Arbeitsrecht

Entlassung, Beamter auf Widerruf, Besondere Fähigkeiten im Sport, Fachliche Eignung, Fehlende Motivation, Keine Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts, Keine Fristverlängerung, Ermessen

Aktenzeichen  M 5 K 21.4711

Datum:
21.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17912
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 4
FachV-Pol/VS § 26

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Entlassungsverfügung vom … Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei hat ohne Rechtsfehler die Entlassung auf § 23 Abs. 4 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) gestützt. Nach dieser Vorschrift können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.
a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Dem Beamten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen des Dienstherrn gegeben (Art. 28 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG). Der Personalrat hat auf Antrag des Klägers (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3, Art. 72 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPVG) mitgewirkt und hat der beabsichtigten Entlassung des Klägers am 27. Juli 2021 zugestimmt. Auch die Entlassungsfrist von sechs Wochen zu einem Kalendervierteiljahr wurde beachtet (Art. 56 Abs. 5 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBeamtG). Denn der Bescheid vom … Juli 2021 wurde der Klagepartei am … August 2021 zugestellt. Damit wurde die maßgebliche Entlassungsfrist eingehalten.
b) Auch materiell ist gegen den streitgegenständlichen Bescheid rechtlich nichts zu erinnern.
Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BayVGH, B.v. 12.12.2011 – 3 CS 11.2397 – juris Rn. 34). Insbesondere bedarf es im Entlassungsverfahren eines Beamten auf Widerruf keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften (BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 17).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland / Grundgesetz- GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17f. m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters; BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 13). Die Sollvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (zu gesundheitlichen Gründen BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6; Zängl in Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: März 2022, BeamtStG § 23 Rn. 187 ff.).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn – hier eines Polizeivollzugsbeamten der zweiten Qualifikationsebene – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 BeamtStG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BayVGH, B.v. 30.3.2022 – 3 CS 22.281 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 20, 21; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. OVG Bbg, B.v. 10.7.2019 – OVG 4 S 20.19 – juris Rn. 9 f.; Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O. BeamtStG § 23 Rn. 209).
Der Dienstherr verfügt insoweit über einen Beurteilungsspielraum, als die Einschätzung auch der fachlichen Eignung ein personenbezogenes Werturteil voraussetzt (BayVGH, B.v. 30.3.2022 – 3 CS 22.281 – juris Rn. 8; VG München, U.v. 24.9.2019 – M 5 K 18.3333 – juris Rn. 16; Baßlperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O. BeamtStG § 23 Rn. 217 ff.). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4, 5; VG München, B.v. 25.3.2020 – M 5 S 20.1173 – juris Rn. 25 ff.; B.v. 30.9.2019 – M 5 S 19.1393 – juris Rn. 38; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 30.8.2019 – 3 ZB 18.508 – juris Rn. 7 ff.). Auf die Ursache der Leistungsmängel des Widerrufsbeamten kommt es nicht an (BayVGH, B.v. 30.3.2022 – 3 CS 22.281 – juris Rn. 10).
c) Nach diesen Grundsätzen hat das Präsidium ohne Rechtsfehler die fachliche Nichteignung des Klägers angenommen.
Im Bescheid vom … Juli 2021 hat das Präsidium angegeben, dass sich der Kläger während des Beamtenverhältnisses auf Widerruf hinsichtlich seiner fachlichen Eignung nicht bewährt habe. Der Beamte habe das Ausbildungsziel des 2. Ausbildungsabschnitts nicht erreicht.
