Arbeitsrecht

Erfolgloser Antrag auf Gestattung weiteren Verbleibs im Bundesgebiet im Wege einer einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  M 24 E 17.1000

Datum:
4.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 50 Abs. 2
VwGO VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

Für die begehrte Eilentscheidung des Gerichts fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, da zuvor kein entsprechender Antrag an die Verwaltung gestellt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens M 24 E 17.1000 zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Antragstellerin (ASt.) von der Antragsgegnerin (Ag.) verlangen kann, ihr einen über den 10. März 2017 hinausreichenden Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland zu gestatten.
Die ASt. ist russische Staatsangehörige (Teilvorgang 1, Blatt 6 der Ausländerakte, 1-Bl. 6) und ausweislich eines dänischen „Trauscheins“ (2-Bl. 12) seit … 2015 verheiratet, wobei der Ehemann der ASt. deutscher Staatsangehöriger ist (2-Bl. 11).
Die ASt. reiste in das Bundesgebiet mit einem Schengen-Visum, das vom 6. Juni 2016 bis zum 5. Juni 2018 Gültigkeit besitzt, aber nur einen 90-tägigen Aufenthalt ermöglicht, am 6. Juni 2016 am Flughafen … ein, am 3. September 2016 vom Flughafen … wieder aus und am 12. Dezember 2016 erneut am Flughafen … wieder ein (vgl. Kopie aus dem Reisepass der ASt. auf Telefaxseite 3 der am 9.3.2017 per Telefax gesendeten Antragsschrift).
Mit Schriftsatz vom … März 2017 (4-Bl. 2) wandte sich der Bevollmächtigte (Bev.) der ASt. an die Ausländerbehörde der Ag. wegen einer „Familienzusammenführung“. Dabei bat der Bev. die Ausländerbehörde der Ag. um einen Anruf – ihm sei im Augenblick nicht nachvollziehbar, was er für die ASt. und ihren Ehemann tun könne. Es könnte sein, dass der Ehemann mit Hilfe seiner Pflegeversicherung die Möglichkeit schaffen wolle, dass seine Frau ihn pflegt und damit genügend Einkommen nachweisen könne, um in … bleiben zu können.
Am 2. März 2017 hielt die Ausländerbehörde der Ag. in einem Telefonvermerk fest, nach telefonischer Rücksprache mit dem Bev. befindet sich die ASt. seit längerer Zeit in der Bundesrepublik und wohne bei ihrem Ehemann. Der Bev. werde eine Passkopie mit Einreisestempel übersenden, um nachzuweisen, seit wann die ASt. sich wieder im Bundesgebiet aufhalte (4-Bl. 4 f.).
Mit Antragsschrift vom … März 2017, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, beantragte der Bev.,
die Ag. zu verpflichten, der ASt. zu gestatten, über den 10. März 2017 hinaus mindestens einen Monat länger in … bleiben zu können.
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Visum der ASt. laufe am 10. März 2017 ab. Der Ehemann der ASt. lebe schon seit Jahren in … und wolle eine Familienzusammenführung, lebe allerdings von Hartz IV. Deshalb sei auch kein Visum für die Familienzusammenführung erteilt worden. Der Ehemann leide an einer chronisch verlaufenden Gesundheitsstörung (chronische Depression). Am 10. März 2017 zwischen …:00 Uhr und …:00 Uhr solle der Ehemann vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern begutachtet werden. Auszugehen sei von einer Pflegebedürftigkeit des Ehemannes. Die pflegende Person – die ASt. – solle bei der Begutachtung anwesend sein. Der Ehemann gehe mindestens von der Pflegestufe drei aus. Seine Ehefrau würde dann Pflegegeld in Höhe von mindestens 720,00 € erhalten. Sie hätte damit ein eigenes Einkommen und wäre nicht mehr vom Ehemann abhängig. Der Antragschrift war ein Schreiben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern vom … Februar 2017 beigefügt, das hinsichtlich des Ehemannes eine Erstbegutachtung nach SGB XI für den 10. März 2017 ankündigt.
Mit Schreiben vom 21. März 2017 setzte die Ausländerbehörde der Ag. der ASt. eine Ausreisefrist bis zum 26. April 2017 (2-Bl. 3) und stellte ein (ebenfalls auf den 21.3.2017 datierendes) Grenzübertrittsbescheinigungsformular (GÜB) aus (2-Bl. 2).
Mit Schreiben vom 24. März 2017 legte die Ag. dem Gericht die Ausländerakte der ASt. vor und beantragte
Antragsablehnung.
Dabei wurde unter anderem ausgeführt, seit dem Rückruf der Ausländerbehörde vom 2. März 2017 sei seitens der Antragspartei nichts mehr geschehen; insbesondere sei kein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung gestellt worden. Die ASt. halte sich inzwischen bereits erneut unerlaubt im Bundesgebiet auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Ausländerakte Bezug genommen.
