Arbeitsrecht

Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  16a D 15.2672

Datum:
16.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7189
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 3, Art. 11 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1, § 34 S. 3, § 47 Abs. 1
StGB § 20, § 21
SGB IX § 178 Abs. 2 S. 1
AMG § 95

 

Leitsatz

1. Eine in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten unterbliebene Anhörung der Schwerbehindertenvertretung führt nicht zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Disziplinarmaßnahme, wenn der Beamte es unterlassen hat, den Dienstherrn über seine Schwerbehinderung in Kenntnis zu setzen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bedeutet eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung dieser Ordnung ermöglicht. Für die disziplinarische Ahndung einer Verletzung der Treuepflicht bedarf es einer Äußerung der verfassungsfeindlichen Gesinnung durch eine verfassungsfeindliche Handlung. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, die als beamtenrechtliche Kernpflicht schon wegen ihrer Unteilbarkeit nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt ist, sondern auch das außerdienstliche Verhalten des Beamten betrifft, ist wegen ihrer Dienstbezogenheit stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens wird von dem Gedanken getragen, dass die Beurteilung des Verhaltens eines Beamten und die Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit erfordert, die jedoch notwendig eine einheitliche Betrachtung aller festgestellten Pflichtverletzungen voraussetzt, und zwar gleichgültig, ob sie innerdienstlicher oder außerdienstlicher Natur sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
5. Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetrete. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 13 DK 14.5767 2015-11-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Die unterbliebene Anhörung der Schwerbehindertenvertretung kann nicht beanstandet werden, denn die Schwerbehinderung (§ 2 Abs. 2 SGB IX) des Beklagten wurde erst mit Bescheid des zuständigen Landesversorgungsamtes vom 16. Oktober 2018 – mit Wirksamkeit ab 11. April 2018 – festgestellt, damit mehr als drei Jahre nach Erhebung der Disziplinarklage vom 19. Dezember 2014. Zwar hat der Dienstherr gemäß § 178 SGB IX Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor Erhebung der Disziplinarklage gegen einen schwerbehinderten Beamten die Schwerbehindertenvertretung vor einer Entscheidung zu beteiligen (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Kommentar, Stand August 2018, Art. 35 Rn. 55). Jedoch setzt eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung die konstitutive Feststellung einer Schwerbehinderung zum maßgeblichen Zeitpunkt durch entsprechenden Bescheid voraus und weiter eine Unterrichtung des Dienstherrn hierüber durch den Beamten, in dessen Hand die entsprechende Mitteilung liegts (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 19 BayDG Rn. 32; BVerwG, B.v. 22.8.1990 – 2 B 15.90 – juris zur Entlassung eines Beamten auf Probe, der sich auf die Schwerbehinderung erst im Widerspruchsverfahren beruft). Damit führt eine in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten unterbliebene Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nicht zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme, wenn der Beamte es unterlassen hat, den Dienstherrn über seine Schwerbehinderung in Kenntnis zu setzen (BVerwG, B.v. 7.4.2011 – 2 B 79.10 – juris). Der an den Kläger gerichtete Vorwurf, er habe seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er angesichts der „Offenkundigkeit“ der Schwerbehinderung infolge der Autismus-Erkrankung nicht umgehend eine amtsärztliche Untersuchung in die Wege geleitet habe, die zu einer früheren Feststellung der Schwerbehinderung führen hätte können, trifft nicht zu.
II.
Die vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalte, die die Grundlage für die beiden dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegten Anschuldigungspunkte bilden, stehen zur Überzeugung des Senats fest.
1. Der Beklagte hat im Zeitraum der Jahre 2004 bis 2011 eine nationalsozialistisch geprägte Grundeinstellung gepflegt und erkennbar kundgetan, die mit seinem Diensteid auf das Grundgesetz und den Anforderungen an die Eignung für ein öffentliches Amt unvereinbar ist. Er hat sich insbesondere in erheblichem Umfang elektronische Dateien mit rechtsradikalem Inhalt verschafft, weiter entsprechende Bücher und Filme sowie Propagandamaterial aus der Zeit des Nationalsozialismus (und danach) gesammelt (vgl. i. Einzelnen: Disziplinarklage v. 19. 12.2014, 2. a, b). Spätestens ab 2004 und mindestens bis März 2011 hatte er privaten Umgang mit Mitgliedern der vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsradikal eingestuften Augsburger Kameradschaft „Nationales Augsburg“ (vgl. hierzu Verfassungsschutzbericht Bayern 2014, S. 134), mit denen er sich auf verschiedenen Fotografien bei privaten Anlässen u.a. beim Zeigen des Hitlergrußes und vor dem Hintergrund der Reichskriegsflagge präsentierte (Bl. 266 – 294 d. polizeilichen Ermittlungsakte). Allerdings weist er die ihm deswegen vorgeworfene Nähe zu und Identifizierung mit rechtsradikalem Gedankengut von sich. Dem schenkt der Senat keinen Glauben.
