Arbeitsrecht

Entgelt für Kindertagespflege bei Beginn während des laufenden Monats

Aktenzeichen  M 18 K 17.3968

Datum:
4.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 52824
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII § 23 Abs. 2
BayAGSG Art. 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Auch wenn die laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 2, 2a SGB VIII an eine Tagespflegeperson grundsätzlich in Form einer Monatspauschale gewährt wird, muss eine Tagespflegeperson bei der Betreuung nur für den Teil eines Monats jedenfalls das erhalten, was ihr nach den tatsächlich geleisteten Betreuungsstunden und unter Zugrundelegung des festgelegten Stundensatzes zusteht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine weitere Nachzahlung in Höhe von 55,81 € zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Leistung einer Nachzahlung in Höhe von 55,81 € an die Klägerin ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht die beanspruchte Nachzahlung gemäß § 23 Abs. 1 und 2 SGB VIII zu. Der Berechnungsansatz der Beklagten ist rechtswidrig, da er auf sachfremden Erwägungen beruht und zu einer Benachteiligung der Klägerin führt.
Die Förderung in Kindertagespflege umfasst u.a. die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson (§ 23 Abs. 1 SGB VIII), die sich aus den in § 23 Abs. 2 SGB VIII genannten Bestandteilen (Sachaufwand, Anerkennungsbetrag für die Förderleistung, Erstattung von Aufwendungen für Renten-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung) zusammensetzt (vgl. VG München, U.v. 24.2.2016 – M 18 K 14.3472 – juris). Die Höhe der laufenden Geldleistung wird gemäß § 23 Abs. 2a SGB VIII grundsätzlich von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt. Sie ist leistungsgerecht auszugestalten und hat den zeitlichen Umfang der Leistung sowie die Anzahl und den Förderbedarf der betreuten Kinder zu berücksichtigen.
Der Beklagten als Jugendhilfeträger steht bei der leistungsgerechten Ausgestaltung des Betrags zur Anerkennung der Förderleistung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Dies bedeutet, dass von Seiten des Verwaltungsgerichts nur zu prüfen ist, ob der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bestimmung der Leistungshöhe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt hat (BVerwG, U.v. 25.1.2018 – 5 C 18/16 – juris, Rn. 21).
Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte für die laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 2, 2a SGB VIII an die Tagespflegepersonen in ihrem Zuständigkeitsbereich einen Stundensatz von 7,05 € festgelegt. Die Höhe dieses Stundensatzes wird von der Klägerin nicht angegriffen, sie wendet sich allein gegen die Berechnung des an sie ausbezahlten Entgelts für die F.M. betreffende Betreuungszeit vom 28. bis 30. November 2016.
Die Beklagte hat anhand des festgesetzten Stundensatzes von 7,05 € für die Betreuung von F. M. in einem Umfang von 25 Stunden wöchentlich eine monatliche Geldleistung für die Klägerin von 763,75 € errechnet und bewilligt (25 Stunden x 4,33 Wochen x 7,05 €). Grundsätzlich entspricht die Hochrechnung des Stundensatzes auf den Monat auf ein pauschales monatliches Entgelt den gesetzlichen Vorgaben in Art. 42 Abs. 2 AGSG. Danach sollen die Aufwendungen der Tagespflegeperson in einem monatlichen Pauschalbetrag ersetzt werden.
Keine gesetzlichen Vorgaben oder Hinweise bestehen für den Fall, dass die Förderung eines Kindes in Tagespflege während des laufenden Monats – wie im vorliegenden Fall – beginnt (oder endet).
Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Fall den errechneten pauschalen Monatsbetrag durch 30 Tage dividiert, was einem Tagesentgelt von 25,45 € entspricht und dieses mit den drei Betreuungstagen, die in den November fielen (28. November bis 30. November 2016), multipliziert. Daraus hat sich ein Entgelt für die drei Tage von 76,38 € errechnet, was sich dem an die Eltern gerichteten Bescheid vom 8. November 2016 entnehmen lässt. Dort ist ausgeführt, dass die Nachzahlung für November insgesamt 287,88 € beträgt, wovon 211,50 € auf die 30 Stunden Eingewöhnungszeit vom 14. bis 24. November 2016 entfallen, so dass sich ein Restbetrag in Höhe der gewährten 76,38 Euro ergibt.
