Arbeitsrecht

Erstfestsetzung der Erfahrungszeiten

Aktenzeichen  AN 11 K 16.00708

Datum:
30.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBesG BBesG § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayJAPO § 25 Abs. 1 S. 3
BLV BLV § 20 S. 2, § 29

 

Leitsatz

1 Die geringfügige Beschäftigung eines Juristen mit einer monatlichen Arbeitszeit von 44 Stunden als Aushilfe in einer Anwaltskanzlei ist keine hauptberufliche Tätigkeit, die bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeit (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBesG) anerkannt werden kann. (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der juristische Vorbereitungsdienst ist ebenfalls keine anrechenbare hauptberufliche Tätigkeit (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBesG), weil bei ihm die Ausbildung und nicht die Erzielung von Entgelt im Vordergrund steht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zudem ist eine Anerkennung des juristischen Vorbereitungsdienstes als Erfahrungszeit ausgeschlossen, wenn er erst eine Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung ist, weil das mit der Ersten Juristischen Prüfung abgeschlossene Studium der Rechtswissenschaften inhaltlich nicht den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst entspricht (Parallelentscheidung VG Ansbach BeckRS 2017, 127012). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist zulässig, sie ist aber in der Sache unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2016 ist rechtmäßig und die Klägerin besitzt nicht den eingeklagten Anspruch (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Festsetzung der Erfahrungsstufe 1 unter Berücksichtigung von Erfahrungszeiten von 1 Jahr und 6 Monaten ist nicht zu beanstanden.
Eine vollständige Anerkennung der Vortätigkeiten der Klägerin scheidet aus, da weder ihre Tätigkeit in der Kanzlei …, noch der von ihr absolvierte juristische Vorbereitungsdienst nach § 28 BBesG bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten im Sinne des § 27 Abs. 3 BBesG anerkannt werden müssen oder anerkannt werden können.
I.
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG liegen nicht vor. Danach werden Zeiten einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb eines Soldatenverhältnisses, die für Beamte nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind, bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten im Sinne des § 27 Abs. 3 BBesG anerkannt.
Bei der Tätigkeit der Klägerin in der Kanzlei … handelte es sich zu keinem Zeitpunkt um eine hauptberufliche Tätigkeit. Der juristische Vorbereitungsdienst ist schon kein Beruf, sondern wird in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis abgeleistet und war im vorliegenden Fall überdies keine Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst, da das mit der Ersten Juristischen Prüfung abgeschlossene Studium der Rechtswissenschaften inhaltlich nicht den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst entspricht.
1. Die Beschäftigung der Klägerin in der Kanzlei … vom 1. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2015 stellte keine hauptberufliche Tätigkeit dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird eine Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt, wenn sie entgeltlich ist, gewolltermaßen den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt, in der Regel den überwiegenden Teil der Arbeitskraft beansprucht und dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht oder nahekommt. Die hauptberufliche Tätigkeit ist durch diese Merkmale von einer Tätigkeit abzugrenzen, die die Arbeitskraft nur nebenbei beansprucht oder neben einer hauptberuflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung ausgeübt werden kann (BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20/04 – juris Rn. 19). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Voraussetzung einer hauptberuflichen Tätigkeit bereits dann als erfüllt angesehen, wenn die Tätigkeit ihrem Umfang nach mindestens die Hälfte der regulären Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten einnimmt, ohne dann weitere Kriterien in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.1997 – 2 C 38.96 – juris Rn. 15). Eine diesen Bruchteil unterschreitende („unterhälftige“) Beschäftigung hat das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil nicht als hauptberuflich angesehen, weil nach den damals geltenden Fassungen der Beamtengesetze des Bundes und der Länder die Dienstzeit eines Beamten nicht auf ein Maß unterhalb der Hälfte der vollen Arbeitszeit abgesenkt werden konnte und das Gericht es als ausgeschlossen ansah, eine Beschäftigung als Vordienstzeit ruhegehaltserhöhend zu berücksichtigen, die wegen ihres „unterhälftigen“ Umfangs bei einem Beamten nicht vorkommen und deswegen nicht ruhegehaltfähig sein konnte. Im Urteil vom 29. September 2005 (BVerwG – 2 C 44.04 – juris Rn. 23) hat das Bundesverwaltungsgericht dann festgehalten, dass auch eine „unterhälftige“ Teilzeitbeschäftigung hauptberuflich ausgeübt werden könne. Da sich die Regelungen über die Teilzeitbeschäftigung