Auf eine rechtsradikale Einstellung weist bereits die zum Teil seit Jugendzeit bestehende und über gemeinsame sportliche Aktivitäten vertiefte Bekanntschaft mit Mitgliedern (P.K., M.K., C.E. und A.T.) der Kameradschaft „Nationales Augsburg“ hin, die der Beklagte auch nicht abstreitet; deren Geburtstage waren auf einer elektronischen „Geburtstagsliste“ (Bl. 139 d. polizeilichen Ermittlungsakte) auf seinem PC abgespeichert, mit ihnen bestanden nachgewiesene Kontakte über E-Mail, es gab gemeinsame private Geburtstagsfeiern und Urlaubsreisen. P.K. war außerdem Trauzeuge des Beklagten (Bl. 77 der polizeilichen Ermittlungsakte). Auch wenn der Beklagte nicht Mitglied der Kameradschaft war und angegeben hat, „lediglich mit der Privatperson K. befreundet“ gewesen und von ihm zu zwei Geburtstagsfeiern eingeladen worden zu sein, kann ihn dies schon angesichts der dort gefertigten Fotografien mit nationalsozialistischen Devotionalien und des mehrfach von verschiedenen Personen, darunter dem Beklagten, gezeigten Hitlergrußes nicht entlasten; dies gilt auch vor dem Hintergrund der geltend gemachten, mit der Feier einhergehenden Alkoholisierung der Beteiligten.
Entscheidend für die Annahme einer rechtsradikalen Gesinnung sprechen die kriminalpolizeilich nachgewiesene „beispiellos umfangreiche Sammlung an politisch rechtsgerichteten Unterlagen, Bildern, Publikationen, Musik und Propagandafilmen“ sowie die Inhalte der ausgewerteten Dateien auf den sichergestellten Festplatten (Blatt 78 d. polizeilichen Ermittlungsakte). Die vorgebrachte Verteidigung, er habe die im Jahre 2007 heruntergeladenen und gespeicherten Dateien ausschließlich für seine im Rahmen der Ausbildung erforderliche Facharbeit benötigt, hält der Senat für eine Schutzbehauptung. Schon das Thema der Facharbeit – „Polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Wiese-Prozess“ – und erst recht ihre neunseitige Ausarbeitung vermögen die sichergestellte Sammlung von nationalsozialistischem Propagandamaterial im vorliegenden Umfang nicht zu rechtfertigen. Unabhängig von der fehlenden strafrechtlichen Relevanz des Besitzes der Dateien mit rechtsradikalem Inhalt und dem Umstand, dass eine förmliche „Löschungsanordnung“ durch die für die Ausbildung verantwortliche Stelle nicht erfolgt ist, hat sich der zuständige Ausbilder im Laufe der Ermittlungen dahingehend geäußert, dass spätestens nach der Bewertung der Facharbeit für eine weitere Aufbewahrung keine Notwendigkeit mehr bestanden habe. Nach all dem hält der Senat nach eigener Überzeugungsbildung (Art. 3 BayDG i.V.m. § 108 Abs. 1 VwGO) den in der Disziplinarklage vom 19. Dezember 2014 unter I.2. a, b ermittelten Sachverhalt, aus dem sich die Nähe des Beklagten zu rechtsradikalem Gedankengut ergibt, für zutreffend und macht sich insoweit die Ausführungen im angefochtenen Urteil (UA S. 6 bis 8) zu eigen.
2. Weiter steht für den Senat vor dem Hintergrund der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Aichach vom 10. Mai 2012 (S. 3, II.) fest, dass der Beklagte vorsätzlich unerlaubt Arzneimittel – insbesondere Anabolika – in nicht geringer Menge besessen hat, die zum schnelleren Muskelaufbau im Fitness- und Kraftsportbereich und damit zu Dopingzwecken im Sport geeignet und bestimmt waren. Dem Beklagten, der über einen Fitnessraum im eigenen Haus verfügte, konnte nachgewiesen werden, dass er Arzneimittel eingenommen hatte, deren Wirkstoffmengen an Dopingstoffen die nicht geringe Menge um das 13-fache überstieg (Strafurteil S. 5, 6, III.). Diese tatsächlichen, nicht offenkundig unrichtigen Feststellungen sind für den Senat gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 55 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG bindend. Im Übrigen hat der Beklagte den zur Verurteilung führenden unerlaubten Besitz von Arzneimitteln im Sinne des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit der Anlage zur Dopingmittelmengenverordnung zumindest im Hinblick auf den objektiven Straftatbestand eingeräumt (Strafurteil S. 7, V.).
III.
