Arbeitsrecht

Erfolglose Klage eines schwerbehinderten Beamten auf nachträgliche Genehmigung und Vergütung von Ermäßigungsstunden als Mehrarbeit

Aktenzeichen  3 ZB 17.666

Datum:
14.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3452
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 87
SGB IX § 69
TeilR Nr. 2.2.2 Abs. 1
AGG § 7 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 5 S. 4

 

Leitsatz

1 Das Schwerbehindertenrecht kann nicht dergestalt „in die Bestimmungen des Bayerischen Beamtengesetzes hineinwirken“, dass eine dort nicht vorhandene Anspruchsgrundlage erst geschaffen wird. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wenn der Dienstherr die Schwerbehinderung des Beamten nicht kennt, kann er diesen auch nicht wegen seiner Behinderung benachteiligen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 1 K 16.1138 2017-02-21 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 8.064,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1.1 Der 1948 geborene Kläger unterrichtete bis zum Eintritt in den Ruhestand am 14. Februar 2014 als Oberstudienrat an der Berufsschule H.. Dort legte er am 26. Juni 2014 eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises vor, wonach er ab dem 9. September 2013 als schwerbehindert (GdB 50) gilt, und später eine Bescheinigung des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 30. Januar 2015 vor, wonach für die Zeit vom 15. März 2011 bis 8. September 2013 der Grad der Behinderung ebenfalls 50 beträgt. Die Klage, den Beklagten zu verpflichten, die dem Kläger als Schwerbehinderten seit dem Schuljahr 2010/2011 zu gewährenden 252 Ermäßigungsstunden als Mehrarbeit nachträglich zu genehmigen und zu vergüten, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Februar 2017 zu Recht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger damals tatsächlich Arbeit im Rahmen seiner Pflichtstunden geleistet habe und es schon an der für den Anspruch aus Art. 87 Abs. 5 Satz 1 BayBG tatbestandlich erforderlichen Genehmigung oder Anordnung fehle. Letztere könne der Dienstherr als Ermessensentscheidung nur unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände sachgerecht treffen. Eine abwägende und vorausschauende Berücksichtigung der Gesichtspunkte Vorrang des Freizeitausgleichs und zusätzliche finanzielle Belastung durch Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung könne bei einer rückwirkenden Genehmigung oder Anordnung keine Beachtung mehr finden. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht unter Berücksichtigung der Bestimmungen des SGB IX und der dazu ergangenen Teilhaberichtlinien gegeben. Eine Verpflichtung des Beklagten, die Pflichtstunden des Klägers wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend ab 15. März 2011 zu ermäßigen, bestehe nicht. Die Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts dienten dazu, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken. Die Leistungen seien damit stets auf Gegenwart und Zukunft gerichtet und nicht darauf, einen in der Vergangenheit liegenden Nachteil oder Schaden durch Geldleistungen zu kompensieren. Die vorliegend maßgebliche Frage, ob der Kläger Vorteile aus der Behinderteneigenschaft im Sinne einer Pflichtstundenreduzierung in Anspruch nehmen könne, beantworte sich dabei aber nicht aus dem Schwerbehindertenrecht, sondern den beamtenrechtlichen Bestimmungen.
Der Kläger wendet ein, er begründe seinen Anspruch auf Vergütung nicht damit, dass er Mehrarbeit im Sinne der beamtenrechtlichen Bestimmungen geleistet habe, sondern er berufe sich darauf, dass diese im Einklang mit höherrangigem Bundesrecht auszulegen seien mit der Folge, dass ihm nachträglich ein finanzieller Ausgleich dafür zu gewähren sei, dass die ihm als Lehrer obliegende Pflichtstundenzahl mit Rücksicht auf seine Eigenschaft als Schwerbehinderter nicht reduziert worden sei. Der hierfür zu gewährende Ausgleich entspreche in der Höhe derjenigen Vergütung, die für geleistete Mehrarbeit in dem entsprechenden Umfang zu gewähren sei. Ihm gehe es um einen finanziellen Ausgleich für Unterrichtsstunden, die er gehalten habe, nach den rechtlichen Vorgaben des Schwerbehindertenrechts eigentlich aber nicht hätte erbringen müssen.
Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Eine „Auslegung“ der beamtenrechtlichen Vorschriften über die Grenze ihres Wortlauts kommt nicht in Betracht. Dem tragenden Rechtssatz des Verwaltungsgerichts, dass die Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts dazu dienen, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken, und die Leistungen damit stets auf Gegenwart und Zukunft gerichtet seien und nicht darauf, einen in der Vergangenheit liegenden Nachteil oder Schaden durch Geldleistungen zu kompensieren, setzt der Kläger kein Sachargument entgegen. Das Schwerbehindertenrecht kann nicht dergestalt „in die Bestimmungen des Bayerischen Beamtengesetzes hineinwirken“, dass eine dort nicht vorhandene Anspruchsgrundlage erst geschaffen wird. Auch wenn der Kläger keine Verpflichtungsklage, sondern eine Leistungsklage unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 AGG erhoben hätte, ergäbe sich nichts anderes (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2018 – 3 ZB 16.581 – juris), denn wenn der Dienstherr die Schwerbehinderung des Beamten nicht kennt, kann er diesen auch nicht wegen seiner Behinderung benachteiligen.
Soweit der Kläger bemängelt, das Verwaltungsgericht habe sich mit den Teilhaberichtlinien vom 19. November 2012 und der Lehrerdienstordnung nicht angemessen befasst, genügt der Sachvortrag nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass sich der Kläger dem Dienstherrn gegenüber nicht darauf berufen hat, bis zur Entscheidung über den Schwerbehindertenantrag unter Vorbehalt als schwerbehinderter Beschäftigter behandelt zu werden, obwohl Nr. 2.2.2 Abs. 1 S. 4 der Teilhaberichtlinien diese Möglichkeit ausdrücklich vorsehe. Vor diesem Hintergrund ist das Beweisangebot in der Begründung des Zulassungsantrags unerheblich. Denn der Kläger behauptet selbst nicht, sich insoweit auf die Teilhaberichtlinien berufen zu haben. Auf den Umstand, dass die für die Stundenplanerstellung zuständige Lehrerkollegin, der der Kläger nach seinem Sachvortrag am Tag der Antragstellung auf Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft (9.9.2013) davon Kenntnis gegeben hat, nicht – wie der Kläger meint – Mitglied der Schulleitung war und für diese keine Erklärungen entgegen nehmen konnte, kommt es mithin ebenso wenig an wie darauf, dass der Beklagte die Auffassung vertritt, dass der vorübergehende Schutz arbeitszeitrelevante Vorschriften ohnehin nicht erfasse (Nr. 2.2.2 Abs. 1 Satz 7 der TeilR).
2. Dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat der Kläger nicht aufgezeigt (zum Darlegungserfordernis vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn 72). Es fehlt schon an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben