Arbeitsrecht

Gewerkschaftlicher Durchführungsanspruch

Aktenzeichen  6 Sa 355/19

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 52882
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5
ZPO § 97 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2
ArbGG § 72 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Berufung war mit der Maßgabe zurückgewiesen worden, dass die Klage als unzulässig abzuweisen war. Dem Kläger steht zwar an sich ein Druchführungsanspruch zu, beinhaltend die Anwendung des mit dem Beklagten abgeschlossenen Tarifvertrag, allerdings beschränkt auf die – nicht namentlich mitgeteilten – beim Kläger organisierten Personen. Für eine generell beanspruchte Druchführung des Tarifvertrags besteht nach Ansicht der Kammer kein Rechtsschutzinteresse; soweit im Hilfsantrag allgemein eine Beschränkung des Begehrens auf beim Kläger organisierte Beschäftigte erfolgt war, war der Antrag nicht hinreichend bestimmt. Mangels Namensnennung wäre die Frage, wegen welcher Person hätte vollstreckt werden können, auf das Vollstreckungsverfahren verschoben worden.

Verfahrensgang

6 Ca 7342/18 2019-05-02 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 2. Mai 2019 – 6 Ca 7342/18 wird, unter Zurückweisung der Berufung des Klägers, abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die statthafte Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und zulässig. Sie ist formund fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO) worden.
In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.
II.
Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die erhobene Klage ist allerdings bereits unzulässig. Der Kläger hat kein rechtlich schützenswertes Interesse, die Durchführung des nur unter den Tarifgebundenen geltenden Tarifvertrages (§ 4 Abs. 1 TVG) generell und unabhängig auf die Tarifbindung durchzusetzen. Die angebrachten Hilfsanträge berücksichtigen zwar diesen Umstand; allerdings sind die gestellten Anträge unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), da sie keine unmittelbare Vollstreckung ermöglichen.
2. Die gestellten Hauptanträge sind zwar noch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 3. ZPO), doch hat der Kläger kein rechtlich schützenswertes Interesse, diese generell durchzusetzen.
a. Ein – wie hier angebrachter – Leistungsantrag muss nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sein. Aus ihm muss sich nicht nur die begehrte Leistung ergeben, sondern die Begründung hat auch die begehrte Leistung möglichst genau zu individualisieren (BAG v. 15. 11. 1978 – 5 AZR 199/77, DB 1979, 702; weitergehend BAG v. 10. 11. 2010 – 5 AZR 766/09, NZA 2011, 876, Gutschrift von Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Das Begehren der Klagepartei ist in den Anträgen ausreichend konkret zum Ausdruck gebracht. Der Beklagte wendet den streitgegenständlichen Tarifvertrag an, weswegen auch das Verlangen, ihn generell zur Anwendung zu bringen, hinreichend bestimmt ist.
b. Allerdings fehlt es an einem rechtlich schützenswerten Interesse, die generelle An wendung des Tarifvertrages unabhängig von der Tarifbindung der einzelnen Arbeitnehmer, zu begehren. Der Kläger kann die Tarifanwendung nur für seine Mitglieder geltend machen.
aa. Der streitgegenständliche Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen stellt einen nicht allgemeinverbindlichen (§ 5 TVG) Haustarifvertrag dar, dem nur die Arbeitgeberseite, der Beklagte, sowie die tarifgebundenen Arbeitnehmer unterfallen (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Nicht der Klagepartei angehörende Arbeitnehmer können, vorbehaltlich einer vertraglichen Bezugnahmeklausel, keine Rechte aus dem Tarifvertrag ableiten. Für diese kann auch der Kläger keine Tarifanwendung verlangen, da die klagende Gewerkschaft allein ihre Mitglieder vertritt und für diese sprechen kann.
