Arbeitsrecht

Geltendmachung und Höhe des Hinterbliebenengeldes wegen eines tödlichen Verkehrsunfalls

Aktenzeichen  12 O 4540/18

Datum:
17.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 24127
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 844 Abs. 3
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB muss nicht beziffert werden, damit der Klageantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, wenn ein Mindestbetrag genannt wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Angemessenheit eines Hinterbliebenengeldes nach § 844 Abs. 3 BGB in Höhe von 5.000 € für den Sohn und von 3.000 € für die Schwiegertochter der Getöteten.   (Rn. 23 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.
Obwohl die geltend gemachten Zahlungsanträge der Hauptsache nicht beziffert sind, entspricht dies dennoch § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Denn ebenso wie bei einem Schmerzensgeldanspruch hängt die Anspruchshöhe von der Ausübung richterlichen Ermessens ab. Aus diesem Grund kann von einer Partei für die Zulässigkeit der Klage nicht verlangt werden, dass sie einen expliziten Betrag im Klageantrag nennt. Beide Kläger haben zudem einen Mindestbetrag genannt, den sie als angemessen erachten. Dies genügt für die Zulässigkeit.
2. Die Klage ist nicht begründet.
Den beiden Klägern stehen über die bereits gezahlten 5.000,00 € bzw. 3.000,00 € hinaus keine weitergehenden Ansprüche auf Zahlung von Hinterbliebenengeld gemäß §§ 844 Abs. 3 BGB, 10 Abs. 3 StVG zu.
2.1. §§ 844 Abs. 3 BGB, 10 Abs. 3 StVG sind in der seit 22.07.2017 (vgl. Art. 229 § 43 EGBGB) geltenden Fassung anzuwenden, da sich der Verkehrsunfall zeitlich danach ereignet hat.
2.2. Dem Grunde nach liegen die Voraussetzungen für Zahlung von Hinterbliebenengeld nach den genannten Vorschriften unstreitig vor.
§§ 844 Abs. 3 BGB, 10 Abs. 3 StVG regeln den Ausgleich seelischer Nachteile, die durch den Verlust einer geliebten Person für die Hinterbliebenen eintreten. Maßgeblich ist das besondere persönliche Näheverhältnis des Hinterbliebenen zu dem Getöteten.
Dieses wird jeweils nach Satz 2 der genannten Vorschriften für den Kläger zu 1) als einem Kind der Getöteten vermutet.
Zugunsten der Klägerin zu 2) geht das Gericht von ihren tatsächlichen Behauptungen hinsichtlich ihrer besonderen Nähe zur Getöteten aus. Soweit die Beklagten dies mit der Klageerwiderung bestritten haben, ist der Umstand dieses Bestreitens in Bezug auf die Zahlung eines Geldbetrages als Hinterbliebenengeld an die Klägerin zu 2) in sich widersprüchlich und nicht recht nachvollziehbar. Zumal die Klägerin zu 2), wie sich im Rahmen ihrer Anhörung ergab, der deutschen Sprache nicht mächtig ist und deswegen auf Angehörige und Verwandte, die arabisch sprechen, zur Kommunikation angewiesen war und ist. Dies belegt nachvollziehbar, dass die Schwiegermutter für die Klägerin zu 2) eine ihr besonders nahe stehende Person war, zumal dem Familienband im nordafrikanischen Lebensraum, aus dem sowohl die Getötete als auch die Klägerin zu 2) stammen, eine erhebliche Bedeutung zukommt.
2.3. Das Gericht hält für den Kläger zu 1) ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 5.000,00 € und für die Klägerin zu 2) ein solches in Höhe von 3.000,00 € für angemessen.
2.3.1. Hinsichtlich des Klägers zu 1) geht das Gericht von den tatsächlichen Behauptungen in den beiden genannten Schriftsätzen des Klägervertreters sowie dem Inhalt des ärztlichen Attestes vom 30.10.2018 aus.
Allerdings muss angeführt werden, dass der Inhalt dieses Attestes eher nichtssagend ist und insbesondere keine tatsächlichen Umstände aufführt, die die dort angeführten Schlussfolgerungen tragen könnten. Nichtsdestotrotz geht das Gericht von den dort festgestellten Schlussfolgerungen als unfallbedingt aus.
Unter Berücksichtigung aller vorgetragenen Umstände, aber auch des Umstandes, dass ein Schockschaden beim Kläger zu 1) – wie auch bei der Klägerin zu 2) – nicht vorlag, hält das Gericht 5.000,00 € für angemessen.
Insofern wird auf die Bundestagsdrucksache 18/11397 vom 07.03.2017 (Seite 11) Bezug genommen. Dort geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass die durchschnittliche Schockschadenshöhe 10.000,00 € beträgt. Unabhängig davon, dass die Frage der Relevanz eines arithmetischen Mittels bezogen auf den Einzelfall völlig unerheblich ist, gibt es doch ein gewisses Maß vor, das auch beim Hinterbliebenengeld nicht unberücksichtigt bleiben kann.
Hinsichtlich der Grundlagen sowie der Höhe weist das Gericht auf die Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 17.05.2019 (3 O 108/18) hin. Dort hat das Gericht unter Randnr. 77 bis 107 (zitiert nach JURIS) die detaillierten Begründungsansätze aufgezeigt und inhaltlich überzeugend dargestellt. Das Gericht macht sich diese Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der von dem Kläger zu 1) behaupteten tatsächlichen Auswirkungen des Unfalltodes der Mutter auf ihn, hält das Gericht insgesamt 5.000,00 € als Hinterbliebenengeld für angemessen. Dieser Betrag ist durch die Beklagte zu 2) bezahlt. Ein Anspruch des Klägers zu 1) besteht damit nicht mehr.
Auch der Klägerin zu 2) steht kein über die bereits bezahlten 3.000,00 € hinausgehender weiterer Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenengeld zu.
2.3.2. Die psychische Beeinträchtigung der Klägerin zu 2) und der besondere Verlust einer Kommunikationspartnerin, mit der sie in derselben Sprache kommunizieren konnte, wiegen zwar erheblich. Allerdings sind auch bei der Klägerin zu 2) die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schockschadens nach deutscher Rechtsprechung nicht gegeben. Auch unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung und der vorgebrachten tatsächlichen Umstände, auch des Inhalts des ärztlichen Attestes vom 30.10.2018, hält das Gericht 3.000,00 € für angemessen. Damit steht auch der Klägerin zu 2) kein Zahlungsanspruch mehr zu.
2.4. Da schon die Hauptansprüche nicht bestehen, sind auch die Nebenansprüche (Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten) nicht begründet.
Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 2 ZPO.


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