Arbeitsrecht

Gesundheitsschutz

Aktenzeichen  M 20 P 16.3699

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 162564
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 75 Abs. 4 S. 1 Nr. 8
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4,S. 7
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller verfolgt das Ziel, festzustellen, dass ein Initiativantrag vom 29. Mai 2015 zur kurzfristigen Schaffung von drei zusätzlichen Assistenzarztstellen in der Inneren Medizin und der Schaffung von fünf Stellen für voll examinierte Pflegekräfte im Gesamthaus der Mitbestimmung unterliegt.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. August 2016 leitete der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein.
Mit diesem Schriftsatz und weiteren Schriftsätzen vom 11. Oktober 2017 und 23. Oktober 2017 ließ der Antragsteller vortragen, der Beteiligte habe einem Initiativantrag vom 29. Mai 2015 nicht stattgegeben, weshalb die Einigungsstelle angerufen worden sei. Zunächst habe es Bemühungen zur einvernehmlichen Einsetzung einer Einigungsstelle gegeben. Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2016 habe der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mitgeteilt, der Einsetzung eines Einigungsstellenvorsitzenden nicht zu entsprechen, da streitig sei, ob überhaupt ein Fall der Mitbestimmung vorliege. Der Antragsteller habe daher am 20. Juli 2016 beschlossen, das vorliegende Verfahren einzuleiten. Der Initiativantrag unterliege der Mitbestimmung. Der Personalrat könne bei signifikanten Belastungssituationen einen Initiativantrag nach Art. 75 Abs. 4 Ziff. 8 BayPVG stellen. Die zu verhindernden Gesundheitsschädigungen bei der Mitbestimmung vergleichbarer Normen müssten ausweislich einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2013 – 6 PB 1.13 nicht die Schwere von Dienst- und Arbeitsunfällen haben. Es gehe um die Frage, ob die Arbeitsüberlastung von Mitarbeitern, welche diese durch sogenannte Gefährdungsanzeigen meldeten, durch den Personalrat dergestalt aufgegriffen werden dürften, dass dieser Maßnahmen im Rahmen des Gesundheitsschutzes beantragt. Ob die vom Personalrat ins Auge gefasste Abhilfemaßnahme dann diejenige sei, welche als Ergebnis des durchzuführenden Mitbestimmungsverfahrens als richtig anzusehen sei, sei schon nicht mehr die Frage, da dies den Ausgang des Mitbestimmungsverfahrens betreffe und nicht die Mitbestimmungspflichtigkeit. Unstreitig dürfte sein, dass Überlastungssituationen zu einer Gesundheitsgefährdung führen könnten. Es bestünden Unterdeckungen im Personalbereich. Dies hätten externe Gutachter ermittelt. Aus einer vorgelegten Übersicht sei zu erkennen, dass allein im Bereich Fachpflegepersonal 15 Vollzeitkräfte fehlten. Erst kürzlich habe es wieder zwei Überlastungs- und Gefährdungsanzeigen aus dem ärztlichen Bereich, welche jeweils von annähernd 10 Betroffenen unterzeichnet wurden, gegeben. Am 23. Oktober 2017 wurden weitere Unterlagen vorgelegt, wonach es eine Vielzahl von Überlastungsanzeigen gegeben habe, von denen der Vorstand wisse. Es sei auch eine externe Gefährdungsbeurteilung in Auftrag gegeben worden. Es sei konkreter Handlungsbedarf in den Kernbereichen Arbeitszeit, Arbeitsintensität, Pause und Regulationsbehinderungen festgestellt worden.
Der Beteiligte erwiderte mit Schriftsätzen vom 26. August 2016, 1. September 2016 und 18. Oktober 2016. Er führte aus, der Antrag sei zu unbestimmt. Es lasse sich dem Antrag nicht entnehmen, zu welcher konkreten Thematik überhaupt die Zulässigkeit eines Initiativantrages festgestellt werden solle. Selbst wenn man das Schreiben vom 29. Mai 2015 zur Auslegung des Antrags zu Rate ziehen wolle, bleibe dies ebenfalls zu unbestimmt. Es würden dort lediglich signifikante Überlastungssituationen pauschal vorgetragen, ohne annährend zu erläutern, worin diese konkret bestehen sollten. Die Schaffung von zusätzlichen Stellen lasse nicht erkennen, inwieweit sie den unmittelbaren Zweck verfolge, der Verhütung von Gesundheitsschädigungen zu dienen. Es handele es sich vielmehr um ein Mittel der Personalplanung. Diese unterfalle jedoch nicht dem Mitbestimmungsrecht. Die Unterdeckungen im Personalbereich würden bestritten. Die angeführten Gutachten könnten nur herangezogen werden, wenn das Projekt zu Ende geführt worden sei mit validen Daten, was nicht der Fall sei. Zwei Überlastungsanzeigen seien nicht geeignet eine Unterdeckung nachzuweisen.
