Arbeitsrecht

Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf: Mangel der persönlichen Eignung

Aktenzeichen  M 5 K 20.883

Datum:
24.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34780
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 3 Nr. 2, § 23 Abs. 4 S. 1, § 23 Abs. 4 S. 2
BeamtStG § 34 S. 3
BayBG Art. 56 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Entlassungsbescheid des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom … Mai 2019 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom … Februar 2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Die streitgegenständliche Entlassung beruht auf § 23 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG). Demnach können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden, wobei ihnen Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Entlassung eines Beamten auf Widerruf nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG einen sachlichen Grund voraus (BVerwG, B.v. 7.9.1980 – 2 B 8/90 – juris, Rn. 5 m.w.N.; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: August 2020, § 23 BeamtStG, Rn. 194). Einen solchen sachlichen Grund kann das Fehlen der persönlichen, insbesondere charakterlichen Eignung des Beamten darstellen. Derartige Eignungsmängel müssen nicht positiv festgestellt werden; es genügen vielmehr bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche Eignung für sein Amt besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48/78 – BVerwGE 62, 267, juris Rn. 20). Soweit nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit zu dessen Beendigung und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, bedeutet das lediglich eine Einschränkung des dem Dienstherrn eingeräumten weiten Ermessens dahin, dass die Entlassung nur aus Gründen statthaft ist, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 9.6.1981, a.a.O., Rn. 21; BayVGH, B.v. 3.3.1994 – 3 CS 93.3817 – juris Rn. 21; B.v. 7.1.2005 – 3 CE 07.2688 – juris Rn. 30).
Der Dienstherr verfügt insoweit über einen Beurteilungsspielraum, als die Einschätzung der persönlichen und charakterlichen Eignung ein personenbezogenes Werturteil voraussetzt (VG München, U.v. 24.9.2019 – M 5 K 18.3333 – juris Rn. 16). Das Gericht kann die Entscheidung des Dienstherrn daher nur daraufhin überprüfen, ob sie an Beurteilungsfehlern leidet, insbesondere, ob der Dienstherr den anzuwendenden gesetzlichen Rahmen sowie die anzuwendenden Begriffe richtig erkannt, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet, den Sachverhalt richtig erfasst und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 11.12.2017 – M 5 K 16.2713 – juris Rn. 16).
2. Die Annahme von Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Klägers durch den Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler hinsichtlich der Entscheidung, den Kläger aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, sind nicht erkennbar.
a) Die Zweifel an der charakterlichen Eignung beruhen maßgeblich auf der Wiedergabe von Fotos mit zahlreichen Schusswaffen sowie Fotos von gespielten Einsätzen, die den Kläger mit einer automatischen Waffe im Anschlag zeigen. Diese Bilder hat der Kläger in sozialen Netzwerken veröffentlicht (Facebook und Instagram), wo sie einer großen Zahl von Nutzern („Freunden“) zugänglich waren. Nach Angabe des Klägers waren es etwa 300 bis 400 Personen. Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass der Dienstherr durch die Art und Weise der Darstellung von Zweifeln an der charakterlichen Eignung ausgeht.
Denn bei den dargestellten Waffen handelt es sich weit überwiegend um automatische Waffen, die bei der Polizei gar nicht benutzt werden. Auch die Erklärung des Klägers, dass der enge räumliche Zusammenhang einer Darstellung einer Vielzahl automatischer Waffen mit dem Emblem der Bayerischen Bereitschaftspolizei „unüberlegt“ gewesen sei, unterstreicht den Eindruck des Dienstherrn von der charakterlichen Nichteignung des Anwärters. Durch die Abbildung der (Kriegs-)Waffen zusammen mit dem Emblem der Bereitschaftspolizei wird auf den Fotos, die der Kläger auf seinen „Seiten“ in den sozialen Netzwerken (Facebook und Instagram) in das Internet gestellt hat, ein Zusammenhang hergestellt, der für den Dienstherrn untragbar ist. Denn der Einsatz von Schusswaffen bei der Bayerischen Polizei ist das letzte Einsatzmittel, vorrangig ist bei Einsätzen eine deeskalierende Strategie zu verfolgen. Die vom Kläger vorgenommene Darstellung einer Vielzahl von Schusswaffen belegt auch eine Nähe und Affinität zu diesen Waffen, die der Grundausrichtung des polizeilichen Einsatzes zuwiderlaufen. Erst recht gilt dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger bereits im Februar 2019 von seinem Ausbilder darauf hingewiesen worden war, Fotos zu löschen, auf denen den Kläger mit automatischen Waffen im Anschlag unter Benutzung dienstlicher Ausrüstungsgegenstände abgebildet war, diese aber Anfang April immer noch auf den Seiten des Klägers einsehbar waren. Auch der Hinweis, dass die Fotos von der Seite des Veranstalters stammen würden, der die „… …“ abhalte, was dem Kläger nicht angelastet werden dürfe, überzeugt nicht. Zum einen zeigen die in den Behördenakten (Bl. 5 bis 12) vorhandenen Fotos solche von den Seiten des Klägers, die dort am … April 2020 von einer Beamtin der Bayerischen Bereitschaftspolizei einsehbar waren. Zum anderen könnte ein Link auf die Seite des Veranstalters durch den Kläger ohne weiteres gelöscht werden. Auch wenn der Zugang zu diesen Fotos nicht öffentlich war, sondern auf einen gewissen Kreis beschränkt war, war dieser doch mit einem Umfang von 300 bis 400 „Freunden“ von einer ganz erheblichen Größe, sodass damit eine entsprechende Außenwirkung verbunden war. Die Erklärung des Klägers, dies sei „unüberlegt“ gewesen, zeigt ein fehlendes Verständnis der Wirkung seiner Verhaltensweisen auf Dritte.
Das wird auch bei dem Verhalten bei der Verkehrskontrolle am … Februar 2019 deutlich. Aus der Schilderung der Streifenführerin vom … März 2019 (Bl. 27 der Behördenakte) – deren Richtigkeit durch die Einlassung des Klägers, er habe die Beamtin gefragt, ob diese ihn noch kenne (Bl. 122 der Behördenakte) nicht ernsthaft in Frage gestellt wird – zeigt sich eine Distanzlosigkeit des Klägers gegenüber den Polizeibeamten, die eine Verkehrskontrolle gegenüber einem Dritten durchführten. Auch die WhatsApp-Anfrage bei dem anderen Streifenbeamten wenige Stunden später belegt, dass der Kläger dienstliche Erkenntnisse zu privaten Zwecken erhalten wollte. Auch wenn dies bestritten wird, so stellt sich der Zweck der Anfrage an den Kollegen wenige Stunden nach der Kontrolle doch als eindeutig dar. Das zeigt sich schon an der Eingangsfrage „Dere, wos isn des für oana?“. Daran ändert auch die dialektgeprägte Abfassung nichts. Schließlich wird das auch durch die Einlassung in der mündlichen Verhandlung deutlich. Denn der angegebene Beweggrund für die Nachricht, ob er sich von dem Fahrer besser fernhalten sollte, damit ihm das nicht bei der Ausbildung schade, ist primär ein privater Zweck. Die Anfrage erfolgte an den Polizeibeamten, der die Kontrolle wenige Stunden zuvor durchgeführt hatte. Es unterliegt keinen ernsthaften Zweifeln, dass der Kläger damit dienstliche Erkenntnisse von diesem Amtsträger erhalten wollte. Schließlich spricht auch gegen den Kläger, dass er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er eine Abfrage hinsichtlich polizeilicher Erkenntnisse über den Fahrer auch über den dienstlichen Rechner hätte durchführen können. Dass das eine verbotene Vorgehensweise gewesen wäre, hat er dabei nicht erwähnt. Diese Klarstellung erfolgte durch die Vertreterin des Präsidiums.
b) Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Dienstherr aus den dargestellten Umständen den Schluss zieht, dass dieses Verhalten Ausdruck gravierender Mängel des Pflichtbewusstseins, Verantwortungsbewusstseins sowie der Zuverlässigkeit des Klägers ist. Der Kläger hat gegen die beamtenrechtliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Es ist auch rechtlich nichts gegen die in den streitgegenständlichen Bescheiden angestellte Prognose des Dienstherrn einzuwenden, dass eine grundlegende positive Verhaltensänderung nicht zu erwarten sei.
c) Die Entlassung des Klägers ist verhältnismäßig und zulässig. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er sich im Vorbereitungsdienst befand und nach der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit zu dessen Beendigung gegeben werden soll. Denn die Entlassung des Widerrufsbeamten beruht auf Gründen, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang – der Bewährung für die erstrebte Laufbahn – stehen. Das dem Kläger zur Last gelegte Fehlverhalten ist so schwerwiegend, dass ein Abschluss der Ausbildung als Polizeibeamter nicht zumutbar ist. Gegen die im Entlassungsbescheid vom … Mai 2019 und Widerspruchsbescheid vom … Februar 2020 ausgeführten Gründe für eine solche Ermessensentscheidung, die durch das Gericht nur eingeschränkt zu überprüfen sind (§ 114 Satz 1 VwGO), ist rechtlich nichts zu erinnern.
d) Der erst im Widerspruchsverfahren am … Juni 2019 gestellte Antrag auf Beteiligung des Personalrats (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPVG) ist unbeachtlich. Denn der Beamte wurde ausdrücklich im Anhörungsschreiben vom … April 2019 auf die Möglichkeit hingewiesen, die Mitwirkung des Personalrats zu beantragen. Das ist bis zum Ergehen der Entlassungsverfügung nicht erfolgt. In einem solchen Fall darf die Behörde davon ausgehen, dass der Beamte auf die Mitwirkung der Personalvertretung im Entlassungsverfahren keinen Wert legt. Für einen nach Ergehen des Entlassungsbescheids gestellten Antrag auf Mitwirkung des Personalrats ist kein Raum mehr (BVerwG, U.v. 23.2.1989 – 2 C 76/86 – BVerwGE 81, 277, juris Rn. 16).
Die sechswöchige Entlassungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres (Art. 56 Abs. 5 Satz 1 BayBG) ist eingehalten. Der Entlassungsbescheid ist der Klagepartei gegen Empfangsbekenntnis am … Mai 2019 zugestellt worden.
3. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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