Der Eilantrag bleibt erfolglos.
1. Dabei ist das der Antragsformulierung ( zu gestatten, über den 10.03.2017 hinaus mindestens einen Monat länger in … bleiben zu können …“) zugrunde liegende Begehren der ASt. dahin auszulegen (vgl. § 88 VwGO), von Ausreiseaufforderungen und Ausreisefristsetzungen der Ag. (als einer Voraussetzung für nachfolgende Abschiebungsmaßnahmen) verschont zu werden, wobei mit der Formulierung „mindestens einen Monat länger“ keine präzise zeitliche Grenze beschrieben ist, weswegen streitgegenständlich im Ergebnis eine unbefristete Gestattung des Verbleibs in … ist, sei es im Wege entsprechender Verwaltungsakte (beispielsweise durch längere Ausreisefristsetzungen – § 50 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz – AufenthG), sei es durch rein faktisches Unterlassen weiterer Ausreiseaufforderungen und Ausreisefristsetzungen.
Für den so auszulegenden Eilantrag ist das Verwaltungsgericht (VG) München als Gericht der Hauptsache gemäß § 123 Abs. 2 i.V.m. § 52 Nr. 3 Sätze 5 und 1 oder Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) insbesondere örtlich zuständig.
Es kann vorliegend ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden (§ 101 Abs. 3 VwGO), und zwar in der hierfür gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO vorgesehenen Besetzung.
2. Der Antrag bleibt schon deshalb erfolglos, weil die Antragspartei ihr Antragsbegehren nicht zunächst (erfolglos) im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat. Der Schriftsatz des Bev. vom … März 2017 an die Ausländerbehörde der Ag. reicht hierfür nicht aus, weil insoweit noch kein konkretes Begehren, sondern nur eine Möglichkeit formuliert worden ist. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass insoweit im nachfolgenden Telefonat vom 2. März 2017 eine Konkretisierung erfolgt wäre. Es besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung, wenn nicht zuvor zumindest versucht worden ist, das entsprechende Ziel direkt bei der Verwaltung zu erreichen.
3. Unabhängig davon hätte der Eilantrag aber auch in der Sache keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
3.1. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nur dann erfolgreich, wenn sowohl das behauptete strittige Recht (Anordnungsanspruch) als auch die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dabei zwar nicht nur dann geboten, wenn mit zweifelsfreier Sicherheit feststeht, dass das materielle Recht besteht, dessen Sicherung der Antragsteller im Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erstrebt oder auf das er eine Regelung im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreichen will. Erforderlich ist aber jedenfalls, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen dieses Rechts spricht, so dass der Rechtsschutzsuchende in der Hauptsache voraussichtlich obsiegen wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.).
3.2. Vorliegend hat die Antragspartei einen Anordnungsanspruch weder bezeichnet (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO) noch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Dabei hat die Ag. zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der Verwaltung bislang weder ein Antrag auf Duldung oder auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt worden ist, so dass auch im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens an Derartiges nicht angeknüpft werden kann. Die Antragspartei hat keine Vorschrift (in Bezug auf die Frage eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, einer Duldung oder sonstiger behördlicher Maßnahmen) bezeichnet, für die die von der ASt. und von ihrem Ehemann erhoffte Pflegegeldzahlung zu einer Gestattungspflicht der Ag. führen können sollte, wie sie hier von der Antragspartei rechtshängig gemacht worden ist.
Unabhängig davon ist bislang nicht einmal nachgewiesen, dass es überhaupt zu der von der Antragspartei erhofften Bewilligung von Leistungen nach SGB IX kommen wird.
Unabhängig davon wurden auch keine medizinischen Nachweise hinsichtlich der Erkrankung des Ehemannes der ASt. vorgelegt, geschweige denn erläutert, inwieweit sich daraus ein Anspruch auf Gestattung eines weiteren Aufenthalts ergeben können sollte.
4. Nachdem der Eilantrag vollständig erfolglos bleibt, hat die ASt. gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

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