Der Kläger hat die in ihn gesetzten Leistungserwartungen im Fach Sport nicht erfüllt und sich somit fachlich nicht bewährt. Die Inhalte der Ausbildung für die 2. Qualifikationsebene sind in einem Ausbildungsplan („Allgemeine Regelungen des Vorbereitungsdienstes für den fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst“) festgelegt, der die Erbringung von Leistungsnachweisen vorsieht (§§ 23 Satz 3, 26 Abs. 1 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz – FachV-Pol/VS). Der Kläger hat den in den „Allgemeinen Regelungen des Vorbereitungsdienstes für den fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst“ als im 2. Ausbildungsabschnitt zu erbringenden Leistungsnachweis besonderer Fähigkeiten im Sport nicht erbracht und damit das Ausbildungsziel des 2. Ausbildungsabschnitts nicht erreicht. Der Kläger hat den Leistungsnachweis besonderer Fähigkeiten Sport nicht bestanden, da er im Gesamtschnitt aller vier Einzeldisziplinen mit 2,33 Punkten weniger als 5 Punkte erreicht hat. Weiter hat er den Leistungsnachweis nicht bestanden, da er – mit 1,66 Punkten in Leichtathletik und 0 Punkten im 30-min-Lauf – (nicht nur) in einem Teilbereich weniger als 2 Punkte erreicht hat. Der Kläger hat einen weiteren Grund des Nichtbestehens erfüllt, da er in drei Teilbereichen (Schwimmen: 2,5 Punkte, Leichtathletik: 1,66 Punkte, 30-min-Lauf: 0 Punkte) weniger als 5 Punkte erreicht hat. Zudem hat der Beamte den Erwerb des Deutschen Rettungsschwimmabzeichen in Bronze nicht nachgewiesen (vgl. hierzu: „Allgemeine Regelungen des Vorbereitungsdienstes für den fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst“, Teil C, Leistungsnachweise besonderer Fähigkeiten Sport – Anforderungen 2. und 4. Ausbildungsabschnitt).
Es ist nicht zu beanstanden, sondern vielmehr sachgerecht, dass für die Beamten der Fachlaufbahn des Polizeivollzugsdienstes eine breit gefächerte sportliche Leistungsfähigkeit, innerhalb der dem Aspekt der Ausdauer eine wichtige Bedeutung zukommt, vom Dienstherrn gefordert wird. Denn es stellen sich – wie allgemein bekannt – im Polizeivollzugsdienst immer wieder körperlich äußerst beanspruchende Einsatzlagen, die ein hohes Maß an körperlicher Fitness voraussetzen. Dass die in Rede stehende Leistungsanforderung – unter Berücksichtigung des dem Dienstherrn zustehenden weiten Gestaltungsermessens – nicht sachgemäß oder unrealistisch zu hoch angesetzt worden wäre, ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
Der Kläger hat die geforderte Leistung – unabhängig davon, dass es dem Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationshoheit freisteht, sachgerechte Grenzwerte festzulegen, bei deren Unterschreitung unmittelbar von einer Nichtbewährung auszugehen ist – auch nicht nur geringfügig unterschritten, da ihm bei seinem besten Ergebnis im Rahmen des 2. Ausbildungsabschnitts etwa beim 30-min-Lauf nicht etwa lediglich wenige Meter zur Zielerreichung gefehlt haben, sondern 650 m zu der für das Bestehen geforderten Mindestleistung von 5500 m. Der Dienstherr ist auch nicht etwa gehalten, die für die Erhaltung eines leistungsfähigen Polizeivollzugsdienstes ausschlaggebenden Gesichtspunkte der persönlichen und fachlichen Eignung aus Gründen der Kulanz oder Fürsorge außer Acht zu lassen, zumal dies einer Ungleichbehandlung gegenüber sämtlichen anderen Beamten in Ausbildung gleichkäme. Der Kläger hat sich hinsichtlich sämtlicher Teile von Eignung, fachlicher Leistung und Befähigung zu bewähren. Es ist daher ohne Belang, dass er die übrigen im Ausbildungsabschnitt geforderten Leistungsnachweise erbracht hat (zum Ganzen auch: VG Würzburg, U.v. 27.7.2021 – W 1 K 21.617 – juris Rn. 32).