Mit ihrem Berechnungsansatz orientiert sich die Beklagte laut ihrer Auskunft an Nr. 27a.06 Abs. 3 der Sozialhilferichtlinien (SHR), wonach in dem Fall, dass nur für einige Tage eines Monats Hilfe zu gewähren ist, für jeden Tag des Bedarfs 1/30 des Monatsbetrags zu gewähren ist.
Bei der Übertragung dieser Regelung auf das Entgelt für eine Tagespflegeperson übersieht die Beklagte, dass die Sozialhilfe der Deckung eines täglich neu entstehenden, im Wesentlichen gleichen Bedarfs dient, während es sich bei der laufenden Geldleistung im Sinne von § 23 Abs. 2 SGB VIII um ein leistungsgerechtes Entgelt, eine Vergütung für die Betreuungsleistung handelt. Der Rückgriff auf die Sozialhilferichtlinien ist nicht passend, sondern sachfremd. Er lässt außer Betracht, dass der sozialhilferechtliche Bedarf grundsätzlich an jedem Tag des Monats einschließlich der Wochenenden gleich ist, während hingegen die Betreuungszeit einer Tagespflegeperson grundsätzlich nur für bestimmte Tage und regelmäßig auch nur an Werktagen vorgesehen ist. So kann sich eine Betreuungszeit von 25 Stunden wöchentlich wie bei F.M. auf vier Wochentage verteilen, aber auch an drei oder fünf Tagen geleistet werden. Dies würde mit der Berechnungsmethode der Beklagten, je nachdem, wie die Tage liegen und wie sich die Betreuungszeit verteilt, zu völlig unterschiedlichen Entgelten bei einem an sich gleichen Stundensatz und gleicher Stundenzahl führen.
Vorliegend erhält die Klägerin durch den Beginn des Pflegeverhältnisses während des laufenden Monats für die drei streitgegenständlichen Tage nicht den eigentlich vom Jugendhilfeträger festgelegten Stundensatz von 7,05 €. Mit diesem Betrag würde die Klägerin nämlich für die geleisteten 18,75 Stunden (3 Tage a 6 Std. und 15 Min.) 132,18 € erhalten (18,75 x 7,05), was die Klägerin mit der Klage auch erreichen möchte. Bei Anwendung des Ansatzes der Beklagten erhält sie für die tatsächlich geleistete Betreuungszeit von 18,75 Stunden dagegen nur einen Stundensatz von 4,07 € (76,36 : 18,75). Hätte die Klägerin die 25 Stunden Betreuungszeit gleichmäßig auf fünf Tage verteilt, bekäme sie für die drei Tage im November mit dann 15 Betreuungsstunden einen Stundensatz von 5,09 € und bei der Verteilung von 25 Stunden auf drei Tage einen Stundensatz von 3,05 €. Dies zeigt bereits, dass die Berechnungsmethode der Beklagten zu völlig willkürlichen Ergebnissen führt. Zudem ist bei dieser Berechnung nicht eindeutig ersichtlich, ob, je nach Lage der Tage, die Wochenenden und betreuungsfreie Tage unter der Woche bei der Berechnung berücksichtigt werden.
Die Berechnungsmethode der Beklagten ist damit abhängig von zufälligen Gegebenheiten und kann zur Ungleichbehandlung und Schlechterstellung von Tagespflegepersonen und einer Vergütung führen, die der Forderung des Gesetzgebers nach einer leistungsgerechten Vergütung nicht mehr entspricht. Auch bei einer grundsätzlich gewährten Monatspauschale muss eine Tagespflegeperson bei der Betreuung nur für den Teil eines Monats jedenfalls das erhalten, was ihr nach den tatsächlich geleisteten Betreuungsstunden zusteht.
Die als Argument für die Berechnungsweise vorgetragene Verwaltungsvereinfachung durch die Methode der Beklagten ist für das Gericht nicht nachvollziehbar und rechtfertigt jedenfalls nicht eine nicht mehr leistungsgerechte Vergütung, die dem widerspricht, was der Jugendhilfeträger selbst als leistungsgerecht angesehen und festgesetzt hat.
Auch der Einwand der Beklagten der Verwaltungsvereinfachung überzeugt nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass es im Einzelfall mehr Mühe bereitet, im Fall einer während des Monats beginnenden oder endenden Betreuung das Entgelt anhand von Stundensatz und geleisteten Betreuungsstunden zu berechnen als anhand von Tagessatz und Betreuungstagen.
Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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