Arbeitsrecht

Gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufs bei psychiatrischer Erkrankung

Aktenzeichen  M 16 K 16.4035

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Wird die gesundheitliche Eignung eins an einer psychiatrischen Krankheit leidenden Arztes durch Medikamente und ambulante psychiatrische Behandlung sichergestellt, so wird die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung nicht in Frage gestellt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Arzt die zur Aufrechterhaltung seines Gesundheitszustands erforderliche Medikation absetzen und/oder die ambulante psychiatrische Behandlung abbrechen wird, so kann das Fortbestehen der Ruhensanordnung nicht mehr auf die unstreitig vorliegende psychiatrische Erkrankung gestützt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Unter Aufhebung des Bescheides der Regierung von Oberbayern vom 4. August 2016 wird der Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Aufhebung des Ruhens der Approbation vom 13. Juli 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist sofort vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 4. August 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags vom 13. Juli 2015, der auf Aufhebung des Ruhens seiner Approbation gerichtet ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung – BÄO kann das Ruhen der Approbation durch die zuständige Behörde angeordnet werden, wenn die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO nachträglich weggefallen ist. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO regelt, dass die Approbation als Arzt zu erteilen ist, wenn der Antragsteller nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist. Gemäß § 6 Abs. 2 BÄO ist die Anordnung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. § 6 Abs. 2 BÄO räumt somit dem von einer Ruhensanordnung Betroffenen einen Rechtsanspruch auf deren Aufhebung ein, wenn seine gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs wieder hergestellt ist.
Ob der Kläger einen Anspruch auf Aufhebung der Ruhensanordnung hat, kann abschließend nicht entschieden werden. Das eingeholte Gutachten deckt ausdrücklich nur Fragen der gesundheitlichen Eignung aus psychiatrischer Sicht ab. Der Beklagte ist befugt, seine erneute Entscheidung über das Aufhebung der Ruhensanordnung von der Vorlage eines aktuellen ärztlichen Attestes abhängig zu machen, das dem Kläger die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufs auch im Übrigen bestätigt. Nachdem bei der testpsychologischen Begutachtung vom 16. November 2015 eine – gemessen an der überdurchschnittlichen prämorbiden Leistungsfähigkeit des Klägers – sehr leichte Verminderung seines aktuellen geistigen Leistungsniveaus, einhergehend mit einer Verlangsamung der Wahrnehmungsgeschwindigkeit und der kognitiven Flexibilität zwar ohne klinische Relevanz festgestellt, gleichwohl aber eine Überprüfung in einer entsprechend ausgestatteten ärztlichen Praxis angeregt wurde, bleibt es dem Beklagten auch unbenommen, den Kläger auch insoweit zur Vorlage eines aktuellen Attestes aufzufordern. Die Sache ist daher nicht spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Bei der erneuten Entscheidung über den Antrag des Klägers vom 13. Juli 2015 wird der Beklagte zu beachten haben, dass das Fortbestehen der Ruhensanordnung nicht mehr auf die unstreitig vorliegende psychiatrische Erkrankung des Klägers gestützt werden kann. Nach Überzeugung des Gerichts führt diese nicht mehr dazu, dem Kläger die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufs abzusprechen.
Die gesundheitlichen Anforderungen des Arztberufs ergeben sich im Wesentlichen aus der Berufsordnung, vorliegend also aus der hier maßgeblichen von der Bayerischen Landesärztekammer gemäß § 20 Heilberufe-Kammergesetz – HKaG erlassenen Berufsordnung – BO für die Ärzte Bayerns in der Bekanntmachung vom 9. Januar 2012 i.d.F. der Änderungen vom 25. Oktober 2015. Danach setzen insbesondere die in den §§ 1 ff. BO aufgeführten Aufgaben des Arztes – allgemeine ärztliche Berufspflichten, Fortbildungsverpflichtungen und Pflichten gegenüber dem Patienten (§§ 7 ff. BO) –, in deren Zentrum der Heilauftrag des Arztes bzw. die Tätigkeit des Arztes als Dienst an der menschlichen Gesundheit steht, neben der fachlichen Kompetenz notwendigerweise auch die psychische und physische Fähigkeit voraus, diese zu erfüllen. Die ärztliche Tätigkeit in Diagnose und Therapie und die damit verbundenen Risiken bzw. Gefahren für Leib und Leben anvertrauter Patienten verlangen vom behandelnden Arzt ein hinreichend hohes Maß an Konzentration und kognitiven Fähigkeiten sowie körperliche und psychische Belastbarkeit (vgl. VG Augsburg, U.v. 12.1.2017 – Au 2 K 15.1777 – juris).
Nach den überzeugenden, schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Gutachter kann der Kläger diesen Anforderungen aus psychiatrischer Sicht unter der Voraussetzung der regelmäßigen Einnahme der verordneten Medikation und der Fortführung der ambulanten psychiatrischen Behandlung gerecht werden. Der Kläger ist seit nunmehr fünfeinhalb Jahren in stabiler Remission. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er die zur Aufrechterhaltung seines Gesundheitszustands erforderliche Medikation absetzen und/oder die ambulante psychiatrische Behandlung abbrechen wird. Die Gutachterin hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass einem unwahrscheinlichen aber nicht gänzlich ausgeschlossenen Wiederaufflammen seiner Erkrankung durch Veränderung der Medikation begegnet werden kann und dass der Kläger durch die begleitende ambulante Therapie in die Lage versetzt wird, auf Früherkennungszeichen einer etwaigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu achten. Eine Gefährdung des Patientenwohls ist daher nicht zu befürchten.
Die von den Gutachtern dargestellten Voraussetzungen zur Erhaltung der Gesundheit des Klägers stellen seine aus psychiatrischer Sicht uneingeschränkte gesundheitliche Eignung auch nicht in Frage. Diese Vorgaben stellen vielmehr sicher, dass seine derzeit vorhandene gesundheitliche Eignung aufrechterhalten bleibt. Der Kläger unterscheidet sich insoweit nicht von jedem anderen chronisch erkrankten Arzt, der zur Aufrechterhaltung seiner gesundheitlichen Eignung auf eine speziellen Medikation bzw. Therapie angewiesen ist.
Der Klage war daher im beantragten Umfang stattzugeben. Als unterliegender Teil trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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