Arbeitsrecht

endgültiges Nichtbestehen der Bachelorprüfung, Modulprüfung, berufsbezogene Prüfung

Aktenzeichen  W 2 K 20.869

Datum:
21.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29614
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Internationales Immobilienmanagement an der Technischen Hochschule Aschaffenburg vom 31. Juli 2012 in der Fassung der Änderung vom 10. August 2020
BayHSchG Art. 61 Abs. 3
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 2. März 2020 sowie ihres Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 verpflichtet, die Klägerin erneut zur zweiten Wiederholungsprüfung im Modul Statistik zuzulassen. 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 2. März 2020 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. Mai 2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch auf erneute Zulassung zur zweiten Wiederholungsprüfung im Modul Statistik.
Die Regelung des prüfungsrelevanten Stoffes allein im Modulhandbuch, das nicht Teil der Studien- und Prüfungsordnung ist, verstößt gegen den Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und gegen Art. 61 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) in der Fassung vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. April 2021 (GVBl. S. 182).
Bei der streitgegenständlichen Modulprüfung handelt es sich um eine berufsbezogene Prüfung, die in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufswahlfreiheit eingreift und daher den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen muss. Berufsbezogene Prüfungen sollen Aufschluss darüber geben, ob die Prüflinge über diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die einen Erfolg der Berufsausbildung und eine einwandfreie Berufsausübung erwarten lassen. Auf Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt es dem zuständigen Normgeber, den Prüfungszweck in Bezug auf den jeweiligen Beruf zu konkretisieren. Dieser muss darüber entscheiden, welche berufsbezogenen Kenntnisse und Fähigkeiten er für unverzichtbar hält und welche Anforderungen er an ihren Nachweis stellt und dies rechtssatzmäßig festlegen (BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 6 C 46/15 – juris m.w.N.; Niehues/Fi-scher/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 374). Prüfungsbestimmungen in Verwaltungsvorschriften genügen den formellen Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht (BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 6 C 46/15 – juris).
Für Hochschulprüfungen hat die normative Festlegung des Prüfungsstoffes auf Ebene der Prüfungsordnung der Hochschule zu erfolgen, in der gem. Art. 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayHSchG der Zweck der Prüfung, die Gegenstände der Prüfung sowie die Anforderungen in der Prüfung zu regeln sind. Das Bayerische Hochschulgesetz ermächtigt nicht zur Subdelegation, d.h. die Prüfungsordnung muss die Regelungen grundsätzlich selbst treffen und darf sie nicht delegieren (BeckOK HochschulR Bayern/Aulehner, 21. Ed. 1.5.2021, BayHSchG Art. 61 Rn. 87). Eine Verlagerung detaillierterer Vorgaben aus der Prüfungsordnung hinaus in Regelwerke außerhalb der Satzungen, insbesondere in Modulhandbücher und Kursordnungen, die jederzeit und ohne Satzungsänderung abänderbar sind, ist daher nicht zulässig BeckOK HochschulR Bayern/Aulehner, 21. Ed. 1.5.2021, BayHSchG Art. 61 Rn. 91).
Die Anforderungen an die Bestimmtheit der Regelungen über die Prüfungsinhalte steigen mit der Relevanz der Prüfung für den weiteren beruflichen Werdegang des Prüflings. Wenn schon der Misserfolg in einer studienbegleitenden Einzelfachprüfung die Zulassung zu weiteren notwendigen Fachprüfungen oder Abschlussprüfungen versperrt, müssen die normativen Vorgaben bereits für die Einzelfachprüfungen entsprechend intensive Steuerungskraft besitzen, so dass der Prüfungserfolg, nämlich die Eignung des Prüflings für den angestrebten Beruf, daran gemessen werden kann (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 375).
Vorliegend ist in § 4 Abs. 1 Satz 1 SPO-IIM i.V.m. Nr. 1.7. der Übersicht über die Module, Fächer und Leistungsnachweise der theoretischen Studiensemester in der Anlage der SPO-IIM lediglich geregelt, dass im Modul Statistik eine schriftliche Prüfung mit einer Prüfungsdauer von 120 Minuten erfolgt. Eine nähere Konkretisierung des Prüfungsinhalts enthält die Studien- und Prüfungsordnung nicht. Im Hinblick auf die Bedeutung der Modulprüfung für den Bachelorabschluss erfüllt die bloße Angabe „Statistik“ nicht die Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Festlegung des Prüfungsstoffs. Ebenso wenig genügt es, dass die Studienziele und -inhalte des Moduls Statistik ausführlich im Modulhandbuch dargestellt sind, das nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SPO-IMM vom Fakultätsrat beschlossen wird. Da das Modulhandbuch nicht Bestandteil der Prüfungsanordnung ist, nimmt es an deren normativem Charakter nicht teil und kann zu einer Konkretisierung des prüfungsrelevanten Stoffes nicht beitragen (vgl. hierzu VGH Mannheim, U.v. 21.11.2017 – 9 S 1145/16 – juris; BeckOK HochschulR Bayern/Aulehner, 21. Ed. 1.5.2021, BayHSchG Art. 61 Rn. 91). Mithin fehlt es für die streitgegenständliche Modulprüfung an einer hinreichend bestimmten satzungsrechtlichen Festlegung des Prüfungsinhaltes.
Für eine übergangsweise Heranziehung des Modulhandbuchs zur Bestimmung der Prüfungsinhalte nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und Vermeidung noch verfassungsfernerer Zustände (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 6 C 46/15 – juris) besteht vorliegend kein Raum. Die Notwendigkeit einer hinreichend bestimmten normativen Festlegung des Prüfungsstoffs für berufsbezogene Prüfungen ist in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung seit langem anerkannt. Dass Prüfungsbestimmungen in Verwaltungsvorschriften den formellen Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht genügen, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15. März 2017 explizit klargestellt. Der Beklagten stand seitdem bereits ein ausreichend langer Zeitraum für eine Anpassung ihres Hochschulrechts zur Verfügung.
Damit erweist sich die angegriffene Prüfungsentscheidung als rechtswidrig. Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf erneute Prüfungsablegung.
Auf die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler kommt es damit nicht mehr an. Gleiches gilt hinsichtlich der offenbar unterbliebenen Zweitkorrektor und fehlenden Begründung der Bewertung seitens der Prüfer, insbesondere bei Nichtbestehen, sowie die Kennzeichnung der Prüfungsarbeit als „Drittversuch“ durch die Klägerin.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig i.S.d. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Dies ist der Fall, wenn es dem Widerspruchsführer nach seinen persönlichen Verhältnissen und der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts bedient hätte (BVerwG, B.v. 14.1.1999 – 6 B 118/98). Angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage und der hohen Bedeutung der Bachelorprüfung für die Klägerin ist dies hier der Fall. Vom maßgeblichen Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei durfte die Klägerin die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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