Arbeitsrecht

Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen

Aktenzeichen  M 27 K 17.430

Datum:
27.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 17188
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBQFG Art. 3 Abs. 2, Abs. 5, Art. 4 Abs. 1, Art. 11
RL 2005/36/EG idF RL 2013/55/EU Art. 3 Abs. 1 lit. a, Art. 11 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahren nach § 4 BayBQFG erfolgt in einer zweistufigen Prüfung. Zunächst hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis die Befähigung zu vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten wie der entsprechende landesrechtlich geregelte Ausbildungsnachweis belegt (Ermittlung der Referenzqualifikation), und hat sodann auf der zweiten Stufe inhaltlich zu prüfen, ob wesentliche Unterschiede zwischen der im Ausland erworbenen Berufsausbildung und der Referenzqualifikation bestehen. (Rn. 20 und 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kommt auf der ersten Stufe nicht darauf an, dass einer oder sämtliche der ausländischen Ausbildungsnachweise auf dem Niveau des angestrebten Referenzberufes liegen, sondern lediglich darauf, ob einzelne oder sämtliche dieser Ausbildungsnachweise kumuliert inhaltlich eine vergleichbare berufliche Tätigkeit zu einem entsprechend landesrechtlich geregelten Ausbildungsnachweis belegen, der nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBQFG den sog. „Referenzberuf“ abbildet. (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei dem Beruf des „staatlich geprüften Hotelbetriebswirtes“ handelt es sich um einen nicht reglementierten Beruf im Sinne der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 5 BayBQFG, so dass weder ein Angebot von Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 11 BayBQFG noch eine Zuordnung der Berufsqualifikationen zu einzelnen Niveaus notwendig ist. (Rn. 26 und 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obgleich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war, da in dem Ladungsschreiben vom 14. Mai 2019 auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
I.
Der Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2017 ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und war daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Regierung von Oberbayern war im Jahre 2017 für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zuständig (Art. 8 Abs. 2 Satz 1BayBQFG i. V. m. § 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten zum Vollzug des BayBQFG (ZustV-BayBQFG vom 2.8.2013 (GVBl. S. 567), gültig bis zum 31.12.2018) i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG. Mit Ablauf der Gültigkeit der ZustV-BayBQFG zum 31. Dezember 2018 ging die Zuständigkeit auf das Bayerische Landesamt für Schule über. Nach § 64b Abs. 1 Nr. 1 der Bayerischen Zuständigkeitsverordnung (BayZustV vom 16.6.2015 (GVBl. S. 184)) ist die zuständige Stelle für den Vollzug der Anerkennungsverfahren nach dem Bayerischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BayBQFG vom 24.7.2013 (GVBl. S. 439)) das Landesamt für Schule bei schulischen Berufsaus- und Fortbildungsabschlüssen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus für Berufsabschlüsse im gewerblich-technischen und im kaufmännischen, im sozialpflegerischen und im sozialpädagogischen Bereich. Zu dieser Kategorie von Berufsabschlüssen sind die Ausbildungsnachweise des Klägers zu zählen.
2. Der Kläger hat grundsätzlich einen Anspruch auf inhaltliche Durchführung eines Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahrens nach Maßgabe des Art. 4 BayBQFG. Nach Art. 4 Abs. 1 BayBQFG stellt die zuständige Stelle auf Antrag die Gleichwertigkeit fest, sofern (1) der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis die Befähigung zu vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten wie der entsprechende landesrechtlich geregelte Ausbildungsnachweis belegt und (2) zwischen den nachgewiesenen Berufsqualifikationen und der entsprechenden landesrechtlich geregelten Berufsbildung keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Zunächst ist von der Behörde hiernach der Feststellungsmaßstab (Referenzqualifikation) zu ermitteln, um anschließend eine Gleichwertigkeitsprüfung anhand von Vergleichskriterien durchzuführen. Im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung prüft die zuständige Stelle inhaltlich, ob wesentliche Unterschiede zwischen der im Ausland erworbenen Berufsausbildung und der Referenzqualifikation bestehen.
