Arbeitsrecht

Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  RN 10A DK 19.681

Datum:
29.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14763
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, Art. 50 Abs. 1, Art. 53 Abs. 1, Art. 55
StPO § 170 Abs. 2
BeamtStG § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 34 S. 1, § 47 Abs. 1 S. 1
StGB § 258a Abs. 1

 

Leitsatz

Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solcher Pflichtverstoß regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören, so dass die Entfernung aus dem Dienst Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Einstufung ist, sofern die veruntreuten Beträge die Schwelle der Geringfügigkeit deutlich übersteigen.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt zu der Entscheidung, die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, da sie wegen eines schweren innerdienstlichen Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG.
Gegen die Ordnungsgemäßheit der Disziplinarklage bestehen keine Bedenken. Sie entspricht den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 BayDG und gibt in ausreichender Weise den persönlichen und beruflichen Werdegang der Beklagten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens sowie die für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel in geordneter Darstellung wieder. Mängel der Klageschrift und des behördlichen Disziplinarverfahrens wurden nicht – innerhalb der Frist des Art. 53 Abs. 1 BayDG – geltend gemacht und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.
A.
Das Gericht legt der disziplinarrechtlichen Würdigung die Sachverhalte unter I.1. und I.2. des Klageschriftsatzes zugrunde:
Die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts Landshut vom 25.01.2018 (rechtskräftig seit 08.03.2018) unter dem Aktenzeichen 01 CS 100 3JS14195/17 werden durch das Gericht nach Art. 55 BayDG in Verbindung mit Art. 25 Abs. 2 BayDG der Entscheidung zugrunde gelegt. Die Beklagte hat diese Vorwürfe im Strafverfahren nicht bestritten und gemäß Vorlageschreiben ihres Vorgesetzten EPHK 1* … am 23.12.2016 diesem gegenüber im Beisein von PK 2* … eingestanden. Die Beklagte hat diese Vorwürfe auch weder im Disziplinarverfahren noch im Disziplinarklageverfahren bestritten.
Die Beklagte hat sich damit der Untreue in einem besonders schweren Fall zulasten des Dienstherrn strafbar gemacht, indem sie dienstlich vereinnahmte Verwarnungsgelder in Höhe von 525 EUR für private Zwecke verwendet hat.
Hierdurch hat die Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen ihre Pflichten verstoßen sich stets achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz), ihr Amt uneigennützig zu führen (§ 34 Satz 2 Beamtenstatusgesetz), rechtmäßig zu handeln (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz) sowie dienstliche Anordnungen und allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz).
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie des Ermittlungsberichtes des bayerischen Landeskriminalamts vom 02.05.2017 steht auch der in der Disziplinarklage unter Nummer I. Nr. 2 aufgeführte Sachverhalt für das Gericht fest. Danach hat die Beklagte in einer Vielzahl von Verfahren die Sachbearbeitung schleppend, unvollständig und mangelhaft vorgenommen. Dies führte bei 8 Delikten nach dem Pflichtversicherungsgesetz dazu, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahren wegen Verjährung einstellte und an die Polizei zur Ahndung als Ordnungswidrigkeit zurückgab. In weiteren 21 Verfahren mussten laufende strafrechtliche bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren neuen Sachbearbeitern zugeteilt werden, da die Verfahren durch die Beklagte nicht, zu langsam bzw. fehlerhaft bearbeitet worden sind. Auch dies wurde von der Beklagten im Rahmen des bisherigen Verfahrens nicht bestritten, vielmehr hat sie am 23.12.2016 gegenüber ihrem Dienststellenleiter erklärt, dass es ihr „wahnsinnig leid tun würde, sie aber Stress im Dienst haben würde, vor allem wegen der Wirkung von Toten auf sie, dies habe sie völlig unterschätzt, zudem habe sie auch private Schwierigkeiten, wie die Krebserkrankung ihrer Großmutter sowie die regelmäßige Aushilfe im elterlichen Schreibwarenladen. Deshalb sei sie mit der Sachbearbeitung nicht mehr nachgekommen“.
Ferner hat die Beklagte die vorgehaltenen Sachverhalte in der mündlichen Verhandlung umfassend eingeräumt.
Hiermit hat die Beamtin schuldhaft gegen ihre Verpflichtung verstoßen, sich mit vollen persönlichen Einsatz ihren Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 Beamtenstatusgesetz). Eine strafrechtliche Relevanz, und damit ein Verstoß gegen die Pflicht Gesetze zu beachten, ist zugunsten der Beklagten nicht anzunehmen. Insbesondere war eine Strafbarkeit wegen vollendeter Strafvereitelung durch Unterlassen nach § 258 a Abs. 1 StGB letztlich nicht nachweisbar, da nicht mit hinreichender Sicherheit belegbar war, dass die Verfahren ausschließlich wegen Ablaufs der Verjährungsfrist aufgrund zu langsamer Sachbearbeitung eingestellt worden sind. Gleichwohl verbleibt bei der fehlerhaften Sachbearbeitung ein dienstrechtliche Überhang, unabhängig davon, ob dadurch ein Strafrechtstatbestand verwirklicht worden ist.
Es handelt sich bei den dargestellten Sachverhalten um ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Sowohl bei der fehlerhaften Sachbearbeitung als auch bei der Veruntreuung dienstlich anvertraute Gelder besteht offensichtlich ein innerdienstlichen Bezug.
