Arbeitsrecht

Festsetzung von Kindergeld

Aktenzeichen  6 K 401/18

Datum:
4.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5909
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 63 Abs. 1
FGO § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die beantragte Festsetzung von Kindergeld abgelehnt, weil dem Kläger für den Zeitraum ab März 2013 kein Kindergeldanspruch für A zusteht.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Die Berücksichtigung von A ist ab März 2013 ausgeschlossen, weil sie eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während ihrer nachfolgenden (Zweit-)Ausbildung mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitete (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2016, a.a.O., Tz 12, juris-Dokumentation).
Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2016, a.a.O., Tz. 12, juris-Dokumentation).
Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern als ein die berufliche Erfahrung berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung) dar. Die vor dem Beginn des Studiums erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt. Das Gleiche gilt, wenn ein Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient, weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte beginnen können. Wird somit eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten aufgenommen, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die einzelnen Ausbildungsabschnitte regelmäßig nicht mehr integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2016, a.a.O., erster Leitsatz und Tz 15, juris-Dokumentation).
Nach diesen Grundsätzen, die das Gericht für zutreffend hält, führt im Streitfall die Ausbildung zur Bankkauffrau zu einem Verbrauch der Erstausbildung. Denn das durchgeführte Studium stellt sich nicht als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern als ein die berufliche Erfahrung berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung) dar, weil die Zulassung zu diesem Studium eine vorherige Berufstätigkeit (Berufspraxis) voraussetzt. Die vor dem Beginn des Studiums erforderliche Berufspraxis führt zu einem Einschnitt, der den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt. Umstände, die dennoch ausnahmsweise die Annahme einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Die Einwände des Klägers führen zu keinem anderen Ergebnis.
Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, soweit er vortragen lässt, dass ein Studium, das nach dem Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung aufgenommenen wurde und eine vorherige Berufstätigkeit voraussetzt, ausnahmsweise keine Zweitausbildung darstellt, wenn objektive Beweisanzeichen dafür vorliegen, dass bereits vor dem Abschluss der kaufmännischen Ausbildung beabsichtigt war, die Berufsausbildung durch das Studium fortzusetzen.
Ist dies nicht der Fall, scheitert eine einheitliche erstmalige Berufsausbildung bereits deshalb, weil kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten besteht. Denn diese Voraussetzung muss stets erfüllt sein, um zwei Ausbildungen als eine einheitliche Berufsausbildung einstufen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2016, a.a.O., Tz 12, juris-Dokumentation). Bei einer zwingenden Voraussetzung für eine einheitliche erstmalige Berufsausbildung kann es sich jedoch nicht um Umstände handeln, bei deren Vorliegen ein Studium, dass eine vorherige Berufstätigkeit voraussetzt, ausnahmsweise nicht als Zweitausbildung anzusehen ist. Denn dann wäre die Zäsur der Berufstätigkeit, die regelmäßig zur Einstufung als Zweitausbildung führt, bedeutungslos, weil sie nur vorläge, wenn eine einheitliche Berufsausbildung bereits aus anderen Gründen abzulehnen ist.
Aus dem BFH-Urteil vom 04.02.2016, a.a.O. folgt nichts Anderes. Der BFH hat in diesem Urteil unter 2. b) festgestellt, dass eine einheitliche Ausbildung zu verneinen ist und das Studium an der VWA nicht mehr als Erstausbildung anzusehen ist. Er hat dies unter 2 b) bb) damit begründet, dass das Studium kein integrativer Bestandteil einer einheitlichen Ausbildung ist, weil es eine Berufstätigkeit voraussetzt. Ferner hat er unter 2. b) d) ausgeführt: „Darüber hinaus war im Streitfall aufgrund objektiver Beweisanzeichen nicht erkennbar, dass J nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen im Januar 2014 noch eine weiterführende Ausbildung als Teil einer Erstausbildung anstrebte. Nach den Feststellungen des FG-Urteils bewarb sie sich erst im Mai 2014 während ihrer Berufstätigkeit um ein weiterführendes Studium“.
Somit ergibt sich nicht nur aus der Gliederungssystematik des Urteils, sondern auch aus dem Wortlaut „Darüber hinaus (…)“, dass es sich bei den Ausführungen unter 2. b) d) um einen zusätzlichen Grund handelt, der ebenso wie der unter 2 b) bb) genannte Grund, bereits für sich genommen, die Ablehnung einer einheitlichen Berufsausbildung rechtfertigt.
Nach alledem ist im Streitfall unerheblich, ob objektive Beweisanzeichen vorliegen, dass A bereits während ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau beabsichtigte zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein Studium an der VWA zu beginnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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