Arbeitsrecht

Festsetzung der versorgungsrechtlichen Anwartschaften

Aktenzeichen  M 12 K 17.4478

Datum:
18.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchfHwG § 27 Abs. 4, § 36 Abs. 2, § 37 Abs. 1
SchfG § 22 Nr. 3, § 29 Abs. 7, § 30 Abs. 1
GG Art. 14, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12

 

Leitsatz

1 Grundsätzlich sind bestehende Ansprüche und unverfallbare Anwartschaften auf eine Altersversorgung eigentumsrechtlich geschützt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich einen weiten Spielraum. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Rentenversicherungssystems zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Beschränkungen von Rentenansprüchen und -anwartschaften lässt die Eigentumsgarantie grundsätzlich zu (so BVerfG BeckRS 9998, 54785 ; BVerwG BeckRS 2005, 31320). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 § 27 SchfHwG dient der Umsetzung der Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister, die aufgrund des Wegfalls des europarechtswidrigen Kehrmonopols und der Schließung der Zusatzversorgung erforderlich geworden ist.  (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Gesetzgeber durfte die Anpassung der Leistungen und Anwartschaften statt wie bisher an die Entwicklung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst an die Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung koppeln. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
5 Es ist verfassungsrechtlich mit Art. 14 GG vereinbar, im Jahr 2013 eine Anpassung nur bis zur Hälfte des Prozentsatzes, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert, vorzusehen, um einer Belastung des Bundeshaushalts durch ein verfrühtes Eintreten des Bundes als Gewährträger der Zusatzversorgung entgegenzuwirken. (Rn. 29 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anpassung seiner Anwartschaften entsprechend § 30 Schornsteinfegergesetz (SchfG) noch auf Anpassung seiner Anwartschaften um den vollen Prozentsatz, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert hat (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Bescheide der Beklagten vom 4. Juli 2016 und 19. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2017 sind vielmehr rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Anpassung des Ruhegeldes ist § 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 i.V.m. Satz 1 des Gesetzes über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk vom 5. Dezember 2012 (Schornsteinfeger-Handwerksgesetz – SchfHwG, BGBl I S. 2467). Danach werden die Leistungen und Anwartschaften zum 1. Juli eines jeden Jahres um den Prozentsatz verändert, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. In den Jahren ab 2013 erfolgt jedoch keine Veränderung der Leistungen und Anwartschaften, die höher als die Hälfte dieses Prozentsatzes ist, bis die Höhe der Leistungen und Anwartschaften 5,2 Prozent unter dem Wert liegt, der sich bei einer vollen Anpassung ergeben würde.
Eine Anpassung entsprechend der Entwicklung des Jahreshöchstbetrags gem. §§ 29 Abs. 7, 30 Abs. 1 SchfG – wie sie der Kläger begehrt – sieht die geltende Rechtslage nicht mehr vor. Gem. Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008 (BGBl I S. 2242) ist das Schornsteinfegergesetz mit Ablauf des 31. Dezember 2012 außer Kraft getreten.
Der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich zum 1. Juli 2013 auf 28,14 Euro (0,25%), zum 1. Juli 2014 auf 28,61 Euro (1,67%), zum 1. Juli 2015 auf 29,21 Euro (2,1%), zum 1. Juli 2016 auf 30,45 Euro (4,25%) und zum 1. Juli 2017 auf 31,03 Euro (1,9%) erhöht (vgl. jeweils § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte für das jeweilige Jahr). Entsprechend § 27 Abs. 4 Satz 3 SchfHwG hat die Beklagte zutreffend die Leistungen um den jeweils hälftigen Prozentsatz und damit zum 1. Juli 2013 um 0,125%, zum 1. Juli 2014 um 0,835%, zum 1. Juli 2015 um 1,050%, zum 1. Juli 2016 um 2,125% sowie zum 1. Juli 2017 um 0,95% angepasst. Ein Anspruch auf Anpassung der Leistungen und Anwartschaften um den vollen Prozentsatz, um den sich der jeweils aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert hat, besteht (noch) nicht, da die Höhe der Leistungen und Anwartschaften noch nicht 5,2 Prozent unter dem Wert liegt, der sich bei einer vollen Anpassung ergeben würde.
2. Die maßgeblichen Normen des § 27 Abs. 4 SchfHwG stehen im Einklang mit höherrangigem Recht.
a) Die einschlägigen Vorschriften fallen unter die Normsetzungskompetenz des Bundes. Die Normsetzung im Bereich der Zusatzversorgung wird schon seit jeher auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG) gestützt (BT-Drs. 16/9237, S. 24 und BT-Drs. 17/10749, S. 18). Eine Änderung der Situation durch Inkrafttreten des Art. 72 Abs. 2 GG ist nicht eingetreten, da Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG davon nicht erfasst wird.
b) Weder die seit 1. Januar 2013 geltende Anpassung von Leistungen und Anwartschaften entsprechend des aktuellen Rentenwerts in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 27 Abs. 4 Satz 1 SchfHwG) noch die zunächst nur hälftige Anpassung (§ 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SchfHwG) verletzen Art. 14 GG.
Grundsätzlich sind Ansprüche und unverfallbare Anwartschaften auf eine Altersversorgung zwar eigentumsrechtlich geschützt. Der eigentumsrechtliche Schutz reicht aber nur soweit, wie Ansprüche bereits bestehen und verschafft diese nicht.
In den nach alter Rechtslage bestandskräftig festgesetzten Zahlbetrag des Ruhegelds des Klägers wird durch die Neuregelung des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes nicht eingegriffen. Die am 31. Dezember 2012 festgestellten Versorgungsleistungen Ruhegeld, Witwen- und Witwergeld, Waisengeld sowie Leistungen aus dem Härtefonds werden gem. § 27 Abs. 2 SchfHwG vielmehr weitergezahlt. Nach Aufzehrung des Kapitals der Versorgungsanstalt werden die Rentenleistungen in Zukunft aus Steuermitteln finanziert. Damit wird dem Bestandsschutzinteresse des Klägers genügt.
Ob die regelmäßige Anpassung von Renten bzw. Ruhegeld und Anwartschaften unter den Schutz der Eigentumsgarantie fällt, wenn wie hier bei Begründung dieser Rechte grundsätzlich eine Dynamisierung angelegt war, ist umstritten, käme nach Auffassung des Gerichts jedoch allenfalls in Betracht, soweit die Anpassung dem Erhalt des substantiellen Werts der Renten und Anwartschaften dient. Ob dies allerdings auch für Ruhegeld und Anwartschaften aus einer bloßen Zusatzversorgung gelten kann, erscheint zumindest fraglich. Darüber hinaus wird jedenfalls eine konkrete Höhe der Anpassung von Rentenleistungen nicht geschützt.
Vorliegend kann diese Frage jedoch offen bleiben. Selbst wenn man nämlich in der gesetzlichen Regelung des § 27 Abs. 4 SchfHwG eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sehen würde, wäre die Eigentumsgarantie vorliegend nicht verletzt.
Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich nämlich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 122, 151 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat bei der Gestaltung rentenversicherungsrechtlicher Positionen grundsätzlich einen weiten Spielraum. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Rentenversicherungssystems zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Umgestaltungen durch Änderung des Rentenversicherungsrechts, insbesondere eine Anpassung an veränderte Bedingungen, und im Zuge solcher Umgestaltungen eine Beschränkung von Rentenansprüchen und -anwartschaften lässt die Eigentumsgarantie grundsätzlich zu (BVerfGE 100, 1 (37); BVerwG, U.v. 21.9.2005 – 6 C 3/05 – juris). Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen – wie sie der Kläger postuliert – widerspricht dem Rentenversicherungsprinzip, das im Unterschied zum Privatversicherungsverhältnis von Anfang an nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern wesentlich auch auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruht (BVerfGE 58, 81). Der Gesetzgeber darf somit Bestimmungen im Hinblick auf eigentumsrechtlich geschützte Positionen treffen, jedoch mit ihnen diese Positionen nicht beliebig umgestalten. Vielmehr sind Regelungen, die zu Eingriffen führen, nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (BVerfGE 31, 275 (290)). Dabei müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn nicht unzumutbar sein (BVerfGE 58, 137). Die Gestaltungfreiheit des Gesetzgebers verengt sich in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind (BVerfGE 53, 257 (293)). Die eigene Leistung findet dabei vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen Ausdruck (BVerfGE 53, 257 (291)). Eigentumsrechtlich wäre es daher z.B. bedenklich, wenn die erworbenen Anwartschaften völlig entwertet würden (BVerfG, B.v. 17.12.2012 – 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 – juris).
Vorliegend haben sich die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Bezirksschornsteinfegermeister vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben, insbesondere des Wegfalls des Kehrmonopols, grundlegend geändert. Im Jahr 2008 wurde das deutsche Schornsteinfegermonopol wegen Europarechtswidrigkeit abgeschafft. Nach einer Übergangszeit bis Ende 2012 unterliegen die Bezirksschornsteinfeger nunmehr weitgehend dem freien Wettbewerb und sind mit anderen Handwerksberufen gleichgestellt. Dieser Veränderung hat der Gesetzgeber im Zuge der Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister durch Schließung der Zusatzversorgung zum 31. Dezember 2012 und Entlassung des Berufsstands aus der Beitragspflicht Rechnung getragen und damit die bisherige spezifische Alterssicherung an die neuen Gegebenheiten angepasst (BTDrucks. 17/10749, S. 1f.). Denn durch den Wegfall des Kehrmonopols wäre z.B. nicht mehr gewährleistet gewesen, dass die Beiträge für die Zusatzversorgung gemäß § 22 Nr. 3 SchfG a.F. in die Kehrgebühren eingerechnet werden. Vielmehr hätte das Mitglied die Beiträge aus den übrigen Einnahmen erwirtschaften müssen und es hätten dadurch schwerwiegende Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit der gesamten Versorgungsanstalt gedroht (vgl. Schira/Schwarz, Kommentar zum Schornsteinfeger-Handwerksgesetz 2009, IV. Teil, S. 169).
§ 27 SchfHwG dient der Umsetzung der Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister. Die tiefgreifende Änderung der Rahmenbedingungen durfte der Gesetzgeber auch zum Anlass nehmen, die künftige Anpassung der Leistungen und Anwartschaften neu zu regeln.
Im Zuge dessen wurde die Anpassung der Leistungen und Anwartschaften statt wie bisher an die Entwicklung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst an die Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt. Nach Aufzehrung des Kapitals der Versorgungsanstalt werden die Ruhegeldzahlungen in Zukunft aus Steuermitteln finanziert. Der Gesetzgeber durfte diese Maßnahme im Rahmen des ihm zukommenden Spielraums für geeignet und erforderlich ansehen, das Ziel der Angleichung der Alterssicherung der Bezirksschornsteinfeger an die Altersversorgung nunmehr vergleichbarer Berufsgruppen zu erreichen. Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie führt nicht zu einer betragsmäßigen Reduzierung des Rentenbetrags. Dieser wird vielmehr auch unter Geltung des § 27 Abs. 4 Satz 1 SchfHwG weiter dynamisiert, wenn auch nach einem anderen Maßstab. Ob sich der Wert der Rentenbeträge hierdurch überhaupt negativ verändert, hängt letztlich von der künftigen Anpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich zur Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst ab. Dass eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rentenversicherung den Kläger unverhältnismäßig belasten und ihm unzumutbar sein könnte, ist nicht ersichtlich, zumal Millionen gesetzlich Versicherten eben diese Anpassung ohne Weiteres zugemutet wird und es auch im öffentlichen Dienst bei entsprechender Haushaltslage immer wieder zu Nullrunden kommen kann. Die Koppelung der Dynamisierung der Leistungen an die Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt somit allein im gesetzgeberischen Gestaltungsermessen.
