Arbeitsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Kostentragungspflicht der Gegenseite nach Einstellung der Hauptsache

Aktenzeichen  B 6 K 19.284

Datum:
11.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40897
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 155 Abs. 2, § 162
AufenthG § 25a

 

Leitsatz

Legt das Gericht dem Beklagten die Kosten des Klageverfahrens auf, ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Kosten ihrer Rechtsverfolgung zu erstatten. Selbst wenn der Klägerin nachträglich Prozesskostenhilfe bewilligt würde, würde sich ihre Rechtsstellung nicht verbessern, sodass der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin fehlt.  (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, wird abgelehnt.
2. Das Verfahren wird eingestellt.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt

Gründe

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt. Der Antrag ist unzulässig, weil es für ihn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, legt das Gericht dem Beklagten die Kosten des Klageverfahrens auf. Der Beklagte ist folglich verpflichtet, der Klägerin die Kosten ihrer Rechtsverfolgung zu erstatten. Selbst wenn der Klägerin nachträglich Prozesskostenhilfe bewilligt würde, würde sich ihre Rechtsstellung nicht verbessern, so dass der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin fehlt (BayVGH, B. v. 13.11.2015 – 10 CE 15.1950 – juris Rn. 17f.).
2. Die Beteiligten haben die Hauptsache mit den am 09.10.2020 und am 30.10.2020 bei Gericht eingegangenen Erklärungen für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Da über die Kosten auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist, sind keine weiteren Sachverhaltsermittlungen zulässig (Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 VwGO Rn. 15).
Der Billigkeit entspricht es in der Regel, demjenigen die Kosten zu überbürden, der gemessen am Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Darüber hinaus ist jedoch auch zu berücksichtigen, inwieweit die Erledigung durch einen Beteiligten herbeigeführt worden ist. Wer sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begibt, dem dürfen ohne nähere Prüfung der Erfolgsaussichten die Kosten auferlegt werden (Rechtsgedanke des § 155 Abs. 2 VwGO). Stets ist jedoch zu prüfen, ob das „Nachgeben“ nicht letztlich auf einem außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegenden Ereignis beruht oder durch eine Handlung des Gegners veranlasst ist. In beiden Fällen rechtfertigt allein das Nachgeben die Kostenbelastung nicht. Insbesondere gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass der klaglos stellenden Behörde die Verfahrenskosten aufzuerlegen seien, vor allem dann nicht, wenn sie darauf beruht, dass sich das Rechtslage später geändert oder dass der Kläger neues Tatsachenmaterial beigebracht hat. (Clausing in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 162 Rn. 24). Nur wenn die Klaglosstellung allein auf einer geänderten Rechtsauffassung der Behörde beruht, ist es gerechtfertigt, ihr die Kosten aufzuerlegen (Schübel-Pfister, a. O., § 162 VwGO Rn. 18).
a) Bei Verpflichtungsbegehren tritt die Erledigung ein, wenn der erstrebte Ausspruch des Gerichts aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich oder sinnvoll ist und die Klage daher wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen werden müsste. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Behörde dem ursprünglich abgelehnten Antrag stattgibt (Schübel-Pfister, a. O., § 113 VwGO Rn. 131).
Erledigendes Ereignis war deshalb hier die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 25a AufenthG durch die Stadt … auf Betreiben des Beklagten. Dahingestellt sein lassen kann das Gericht, zumal in einer Kostenentscheidung nach den beiderseitigen Erledigungserklärungen, ob dieser Verwaltungsakt schon dadurch bekanntgegeben und dadurch wirksam geworden ist, dass die Stadt … am 23.09.2020 die Erteilung verfügt hat und den elektronischen Aufenthaltstitel gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei der Bundesdruckerei in Auftrag gegeben hat oder erst mit der Aushändigung des elektronischen Dokuments Ende Oktober (vgl. dazu VG Aachen, B. v. 10.11.2014 – 8 L 653/ 14 – juris Rn.17).
b) Billigem Ermessen entspricht es, wenn der Beklagte die Kosten zu tragen hat.
