Arbeitsrecht

Entschädigung – schwerbehinderter Mensch – Ausschlussfrist

Aktenzeichen  8 AZR 160/11

Datum:
15.3.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 AGG
§ 3 AGG
§ 7 AGG
§ 15 Abs 1 AGG
§ 15 Abs 2 AGG
§ 15 Abs 4 AGG
§ 22 AGG
§ 82 S 1 SGB 9
§ 82 S 2 SGB 9
§ 82 S 3 SGB 9
§ 823 Abs 1 BGB
Art 1 Abs 1 GG
Art 2 Abs 1 GG
§ 37 Abs 1 TV-L
EGRL 78/2000
EGRL 43/2000
EGRL 54/2006
EGRL 73/2002
EGRL 113/2004
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Saarbrücken, 5. Februar 2010, Az: 63 Ca 3/09, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Saarland, 17. November 2010, Az: 1 Sa 23/10, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 17. November 2010 – 1 Sa 23/10 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung bei einer Bewerbung auf eine vom beklagten Land ausgeschriebene Stelle.
2
Der Kläger ist schwerbehindert. Er verfügt über Ausbildungen zum Lehrer für Grund- und Hauptschulen sowie zum Dipl.-Pädagogen. Der Kläger ist Mitglied der GEW.
3
Das beklagte Land ließ im Juni 2008 über die Bundesagentur für Arbeit zwei Stellen für Lehrkräfte an der Justizvollzugsanstalt O ausschreiben. In dieser Ausschreibung heißt es ua.:
        
„Für unser Team, das sich multiprofessionell aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des mittleren allgemeinen Vollzugsdienstes und der Fachdienste (Sozialarbeiter, Pädagogen, Psychologen, Seelsorger) zusammensetzt, besetzen wir alsbald zwei Stellen für
        
Lehrerinnen bzw. Lehrer.
        
Das Aufgabengebiet beinhaltet primär die Erteilung von Unterricht zur Vorbereitung von Gefangenen auf den Erwerb des Hauptschulabschlusses – insbesondere in den Fächern Deutsch, Mathematik, Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde. Je nach Bedarf umfasst der Tätigkeitsbereich auch die intensive pädagogische Betreuung von Inhaftierten im Bereich der Elementarbildung. Dabei beschränken sich die Aufgaben nicht auf die reine Vermittlung von schulischen Lerninhalten, sondern eröffnen vielfältige Möglichkeiten individueller pädagogisch-kreativer Behandlungs- und Förderangebote. Insofern wären auch Erfahrungen im künstlerisch-gestalterischen Bereich von Vorteil.
        
Erforderlich sind Teamfähigkeit sowie die Bereitschaft zur Mitarbeit in Behandlungsgruppen und bei der Vollzugsplanung. Zudem wäre eine sonderpädagogische Zusatzausbildung oder Erfahrung in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen wünschenswert. Die Teilnahme an Fortbildungen wird erwartet und unterstützt.
        
Es handelt sich um eine Vollzeitbeschäftigung. Die Stellen sind vorerst auf 2 Jahre befristet. Eine unbefristete Weiterbeschäftigung ist bei Bewährung möglich. Die Eingruppierung erfolgt je nach Qualifikation bis höchstens Entgeltgruppe 13 TV-L.
        
…       
        
WIR SUCHEN
        
Bildungsabschluss
        
Wissenschaftliche Hochschule/Universität
        
Mobilität
        
Reisebereitschaft: nicht erforderlich
        
…       
        
Kenntnisse und Fertigkeiten
        
Unterricht (schulischer Bereich): zwingend erforderlich“
4
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 11. Juli 2008 um eine dieser Stellen. Sein Bewerbungsschreiben enthielt den Hinweis:
        
„Ich bin zwar schwerbehindert (60 %), dies beeinträchtigt meine Leistungsfähigkeit aber nicht.“
5
Unter dem 29. August 2008 teilte das zuständige Ministerium für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales des beklagten Landes dem Kläger schriftlich mit:
        
„Ihre Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle eines Lehrers/einer Lehrerin in der Justizvollzugsanstalt O
        
Sehr geehrter Herr G,
        
nach Abschluss des Auswahlverfahrens muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Sie für eine Einstellung nicht berücksichtigt werden konnten. Die Auswahlkommission hat einer anderen Bewerbung den Vorzug gegeben.
        
Ich bedauere, Ihnen keine günstigere Mitteilung machen zu können. Ihre Bewerbungsunterlagen reiche ich in der Anlage zurück.
        
Für die Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.“
6
Das Schreiben ging dem Kläger am 2. September 2008 zu. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 meldete der Kläger Schadensersatzansprüche/Entschädigungsleistungen wegen Benachteiligung bei der Einstellung an, da er vom beklagten Land als Schwerbehinderter nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Dieses Schreiben ging dem beklagten Land am 4. November 2008 zu. Unter Hinweis auf die gesetzliche Frist zur Geltendmachung sah das beklagte Land unter dem 19. November 2008 von einer weiteren Stellungnahme ab.
7
Der Kläger meint, das beklagte Land habe ihn unter Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auch habe es ihm keine Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung mitgeteilt und seine weiteren Verpflichtungen aus § 81 und § 82 SGB IX nicht erfüllt. Daraus und aus anderen Gesichtspunkten ergebe sich die Vermutung, dass er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Da nach dem für die in Aussicht genommene Stelle geltenden Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TV-L) für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis eine sechsmonatige Ausschlussfrist gelte (§ 37 TV-L) und weil die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gegen Europarecht verstoße, habe er seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht.
8
Die Entschädigung müsse mindestens 6.450,00 Euro betragen.
9
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
        
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10
Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag im Wesentlichen darauf gestützt, dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch schon habe unterbleiben können, da das Anschreiben des Klägers farblos gewesen sei. Der Kläger sei seit 1979 in der Erwachsenenbildung und nicht an Schulen tätig. Auch die gewünschte sonderpädagogische Zusatzausbildung oder Erfahrung in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Jugendlichen habe der Kläger nicht vorweisen können. In jedem Fall scheiterten Entschädigungsansprüche an der wirksamen Frist des § 15 Abs. 4 AGG, die der Kläger nicht eingehalten habe.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Entschädigungsbegehren weiter.


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