Es kann auch nicht eingewendet werden, dass der Kläger insbesondere bei den Leistungsabnahmen zum 30-min-Lauf gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, die geforderte Leistung zu erbringen. Weder beim Abnahmetermin am … Oktober 2020 (bei dem der Lauf nach 2000 m abgebrochen wurde) noch am … Dezember 2020 war der Beamte ärztlich als dienstunfähig oder eingeschränkt außendienstfähig/sportbefreit eingestuft. Gerade beim Termin am … Oktober 2020, bei dem der Kläger eine beim Schwimmtraining erlittene Hodenquetschung als Grund für seine Leistungsbeeinträchtigung angibt, fällt auf, dass er nach den Behandlungsnachweisen des polizeiärztlichen Dienstes am … Oktober 2020 als dienstfähig eingestuft wurde und erst am … Oktober 2020 eine Überweisung zu einer fachärztlichen Untersuchung erfolgte, er am … Oktober 2020 sportbefreit und am … Oktober 2020 als krank bewertet und ab dem … Oktober 2020 wieder voll dienstfähig war. Eine gesundheitliche Einschränkung ist für den … Oktober 2020 nicht nachgewiesen. Wenn der Kandidat seine gesundheitliche Beeinträchtigung kennt und dennoch zu einer Prüfung antritt, nimmt er das Risiko eines Misserfolgs auf sich, sodass dies als gezeigte Leistung zu werten ist und insbesondere kein Rücktritt von der Prüfung erklärt werden kann (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 265 m.w.N.). Bei der nachgeholten Laufabnahme am … Dezember 2020 war der Kläger durch den ärztlichen Dienst am … Dezember 2020 wieder als voll dienstfähig angesehen, nachdem er nur für den …. Dezember 2020 sportbefreit war. Die sportlichen Leistungen bedürfen auch keiner lernintensiven Vorbereitung, sodass die Abnahmetermine mit einer angemessenen Frist anzukündigen wären (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 404 m.w.N.). Den Beamten ist durch die Forderung nach Erfüllung dieser sportlichen Leistungen bewusst, dass sie sich körperlich in die Lage versetzen müssen, um die geforderten Leistungen zu erfüllen. Das bedingt eine gewisse sportliche Leistungsfähigkeit, die über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten ist und ohne große Ankündigung gezeigt werden kann.
d) Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Polizeipräsidium dem Kläger die Wiederholung des 2. Abschnitts nicht genehmigt hat.
aa) In § 26 Abs. 3 Satz 1 FachV -Pol/VS ist geregelt, dass die Einstellungsbehörde die Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts bei fehlenden geforderten Leistungsnachweisen oder keiner ordnungsgemäßen Teilnahme an den Ausbildungsveranstaltungen die Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts genehmigen kann.
Im Entlassungsbescheid vom … Juli 2021 hat das Präsidium die Wiederholung nicht genehmigt, da nicht zu erwarten sei, dass der Kläger bei einer Wiederholung des 2. Ausbildungsabschnitts die entsprechenden Ausbildungsziele erreichen werde. In Nr. 9.2 Abs. 1 des Ausbildungsplans ist geregelt, dass die Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts genehmigt wird, wenn die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines auszubildenden Beamten erwarten lassen, dass er das Ziel der Ausbildung künftig erreichen wird. Insoweit hat die Personalbehörde eine konkrete Prüfung der Wiederholungsmöglichkeit vorgenommen. Soweit sich das Präsidium hierbei auf eine Gesamtschau der bislang erbrachten unzulänglichen sportlichen Leistungen bezieht, ist das rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung der Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts nach FachV-Pol/VS kommt keine eigenständige Regelungswirkung zu (VGH BW, B.v. 12.7.1996 – 4 S 1860/96 – IÖD 1997, 27, juris Rn. 6; ebenso: BayVGH, B.v. 2.7.2012 – 3 CE 12.1032, juris).
Nach Nr. 9.2 Abs. 1 des Ausbildungsplans wird die Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts genehmigt, wenn Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten erwarten lassen, dass er das Ziel der Ausbildung künftig erreichen wird. Das Ermessen in § 26 Abs. 3 Satz 1 FachV-Pol/VS wird mit dieser Vorgabe sachgerecht ausgefüllt. Die Fortsetzung der Ausbildung ist dann sinnvoll, wenn eine günstige Prognose dahingehend gestellt werden kann, dass mit Hilfe der Wiederholung die Ausbildung letztlich erfolgreich abgeschlossen werden wird (BayVGH, B.v. 2.7.2012 – 3 CE 12.1032 – juris Rn. 19; B.v. 24.1.2022 – 3 CS 21.2824 – juris Rn. 8).
