Arbeitsrecht

Gutschrift von Urlaubstagen – Absonderungsanordnung

Aktenzeichen  2 Sa 341/21

Datum:
7.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGRLP:2022:0407.2SA341.21.00
Normen:
§ 243 Abs 2 BGB
§ 249 Abs 1 BGB
§ 275 Abs 1 BGB
§ 280 Abs 1 BGB
§ 283 S 1 BGB
§ 326 BGB
§ 362 Abs 1 BGB
§ 10 BUrlG
§ 7 Abs 1 BUrlG
§ 9 BUrlG
§ 308 ZPO
§ 533 ZPO
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

§ 9 BUrlG findet keine analoge Anwendung, wenn sich ein nicht arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seines Urlaubs aufgrund einer Absonderungsanordnung in Folge seines Kontakts zu einer am Coronavirus infizierten Person in häusliche Quarantäne begeben muss.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Kaiserslautern, 17. August 2021, 4 Ca 234/21, Urteil

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 17.08.2021 – 4 Ca 234/21 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Urlaubskonto der Klägerin sieben Tage des bewilligten Erholungsurlaubs aufgrund einer nachträglich angeordneten Quarantäne wieder gutzuschreiben.
Die 1957 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 1997 bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt.
Für die Zeit vom 09. bis 20. November 2020 wurde der Klägerin auf ihren Antrag Erholungsurlaub gewährt.
Aufgrund eines Kontaktes zu einer mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) infizierten Person wurde gegenüber der Klägerin von der Stadtverwaltung C-Stadt zunächst am 12. November 2020 telefonisch und dann mit Schreiben vom 16. November 2020 (Bl. 5 – 7 d. A.) schriftlich bestätigt eine Absonderung in sog. häusliche Quarantäne bis einschließlich 22. November 2020 angeordnet. Arbeitsunfähig erkrankt war die Klägerin in dieser Zeit nicht. Der Kontakt war während ihrer Arbeit bei der Beklagten mit einem Patienten erfolgt.
Mit Schreiben vom 02. März 2021 (Bl. 8, 9 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, die in die Zeit der häuslichen Quarantäne vom 12. bis 20. November 2020 fallenden sieben Urlaubstage analog § 9 BUrlG ihrem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18. März 2021 (Bl. 10, 11 d. A.) ab.
Mit ihrer am 29. März 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin diesen von ihr geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 17. August 2021 – 4 Ca 234/21 – und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihrem Urlaubskonto weitere sieben Urlaubstage gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 17. August 2021 – 4 Ca 234/21 – hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
Gegen das ihr am 3. September 2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. September 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 17. September 2021 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. Dezember 2021 mit Schriftsatz vom 15. November 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24. November 2021 eingegangen, begründet.
Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ihr Urlaubsanspruch nicht erfüllt worden sei, weil für die Erfüllung nach § 362 BGB der Erfolg und nicht der Versuch maßgeblich sei. Für sie habe nämlich unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum keine Arbeitspflicht bestanden, weil sie aufgrund der hoheitlich angeordneten Absonderung ihrer geschuldeten Tätigkeit als Krankenschwester nicht habe nachgehen können. Fehlerhaft seien dann aber die rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts zur Unmöglichkeit und zum Untergang der Leistungspflicht. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe sich die geschuldete Freistellung für sieben Tage durch die Gewährung des beantragten Urlaubs in der Zeit vom 12. bis 20. November 2020 nicht mit der Folge konkretisiert, dass Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB eingetreten und der Anspruch danach untergegangen sei. Vielmehr sei die Erfüllung nachträglich noch möglich. Die Ausnahme eines absoluten Fixgeschäftes liege hier nicht vor, weil sie ihren Urlaub jederzeit zu einem anderen Zeitpunkt in Anspruch nehmen könne. Die Abgrenzung zwischen Unmöglichkeit und Verzug richte sich danach, ob die Leistung