Der Beklagte hat durch das festgestellte Fehlverhalten (II.1.) gegen seine Grundpflicht verstoßen, sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinn des Grundgesetzes zu bekennen und für ihre Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; 1.). Weiter hat er durch die Verwirklichung des der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts (II.2.) dem Gebot der Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. dem Arzneimittelgesetz) zuwider gehandelt. Durch jedes der beiden festgestellten Fehlverhalten hat er außerdem gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
1. Das unter II. 1. dargestellte Verhalten des Beklagten ist mit der in Art. 33 Abs. 5 GG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerten, jedem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht nicht vereinbar. Sie stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar und erfasst deshalb das gesamte Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb seines Dienstes (Zängl, a.a.O. MatR/II Rn. 106 m.w.N.). § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten muss. Damit einher geht nicht nur das Verbot einer gegen die Verfassung gerichteten Verhaltensweise, sondern eine Pflicht zum aktiven Handeln. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung der demokratischen Grundordnung ermöglicht. Es muss zumindest erwartet werden, dass sich ein Beamter eindeutig von allen Bestrebungen distanziert, die den Staat und seine freiheitlich-demokratische Grundordnung angreift und diffamiert (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 14 – 17; Zängl, a.a.O. MatR/II Rn. 102 m.w.N.). Allerdings können Disziplinarmaßnahmen in einem bestehenden Beamtenverhältnis nur dann ergriffen werden, wenn ein konkretes Dienstvergehen vorliegt. Hierfür reicht allein die „mangelnde Gewähr“ für ein jederzeitiges Eintreten des Beamten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aus; erforderlich ist der Nachweis einer Verletzung dieser Dienstpflicht (BVerwG, U.v. 17.11.2017 a.a.O. Rn. 20 f.). Das bloße Haben einer Überzeugung oder die bloße Mitteilung, man habe eine solche, ist für die Annahme einer Verletzung der Treuepflicht grundsätzlich nicht ausreichend; vielmehr bedarf es einer Äußerung der verfassungsfeindlichen Gesinnung durch eine verfassungsfeindliche Handlung (Zängl, a.a.O., Rn. 108). Das Bundesverwaltungsgericht hat etwa eine derartige Äußerung in der „plakativen Kundgabe“ durch das Tragen einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt gesehen; unter bestimmten Umständen soll dies selbst dann gelten, wenn sich die Tätowierung im nicht sichtbaren Bereich des Körpers befindet, denn ein Verstoß gegen die Treuepflicht des Beamten erfordert nicht, dass das Dienstvergehen in der Öffentlichkeit tatsächlich bekannt geworden und hierüber berichtet worden ist (BVerwG, U.v. 17.11.2017 a.a.O. Rn. 24 f.).
Gemessen hieran belegen das in den Jahren 2006 bis 2010 fotografisch festgehaltene Verhalten sowie die Äußerung des Beklagten in einer E-Mail vom 26. November 2010 (zur Judäisierung im Musical „Tanz der Vampire“) verschiedene Kundgaben seiner verfassungsfeindlichen Einstellung nach außen hin, die über das bloße „Besitzen“ einer Meinung und auch über eine alltägliche Meinungsäußerung hinausgeht. Der Beklagte hat damit auch vor dem Hintergrund zahlreicher und langjähriger Kontakte zu Mitgliedern der rechten Szene in Augsburg seine innere Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ausdruck gebracht. Auch wenn die kundgetanen – nationalsozialistisch und antisemitisch geprägten – Äußerungen und fotografisch dokumentierten Posen (Hitlergruß, mit Steinen gelegtes Hakenkreuz, Reichskriegsflaggen) nur einem ihm bekannten, ideologisch gleichgesinnten Empfängerkreis zugänglich sein sollten und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, ändert dies nichts daran, dass damit die Kundgabe einer politischen Überzeugung verbunden war. Denn auch wenn sich der Beklagte nur im Kreise Gleichgesinnter verfassungsfeindlich betätigt und seine Überzeugung nur „intern“ gezeigt hat, sieht der Senat darin eine „Betätigung seiner politischen Auffassung“ im Sinne einer „gelebten Identifizierung“ (BVerwG, U.v. 17.11.2017 a.a.O. juris Rn. 29 für Tätowierungen). Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht des Beamten setzt wie dargestellt nicht die Öffentlichkeit einer verfassungsfeindlichen Betätigung voraus; im Übrigen wurden die verschiedenen Arten der Kundgabe der verfassungsfeindlichen Einstellung des Beklagten 2011, wenn auch gegen seinen Willen, als Folge der Hausdurchsuchung doch öffentlich bekannt. Nach all dem sieht der Senat einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Kernpflicht zur Verfassungstreue (mindestens) für den Zeitraum 2006 bis März 2011 als erwiesen an. Dieser Pflichtenverstoß ist innerdienstlicher Art.
Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, die als beamtenrechtliche Kernpflicht (etwa BVerwG, U.v. 12.3.1986 – 1 D 103.84 – juris Rn. 47) schon wegen ihrer Unteilbarkeit nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt ist, sondern auch das außerdienstliche Verhalten des Beamten betrifft, ist also wegen ihrer Dienstbezogenheit stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten. Demnach spielt keine Rolle, ob die pflichtwidrige Handlung am Dienstort und während der Dienstzeit oder – wie im vorliegenden Fall – außerhalb geschehen ist; die besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen müssen nicht vorliegen (etwa BVerwG, U.v. 29.10.1981 – 1 D 50.80 – juris Rn. 56).
2. Dazu kommt als (außerdienstliche) Pflichtverletzung, durch die der Beklagte sowohl gegen die ihm nach § 34 Satz 3 BeamtStG obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten als auch das Gebot der Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) verstoßen hat, der unerlaubte Besitz von Medikamenten zum schnelleren Muskelaufbau, insbesondere von Anabolika (s. dazu II. 2.). Der Senat macht sich auch insoweit die Gründe (UA, S. 9,10, III. 1) des erstinstanzlichen Urteils zu eigen. Das der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegende Verhalten des Beklagten außerhalb seines Dienstes erfüllt die qualifizierenden Merkmale des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Nach dieser Vorschrift ist das strafrechtlich geahndete, außerdienstliche Verhalten des Beklagten (hier: unerlaubter Besitz einer nicht geringen Menge an Medikamenten zu Dopingzwecken) nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2019, Bd. 2, § 47 BeamtStG Rn. 66 bis 74).
Die dargestellten Kriterien erfüllt der strafrechtlich geahndete Besitz von Dopingmitteln. Dieses außerdienstliche Verhalten ist geeignet, sich unmittelbar und in erheblicher Weise auf das Vertrauen des Dienstherrn sowie der Öffentlichkeit in die Dienstausübung des Beklagten als Polizeibeamten auszuwirken. Begeht ein Beamter, dessen Aufgabe gerade auch in der Verfolgung von Straftaten besteht, selber Straftaten, ist damit nicht nur seine persönliche Autorität beeinträchtigt, sondern es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die Polizei als Institution ihre Glaubwürdigkeit einbüßen kann. Dies gilt umso mehr, wenn die Straftat bereits Gegenstand öffentlicher Berichterstattung und Diskussion war und ist.
3. Mit seinem Verhalten hat der Beklagte ein schweres Dienstvergehen im Sinn von § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG verwirklicht. Der inner- und der außerdienstliche Pflichtenverstoß sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens gleichzeitig verfolgt worden und führen zu einer Ahndung durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme (BVerwG, B.v. 6.6.2013 – 2 B 50.12 – juris Rn. 14). Der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens wird von dem Gedanken getragen, dass die Beurteilung des Verhaltens eines Beamten und die Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit erfordert, die jedoch notwendig eine einheitliche Betrachtung aller festgestellten Pflichtverletzungen voraussetzt, und zwar gleichgültig, ob sie innerdienstlicher oder außerdienstlicher Natur sind (Zängl, a.a.O. MatR/I Rn. 8 und Rn. 63 f. m.w.N.). Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ergibt sich hier nicht, da kein Maßnahmeverbot nach Art. 15 Abs. 2, Art. 16 BayDG einschlägig ist, das andernfalls unterlaufen werden könnte.
Die Verletzung der politischen Treuepflicht als Kernpflicht trifft mit dem strafrechtlich geahndeten Verstoß des Beklagten gegen das Arzneimittelgesetz als außerdienstliche Verfehlung zusammen, mit der sie das hier zur disziplinarrechtlichen Beurteilung anstehende Dienstvergehen bildet. Beide Verfehlungen stehen in einem „inneren Zusammenhang“ (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 8.9.2004 – 1 D 18.03 – juris Rn. 42 – 44; U.v. 25.08.2009 – 1 D 1.08 – juris Rn. 61; Müller, Beamtendisziplinarrecht, 1. Aufl. 2010, Rn. 133 f.). Eine zeitliche und sachliche Verklammerung ergibt sich hier daraus, dass der unerlaubte Besitz von Medikamenten zum schnelleren Muskelaufbau und die Einnahme dieser Mittel (auch) der Selbstdarstellung des Beklagten in rechtsradikalen Kreisen diente (vgl. Bl. 278 – 280 Auszüge aus der Ermittlungsakte Teil 3). Es ist demnach keine Zufälligkeit, dass die andauernde Verletzung der politischen Treuepflicht durch den Beklagten im Zuge einer Hausdurchsuchung offenbar wurde, deren Durchführung im Zusammenhang mit dem gegen ihn eröffneten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz stand; dieser Verdacht wiederum ergab sich aus einer Telefonüberwachung des der Kameradschaft „Nationales Augsburg“ nahestehenden C.E., dem der Beklagte am 27. Juli 2010 telefonisch die Weitergabe in seinem Besitz befindlicher Dopingmittel angeboten hatte (TKÜ-Protokoll v. 27.7.2010, Bl. 34 f. strafrechtliche Ermittlungsakte).