Auch die zunächst nur hälftige Anpassung von Renten und Anwartschaften ab dem Jahr 2013 bis der Wert der Leistungen und Anwartschaften 5,2 Prozent unter dem Wert liegt, der bei voller Anpassung erreicht würde, verstößt nicht gegen Art. 14 GG.
Die Regelung der Anpassung der Renten und Anwartschaften ab dem Jahr 2013 in § 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SchfHwG ist dabei von dem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt, einer Belastung des Bundeshaushalts durch ein verfrühtes Eintreten des Bundes als Gewährträger der Zusatzversorgung entgegenzuwirken, das darauf zurückzuführen ist, dass seit dem Jahr 2008 von der Vertreterversammlung der Zusatzversorgung keine Beschlussfassung mehr zur Anhebung der Beiträge erfolgt ist, die nach den Grundsätzen des Finanzierungssystems jedoch in dem Umfang der Dynamisierung von Leistungen und Anwartschaften in Höhe von insgesamt 5,2 Prozent hätten angehoben werden müssen. Dadurch überstiegen bereits ab dem Jahr 2009 – wie von der Vertreterversammlung beabsichtigt – die Leistungen die Beitragseinnahmen, die daraufhin aus den Zinserträgen des sog. Reservefonds bestritten werden mussten. Bei diesen Rückstellungen der Versorgungsanstalt im Reservefonds handelt es sich im Übrigen entgegen der Auffassung des Klägers keineswegs um ungerechtfertigte überhöhte Beitragseinnahmen, sondern um eine angemessene Reaktion auf die demographische Entwicklung zur Sicherstellung einer zukunftssicheren finanzierbaren Versorgung. Ab dem Jahr 2011 wurden keinerlei Einstellungen, sondern Entnahmen aus dem Reservefonds vorgenommen, um die gegenüber den leicht sinkenden Beitragseinnahmen stark ansteigenden Aufwendungen für Versicherungsfälle zu decken. Ziel der Bildung des Reservefonds war jedoch nicht die Vermeidung im System angelegter Beitragserhöhungen, sondern eine moderate Beitragsentwicklung angesichts der demographischen Entwicklung.
Der Bundesgesetzgeber ist nicht gehindert, nach der Schließung der Zusatzversorgung und damit nach einer tiefgreifenden Änderung der Rahmenbedingungen für die Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister bei der Ausgestaltung der Neuregelung der künftigen Dynamisierung der Renten und Anwartschaften die Auswirkungen dieser (politischen) Entscheidung der Vertreterversammlung für den Bundeshaushalt zu berücksichtigen. Angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bestehen hiergegen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal die Beschlusslage der Vertreterversammlung ersichtlich darauf gerichtet war, die in der Zusatzversorgung vorhandenen Rücklagen vor dem Hintergrund der absehbaren Neuregelung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und der Gewährträgerschaft des Bundes bis zur Schließung der Zusatzversorgung möglichst weitgehend aufzulösen. Diesen Nachteil zulasten des Bundeshaushalts annähernd auszugleichen und einen späteren Zeitpunkt für den Eintritt des Bundes zu erreichen mit der Folge einer entsprechenden Entlastung des Bundeshaushalts stellt ein gewichtiges öffentlichen Interesse dar, das ähnlich wie der Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Rentenversicherungssystems, der vorliegend aufgrund Schließung der Zusatzversorgung nicht mehr möglich ist, geeignet ist, eine Anpassung der künftigen Entwicklung von Rentenansprüchen und Anwartschaften zu begründen.