B.
Die Schwere des Dienstvergehens gebietet die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Sie hat – auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds und ihres bisherigen dienstlichen Verhaltens – darüber hinaus die Folge, dass die Beklagte das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
1. Beamte sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. BVerwG vom 10.12.2015 Az. 2 C 6/14). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (vgl. BVerfG vom 8.12.2004 Az. 2 BvR 52/02). Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 Az. 2 C 12.04). Bei der Ausübung des den Gerichten nach Art. 14 Abs. 1 BayDG eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind, ist jede Schematisierung zu vermeiden.
Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (vgl. z.B. BVerwG vom 10.12.2015 a.a.O.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Dabei bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zur Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
So hat nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Höhe der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen. Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. z.B. BVerfG vom 8.12.2004 a.a.O.). Da die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der in Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung und besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG vom 20.10.2005 a.a.O.).
2. Die gravierendste Pflichtverletzung stellen die innerdienstlich verübten Untreuehandlungen dar. Die Beklagte hat ein schweres Dienstvergehen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG begangen, indem sie ihr dienstlich anvertraute Verwarnungsgelder in Höhe von 525 € veruntreut hat. Durch den Zugriff auf die dienstlich anvertrauten Gelder hat die Beklagte nicht nur beamtenrechtliche Nebenpflichten verletzt, sondern sie hat im Kernbereich der ihr obliegenden Dienstpflichten als Polizeivollzugsbeamte versagt.
Mit dem Kernbereich ist derjenige Pflichtenkreis des Beamten angesprochen, der im Mittelpunkt seines konkreten Amts im funktionellen Sinne (Dienstposten) steht. Zu den Kernpflichten eines mit der Einnahme und Behandlung von Verwarnungsgeldern betrauten Polizeibeamten gehört, dass dieser die ihm dienstlich anvertrauten Gelder ordnungsgemäß verwaltet und abrechnet. Der Dienstherr ist auf die absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit eines solchen Beamten beim Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen. Dies gilt umso mehr, als hier eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Polizeibeamten unmöglich ist. Sie muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden (st. Rspr. vgl. BayVGH, U.v. 25.9.2013 – 16a D 12.1369 – juris Rn. 47; U.v. 24.9.2014 – 16a D 13.118 – juris Rn. 95).
Bei dem Zugriff auf die Verwarnungsgelder zur eigennützigen Verwendung handelt sich um ein Zugriffsdelikt im Sinne der Rechtsprechung der Disziplinargerichte. Ein Zugriffsdelikt im disziplinarrechtlichen Sinne liegt – und zwar unabhängig von seiner strafrechtlichen Einordnung als Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung – dann vor, wenn der Beamte dienstlich anvertraute Gelder oder Güter veruntreut hat. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist entscheidend, dass einem Beamten Gelder oder gleichgestellte Werte dienstlich anvertraut oder dienstlich zugänglich sind, weil maßgeblich für die disziplinarische Bewertung der Vertrauensbruch gegenüber dem Dienstherrn ist. Das ist hier der Fall. Mit der Vereinnahmung des Verwarnungsgelds durch die Beklagte gelangte dieses in dienstlichen Gewahrsam. Im Anschluss daran trat aufgrund des Untreuevorsatzes der Beklagten der Vermögensnachteil beim Kläger ein, dem das Verwarnungsgelder zusteht (BayVGH, U.v. 21.01.2015-16a D13.1904-juris Rn.87, U.v. 28.11.2012 – 16a D 11.958 – juris Rn. 47).
Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solcher Pflichtverstoß regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören, so dass die Entfernung aus dem Dienst Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Einstufung ist, sofern die veruntreuten Beträge die Schwelle der Geringfügigkeit deutlich übersteigen. Ein Zugriff auf dienstliche Gelder in geringer Höhe, die zu einer Milderung führen kann, ist bei Veruntreuung von 525 € zu verneinen. Die Grenze der Geringwertigkeit ist grundsätzlich bei 50,– € anzusetzen (BayVGH, U.v. 28.11.2012 a.a.O. juris Rn. 48).
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (Az. 2 C 6.14 – juris) nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgebe; bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen sei vielmehr ebenfalls die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten. Auch bei einem Dienstvergehen gewährleiste die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Hiervon ausgehend ergibt sich im Fall der Beklagten keine abweichende Beurteilung:
Im Hinblick auf die vom der Beklagten verwirklichte Untreue ist vorliegend grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens möglich und wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens auch geboten.