noch möglich, d.h. nachholbar sei. Nachholbar sei die Leistung, wenn sie trotz der Verspätung noch das wesentliche Interesse, dass der Gläubiger nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses mit ihre verbinde, befriedigen könne. An der Nachholbarkeit in ihrem Interesse als Gläubigerin des Urlaubsanspruchs könne hier kein Zweifel bestehen, wonach die angenommene Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB nicht vorliege. Die angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einem angeblichen ersatzlosen Untergang des Urlaubsanspruchs wegen Unmöglichkeit überzeuge nicht im Ansatz. Mangels eingetretener Unmöglichkeit sei der nicht erfüllte Anspruch auch nicht nach § 275 Abs. 1 BGB untergegangen. Hilfsweise für den Fall, dass von einer Konkretisierung ihres Urlaubsanspruchs auf den betreffenden Zeitraum auszugehen sein sollte, würde nicht nur der Anspruch auf die Leistung – den Urlaub – nach § 275 Abs. 1 BGB entfallen, sondern auch der Anspruch auf die Gegenleistung gemäß § 326 Abs. 1 BGB. Ihre Gegenleistung sei die bereits erbrachte Arbeitsleistung, die aber nicht wieder herausgegeben werden könne. Konsequent zu Ende gedacht, wäre sie auch hier schadlos zu stellen, so dass sie den Anspruch auf Freistellung in begehrter Höhe im Zweifel als Schadensersatz erhielte. Anderenfalls stünde ihr jedenfalls Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 283, 280 BGB zu. Eine Pflichtverletzung liege mit der angenommenen Nichterfüllung bei Unmöglichkeit vor. Damit hätte sie Anspruch auf Schadensersatz, es sei denn, dass die Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe. Die Darlegungs- und Beweislast nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB liege hier bei der Beklagten als Schuldnerin. Diese müsse sich exkulpieren und darlegen sowie beweisen, dass sie die Nichterfüllung, also die Unmöglichkeit aufgrund ihrer fehlenden Arbeitsverpflichtung bzw. letztlich der behördlich angeordneten Absonderung nicht zu vertreten habe. Das Arbeitsgericht habe zwar zutreffend festgestellt, dass hierzu außer ihrem unbestrittenen Vortrag, dass ihr Kontakt mit einem Covid-Infizierten während der Arbeit bei der Beklagten geschehen sei, nicht weiter vorgetragen worden sei. Es habe aber nicht die richtige Konsequenz hieraus gezogen. Aufgrund der umgekehrten Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 280 BGB wäre es an der Beklagten gewesen darzulegen, dass sie die Quarantäneanordnung nicht zu vertreten habe. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte dies nicht getan habe, hätte das Arbeitsgericht konsequenterweise einen Schadensersatzanspruch zuerkennen müssen. Einer analogen Anwendung des § 9 BUrlG bedürfe es folglich gar nicht. Im Übrigen habe diese Regelung teilweise deklaratorischen Charakter und wirke nicht anspruchsbegründend, sondern im Gegenteil anspruchsbeschränkend hinsichtlich des Gebotes des ärztlichen Attestes. Dass Urlaub bei gleichzeitiger Erkrankung nicht erfüllt werden könne und daher nicht verfalle, sei hingegen eine Selbstverständlichkeit. Auch die erstinstanzlich dargelegten Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren würden belegen, dass es nie darum gegangen sei, eine neue Regelung zu schaffen, sondern vielmehr darum, das zu kodifizieren, was ohnehin schon als “Recht” angesehen worden sei. Aus der Existenz der Regelung lasse sich nicht schließen, dass in jedem anderen Fall “urlaubsstörender” Ereignisse keine Gutschrift erfolge, sondern es bei dem ersatzlosen Untergang der Verpflichtung verbleiben solle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 17. August 2021 – 4 Ca 234/21 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihrem Urlaubskonto weitere sieben Urlaubstage gutzuschreiben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, entgegen der Auffassung der Berufung habe sie bei der Urlaubsgewährung die ihr obliegenden Pflichten umfassend erfüllt. Durch den Urlaubsantrag der Klägerin und die daraufhin erfolgte zeitliche Festlegung sowie anschließende Freistellung unter Fortzahlung des Urlaubsentgeltes entsprechend dem Urlaubsantrag habe sie als Schuldnerin des Freistellungsanspruchs das zu ihrer Leistung Erforderliche getan. Die Ausführungen der Klägerin zur Regelung des § 243 Abs. 2 BGB sowie die Unmöglichkeitsregelungen seien nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen. Der Arbeitgeber sei grundsätzlich nicht verpflichtet, die Gefährdung oder Vereitelung des Urlaubszwecks infolge urlaubsstörender Ereignisse durch Nachgewährung von zusätzlichen Urlaubstagen auszugleichen. Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien – wie in §§ 9, 10 BUrlG – besondere Regelungen zur Nichtanrechnung von Urlaub treffen würden, finde eine Umverteilung des Risikos zugunsten des Arbeitnehmers statt. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Klägerin habe der Gesetzgeber durch das Bundesurlaubsgesetz eine Ausnahme für den Fall der Arbeitsunfähigkeit geschaffen. Soweit die Klägerin der Auffassung sei, die Urlaubsgewährung sei kein absolutes Fixgeschäft, sei darauf zu verweisen, dass aus Sicht des Arbeitnehmers bei genehmigtem Urlaub und eventuell geplanter Reise sehr wohl von einer Art Fixgeschäft gesprochen werden könne. Ein genehmigter Urlaub könne von Seiten des Arbeitgebers einseitig nicht widerrufen werden. Im Übrigen seien auch diese Ausführungen nicht geeignet, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts zu führen. Sie treffe auch keine Schadensersatzpflicht nach §§ 283, 280 BGB. Soweit die Klägerin davon ausgehe, dass ein Vertretenmüssen vorliege, fehle hierzu jeglicher Sachvortrag. Das Arbeitsgericht gehe zu Recht davon aus, dass ein Vertretenmüssen nicht anzunehmen und diesbezüglich auch kein Vortrag der Klägerin gegeben sei, der ihr vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten vorwerfe. Die Pflicht zur erneuten Gewährung von Urlaub nach § 9 BUrlG treffe den Arbeitgeber nur, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit daran gehindert sei, seiner Arbeitspflicht nachzukommen. Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG komme gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht in Betracht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung ist nach § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. a ArbGG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
Die Berufung der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Die Klägerin verlangt in Form der Leistungsklage die Gutschrift weiterer sieben Urlaubstage auf dem bei der Beklagten für sie geführten Urlaubskonto. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubskonto richtig geführt wird. Das Klageziel richtet sich darauf, dem Urlaubskonto weitere sieben Urlaubstage gutzuschreiben und damit letztlich sieben Urlaubstage nachzugewähren (vgl. BAG 25. Januar 2022 – 9 AZR 230/21 – Rn. 11).
II. Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die verlangte Gutschrift von sieben Urlaubstagen.
1. Der Urlaubsanspruch der Klägerin in der geltend gemachten Höhe ist nach §§ 243 Abs. 2, 275 Abs. 1 BGB untergegangen.
a) Zwar ist der Urlaubsanspruch der Klägerin durch den ihr antragsgemäß für die Zeit vom 09. bis 20. November 2020 gewährten Erholungsurlaub im Umfang von sieben Urlaubstagen nicht durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen, weil für sie als Krankenschwester, die ihre geschuldete Tätigkeit nicht zu Hause erbringen kann, im bewilligten Urlaubszeitraum an sieben Arbeitstagen (12. bis 20. November 2020) aufgrund der behördlichen Anordnung der Absonderung in sog. häusliche Quarantäne keine Arbeitspflicht bestand, von der sie hätte freigestellt werden können. Der nach § 362 Abs. 1 BGB erforderliche Leistungserfolg konnte mithin insoweit für die Dauer der nach der Urlaubsfestlegung angeordneten Quarantäne nicht eintreten (vgl. BAG 09. August 2016 – 9 AZR 557/15 – Rn. 12). Damit die Verpflichtung zur Urlaubserteilung nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt, genügt nämlich nicht allein die Vornahme der erforderlichen Leistungshandlung, sondern es muss auch der Leistungserfolg eintreten (BAG 09. August 2016 – 9 AZR 575/15 – Rn. 15).
b) Der Urlaubsanspruch der Klägerin ist aber durch Eintritt nachträglicher Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB untergegangen.