Die vom Gesetzgeber in § 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SchfHwG getroffene Regelung ist auch verhältnismäßig. Der Gesetzgeber durfte diese Maßnahme im Rahmen des ihm zukommenden Spielraums für geeignet und erforderlich ansehen. Die Entlastungswirkung zugunsten des Bundeshaushalts ist nicht zu beanstanden. Es liegt innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, angesichts der Haushaltslage des Bundes und der kausalen Verantwortlichkeit des Berufsstandes für die Finanzsituation der Zusatzversorgung den fiskalischen Interessen des Bundes Priorität einzuräumen. Dass höhere Beiträge in die Kehrgebühren eingerechnet und damit letztlich wirtschaftlich vom Gebührenschuldner zu tragen gewesen wären, ändert an der kausalen Verantwortlichkeit des Berufsstandes für die Finanzsituation der Zusatzversorgung nichts.
Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Es handelt sich lediglich um eine vorübergehende, begrenzte Ausnahme von dem ansonsten geltenden Grundsatz der jährlichen Anpassung entsprechend der Anpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung, die zu einer Absenkung der künftigen Steigerung von Renten und Anwartschaften von lediglich 5,2 Prozent führen soll. Ihr kommt kein strukturelles Gewicht zu. Zudem führt die Maßnahme nicht zu einer betragsmäßigen Reduzierung des Rentenbetrags. Dieser wird vielmehr auch unter Geltung des § 27 Abs. 4 Satz 2 SchfHwG weiter dynamisiert, wenn auch vorerst nur mit dem hälftigen Prozentsatz. Ob sich der Wert des Ruhegeldes hierdurch überhaupt negativ verändert, hängt letztlich von der künftigen Anpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung und der zwischenzeitlichen Geldentwertung ab. Dass diese – angesichts der nach wie vor bestehenden Dynamisierung – verhältnismäßig geringe Entwertung der Rentenbeträge einen erheblichen Nachteil begründet, ist nicht ersichtlich (vgl. BVerfG, B.v. 26.7.2007 – 1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07 – juris). Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass weder die gesetzliche Rentenversicherung noch die bisherige Regelung der Zusatzversorgung (vgl. „Nullrunden“ im öffentlichen Dienst) einen Ausgleich mindestens in Höhe der Inflationsrate vorsieht bzw. vorgesehen hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 21. September 2005. Im Gegensatz zu der dortigen Fallgestaltung handelt es sich im vorliegenden Fall gerade nicht um eine Vollrente, mit der der Kläger allein oder maßgebend seine Existenzsicherung bestreiten müsste, sondern lediglich um eine Zusatzversorgung neben den gesetzlichen Rentenansprüchen. Auch betrifft die Regelung nicht einseitig die Gruppe der Bestandsrentner, sondern alle Mitglieder der Versichertengemeinschaft, da auch die unverfallbaren Anwartschaften der aktiven Mitglieder geringer dynamisiert werden. Zudem wird die Dynamisierung nicht völlig ausgesetzt (s.o.), so dass weiterhin auch ein Inflationsausgleich gewährt wird. Schließlich ist auch die Größenordnung mit 5,2 Prozent deutlich kleiner als in der dem o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fallkonstellation mit fast 20 Prozent. Von einer substantiellen Entwertung des Ruhegeldes kann daher vorliegend nicht ausgegangen werden.
c) Die Regelung des § 27 Abs. 4 SchfHwG verletzt den Kläger auch nicht in einem schützenswerten Vertrauen auf die Kontinuität der Leistungen der Zusatzversorgung (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG). Zwar kann die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte durchaus die Erwartung bei den Mitgliedern der Zusatzversorgung begründet haben, dass eine fortwährende Erhöhung des Leistungsniveaus der Renten entsprechend der Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst stattfindet. Aus dieser Erwartung ergibt sich jedoch kein schutzwürdiges Vertrauen in eine uneingeschränkte und stetige Rentenerhöhung nach einem bestimmten Maßstab (BVerfG, B.v. 26.7.2007, a.a.O). Weder die Satzungslage noch die Systematik der Zusatzversorgung könnte eine entsprechende Automatik begründen. Eingriffe in die Systematik der regelmäßigen Rentenanpassung dürfen allerdings nicht zu einer substantiellen Entwertung der erreichten Ansprüche und Anwartschaften mit der Folge führen, dass diese im Ergebnis leer laufen. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall von der Systematik der regelmäßigen Rentenanpassung nicht abgewichen wurde, sondern diese sich nur an einem anderen Maßstab orientiert und für einen gewissen Zeitraum geringer ausfällt, ist für eine substantielle Entwertung der erreichten Ansprüche und Anwartschaften, die dazu führte, dass die Rente ihre Funktion als substantielle Alterssicherung verlöre, nichts ersichtlich (s.o.).