Zentraler Gesichtspunkt im Rahmen dieser Entscheidung ist damit die Einschätzung, ob der Beamte das Ausbildungsziel im Falle einer unterstellten Wiederholung des Ausbildungsabschnittes künftig erreichen wird. In diese von der Einstellungsbehörde anzustellende bewertende Prognose, die letztlich auch ein Bewährungsurteil darstellt, sind Art und Gewicht der unzulänglichen Leistungen, der Verlauf der bisherigen Ausbildung sowie persönlichkeitsbezogene Gründe des Versagens auch im Hinblick auf die angestrebte Laufbahn im Polizeivollzugsdienst einzustellen (VG München, B.v. 28.10.2021 – M 5 S 21.5165 – juris Rn. 38; B.v. 19.4.2012 – M 5 E 12.1221). Dabei genügen für eine solche Prognoseentscheidung begründete Zweifel; diese müssen jedoch auf tatsächlichen Erkenntnissen beruhen und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen (BayVGH, B.v. 2.7.2012 – 3 CE 12.1032 – juris Rn. 23).
bb) Es hält sich im Rahmen des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraums des Dienstherrn (§ 114 Satz 1 VwGO), dass die Personalbehörde im Bescheid vom … Juli 2021 auf eine Gesamtschau abgestellt hat. Aufgrund der über die gesamte Ausbildungsdauer gezeigten ungenügenden sportlichen Leistungen, die sich trotz verschiedener Ermahnungen und Hilfestellungen nicht ausreichend gebessert hätten, sei nicht zu erwarten, dass bei einer Wiederholung des Ausbildungsabschnitts die sportlichen Anforderungen erfüllt würden. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Untermauert wird diese Bewertung dadurch, dass der Seminarleiter im Schreiben vom …. Februar 2021 festgehalten hat, dass die sportlichen Leistungen des Beamten von Ausbildungsbeginn an auffallend schlecht gewesen seien. Er sei im sportlichen Bereich durch mangelnde Leistungsbereitschaft und mangelndes Durchhaltevermögen aufgefallen. Auch Ermahnungen und Trainingsprogramme durch verschiedene Ausbilder hätten zu keiner signifikanten Leistungssteigerung geführt. Wie der Sportleiter in seiner Leistungsnotiz vom … Januar 2021 angegeben hat, habe der Kläger die auf dessen Leistungsstand angepassten Trainingspläne nicht umgesetzt. Von acht Trainingsplänen habe er nur vier abgegeben, und auch diese nur teilweise umgesetzt (Stellungnahme des Sportleiters vom 7.6.2021). Es hält sich im Rahmen des vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraums, dass die Personalbehörde in der Gesamtschau eine fehlende Motivation und Anstrengungsbereitschaft für das erfolgreiche Absolvieren der sportlichen Leistungen ableitet. Das gilt auch für den Umstand, dass sich der Beamte trotz gebotener Hilfen in seinen sportlichen Leistungen seit Beginn der Ausbildung über nahezu ein Jahr kaum verbessert hat. Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, wenn das Präsidium vor dem Hintergrund der auffallend schlechten Leistungen des Klägers von Beginn der Ausbildung an, die sich trotz Hilfen, Hinweisen und Ermahnungen kaum verbessert hätten, zu der Prognose gelangt, dass sich die sportlichen Leistungen auch bei einer Wiederholung des Ausbildungsabschnitts nicht so verbessern würden, dass die geforderten Leistungen erbracht werden könnten. Das wird durch den Umstand unterstrichen, dass es sich um ein sportliches Leistungsdefizit nicht nur in einem Teilbereich handelt. Vielmehr waren die Leistungen des Klägers im Schwimmen, der Leichtathletik und dem 30-min-Lauf unzureichend.