4. Der Senat geht im vorliegenden Fall davon aus, dass beide Pflichtverletzungen dem Beklagten vorwerfbar sind. Er war trotz einer offenbar seit frühester Kindheit bestehenden, erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Entwicklungsstörung (Asperger-Syndrom), die im Oktober 2018 zur Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 v.H. geführt hat, fähig, die Pflichtwidrigkeit seiner Handlungen einzusehen (vgl. Zängl, a.a.O., MatR/II Rn. 115, 116). Soweit die politische Treuepflicht des Beklagten betroffen ist, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu, dass nach allgemeiner Kenntnis eine nationalsozialistisch geprägte Ideologie und ihre Kundgabe der Pflicht zur Verfassungstreue diametral widersprechen; dies war auch dem Beklagten bewusst. Im Übrigen hatte er am 20. März 2003 eine Erklärung über seine Verfassungstreue (Bl. 18 der Personalakte) unterzeichnet, in der er ausdrücklich über seine Verpflichtung nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG belehrt und darauf hingewiesen worden war, dass bei Verstößen mit einer Entfernung aus dem Dienst zu rechnen sei. Im Übrigen dürfte die Berufung auf eine „erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit“ (§ 21 i.V.m. § 20 StGB) im Hinblick auf das Erfordernis der Verfassungstreue von vornherein ins Leere gehen, denn der Begriff der Verfassungstreue setzt eine dauerhaft bestehende Einstellung voraus, die per se keinen Ansatzpunkt für die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB („wegen einer krankhaften seelischen Störung“) bieten kann. Ob für seine schon in jungen Jahren begonnene Hinwendung zu rechtsradikalen Kreisen und die damit verbundene Übernahme des Gedankenguts und entsprechender Verhaltensweisen die mit seiner Erkrankung – nach eigenen Angaben – verbundene Beeinträchtigung der sozialen Kommunikation oder sonstige persönliche und gesellschaftliche Umstände maßgeblich verantwortlich waren, ist daher unerheblich.
Soweit es die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Arzneimitteln anbelangt, bestehen auch für diese Straftat keine Zweifel an einer vorsätzlichen und schuldhaften Begehung durch den Beklagten. Im Strafverfahren hatte er sich in erster Linie damit verteidigt, die Medikamente zur Bekämpfung vielfältiger Schmerzzustände zu benötigen und nicht zum Zwecke eines zielgerichteten Muskelaufbaus einzunehmen, ohne sich auf das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zu berufen.
IV.
Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Unter diesen Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 11 BayDG – auch unter Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbilds und seiner bisherigen Diensterfüllung – zu Recht auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme erkannt. Der Senat folgt hinsichtlich der Zumessungskriterien des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG (U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540, Rn. 61; U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.1992 – jeweils in juris).
1. Das maßgebliche Kriterium dafür, welche Disziplinarmaßnahme in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu verhängen ist, bildet die Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 11 BayDG). Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -; U.v. 24.5.2007 – 2 C 28.06 – jew. juris.) Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst im Einzelfall bemessungsrelevante Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastender und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zu seinem Verschulden stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2014 – 2 B 37.12 – juris Rn. 18).
Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich dabei zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16; B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11 – juris Rn. 9 m.w. N.). Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges Verhalten vor, bei und nach der „Tatbegehung“. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es – etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation – davon abweicht (BVerwG, U.v. 29.5.2008 a.a.O. Rn. 14). Der Gesichtspunkt „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, den Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und die konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U.v. 29.5.2008, a.a.O. Rn. 15). Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 14.991 – juris Rn. 53).
2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergibt sich im vorliegenden Fall, dass zwar die strafrechtlich geahndete Verfehlung des Beklagten für sich allein nicht zu einer Entfernung aus dem Dienst führen würde; allerdings erfordert die festgestellte Verfassungsuntreue die Verhängung der Höchstmaßnahme (2.1). Es liegen keine Milderungsgründe vor, die ein Absehen von der Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen könnten (2.2). Sie ist nicht unverhältnismäßig (2.3).
2.1 Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene außerdienstliche Straftat hervorgerufen worden ist, wird im Hinblick auf die grundsätzliche Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückgegriffen (stRspr BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 15), um zu gewährleisten, dass sich hieran der Umfang des Vertrauensverlustes mit dem Ziel einer nachvollziehbaren und gleichmäßigen disziplinarischen Ahndung der Dienstvergehen orientiert. Das Strafgericht hat den Beklagten wegen eines Verstoßes nach § 95 AMG in Verbindung mit der Dopingmittelverordnung verurteilt, wobei der Strafrahmen die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zulässt. Damit ist im Hinblick auf die vom Beklagten verwirklichte Straftat grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens möglich, also bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Allerdings erfordert die Bestimmung der Schwere der (außerdienstlichen) Verfehlung im Einzelfall weiter, auf einer zweiten Stufe den konkreten Strafausspruch zu betrachten, denn in ihm kommt auch die Schwere und Vorwerfbarkeit der Verletzungshandlung zum Ausdruck, die ebenso für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist (BVerwG, U.v.10.12.2015 a.a.O. Rn. 18; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris).