Auch eine Verletzung des in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rückwirkungsverbots liegt nicht vor. Eine grds. unzulässige echte Rückwirkung liegt nicht vor, da der Gesetzgeber nicht rückwirkend in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen hat. Die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 4 SchfHwG gelten nicht für einen vor der Verkündung beendeten Tatbestand. Vielmehr regelt § 27 Abs. 4 Sätze 2 und 3 SchfHwG ausschließlich die Dynamisierung von Leistungen und Anwartschaften für die Zukunft. Weder werden die Erhöhungen von Leistungen und Anwartschaften in den Jahren 2009 mit 2012 mit insgesamt 5,2% entwertet – die dadurch erreichten Leistungen und Anwartschaften werden vielmehr vollumfänglich übernommen – noch werden ergänzende Beiträge verlangt, so dass auch der stabile Beitragssatz in den Jahren 2009 bis 2012 nicht nachträglich in Frage gestellt wird. Eine unechte Rückwirkung wäre dann gegeben, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich eine betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfG v. 17.12.2012, a.a.O. Rn. 26 ff. m.w.N.). Ob hier die Anwartschaften des Klägers durch eine Änderung der Dynamisierung überhaupt in irgendeiner Weise nachträglich entwertet wurden, kann vorliegend auch dahinstehen, da eine unechte Rückwirkung grds. zulässig ist. Entgegen der Auffassung des Klägers gibt es keinen generellen Vertrauensschutz auf den Fortbestand von Gesetzen. Vielmehr muss der Gesetzgeber die Möglichkeit haben, auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können. Dass die Betroffenen mit dem Eingriff nicht hätten rechnen können und deren Vertrauen schutzwürdiger als das mit der Neuregelung verfolgte Anliegen wäre, ist nicht ersichtlich. Es war vielmehr seit langem bekannt, dass im Schornsteinfegerrecht Änderungen erfolgen müssen, da bezüglich des Schornsteinfegergesetzes bereits im Jahre 2001 ein Vertragsverletzungsverfahren unter der Nr. 2001/5162 gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig gemacht wurde (BTDrucks. 16/8086, S. 7). Es musste den Betroffenen klar gewesen sein, dass durch die Veränderungen im Schornsteinfegerwesen, insbesondere den Wegfall des Kehrmonopols, auch Änderungen im Versorgungssystem erfolgen werden. Die Anpassung an die Versorgung nunmehr vergleichbarer Handwerksberufe ist die logische Folge dieser Entwicklung und war angesichts der intensiven Diskussionen auch im Bundestag über die Zukunft des Schornsteinfegerhandwerks zu erwarten. Ebenso musste den Betroffenen klar sein, dass vor diesem Hintergrund die am 10. Juli 2008 beschlossene Beitragssenkung bzw. das Unterlassen von systemimmanenten Beitragsanpassungen, die letztlich zulasten des Bundeshaushalts erfolgten, nicht ohne Folgen für die künftige Entwicklung von Leistungen und Anwartschaften bleiben wird. Darüber hinaus wäre auch ein Vertrauen der Betroffenen nicht schutzwürdiger als das mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Ziel der Angleichung an vergleichbare Handwerksberufe bzw. der Entlastung des Bundeshaushalts.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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