Das Gericht hat die Verfahrensbeteiligten am 24. Oktober 2017 mündlich angehört. Auf die dabei gefertigte Niederschrift wird ebenso Bezug genommen wie für die weiteren Einzelheiten auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte.
Die Bevollmächtigte des Antragstellers stellte zuletzt den Antrag,
festzustellen, dass der Initiativantrag vom 29. Mai 2015 zur kurzfristigen Schaffung von drei zusätzlichen Assistenzarztstellen in der Inneren Medizin und der Schaffung von fünf Stellen für vollexaminierte Pflegekräfte im Gesamthaus der Mitbestimmung unterliege.
Die Vertreter des Beteiligten beantragten,
den Antrag zurückzuweisen.
II.
Der zulässig erhobene Antrag ist unbegründet.
Der Initiativantrag vom 29. Mai 2015 zur kurzfristigen Schaffung von drei zusätzlichen Assistenzarztstellen in der Inneren Medizin und der Schaffung von fünf Stellen für vollexaminierte Pflegekräfte im Gesamthaus unterliegt nicht nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 BayPVG der Mitbestimmung.
Der Antrag wurde zulässig erhoben und ist nicht zu unbestimmt, da durch die Umstellung des ursprünglichen Antrags in der öffentlichen Anhörung vom 24. Oktober 2017 klargestellt wurde, dass der Initiativantrag die Schaffung von insgesamt acht neuen Stellen fordert und festgestellt werden soll, dass dieser Antrag der Mitbestimmung unterliegt.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da der Antrag auf Schaffung von neuen Stellen keine Maßnahme unmittelbar zur Verhütung von sonstigen Gesundheitsschädigungen im Sinne des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 BayPVG darstellt.
Der Mitbestimmungstatbestand setzt voraus, dass die Maßnahme maßgeblich und unmittelbar zu dem Zweck („zur Verhütung“) erlassen werden soll, in der Dienststelle einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Die Maßnahme muss darauf abzielen, das Risiko von Gesundheitsschädigungen innerhalb der Dienststelle zu mindern (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Band III, Art. 75 Rn. 612 ff). Maßnahmen eines Dienststellenleiters, die in erster Linie andere Zwecke verfolgen und sich nur mittelbar auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auswirken, unterliegen dagegen nicht dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Die Verringerung der Arbeitsbelastung durch Arbeitszeitverkürzung ist keine Maßnahme zur Verhütung beschäftigungsbedingter Gesundheitsschädigungen. Die Ermittlung und Festlegung des Personalbedarfs für die Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit schafft erst die organisatorischen Voraussetzungen für eine wirksame Wahrnehmung der Aufgaben des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung, stellt aber noch nicht den Beginn einer Arbeitsschutzmaßnahme dar.
Typische Beispiele für unmittelbare Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sind z.B. die Auswahl von Schutzkleidungen, Pausenregelungen an Bildschirmgeräten, Rauchverbote für alle Beschäftigten in der Dienststelle usw.
Die Schaffung von zusätzlichen Stellen hingegen dient nicht unmittelbar dem Gesundheitsschutz.
Der Beteiligte führt hier u.a. durch Einschaltung von externen Gutachtern eine Bestandsaufnahme von Missständen durch. In einem nächsten Schritt müsste gemeinsam überlegt werden, mit welchen Organisations- und Führungsmaßnahmen Verbesserungen erreicht werden könnten. Dabei könnte der Beteiligte auch zum Ergebnis kommen, dass an manchen Stellen zusätzliches Personal eingestellt werden sollte. Zusätzliche Stellen mögen auch eine Abmilderung der Probleme herbeiführen, jedoch wäre dies allenfalls eine mittelbare Folge und nicht eine Maßnahme unmittelbar zum Gesundheitsschutz.
Der Gegenstandswert wird unter Rückgriff auf § 52 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 5.000,00 € festgesetzt.


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