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die lediglich mit einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen geahndete Straftat des unerlaubten Besitzes von Arzneimitteln keine derart schwerwiegende Rechtsverletzung darstellt, dass jedenfalls ohne das Hinzutreten besonderer Tatumstände die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ergriffen werden könnte. Der Senat sieht sich in dieser Auffassung durch die vorliegende disziplinarrechtliche Rechtsprechung zum unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken bestätigt (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1998 – 1 D 111.97 – juris: Gehaltskürzung nach Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen, unter Hinweis darauf, dass die Einnahme von Anabolika weit verbreitet sei und in freier Verantwortung des Einzelnen liege; VGH BW, U.v. 5.2.2004 – DL 17 S 11/03 – juris: Zurückstufung eines Polizeibeamten wegen unerlaubten Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten).
Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist jedoch allein schon im Hinblick auf den Vorwurf der festgestellten Verfassungsuntreue gerechtfertigt. Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (§ 33 Satz 3 BeamtStG) gehört zu den zentralen beamtenrechtlichen Grundpflichten und ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in den demokratischen Rechtsstaat von den für ihn tätigen Beamten, gerade auch von Polizeibeamten besonders zu beachten. Schon der bloße Anschein der Identifikation mit den Zielen des Nationalsozialismus ist zu vermeiden; ein Sympathisieren mit diesen Zielen ist als besonders schwerwiegende Dienstpflichtverletzung anzusehen (BVerwG, B.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – juris Rn. 36; OVG BB, U.v. 1.4.2014 – OVG 81 D 2.12 – juris Rn. 33). Zwar darf nicht übersehen werden, dass der Beklagte inner- oder außerhalb des Dienstes nicht mit nach außen gerichteten Handlungen, die eine Nähe zu nationalsozialistischen Gedankengut aufweisen, aufgefallen ist. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass er sich insbesondere infolge des privaten Umgangs mit Mitgliedern der Kameradschaft „Nationales Augsburg“ – zum Teil auch im öffentlichen Raum etwa auf Campingplätzen und in der Natur – deren rechtsextremen Bekundungen beigewohnt, sie teilweise unterstützt und sich jedenfalls nicht hiervon distanziert hat, obwohl ihn seine politische Treuepflicht dazu hätte veranlassen müssen (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 17; allg. zur politischen Treuepflicht: Zängl, a.a.O., MatR/II Rn. 102 ff., 112 – 114).
Die demnach bestehende Erforderlichkeit, den Beklagten wegen des langjährigen Verstoßes gegen die politische Treuepflicht aus dem Dienst zu entfernen, wird durch die Pflichtverletzung, die sich in der strafrechtlichen Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Medikamenten in nicht geringer Menge dokumentiert hat, verstärkt. Damit hat der Beklagte gezeigt, dass er sich auch im außerdienstlichen Verhalten nicht jederzeit an die Anforderungen hält, die gerade von ihm als für Recht und Gesetz zuständiger „verlängerter Arm des Staats“ erwartet werden. Beide Pflichtverletzungen haben zudem infolge der ausführlichen Presseberichterstattung zu einer massiven Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums im allgemeinen und insbesondere der Polizei in der Öffentlichkeit geführt; dabei entlastet es den Beklagten nicht, dass er hierfür lediglich mittelbar verantwortlich ist.
2.2 Anerkannte oder in ihrem Gewicht vergleichbare Milderungsgründe, die im Ergebnis zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen würden, vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen.
Zwar ist zu Gunsten des Beklagten festzustellen, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist und seine Tätigkeit als Polizeibeamter ohne Beanstandungen ausgeübt hat. Seinen Verfehlungen liegt demgegenüber aber kein einmaliges, persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen zu Grunde (vgl. zu diesem für die Zugriffsdelikte entwickelten Milderungsgrund BVerwG, U.v. 26.02.1997 – 1 D 16.96 – juris; VGH BW U.v. 4.11.2008 – DL 16 S 616/08 – juris Rn. 39). Die Bejahung dieses Milderungsgrunds setzt voraus, dass der Beamte ohne hinreichende Überlegung, also quasi spontan oder kurzschlussartig gehandelt hat (BayVGH, U.v. 5.3.2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon kann bei den beiden maßgeblichen Komplexen nicht gesprochen werden. Die Sammlung der rechtsradikalen Dateien und sonstigen sichergestellten Gegenstände sowie die bereits dargestellten, fotografisch dokumentierten Betätigungen im rechtsradikalen Umfeld entsprechen nach Überzeugung des Senats einer über einen längeren Zeitraum hin aufgebauten und gepflegten ideologischen Einstellung. Die Annahme eines spontanen Augenblicksversagens erscheint abwegig, selbst wenn man zugunsten des Beklagten eine gewisse alkoholbedingte Enthemmung und Gruppendynamik etwa beim Zeigen des Hitlergrußes annehmen will. Auch im Hinblick auf den unerlaubten Besitz erheblicher Mengen von Medikamenten kann der Sache nach ein Augenblicksversagen nicht angenommen werden.