bb. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte, nach dem Vortrag der Klagepartei generelle Bezugnahmeklauseln in den Verträgen der Beschäftigten vereinbart hat. Zwar findet dann der Tarifvertrag kraft vertraglicher Bezugnahme auch auf die Vertragsverhältnisse der nicht gewerkschaftsangehörigen Beschäftigten des Beklagten Anwendung. Doch ist es nicht Aufgabe der klagenden Gewerkschaft, die Einhaltung vertraglicher Abreden ihr nicht angehörender Beschäftigter durchzusetzen. Vielmehr obliegt es den betreffenden Personen selbst, die vertraglichen Rechte und Ansprüche ggf. gerichtlich geltend zu machen.
2. Die hilfsweise angebrachten Anträge sind expressis verbis auf die der Klagepartei angehörenden Beschäftigten des Beklagten beschränkt. Allerdings sind die insoweit gestellten Anträge nicht ausreichend bestimmt, weswegen die Klage ebenso unzulässig ist.
a. Bei der Prüfung der hinreichenden Bestimmtheit eines Klageantrags sind die Be sonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist insbesondere das zu schützende Interesse der beklagten Partei, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie deren Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit der Entscheidungswirkungen, wie auch das ebenfalls schützenswerte Interesse der Klagepartei an wirksamem Rechtsschutz. Angesichts dessen sind generalisierende Formulierungen im Einzelfall unvermeidlich, um die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsschutzes zu erlangen bzw. diese durch prozessuale Anforderungen nicht unzumutbar zu erschweren oder zu beseitigen (vgl. BAG v. 26. 7. 2012 – 6 AZR 221/11, AP TVG § 1 Telekom Nr. 14 Rz. 24; BAG v. 14. 12. 2011 – 10 AZR 283/10, NZA 2012, 501 Rz. 14; BAG v. 17. 5. 2011 – 1 AZR 473/09, AP GG Art. 9 Nr. 148 Nr. 21). Dennoch ist ein Leistungsantrag nur dann hinreichend bestimmt, wenn ein stattgebendes Urteil die Leistung so genau bezeichnet, dass der Schuldner ohne Weiteres erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er dem Urteilsspruch nachkommen kann, und das Urteil vollstreckungsfähig ist (vgl. BAG v. 26. 7. 2012, a.a.O., Rz. 24; BAG v. 25. 1. 2006 – 4 AZR 552/04, AP § 1 TVG Durchführungspflicht Nr. 6 Rz. 14).
b. Diesen Anforderungen entsprechend die Hilfsanträge nicht. Diese sind expressis verbis beschränkt auf die „in der Redaktion „Y“ beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter, die Mitglied beim Kläger sind“. Insoweit werden diese Personen auch vom Kläger vertreten; dieser kann für sie auch die Durchführung eines Tarifvertrages gelten machen (vgl. BAG v. 14. 6. 1995 – 4 AZR 915/93. NZA 1996, 43, unter I 2 a der Gründe).
Allerdings sind die Anträge nicht hinreichend bestimmt, da im Falle eines zusprechenden Urteils aus dem Titel keine unmittelbare Vollstreckung möglich wäre. Denn es bedürfte dann jeweils noch eines (weiteren) Beleges, ob und ggf. seit wann eine bestimmte Person Mitglied des Klägers ist/war. Damit würde die Frage der Tarifbindung und damit der Anwendbarkeit des Tarifvertrages im Beschäftigungsverhältnis unstatthafter Weise auf das Vollstreckungsverfahren verlagert. Aus einem zusprechenden Urteil könnte der Arbeitgeber gerade nicht ersehen, durch welche Handlungen er dem Urteilsausspruch nachkommen kann. Denn ihm müssen die tarifgebundenen arbeitnehmerähnlichen Personen gerade nicht bekannt sein.
Zwar ist es denkbar, dass diese ihre Gewerkschaftszugehörigkeit dem Beklagten gegenüber offen gelegt haben; zwingend ist dies aber nicht und angesichts der Zurückhaltung bei der Bekanntgabe der beim Beklagten beschäftigten Mitglieder durch den Kläger nicht zu erwarten. Eine weitergehende Aufklärungsmöglichkeit hat der Beklagte nicht. Weder hatte er das Recht, bei Einstellung der arbeitnehmerähnlichen Personen nach deren Gewerkschaftszugehörigkeit zu fragen, noch steht ihm ein solches Recht im laufenden Vertragsverhältnis zu.
III. Die Kostenfolge ergibt sich auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Umstände, die eine Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ZPO) bedingten, sind nicht gegeben.


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