a) Art. 4 Abs. 1 BayBQFG impliziert mithin eine zweistufige Prüfung. Zunächst hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis die Befähigung zu vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten wie der entsprechende landesrechtlich geregelte Ausbildungsnachweis belegt. Auf der zweiten Stufe erfolgt sodann die Gleichwertigkeitsprüfung im engeren Sinne mit der Feststellung wesentlicher inhaltlicher Unterschiede.
aa) Abzustellen ist dabei im Rahmen der ersten Stufe auf die Ausbildungsnachweise in dem Sinne des Art. 3 Abs. 2 BayBQFG. Dabei handelt es sich um Prüfungszeugnisse und Befähigungsnachweise, die von verantwortlichen Stellen über den Abschluss einer erfolgreich absolvierten Ausbildung ausgestellt werden. Wegen des weiten Wortlautes dürften hierunter sämtliche von dem Kläger vorgelegten Nachweise (Nr. 1 – Nr. 3) solche Ausbildungsnachweise nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 2 BayBQFG darstellen. Es kommt für die Eröffnung der Gleichwertigkeitsprüfung nach Art. 4 Abs. 1 BayBQFG jedoch nicht darauf an, dass ein oder sämtliche Ausbildungsnachweise auf dem Niveau des angestrebten Referenzberufes liegen, sondern lediglich darauf, ob einzelne oder sämtliche Ausbildungsnachweise kumuliert inhaltlich eine vergleichbare berufliche Tätigkeit zu einem entsprechend landesrechtlich geregelten Ausbildungsnachweis belegen. Der entsprechend landesrechtlich geregelte Ausbildungsnachweis bildet dabei nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBQFG den sog. „Referenzberuf“ ab. In dem vorliegenden Fall ist mithin darauf abzustellen, ob die vorgelegten Nachweise inhaltlich eine zu dem Referenzberuf vergleichbare berufliche Tätigkeit abbilden. Die „vergleichbare berufliche Tätigkeit“ ist dabei anhand des Inhalts der Ausbildungsnachweise zu ermitteln. Nur weil ein oder mehrere Ausbildungsnachweise nicht auf dem Niveau des Ausbildungsnachweises des Referenzberufes liegen bedeutet dies mithin nicht, dass sie nicht imstande sind, inhaltlich eine vergleichbare berufliche Tätigkeit abzubilden.
bb) Bereits auf der ersten Stufe ist nach Auffassung des Gerichts insofern eine wenigstens überschlägige inhaltliche Prüfung unumgänglich. Eine solche ist in dem vorliegenden Falle unterblieben, weil der Beklagte der Auffassung ist, dass kein Ausbildungsnachweis dem Fortbildungsniveau entspreche. Darauf kommt es jedoch nicht an. Nur mittels einer inhaltlichen Prüfung lässt sich feststellen, ob der Ausbildungsnachweis eine vergleichbare Befähigung abbildet. Im Zuge dessen hat die Behörde die vorgelegten Nachweise eigenständig inhaltlich zu prüfen und kann sich nicht darauf berufen, dass die Nachweise an sich nicht auf dem Qualifikationsniveau der Ausbildungsnachweise des Referenzberufes liegen würden. Hierbei kann sich die Behörde auch nicht lediglich auf Angaben Dritter beziehen, welchen die Ausbildungsnachweise nicht vorlagen und denen somit auch keine inhaltliche Prüfung möglich war. Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Nachweise eine Erst- oder Zweitausbildung abbilden, sondern lediglich darauf, ob inhaltlich eine Befähigung nachgewiesen ist, die vergleichbar zu den beruflichen Tätigkeiten der Referenzqualifikation ist. Die Behörde ist jedenfalls verpflichtet, auch auf der Ebene der ersten Stufe der Gleichwertigkeitsprüfung selbst wenigstens überschlägig zu ermitteln, ob der Ausbildungsnachweis inhaltlich eine entsprechende Befähigung belegt, auch wenn hierbei der zweite Schritt in Gestalt der Gleichwertigkeitsprüfung im engeren Sinne zur Feststellung wesentlicher Unterschiede nicht vorwegzunehmen ist. Eine solche Prüfungsintensität ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BayBQFG, da auf die Befähigung des Antragstellers und nicht auf die Art des Ausbildungsnachweises abgestellt wird.