Mildernd kann sich zu Gunsten des Beklagten seine wohl von frühester Kindheit an durch eine Autismus-Spektrum-Störung beeinträchtigte Gesundheit auswirken, die den Charakter einer „angeborenen Behinderung“ trägt und die Grundlage für die 2018 erfolgte Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 v.H. war. Allerdings führte die Erkrankung nach den bereits dargestellten Ausführungen (III. 4.) nicht dazu, dass die Pflichtverletzungen als im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) begangen anzusehen sind; die entsprechenden schriftsätzlichen Ausführungen hat die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen. Es ist anerkannt, dass die von § 21 StGB geforderte Erheblichkeit der Verminderung der Fähigkeit, das „Tatunrecht“ einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, im Disziplinarrecht von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt (BVerwG, U.v. 29. 5. 2008 – 2 C 59.07 – juris). Gerade bei der Verletzung von leicht einsehbaren innerdienstlichen Kernpflichten (wie etwa der Pflicht zur Verfassungstreue) muss von einem Beamten im Hinblick auf die Bedeutung dieser Pflicht für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis erwartet werden, dass er trotz verminderter Schuldfähigkeit noch genügend Widerstandskraft gegen eine Verletzung dieser Pflicht aufbringt; daher liegt in solchen Fällen die Erheblichkeitsschwelle höher als bei anderen Pflichtverletzungen (NdsOVG, U.v. 22.3.2016 – 3 LD 1/14 – juris Rn. 100). Im Fall des Beklagten sieht der Senat seine krankheitsbedingten Einschränkungen in der sozialen Kommunikation und Interaktion, außerdem sein Gefühl, den Anforderungen des Lebens nicht gerecht zu werden, sowie das Auftreten bestimmter sprachlicher Eigenarten nicht als Ursachen dafür an, dass die Einsicht in die Konsequenzen seiner Hinwendung zu rechtsradikalen Kreisen und zur nationalsozialistischen Ideologie erheblich vermindert gewesen wäre. Auch wenn seine Orientierung an verfassungsfeindlichem Gedankengut durch die genannten persönlichen Umstände erleichtert worden sein mag, ist sie nicht das Ergebnis einer vom Beklagten behaupteten „Zwangshandlung“ im Sinn einer quasi „unvermeidbaren Entwicklung“.
Der Beklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt während des Disziplinar- oder des sich anschließenden Klageverfahrens auch nur im Ansatz von dem ihm vorgeworfenen Verhalten und der zugrundeliegenden Ideologie glaubhaft distanziert, womit ein Milderungsgrund hätte einhergehen können. Er behauptet lediglich nach wie vor, keiner rechtsradikalen Gesinnung anzuhängen oder angehangen zu haben, sondern „staatsbejahend“ eingestellt zu sein. Seine Versuche, die Menge und den verfassungsfeindlichen Inhalt der aufgefundenen Dateien und Schriftstücke mit Hinweis auf „Erbstücke von den Großeltern“ zu erklären, ihren Besitz weiter mit der anzufertigenden Facharbeit zu begründen und sich auf das Fehlen einer Anordnung zu berufen, die entsprechenden Dateien nach Abgabe der Facharbeit zu löschen, erscheinen in ihrer Gesamtheit als Bagatellisierung der tatsächlichen Verhältnisse. Diesem Vortrag kommt daher eher maßnahmeverschärfender Charakter zu. Auch der Umstand, dass der Beklagte durch den hier streitgegenständlichen Sachverhalt keine strafrechtlichen Tatbestände erfüllt hat, kann sich nicht zu seinen Gunsten als Milderungsgrund auszuwirken, denn er ist insoweit nur dem selbstverständlichen Gebot der Achtung der Gesetze gerecht geworden.