cc) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass sich eine Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit beim Kläger nicht eingestellt habe, da er daran durch krankheitsbedingte Leistungseinschränkungen gehindert gewesen sei. Denn die ärztlich belegten Krankheitszeiten des Klägers umfassten im wesentlichen kurze Zeiträume, sodass eine ärztlich attestierte längere Zeit der Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen ist. Der Kläger war nach den vorgelegten Unterlagen im 1. Ausbildungsabschnitt an drei Tagen, im 2. Ausbildungsabschnitt an acht Tagen dienstunfähig erkrankt. Die Leistenzerrung, die den Kläger nach dessen Angaben von Mai bis Juni 2020 gehindert habe, sportlich relevante Leistungen zu erbringen, führte nach dem Behandlungsnachweis des medizinischen Dienstes am … Mai 2020 zu einer Sportunfähigkeit („EAD Sport“), die nach den von der Klagepartei mit Schriftsatz vom … Juni 2022 vorgelegten Behandlungsunterlagen bis … Mai 2020 anhielt. Auch im 2. Ausbildungsabschnitt ist ein längerer Dienstunfähigkeitszeitraum vom … bis … November 2020 belegt. Die übrigen Dienstunfähigkeiten umfassen ein bis zwei Tage. Sportuntauglichkeiten sind im 2. Ausbildungsabschnitt attestiert vom … bis einschließlich … Oktober 2020, vom … bis einschließlich … November 2020, am … Dezember 2020 und schließlich ab …. Januar bis … Februar 2021. Dabei fällt auf, dass der Kläger angibt, am … Oktober 2020 eine Hodenquetschung erlitten zu haben, die ihn in seiner sportlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt habe. So habe er den 30-min-Lauf an diesem Tag nach 2000 m abbrechen müssen. Wenn den Kläger diese Verletzung so stark beeinträchtigt haben soll, ist es andererseits nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nach dem von ihm vorgelegten Behandlungsprotokoll des medizinischen Dienstes erstmals am … Oktober 2020 dort von entsprechenden Beschwerden berichtet hat. Dies führte aber zu keiner Einschränkung der Dienstfähigkeit, auch nicht zu einer Sportdienstunfähigkeit. Das erfolgte erst vom … bis einschließlich … Oktober 2020 mit Dienstunfähigkeit am … Oktober 2020. Am … Oktober 2020 hat der medizinische Dienst ausdrücklich (volle) Dienstfähigkeit festgestellt. Diese Zeiträume stellen lediglich kürzere Zeitspannen dar, die die Sportleistungsfähigkeit nicht in einer Weise beeinflussen, sodass der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, jedenfalls ärztlich belegt sportlich relevante Leistungen zu erbringen.
Das mag für den ärztlich attestierten Zeitraum ab dem …. Januar 2021 anders sein. Jedoch hatte der Kläger bis zum Jahreswechsel 2020/21 keine solchen Trainingserfolge erzielt, die ein Erreichen der Mindestanforderungen in den drei Sportbereichen hätten erwarten lassen können. Die längere Sportuntauglichkeit ab …. Januar 2021 beeinträchtigte keine im Hinblick auf die Mindestanforderungen erkennbar „nach oben zeigende Leistungskurve“. Der Sportleiter hat auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger mit sportlichen Übungen aussetzen solle, wenn er Schmerzen verspüre (Stellungnahme des Sportleiters vom ….6.2021). Daher ist der Vorwurf, der Kläger habe seine Verletzungen nicht ausheilen können, nicht begründet.
Soweit der Seminarleiter den Kläger in einem Telefonat am … Januar 2021 darauf hingewiesen hat, ob er nicht wenigstens am Schwimmen teilnehmen könne, hat dieser Ausbilder in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass das als Hinweis an den Kläger gedacht gewesen sei, sich darum zu kümmern, welche Sportprüfungen er aus medizinischer Sicht absolvieren könne und welche nicht. Zudem sollte wenigstens eine Möglichkeit zum Schwimmtraining genutzt werden können.