Es kommt in dem hiesigen Fall entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf an, welchem Niveau die Ausbildungsnachweise selbst entsprechen und ob diese eine Erst- oder Zweitausbildung nach deutschem Rechts- und Bildungsverständnis darstellen, sondern ob diese inhaltlich eine Befähigung nachweisen, die eine vergleichbare berufliche Tätigkeit wie die Referenzqualifikation belegen.
b) Die Feststellung in dem Bescheid, dass zwischen den Ausbildungsnachweisen und der Berufsbildung zum „staatliche geprüften Hotelbetriebswirt“ keine Gleichwertigkeit bestehe, kann insofern auf der Grundlage der von dem Beklagten vorgenommenen Prüfung nicht getroffen werden. Da es sich bei der Frage der Gleichwertigkeit um eine Frage der wesentlichen inhaltlichen Unterschiede handelt, kann die Feststellung der fehlenden Gleichwertigkeit nicht bereits dann erfolgen, wenn der Beklagte davon ausgeht, die vorgelegten Ausbildungsnachweise würden einem anderen Ausbildungsniveau in dem Sinne einer Erst- oder Zweitausbildung entsprechen.
Darüber hinaus ist von der Behörde noch nicht abschließend geprüft worden, inwiefern es dem Kläger überhaupt möglich gewesen wäre, eine andere Art der Weiterbildung, welche in dem Zeitpunkt seiner Berufsbildung dem Referenzberuf entspricht, bezogen auf seine Erstausbildung als Koch in den achtziger Jahren, zu absolvieren. Der Kläger hat diesbezüglich vorgetragen, dass es für ihn eine andere Möglichkeit der Weiterbildung nach innerstaatlichem Schweizer Recht damals nicht gegeben habe.
c) Der Beklagte ist hingegen zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Beruf des „staatlich geprüften Hotelbetriebswirtes“ um einen nicht reglementierten Beruf in dem Sinne der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 5 BayBQFG handelt, so dass die Vorschriften der Art. 9 ff. BayBQFG für reglementierte Berufe nicht greifen. Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 11 BayBQFG mussten dem Kläger insofern nicht angeboten werden. Art. 3 Abs. 5 BQFG definiert in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 a) der RL 2005/36/EG in der Fassung der RL 2013/55/EU den reglementierten Beruf als berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme oder Ausübung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist. Dies ist bei dem Beruf des „staatlich geprüften Hotelbetriebswirt“ nicht der Fall und eine Berufsausübung auch ohne staatliche Anerkennung möglich.
Die Zuordnung der Berufsqualifikationen zu den einzelnen Niveaus ist nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 1 der RL 2005/36/EG (Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen) in der Fassung der RL 2013/55/EU (Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG) nur für die Zwecke der Art. 13 und Art. 14 notwendig, welche lediglich auf reglementierte Berufe anwendbar sind. Bei dem Beruf des „staatlich geprüften Hotelbetriebswirtes“ handelt es sich jedoch, wie bereits dargelegt, nicht um einen reglementierten Beruf in dem Sinne des Art. 3 Abs. 5 BayBQFG, so dass es nur darauf ankommt, dass die entsprechende Berufsqualifikation inhaltlich durch Ausbildungsnachweise o. ä. nachgewiesen ist und nicht auf eine Zuordnung der Qualifikationsniveaus. Daher ist bei der Gleichwertigkeitsprüfung im engeren Sinne nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBQFG für nicht-reglementierte Berufe auch bereits die Gleichwertigkeit festzustellen, wenn zwischen den nachgewiesenen Berufsqualifikationen und der entsprechenden landesrechtlich geregelten Berufsbildung keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Ausbildungsnachweise nach Art. 3 Abs. 2 BayBQFG sind schließlich sämtliche Prüfungszeugnisse und Befähigungsnachweise, die von verantwortlichen Stellen über den Abschluss einer erfolgreich absolvierten Ausbildung ausgestellt werden. Hierbei wird nicht unterschieden, ob diese eine Ausbildung auf dem Niveau einer Erst- oder einer Zweitausbildung belegen. Es kommt lediglich auf den Inhalt der nachgewiesenen Berufsqualifikation an.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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