der Beamten zwischenzeitlich wesentlich geändert hätten und der Bund wie auch die Länder von der Herabsetzung der regulären Arbeitszeit auf höchstens die Hälfte abgerückt seien, übe (auch) ein teilzeitbeschäftigter Beamter mit weniger als der Hälfte der Regelarbeitszeit sein Amt hauptberuflich aus, wenn er mindestens ein Kind unter achtzehn Jahren oder einen pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt. Dadurch werde berücksichtigt, dass ein Beamter, dem die Betreuung oder Pflege seiner Angehörigen obliege, objektiv daran gehindert sei, seine volle Arbeitskraft dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, wie es dem Leitbild des vollzeitig beschäftigten Beamten entspreche, der sich seinem Beruf mit voller Hingabe zu widmen habe. Gemäß § 91 Abs. 1 BBG kann Beamtinnen und Beamten (des Bundes), die Anspruch auf Besoldung haben, auf Antrag Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit und bis zur jeweils beantragten Dauer bewilligt werden, soweit dienstliche Belange dem nicht entgegenstehen. Gemäß § 92 Abs. 1 BBG wird Beamtinnen und Beamten, die Anspruch auf Besoldung haben, auf Antrag Teilzeitbeschäftigung (auch mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit) bewilligt, wenn sie mindestens ein Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, tatsächlich betreuen oder pflegen oder eine sonstige Angehörige oder einen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen, die oder der pflegebedürftig ist nach einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, nach einer entsprechenden Bescheinigung einer privaten Pflegeversicherung oder nach einem ärztlichen Gutachten oder an einer Erkrankung nach § 3 Absatz 6 Satz 1 des Pflegezeitgesetzes leidet, und keine zwingenden dienstlichen Belange entgegenstehen.
Gemessen hieran lag keine hauptberufliche Tätigkeit vor. Die Tätigkeit der Klägerin in der Kanzlei … war „unterhälftig“ bezogen auf die regelmäßige Arbeitszeit eines Bundesbeamten von 41 Wochenstunden gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AZV (im konkreten Fall der Klägerin 40 Wochenstunden gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV). Laut Vertrag zwischen der Klägerin und der Kanzlei … vom 1. Dezember 2010 handelte es sich um ein Aushilfsarbeitsverhältnis auf Stundenbasis auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung mit einer monatlichen Arbeitszeit von 44 Stunden. Mit Änderungsvereinbarung zum Aushilfsarbeitsverhältnis wurde vereinbart, dass die monatliche Arbeitszeit ab dem 1. Januar 2015 maximal 34,5 Stunden betrage. Die Voraussetzungen, unter denen auch eine „unterhälftige“ Tätigkeit als hauptberuflich gelten kann, sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Es wurde weder vorgetragen, noch ist es ersichtlich, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2015 familiäre Pflege- oder Betreuungspflichten zu erfüllen hatte und deswegen nur „unterhälftig“ in der Kanzlei … arbeiten konnte. Vielmehr hatte die Klägerin innerhalb dieses Zeitraumes anderweitige Kapazitäten in großem Umfang. Dies wird dadurch belegt, dass sie von Oktober 2006 bis 14. Juli 2011 Rechtswissenschaften studierte, vom 4. Oktober 2011 bis 20. November 2013 den juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte, vom 1. Mai 2014 bis 15. März 2015 mit 20 Wochenstunden in der Kanzlei … arbeitete und schließlich vom 20. Mai 2015 bis 31. Dezember 2015 als Vollzeitbeschäftigte bei der …tätig war. Mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 12. Oktober 2011 wurde der Klägerin zudem die Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin in der Kanzlei … … neben dem juristischen Vorbereitungsdienst antragsgemäß als Nebentätigkeit im Umfang von 44 Stunden monatlich genehmigt. Auch im Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Kanzlei … vom 1. Mai 2014 wurde in § 8 fixiert, dass die Klägerin eine Nebentätigkeit in der Kanzlei … ausübe.
2. Der von der Klägerin absolvierte juristische Vorbereitungsdienst vom 4. Oktober 2011 bis 20. November 2013 ist ebenfalls keine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBesG. Es liegt schon kein Beruf vor. Der juristische Vorbereitungsdienst wird in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis abgeleistet (vgl. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Juristischer Vorbereitungsdienst-Sicherungsgesetz (SiGjurVD)). Ein Ausbildungsverhältnis stellt keine anrechenbare Tätigkeit im Sinne des § 28 BBesG dar (vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz vom 14.6.2017, Ziffer 28.1.1.9). Beim juristischen Vorbereitungsdienst steht der Ausbildungszweck und nicht die Entgelterzielung im Vordergrund. In § 44 der Juristen-Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO) ist geregelt, dass der Ausbildungszweck des Vorbereitungsdienstes darin besteht, die Rechtsreferendare mit den Aufgaben der Rechtspflege und der Verwaltung vertraut zu machen und dadurch in die Verwirklichung des Rechts einzuführen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 SiGjurVD erhalten die Rechtsreferendare hierfür eine monatliche Unterhaltsbeihilfe.