Gegen die Beklagte wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Landshut vom 25.01.2018 wegen Untreue in einem besonders schweren Fall gemäß § 266 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten verhängt. Der Strafrahmen des § 266 Abs. 1, 2 iVm § 263 Abs. 3 StGB reicht bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier bis zu zehn Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20).
Vorliegend hat die Beklagte den Kernbereich ihrer dienstlichen Pflichten verletzt, als sie dienstlich anvertrautes Geld für persönliche Belange verbrauchte. Die Kammer geht davon aus, dass ein solches Verhalten grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis in unheilbarer Weise zu zerstören. Dienstherr und Allgemeinheit müssen sich im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auf die Ehrlichkeit der mit dienstlichen Geldern oder Gütern betrauten Beamten verlassen können (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28. September 2016 – 16a D 13.2112 -, juris).
Zudem liegt auch kein lediglich einmaliges Fehlverhalten vor, das ein Restvertrauen in die Beklagte begründen könnte, da die Beklagte durch ihre kontinuierlich schleppende, und mangelhafte Sachbearbeitung noch weitere Dienstpflichtverletzungen begangen hat.
3. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die von der früheren Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten entwickelten sog. anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen.
Die in den Blick zu nehmenden Milderungsgründe führen jedoch bei der Beklagten zu keiner anderen Bewertung. Bei der Beklagten wäre allenfalls ins Feld zu führen, dass sie den Schaden wieder beglichen hat. Das Einräumen des Fehlverhaltens und die Wiedergutmachung des Schadens nach Entdeckung der Tat führt jedoch nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme. Ein Absehen von der Höchstmaßnahme käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte durch freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung von ihren Taten abgerückt wäre (vgl. BVerwG vom 28.8.2007 Az. 2 B 26/07, BayVGH, U. v. 25. 9. 2013-16a D 12.1369-juris Rn. 59).
Demgegenüber steht die Schwere der Verletzung einer Kernpflicht aus dem Beamtenverhältnis, die Begehung weiterer Dienstvergehen sowie die Tatsache, dass die Beklagte den Verstoß anfänglich nicht unverzüglich eingestanden hat, sondern erst, als ihre ursprüngliche Version sie „habe das Geld versehentlich mit nach Hause genommen und einstweilen in ihrem privaten Tresor zu Hause eingelagert“ nicht mehr haltbar war, da der Dienststellenleiter in Begleitung von Kollegen dieses Geld unverzüglich abholen lassen wollte. Erschwerend kommt hier hinzu, dass die Beklagte zunächst auch noch versucht hatte, einen Kollegen dazu zu überreden, auf der Fahrt bei einer Bank zu halten, um dort das Geld abzuheben, und den Dienststellenleiter anschließend zu übergeben. Erst als sich der Kollege weigerte dies zu tun, hat die Beklagte dem Dienststellenleiter die Wahrheit offenbart, dass sie das Geld zu privaten Zwecken ausgegeben habe, da sie sich in wirtschaftlichen Engpässen befunden habe.
Insoweit war zunächst keine Offenbarungs-, sondern Verschleierungsabsicht gegeben. Weitere Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Milderungsgrundes bestehen nicht. Auch das von EPHK 1* …, ihrem Dienststellenleiter am 06.08.2018 gezeichnete Persönlichkeitsbild kann insoweit nicht zugunsten der Beklagten gewertet werden. Auch bei normaler Arbeitsbelastung zeigte die Beklagte im täglichen Dienstbetrieb eine stärker fehlerbehaftete Arbeit. Sowohl Arbeitsmenge als auch Arbeitsgebiete seien unterdurchschnittlich gewesen und hätten erhebliche Mängel im Hinblick auf strukturiertes Arbeiten und Zeitmanagement offenbart. Auf diese Menge angesprochen hätte die Beklagte wiederholt tatsächliche Gegebenheiten verschwiegen, bewusst unzutreffende Sachstand Mitteilung abgegeben und angebotene Hilfestellungen abgelehnt.
Auch hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Anforderungen des Polizeivollzugsdienst (insbesondere die Toten) sie so belasten würden, dass sie nicht glaube mit dieser Belastung umgehen zu können, und insoweit eine Ausübung dieser Tätigkeit für sie nichts sei. Insoweit erscheint auch eine positive Prognose hinsichtlich des Verhaltens der Beklagten bei einer weiteren Dienstausübung und entsprechenden Belastungssituationen nicht gesichert. Insoweit scheidet auch der Milderungsgrund einer überwundenen schwierigen Lebensphase aus.
4. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch verhältnismäßig. Sie verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist – wie hier – durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht wegen der damit einhergehenden Härten für den Beklagten unverhältnismäßig. Ein Beamter, der das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn durch sein Verhalten zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis zur Vermeidung sozialer Härten unverändert bei-behalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (vgl. BayVGH vom 24.5.2017 Az. 16a D 15.2267 m.w.N.). Ihm steht im Übrigen für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu.
Die Beklagte erscheint damit im Beamtenverhältnis nicht mehr als tragbar, da sie wegen eines schweren Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Im Disziplinarklageverfahren ist daher in der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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