Auch die Argumentation, dass aufgrund geschlossener Hallenbäder ein Schwimmtraining nur sehr eingeschränkt habe stattfinden können, betraf zum einen alle Beamtinnen und Beamte in Ausbildung (BayVGH, B.v. 30.3.2022 – 3 CS 22.281 – juris Rn. 10). Zum anderen konnten während der Sommermonate Trainingsmöglichkeiten für das Schwimmen im Freien genutzt werden.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die dem Kläger durch den Dienstherrn gebotenen Fördermaßnahmen, insbesondere die Trainingspläne, völlig ungeeignet gewesen wären. Vielmehr hat der Beamte diese nur sehr unvollständig befolgt. Nach der Stellungnahme des Sportleiters vom … Juni 2021 wurden vom Kläger von acht Trainingsplänen nur vier abgearbeitet und diese auch unzureichend. Es ist Sache des Beamten, sich die Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen, um die geforderten Leistungsnachweise erbringen zu können. Das wird in Nr. 5 Satz 2 der „Allgemeinen Regelungen des Vorbereitungsdienstes für den fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst“ unterstrichen. Dort ist ausdrücklich festgelegt, dass die Ausbildung vom Beamten insbesondere sorgfältiges und eigenverantwortliches Lernen und Arbeiten fordert. Entsprechend muss der Beamte die praktischen und sportlichen Fähigkeiten durch Üben bzw. Training erwerben und aufrechterhalten.
Soweit eine besondere psychische Belastung durch die Umstände der Corona-Pandemie geltend gemacht wird, so hat der Kläger – soweit aus den Akten ersichtlich – entsprechende Beeinträchtigungen gegenüber dem Dienstherrn nicht ausdrücklich geltend gemacht. Wie das Präsidium im Schriftsatz vom …. Dezember 2021 angegeben hat, bestanden von Seiten des Dienstherrn auch entsprechende Hilfsangebote. Dass diese durch den Kläger nachgefragt oder in Anspruch genommen wurden ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
dd) Entsprechend gelten die Ausführungen zur Wiederholung des 2. Ausbildungsabschnitts auch für die in Nr. 9.1 der „Allgemeinen Regelungen des Vorbereitungsdienstes für den fachlichen Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst“ vorgesehene Möglichkeit der Fristverlängerung für den Nachweis u.a. besonderer Fähigkeiten im Sport. Auch wenn dort festgelegt wird, dass eine solche Fristverlängerung grundsätzlich bei Nichterreichen der Ausbildungsziele gewährt wird, so ist auch festgehalten, dass das nur der Fall ist, soweit Eignung, Befähigung und Leistung erwarten lassen, dass der Beamte das Ziel der Ausbildung künftig erreichen wird. Das hat das Präsidium im Bescheid vom … Juli 2021 mit der rechtlich nicht zu beanstandenden Argumentation entsprechend der Ablehnung der Wiederholung des Ausbildungsabschnitts abgelehnt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Eine entgegenstehende anderslautende Zusage hat der Seminarleiter nicht getätigt. Nach dessen Stellungnahme vom …. Juni 2021 hat dieser zwar angegeben, dass eine Fristverlängerung üblich sei, die Entscheidung aber vom Präsidium getroffen werde. Das steht in Einklang mit der offenen Formulierung in dessen Schreiben an die II. Bereitschaftspolizeiabteilung vom …. Februar 2021, dass eine Fristverlängerung lediglich „vorstellbar“ sei. Entsprechendes gilt auch für eine angebliche Zusage durch den Personalrat, wofür auch keine konkreten Umstände benannt sind.
ee) Es sind auch keine Ermessensfehler hinsichtlich der Entscheidung, den Kläger aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, ersichtlich. Bei der Annahme einer fachlichen Nichteignung ist die Entlassung eines Widerrufsbeamten rechtlich nicht zu beanstanden. Das wird in Art. 12 Abs. 5 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG) für das Beamtenverhältnis auf Probe ausdrücklich als Grundsatz angegeben. Das gilt entsprechend auch für Beamte auf Widerruf. Hinzu kommt, dass sich der Beamte noch nicht in einem fortgeschrittenen Stadium des Vorbereitungsdienstes befindet, insbesondere nicht kurz vor der Anstellungsprüfung.
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.


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