Abgesehen von der fehlenden Hauptberuflichkeit war der juristische Vorbereitungsdienst im vorliegenden Fall überdies erst eine Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung, da das mit der Ersten Juristischen Prüfung abgeschlossene Studium der Rechtswissenschaften inhaltlich nicht den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst entspricht. Gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 1 BBG ist für die Zulassung zu den Laufbahnen des gehobenen Dienstes als Bildungsvoraussetzung eine zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand erforderlich. Als sonstige Voraussetzung ist gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) BBG ein mit einer Laufbahnprüfung abgeschlossener Vorbereitungsdienst oder gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) BBG i.V.m. § 20 Satz 1 Nr. 1 BLV ein inhaltlich dessen Anforderungen entsprechendes mit einem Bachelor abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss erforderlich. Gemäß § 20 Satz 2 BLV i.V.m. § 19 Abs. 2 BLV entspricht eine Ausbildung inhaltlich den Anforderungen eines fachspezifischen Vorbereitungsdienstes, wenn sie seine wesentlichen Inhalte in gleicher Breite und Tiefe vermittelt hat und die abschließende Prüfung der entsprechenden Laufbahnprüfung gleichwertig ist. Die Entsprechung setzt also eine im wissenschaftlichen wie im berufspraktischen Teil gleichwertige Ausbildung und Prüfung voraus, die den Bewerber in gleicher Weise einsatzfähig erscheinen lässt wie den Absolventen der Laufbahnprüfung (Battis, Bundesbeamtengesetz, § 17 Rn. 21). Im Hinblick auf den berufspraktischen Teil ist eine Gleichwertigkeit des mit einer Laufbahnprüfung abgeschlossenen Vorbereitungsdienstes und des mit der Ersten Juristischen Prüfung abgeschlossenen Studiums der Rechtswissenschaften nicht gegeben. Gemäß § 13 BLV dauert der Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst in der Regel drei Jahre und besteht aus Fachstudien und berufspraktischen Studienzeiten. Gemäß § 6 Abs. 3 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Dienst in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes (GntDAIVVDV) sind zwingend 2 Semester berufspraktische Studienzeiten in Bundesbehörden vorgesehen. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 JAPO haben Jurastudenten demgegenüber insgesamt nur drei Monate an praktischen Studienzeiten teilzunehmen, wobei sich die praktischen Studienzeiten gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 JAPO auf mindestens zwei der Bereiche Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht zu beziehen haben und in bis zu drei Abschnitte von je mindestens einem Monat Dauer bei einer oder mehreren Stellen aufgeteilt werden können. Diese Regelung macht es möglich, dass die von § 25 JAPO vorgeschriebenen praktischen Studienzeiten erfüllt sein können, ohne dass auch nur ein Tag Praktikumszeit im Bereich des Öffentlichen Rechts abgeleistet wurde. So verhielt es sich im Übrigen auch bei der Klägerin, die die vorgeschriebenen Praktika 2 Monate im Bereich des Strafrechts und 1 Monat im Bereich des Zivilrechts abgeleistet hat (vgl. Bl. 4f. der Behördenakte). Es ist nicht davon auszugehen, dass damit eine gleiche Einsatzfähigkeit vorliegt wie bei einem Bewerber, der den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst absolviert hat und damit 2 Semester berufspraktische Studienzeiten in Bundesbehörden absolviert hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es unerheblich, dass die Erste Juristische Prüfung hinsichtlich der damit dokumentierten Rechtskenntnisse gegenüber einem entsprechenden Bachelorabschluss höherwertig ist. Dies hilft nicht darüber hinweg, dass die mit dem Studium der Rechtswissenschaften erworbenen praktischen Kenntnisse nicht gleichwertig sind (in diesem Sinne auch VG Wiesbaden, B.v. 8.11.2012 – 3 L 1139/12.WI – juris). Die fehlende Gleichwertigkeit wird überdies auch nicht dadurch kompensiert, dass gemäß § 2 Satz 1 der Prüfungsordnung der Universität … für die Juristische Universitätsprüfung aufgrund der bestandenen Ersten Juristischen Prüfung der akademische Grad „Diplom-Jurist Univ.“ bzw. „Diplom-Juristin Univ.“ verliehen wird. Hierbei handelt es sich lediglich um einen formalen Akt, der fehlende praktische Kenntnisse nicht ersetzen kann.
II.
Eine Anerkennung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BBesG scheidet ebenfalls aus, da auch diese Ermessensvorschrift auf Tatbestandsebene hauptberufliche Zeiten, die nicht Voraussetzungen für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind, voraussetzt. Wie bereits dargelegt, handelte es sich sowohl bei der Tätigkeit der Klägerin in der Kanzlei … als auch bei ihrer Tätigkeit als Rechtsreferendarin im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes nicht um hauptberufliche Zeiten.