aa) Der Beklagte hat zwar die Erledigung herbeigeführt, als er der Klägerin die begehrte Aufenthaltserlaubnis erteilt hat. Dennoch sind ihm nicht ohne Prüfung der Erfolgsaussichten die Kosten aufzuerlegen. Denn er hat nicht allein ihre Rechtsauffassung geändert und nur deshalb dem Begehren der Klägerin entsprochen.
Im Bescheid vom 21.02.2019 hat der Beklagte die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG abgelehnt, weil die Klägerin nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei und die Passpflicht nicht erfüllt habe und von der Erfüllung der beiden allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden könne.
Wie sich aus dem Schreiben der Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle … (ZAB) an die Stadt … ergibt, bestand der Beklagte nunmehr nicht auf der Durchführung eines Visumverfahrens und änderte damit insoweit seine Rechtsauffassung. Er befürwortete aber nicht allein deshalb die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr hielt er zwar weiter daran fest, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG grundsätzlich nur nach Vorlage eines gültigen Reisepasses ausgestellt werden kann. Er sah diese Voraussetzung aber durch die der Klägerin zuzurechnende Vorlage eines echten gültigen Reisepasses seitens ihrer Mutter als erfüllt an.
Deshalb sind die Erfolgsaussichten, die die Klage unmittelbar vor dem Eintritt des erledigenden Ereignisses gehabt hätte, mit einzubeziehen.
bb) Stellt man damit darauf ab, wer voraussichtlich unterlegen wäre, wäre das Verfahren nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden, erscheint es ermessensgerecht, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Die Klägerin hatte unmittelbar vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25a AufenthG.
aaa) Die gegenüber Ausländern, deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt wurde, geltende Titelerteilungssperre gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG greift nicht ein, weil es sich bei der begehrten Aufenthaltserlaubnis um einen Aufenthaltstitel gem. § 23 -26 AufenthG handelt.
bbb) Einem heranwachsenden geduldeten Ausländer soll gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich seit vier Jahren ununterbrochen geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält (Nr.1), im Bundesgebiet seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht (Nr. 2), der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird (Nr. 3), es gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (Ziff. 4) und keine konkreten Anhaltspunkt dafür bestehen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt (Ziff. 5).
Die Klägerin erfüllte zu dem für die Kostenentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis diese speziellen Voraussetzungen der Anspruchsnorm.
aaaa) Nach telefonischer Auskunft des Beklagten besaß die 18 Jahre alte und damit gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 JGG als Heranwachsende anzusehende Klägerin zu dem für die Kostenentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Duldung.
bbbb) Zum Zeitpunkt unmittelbar vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, sei es nun am 23.09.2020 oder Ende Oktober 2020, hatte sie sich in den vier Jahren zuvor von Ende September/Oktober 2016 zunächst als Asylbewerberin mit einer Aufenthaltsgestattung und anschließend nach Unanfechtbarkeit der negativen Entscheidung des Bundesamtes geduldet im Bundesgebiet aufgehalten.
Lediglich in den knapp über zwei Wochen vom 22.11.2018 bis 07.12.2018 verfügte sie nur über eine Grenzübertrittsbescheinigung. Diese Unterbrechung wirkt sich aber nicht anspruchsschädigend aus. Denn der geforderte geduldete oder gestattete Voraufenthalt von mindestens vier Jahren soll nach Sinn und Zweck der Vorschrift als Grundlage für eine gelungene Integration dienen. Bei einer Ausländerin, die sich zum maßgeblichen Zeitpunkt seit der Erteilung ihrer ersten Aufenthaltsgestattung am 03.07.2014 fast sechseinhalb Jahre gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten hat, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit diese Unterbrechung, in der sie vollziehbar ausreisepflichtig war, aber nicht abgeschoben werden konnte, weil die ihr gesetzte Ausreisefrist noch lief, als unschädlich zu bewerten (so zur trotz der gegenüber § 25b AufenthG, wo es heißt „regelmäßig“ – zwingenden Forderung von Voraufenthaltszeiten in § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vergleichbaren Konstellation von kurzfristigen Duldungslücken bei § 25b AufenthG BVerwG, U. v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – InfAuslR 2020, 189 Rn. 48- 51).
