAG 24.02.2010 – 4 AZR 657/08, Rn. 27 ff.). Und anerkannt ist zudem, dass die gerichtliche Geltendmachung einer bestimmten Entgeltgruppe nur dann auch ohne gesonderten Antrag die Verpflichtung des Gerichts auslöst, die Voraussetzungen einer niedrigeren Entgeltgruppe zu prüfen, wenn – wie etwa bei Aufbaufallgruppen – die Voraussetzungen der niedrigeren Entgeltgruppe vollständig in der höheren Entgeltgruppe enthalten sind. Handelt es sich hingegen bei dem – möglicherweise – begründeten Teil der Klage um etwas anderes, d. h. um ein „aliud“, bedarf es wegen § 308 Abs. 1 ZPO für die Prüfung dieser niedrigeren Entgeltgruppe einer gesonderten prozessualen Geltendmachung und eines entsprechenden Klageantrags (BAG 14.09.2016 – 4 AZR 456/14, Rn. 20; BAG 23.10.2013 – 4 AZR 321/12, Rn. 36). Ob es sich bei dem „geringeren“ Anspruch um ein „Weniger“ oder ein „aliud“ handelt, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren der klagenden Partei ab. Sie bestimmt den Streitgegenstand. Ihr darf vom Gericht nichts zugesprochen werden, was nicht beantragt wurde (BAG 14.09.2016 – 4 AZR 456/14, Rn. 20; BAG 25.02.2009 – 4 AZR 41/08, Rn. 34).
Nichts anderes dürfte gelten, wenn es – wie hier – nicht um eine niedrigere Entgeltgruppe geht, sondern um die gleiche Entgeltgruppe (hier 12 bzw. 11), die – nach Überleitung – durch die Erfüllung unterschiedlicher Tarifmerkmale in unterschiedlichen Vergütungsordnungen erreicht werden kann. Die von der Klägerin begehrte Entgeltgruppe 12 (bzw. 11) kann sie – durch die Überleitung nach TVÜ-VKA – sowohl durch die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a zum BAT-O (allgemeiner Verwaltungsdienst) als auch durch die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrags für technische Angestellte erreichen. Die jeweiligen Tätigkeits- und Heraushebungsmerkmale weichen stark voneinander ab: Während bei der Vergütungsordnung für den allgemeinen Verwaltungsdienst für die von der Klägerin begehrten Entgeltgruppen neben einer Tätigkeit im Büro-, Buchhalterei-, sonstigem Innen- oder im Außendienst die Heraushebungsmerkmale „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ bzw. „besonders verantwortungsvoll“ und „Maß der Verantwortung“ erfüllt sein müssen, setzt der speziellere Tarifvertrag für die Angestellten in technischen Berufen neben der technischen Ausbildung zur Erfüllung der Heraushebungsmerkmale „besondere Leistungen“ bzw. „besondere Schwierigkeit und Bedeutung … oder Spezialaufgaben“ voraus. Es spricht daher einiges dafür, dass es sich bei den Eingruppierungsmerkmalen der verschiedenen Vergütungsordnungen jeweils um ein „aliud“ im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und damit um unterschiedliche Streitgegenstände handelt.
Für dieses Ergebnis spricht auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegungslast des klagenden Arbeitnehmers im Eingruppierungsprozess. Denn allein die genaue Darstellung der übertragenen Aufgaben ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann nicht ausreichend, wenn dieses Vorbringen aufgrund der tariflichen Tätigkeitsmerkmale noch keine Rückschlüsse darauf zulässt, ob und inwieweit der Beschäftigte über die Merkmale einer Ausgangsentgeltgruppe hinaus auch qualifizierende tarifliche Anforderungen der von ihm begehrten höheren Entgeltgruppe erfüllt. Der klagende Beschäftigte hat dann nicht nur seine eigene Tätigkeit im Einzelnen darzustellen. Vielmehr ist darüber hinaus ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsfallgruppe bewerteten “Normaltätigkeit” unterscheidet. Ist danach ein Sachvortrag erforderlich, der einen wertenden Vergleich ermöglicht, hängt der Umfang der im Einzelfall erforderlichen Darlegung von dem konkret in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmal ab (BAG 14.10.2020 – 4 AZR 252/19, Rn. 33, 34; BAG 9.12.2015 – 4 AZR 11/13 Rn. 23 ff.; BAG 16.05.2013 – 4 AZR 445/11, Rn. 14). Auch diese Darlegungslast des klagenden Arbeitnehmers im Eingruppierungsprozess spricht dafür, dass neben dem Klageziel (die Entgeltgruppe) und dem Lebenssachverhalt (Tätigkeit des Arbeitnehmers) im Eingruppierungsprozess auch die konkret beanspruchten Eingruppierungsmerkmale einer Vergütungsordnung Teil des Streitgegenstands sind.