III.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 2 BBesG liegen ebenfalls nicht vor. Danach sind Beamten zwei Jahre als Erfahrungszeit anzuerkennen, wenn für die Einstellung ein mit einem Master abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss vorausgesetzt wird. Gemäß § 17 Abs. 5 Nr. 1 BBG wird nur für die Zulassung zu den Laufbahnen des höheren Dienstes ein mit einem Master abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss vorausgesetzt. Die Klägerin bekleidet ein Amt des gehobenen Dienstes. Hierfür ist gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 1 BBG als Bildungsvoraussetzung eine zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand ausreichend.
IV.
Schließlich scheidet eine Anerkennung der Tätigkeit der Klägerin in der Kanzlei … … und ihrer Tätigkeit als Rechtsreferendarin im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes auch nach § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG aus. Danach können zusätzliche Qualifikationen, die nicht im Rahmen von hauptberuflichen Zeiten erworben wurden, in besonderen Einzelfällen, insbesondere zur Deckung des Personalbedarfs, mit bis zu drei Jahren als Erfahrungszeit im Sinne des § 27 Abs. 3 BBesG anerkannt werden. Die Vorschrift ist schon auf tatbestandlicher Ebene nicht erfüllt, da kein besonderer Einzelfall im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG vorliegt. Der Begriff „in besonderen Einzelfällen“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der als tatbestandliche Voraussetzung voll verwaltungsgerichtlich nachprüfbar ist (Reich/Preißler, BBesG, § 28 Rn. 16).
Der Wortlaut der Vorschrift setzt einen äußerst strengen Maßstab an das Vorliegen dieser besonderen Konstellation. Ein besonderer Einzelfall muss sich von der Masse der Fälle in hohem Maße abheben. Der Begriff „Einzelfall“ impliziert schon für sich alleine eine geringe Wahrscheinlichkeit von Wiederholung. Der vorangestellte Begriff „besonderen“ und die Tatsache, dass die Entscheidung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 4 BBesG durch die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmten Stelle zu treffen ist, verdeutlicht und bestärkt den qualifizierten Ausnahmecharakter des § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG.
Gemessen hieran liegt im Fall der Klägerin kein besonderer Einzelfall vor. Die Klägerin hat zwar aufgrund des Abschlusses des juristischen Vorbereitungsdienstes mit bestandener Zweiter Juristischer Staatsprüfung die Befähigung zum Richteramt erworben (§ 5 Abs. 1 DRiG) und damit gemäß § 21 Abs. 2 BLV die Laufbahnbefähigung für den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst erlangt; der besondere Einzelfall kann jedoch nicht darin liegen, dass ein Bewerber die Qualifikation für eine höhere Laufbahn erwirbt und sich dann – aus welchen Gründen auch immer – entschließt, eine Laufbahn niedrigerer Stufe einzuschlagen. Das Besoldungsrecht trägt den unterschiedlichen Qualifikationen und den für ihren Erwerb erforderlichen Zeiten gemäß § 23 BBesG dadurch Rechnung, dass den jeweiligen Laufbahnen entsprechende Besoldungsgruppen zugewiesen sind. Diese Gesetzessystematik würde unterlaufen, wenn die Besoldungsdifferenz zwischen einem Amt einer niedrigeren Laufbahn und einem Amt einer höheren Laufbahn durch Anerkennung der Zeiten für den Erwerb der höheren Laufbahnbefähigung als Erfahrungszeit ausgeglichen würde (so auch OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.6.2016 – OVG 4 B 13. 15 – juris Rn. 53 zu § 28 Abs. 1 Satz 4 BBesG Bln).
Auch die mehrjährige Tätigkeit der Klägerin auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung in der Kanzlei … vermag einen besonderen Einzelfall im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 3 BBesG nicht zu begründen. Es kommt durchaus häufig vor, dass sich Volljuristen für eine Laufbahn im gehobenen Dienst entscheiden, insbesondere wenn aufgrund einer Prüfungsgesamtnote im unteren Bereich der Notenskala eine Einstellung im höheren Dienst höchstwahrscheinlich ausgeschlossen wäre. Unter den Jurastudenten und den Rechtsreferendaren sind juristische Nebentätigkeiten, sei es in Anwaltskanzleien, Wirtschaftsunternehmen oder an Universitäten, weit verbreitet. Die Klägerin wird damit folglich nicht zu einem besonderen Einzelfall, der sich von der Masse an Bewerbern wesentlich abhebt.
Die Klage bleibt somit ohne Erfolg. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt fußt auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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