cccc) Die Klägerin besucht seit dem Schuljahr 2016/2017 erfolgreich das …- … in …
dddd) Den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis stellte sie am 29.11.2018, mithin als Jugendliche (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 JGG).
eeee) Aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung in der Mittelschule … und am …, ihren deutschen Sprachkenntnissen, der Übernahme von schulischen Ehrenämtern (Schülerlotsin, Führen der Abwesenheitsliste) und der sportlichen Freizeitaktivität im Verein als Badmintonspielerin erscheint es gewährleistet, dass sie sich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik einfügen kann.
ffff) Konkrete Anhaltspunkte, dass sie sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundessrepublik Deutschland bekennen würde, liegen nicht vor.
ccc) Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis standen keine Ausschlussgründe entgegen.
aaaa) Nicht zu Lasten der Klägerin wirkt sich aus, dass sie – soweit dem Gericht aus den im Zusammenhang mit dem Prozesskostenhilfeantrag vorgelegten Unterlagen bekannt ist – Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht. Solange sich die Heranwachsende in einer schulischen Ausbildung befindet, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht aus (§ 25a Abs. Abs. 1 Satz 2 AufenthG).
bbbb) Gem. § 25a Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu versagen, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des Ausländers ausgesetzt ist.
Da das Gesetz formuliert „ausgesetzt ist“ und nicht „ausgesetzt war“, greift die Vorschrift nur ein, wenn die falsche Angabe zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt (noch immer) aktuell dazu führt, dass der Ausländer geduldet wird. Ausschließlich in der Vergangenheit liegende „erschlichene“ Abschiebungsaussetzungen schließen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deswegen nicht aus (Röder in: BeckOK MigR, Stand: 01.10.2020, § 25a AufenthG Rn.36).
Am 23.09.2020 bzw. Ende Oktober 2020 wurde die Klägerin geduldet, um ihr den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, während das Verwaltungsverfahren im Gange war, das auch nach Auffassung der Beklagten dazu führen sollte, dass ihr die beantragte Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Deshalb waren es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keine falschen Angaben der Klägerin, die zur Aussetzung der Abschiebung geführt haben.
cccc) Gem. § 25a Abs. 3 AufenthG ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch ausgeschlossen, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde.
Da die Klägerin bislang strafrechtlich nicht verurteilt wurde, schied auch dieser Ausschlussgrund aus.
ddd) Was die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen betrifft, hat die Klägerin mit der Vorlage eines gültigen armenischen Reisepasses am 25.02.2019, der sich als echt erwiesen hat, die Passpflicht gem. § 3 Abs. 1 AufenthG erfüllt. Das Visumerfordernis gem. § 5 Abs. 1 AufenthG das auch für Ausländer gilt, die einreisen, um ein Asylverfahren zu betreiben, hat die als armenische Staatsangehörige visumpflichtige Klägerin zwar nicht erfüllt. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann von der Anwendung von § 5 Abs. 2 AufenthG aber im Wege des Ermessens davon abgesehen werden. Einzig ermessensgerechte Entscheidung war hier, nicht auf der Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens zu bestehen. Nur so wird die gesetzgeberische Intention, gut integrierten Heranwachsenden eine eigene gesicherte aufenthaltsperspektive durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einzuräumen und dazu ihren Aufenthalt zu legalisieren, angemessen berücksichtigt. Dieser Gesetzeszweck hat im Gesetz selbst dadurch seinen Niederschlag gefunden, dass die ursprüngliche „Kann-Regelung“ mit Wirkung vom 01.08.2015 zu einer „Soll-Regelung“ aufgewertet wurde (für eine Reduzierung des Ermessens auf Null VGH Mannheim, B. v. 03.06.2020 – 11 S 427/20 – juris Rn. 42).