Ebenso wenig vermag der im Zusammenhang mit der dargestellten Erkrankung gegen den Dienstherrn erhobene Vorwurf der Fürsorgepflichtverletzung einen Milderungsgrund darzustellen. Denn der Beklagte, der bis zur Aufdeckung seiner Pflichtverletzungen im März 2011 keine erheblichen krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten aufwies, hatte noch im Rahmen der Verbeamtung auf Lebenszeit (Erklärung vom 1. März 2010) angegeben, keine gesundheitlichen Probleme – gefragt war ausdrücklich auch nach psychischen Beschwerden und Erkrankungen – zu haben, so dass aus Sicht des Dienstherrn kein Anlass für die von ihm später erfolglos verlangte Einschaltung des ZPD der Polizei bestand. Seine besondere gesundheitliche Problematik war auch im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Amtsgericht Aichach nicht thematisiert worden. Offenbar erstmals nach einer stationären Behandlung im Mai 2012 hat der Beklagte den Dienststellenleiter in einer Aussprache um Hilfestellung unter Einschaltung des ZPD gebeten. Zu diesem Zeitpunkt (Mai 2011) war jedoch das Disziplinarverfahren bereits eingeleitet und die Aufdeckung der Dienstpflichtverletzungen lag mehr als ein Jahr zurück; daher kann die behauptete Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Kläger nicht mehr in einem wie auch immer zu definierenden Zusammenhang mit den zuvor begangenen Dienstpflichtverletzungen stehen.
Soweit der Beklagte einen Milderungsgrund darin erkennen will, dass er unmittelbar nach Aufdeckung der Straftat und in Zusammenhang mit der Feststellung seiner Verfassungsuntreue durch die Staatsanwaltschaft einerseits und den Staatsschutz andererseits unter erheblichen psychischen Druck gesetzt wurde, liegen auch hierin keine mildernden Umstände. Zwar kann dem Beklagten geglaubt werden, dass die Staatsanwaltschaft ein erhebliches Interesse an einer umfassenden Aufklärung der Gerüchte über Anabolikamissbrauch in den Reihen der bayerischen Polizisten besaß und sich mögliche Kenntnisse des Beklagten in diesem Zusammenhang zunutze machen wollte, dieser jedoch aufgrund eines „großen Zusammengehörigkeitsgefühls“ nicht bereit war, bei der Aufdeckung der Hintergründe mitzuwirken. Ob es wegen dieser Haltung tatsächlich zu einer „besonders harten Verurteilung“ durch das Amtsgericht Aichach gekommen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls hätte es der Beklagte ohne falsch verstandene Solidarität in der Hand gehabt, durch eine umfassende Aussage mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren und sich damit Milderungsgründe im Straf- und Disziplinarverfahren zu verschaffen. Entsprechendes gilt auch für die Weigerung, sich als „verdeckter Ermittler“ für die Behörden des Staatsschutzes in der rechtsradikalen Szene Augsburgs zu betätigen. In diesem Zusammenhang verkennt der Senat nicht, dass der Beklagte selbstverständlich keinesfalls zur „Mitarbeit“ bei der Staatsanwaltschaft oder dem Staatsschutz in welcher Form auch immer verpflichtet war, sondern seine guten Gründe für eine Ablehnung der Kooperation besessen haben mag. Andererseits kann er aber weder wegen des auf ihn ausgeübten Drucks noch im Hinblick auf seine Weigerung Milderungsgründe im Rahmen der disziplinarrechtlichen Beurteilung in Anspruch nehmen.
Schließlich vermag der Senat auch darin keinen Milderungsgrund zu erkennen, dass er nach Aufdeckung der Vorwürfe im Frühjahr 2011 – auch infolge der damit verbundenen Berichterstattung in der Presse – erheblichen persönlichen Belastungen mit der Folge der Scheidung seiner Ehe ausgesetzt war und er „seine gesamte Existenz einschließlich aller sozialen Kontakte verloren“ hat. Diese erheblichen Konsequenzen hat der Beklagte durch sein hier zur Beurteilung stehendes Verhalten letztlich in zurechenbarer Weise selbst ausgelöst, auch wenn die Tragweite für ihn nicht in vollem Umfang absehbar gewesen sein sollte.
Die umfassende Würdigung aller vorgenannten, den Beklagten be- und entlastenden Umstände führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung des Senats, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beklagten nach dem von ihm begangenen schweren Dienstvergehen kein Vertrauen mehr in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können. Die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums ist bei Fortbestehen des Beamtenverhältnisses nicht rückgängig machbar.
2.3 Die Disziplinarmaßnahme entspricht schließlich auch dem aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgenden Verhältnismäßigkeitsgebot. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Hier steht die Maßnahme nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des mit ihr verfolgten Ziels und den vom Betroffenen hinzunehmenden Einbußen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes.
Gemessen hieran hat der Beklagte durch das Gewicht des Dienstvergehens das in ihn gesetzte Vertrauen endgültig zerstört. Weil nicht davon ausgegangen werden kann, er werde dem Gebot der Verfassungstreue in Zukunft entsprechen, ist als angemessene Reaktion seine Entfernung aus dem Dienst erforderlich und geeignet, um den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht auf den schuldhaften Pflichtverletzungen durch den Beklagten und ist ihm als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 55)
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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