Da die Klägerin im Vorprozess ihren Vergütungsanspruch ausschließlich mit dem Erfüllen der Eingruppierungsmerkmale der Angestellten im allgemeinen Verwaltungsdienst und gerade nicht mit den besonderen Tätigkeitsmerkmalen nach dem Tarifvertrag für technische Angestellte begründet hatte, spricht nach den vorstehenden Überlegungen vieles dafür, dass sie damit auch den Streitgegenstand bestimmt hat. Daraus folgt, dass ohne einen entsprechenden (Hilfs)Antrag ihrerseits das Arbeitsgericht im Vorprozess wegen § 308 ZPO das Vorliegen der Eingruppierungsmerkmale der von der Klägerin nicht angeführten Vergütungsordnung nicht hätte prüfen und ablehnen dürfen. Dass die Klägerin im Vorprozess angekündigt hatte, sie werde – nach entsprechendem Hinweis des Gerichts – einen entsprechenden Vortrag womöglich noch hilfsweise einbringen, stellt keine prozessuale Geltendmachung dar.
bb) Allerdings wird das Arbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass im Vorprozess der klägerische Anspruch auch unter dem Gesichtspunkt des Tarifvertrags für Technische Angestellte geprüft wurde. Das Arbeitsgericht hatte die Differenzzahlungsansprüche für den Zeitraum bis 31.12.2014 verneint, da Sachvortrag der Klägerin zum Erfüllen der Aufbaufallgruppen nach dem Tarifvertrag für Angestellte in technischen Berufen gefehlt habe. Nach der zuvor skizzierten Rechtsauffassung der Kammer dürfte die Abweisung des Zahlungsantrags auch unter diesem Gesichtspunkt gegen § 308 ZPO verstoßen haben. Denn der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch dann, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 24.02.2010 – 4 AZR 657/08, Rn. 28).
Auch ein unter Verstoß gegen § 308 ZPO zustande gekommenes Urteil erwächst jedoch in Rechtskraft (Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Auflage 2022, § 308 Rn. 6, § 322 Rn. 14 mwN). Diese Rechtskraft könnte sich wegen der Reichweite des Zahlungsantrags jedoch allenfalls auf den Zeitraum bis Ende 2014 beziehen.
c) Es spricht daher einiges dafür, dass die Klägerin mit ihrem Eingruppierungsfeststellungsbegehren jedenfalls bezogen auf den Zeitraum ab 01.01.2015 nicht präkludiert ist.
5. Da das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht wegen entgegenstehender Rechtskraft als unzulässig abgewiesen hat, war die Sache nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO auf Antrag der Klägerin an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
a) § 68 ArbGG schließt eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht aus. Zwar bestimmt § 68 ArbGG, dass im Arbeitsgerichtsprozess die Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels unzulässig ist. Der Ausschluss gilt jedoch nur für den Fall des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 7 ZPO ist bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen durch § 68 ArbGG nicht ausgeschlossen (ErfK-Koch, 21. Auflage 2021, § 68 ArbGG Rn. 1; Germelmann-Schleusener, ArbGG, 9. Auflage 2017, § 68 Rn. 10).
b) Die Kammer hat das ihr eingeräumte Ermessen zugunsten einer Zurückverweisung ausgeübt. Der Klägerin wurde durch das Erstgericht und die dort nicht getroffene Sachentscheidung eine Tatsacheninstanz genommen. Auch unter Berücksichtigung des im Arbeitsgerichtsprozess zu beachtenden Beschleunigungsgrundsatzes war ihrem Antrag stattzugeben. Denn in einem Eingruppierungsstreit hat zuvorderst der klagende Arbeitnehmer ein Interesse an einer baldigen Entscheidung über die von ihm begehrten erhöhten Bezüge. Hier hat die Klägerin ihr Interesse an einer materiell-richtigen Entscheidung unter Ausschöpfen des Instanzenzugs über das Interesse an einem möglichst raschen Abschluss des Verfahrens gestellt.
c) § 538 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ebenfalls genüge getan. Durch die Streitlosstellung der Stufenzuordnung ist der nun zur Entscheidung anstehende Feststellungsantrag nach Klageänderung auf Anraten der Kammer (§ 533 ZPO) keinen Zulässigkeitsbedenken mehr ausgesetzt. Ob sich eine etwaige (teilweise) materiellrechtliche Präklusion für den Zeitraum bis 31.12.2014 bereits auf der Zulässigkeitsebene (Feststellungsinteresse) auswirkt oder erst im Rahmen der Begründetheit, wird das Arbeitsgericht zu befinden haben. Ggf. käme auf Seiten der Klägerin in Betracht, den Feststellungsantrag von vornherein auf den Zeitraum ab 1. Januar 2015 zu beschränken.
III. Weil der Rechtsstreit noch nicht beendet ist, war eine Kostenentscheidung nicht zu treffen. Vielmehr hat das Arbeitsgericht auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden (Germelmann-Schleusener, ArbGG, 9. Auflage 2017, § 68 Rn. 28a).
IV. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor. Die zur Aufhebung und Zurückverweisung und damit für die hiesige Entscheidung einzig erhebliche Unterscheidung zwischen identischem Streitgegenstand mit der Folge der Unzulässigkeit und einer auf der Ebene der Begründetheit zu berücksichtigenden materiellrechtlichen Präklusion ist in Literatur und Rechtsprechung geklärt. Die Frage der Bestimmung des Streitgegenstands im Eingruppierungsprozess – mit oder ohne Hinzuziehung der konkreten Tätigkeitsmerkmale – wird sich hingegen erst im fortzusetzenden Rechtsstreit stellen.


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