eee) Gem. § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen, wie hier, dafür vorliegen. Eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen, die positiv, aber auch negativ ausfallen kann, ist deshalb nur zu treffen, wenn atypische Umstände vorliegen.
Ein Ausnahmefall, der es rechtfertigt, abweichend vom Soll-Anspruch keine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, kann vorliegen, wenn der Aufenthalt durch eine gesetzeswidrige Mitwirkungsverweigerung bei der Passbeschaffung gewissermaßen „erzwungen“ wird (so zu § 25b AufenthG OVG Magdeburg, B. v. 18.11.2019 – 2 M 121/19 – juris Rn. 9). Da ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer nicht nur gehalten ist, an der Beschaffung eines gültigen Passes mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), sondern auch verpflichtet ist, wenn er einen Pass besitzt, das Ausweisdokument auf Verlangen der Ausländerbehörde vorzulegen, verweigert er die gebotene Mitwirkung auch dann, wenn er einen Pass, den er sich beschafft hat, trotz entsprechender Belehrungen nicht vorlegt. Dieses Verhalten ist, was seinen Unrechtsgehalt angeht, jedenfalls wenn der Pass längere Zeit vorenthalten wird und der Ausländer nicht aus einem anderen Grund ohnehin geduldet wird, dem aktiven Verhindern der Passausstellung gleichzusetzen. Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass der Ausländer gem. § 98 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG ordnungswidrig handelt, wenn er einen Pass nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt, aushändigt oder überlässt (für eine Berücksichtigung von Mitwirkungsverstößen durch Unterlassen auf der Rechtsfolgenseite als die Norm eine „Kann-Vorschrift“ war BVerwG, U. v. 14.05.2013 – 1 C 17.12 – BVerwGE 146, 281 = InfAuslR 2013, 324; gegen eine Berücksichtigung dieser Verstöße seit Einführung der Soll-Vorschrift Röder in: BeckOK MigR, Stand: 01.10.2020, § 25a AufenthG Rn. 33).
Nach dem bisherigen Sachstand, der der Kostenentscheidung zugrunde zu legen ist, hat die Klägerin dem Beklagten ihren Reisepass zumindest vom 22.11.2018 bis 25.02.2019 vorenthalten. Die Klägerin hatte laut einer Bescheinigung der Auslandsvertretung am 14.08.2018 die armenische Auslandsvertretung aufgesucht und dort einen Reisepass beantragt. Dabei erfuhr sie, dass die Bearbeitung einige Monate in Anspruch nehmen würde. Am 22.11.2018 erschienen ihre Eltern bei der ZAB und gaben laut einem Aktenvermerk an, die Klägerin besitze inzwischen einen Pass. Auf ihren Antrag vom 29.11.2018 hin teilte der Beklagte der Klägerin mit, für die Erteilung des bergehrten Aufenthaltstitels fehle es noch an einem gültigen Pass. Daraufhin händigte die Klägerin ihren Reisepass dem Beklagten am 25.02.2019 aus. Der Reisepass gilt seit 16.08.2018 und weist keine Bearbeitungshinweise der armenischen Auslandsvertretung in Deutschland auf, so dass es sich laut Auskunft der Polizeidienststelle, die seine Echtheit geprüft hat, auch um einen sog. Proxy-Pass handeln könnte.
Dieser Geschehensablauf ergibt sich für das Gericht aus der Behördenakte. Die persönliche Erklärung der Klägerin vom 23.10.2020 ändert daran nichts. Denn sie hält dem lediglich entgegen, sie habe das Dokument, nachdem sie den Brief mit dem Pass zu einem nicht genannten Datum vom Hausmeister der Gemeinschaftsunterkunft erhalten habe, bei nächster Gelegenheit bei der Ausländerbehörde vorgelegt. Damit vermag sie die glaubhafte Aussage ihrer Eltern vom 22.11.2018, ihre Tochter habe bereits einen Pass, nicht zu widerlegen.
Wegen des Vorenthaltens des Passes durch die Klägerin über einen Zeitraum von drei Monaten liegt hier aber noch kein Ausnahmefall vor, der es rechtfertigen würde, vom gesetzlichen Regelfall des Erteilens der Aufenthaltserlaubnis abzuweichen. Denn mit ihrer Vorgehensweise hat sie in der Zeit vom 22.11.2018 bis 25.02.2019 nicht ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erzwungen. Vielmehr wurde die Klägerin in diesem Zeitraum (ohnehin schon) auf Weisung des zuständigen Ministeriums wegen des anhängigen Petitionsverfahrens geduldet.
4. Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 GKG, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 8.1 Streitwertkatalog 2013 auf 5.000 EUR festgesetzt.


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