aa) Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums (und der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts) hat der Arbeitgeber als Schuldner das nach § 7 Abs. 1 BUrlG Erforderliche getan (§ 243 Abs. 2 BGB). Alle danach eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse fallen entsprechend § 275 Abs. 1 BGB als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikoreich des einzelnen Arbeitnehmers. Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien – wie in §§ 9, 10 BUrlG – besondere Regelungen zur Nichtanrechnung von Urlaub treffen, findet eine Umverteilung des Risikos zu Gunsten des Arbeitnehmers statt. Die Bestimmungen der §§ 9, 10 BUrlG sind nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschriften. Ihre entsprechende Anwendung auf andere urlaubsstörende Ereignisse oder Tatbestände, aus denen sich eine Beseitigung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ergibt, kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Somit trägt regelmäßig der Arbeitnehmer das Risiko, dass sich der Urlaubszweck nach der Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht (vollständig) realisiert (BAG 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 – Rn. 29). Dies schließt auch das Risiko ein, während des Urlaubs in Quarantäne gehen zu müssen (Schaub ArbR-HdB/Linck 19. Aufl. § 104 Rn. 55 a). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 243 Abs. 2 BGB auf die Urlaubsgewährung entsprechend anzuwenden. Hat der Arbeitgeber auf den Urlaubsantrag des Arbeitnehmers die geschuldete Freistellungserklärung abgegeben und damit das seinerseits Erforderliche getan, ist mit der zeitlichen Festlegung des Urlaubs, an die beide Seiten gebunden sind, der vom Arbeitnehmer in Anspruch genommene Urlaub zeitlich konkretisiert mit der Folge, dass sich der Urlaubsanspruch in dem genommenen Umfang darauf beschränkt und damit das Risiko eines danach auftretenden urlaubsstörenden Ereignisses grundsätzlich auf den Arbeitnehmer übergeht.
bb) Die Ausnahmeregelung des § 9 BUrlG greift im Streitfall nicht ein, weil die Klägerin im betreffenden Urlaubszeitraum unstreitig nicht arbeitsunfähig erkrankt war.
cc) § 9 BUrlG findet auch keine analoge Anwendung, wenn sich ein nicht arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seines Urlaubs aufgrund einer Absonderungsanordnung in Folge seines Kontakts zu einer am Coronavirus infizierten Person in häusliche Quarantäne begeben muss (LAG Düsseldorf 15. Oktober 2021 – 7 Sa 857/21 – Rn. 33; LAG Köln 13. Dezember 2021 – 2 Sa 488/21 – Rn. 17; LAG Schleswig-Holstein 15. Februar 2022 – 1 Sa 208/21 – Rn. 30 ff.; LAG Baden-Württemberg 16. Februar 2022 – 10 Sa 62/21 – Rn. 33 ff.; a.A. LAG Hamm 27. Januar 2022 – 5 Sa 1030/21 – Rn. 39 ff.; vgl. auch BGH 30. November 1978 – III ZR 43/77 – Rn. 13 ff. zum damaligen § 49 BSeuchG).
Das Infektionsschutzgesetz enthält keine Regelungen, aus denen sich entnehmen ließe, dass der Gesetzgeber dem Arbeitgeber das Risiko zugewiesen hat, dass infolge einer in den zuvor festgelegten Urlaubszeitraum fallenden Absonderungsanordnung der Eintritt des “Urlaubserfolgs” vereitelt wird, d.h. aufgrund einer hieraus folgenden Beseitigung der Arbeitspflicht der Leistungserfolg nicht mehr eintreten kann. Im Hinblick darauf, dass es sich bei den Bestimmungen der §§ 9, 10 BUrlG um nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschriften handelt, kommt eine analoge Anwendung auf eine während des Urlaubs angeordnete Quarantäne nicht in Betracht. Vielmehr verbleibt es bei dem Grundsatz, dass das nach bereits erfolgter Festlegung des Urlaubszeitraums eintretende urlaubsstörende Ereignis entsprechend § 275 Abs. 1 BGB als Teil des persönlichen Lebensschicksals in den Risikobereich des Arbeitnehmers fällt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kontakt der Klägerin zu der infizierten Person während ihrer Arbeit bei der Beklagten stattgefunden hat (vgl. LAG Baden-Württemberg 16. Februar 2022 – 10 Sa 62/21 – Rn. 38). Falls der Arbeitgeber den Eintritt des urlaubsstörenden Ereignisses zu vertreten hat, hindert das nicht den Untergang des Urlaubsanspruchs entsprechend § 275 Abs. 1 BGB, sondern führt ggf. zu einem Schadensersatzanspruch im Falle des Vorliegens der hierfür erforderlichen Voraussetzungen. Im Übrigen liegt auch die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlage nicht vor. Mit der Quarantäneanordnung ist nicht typischerweise eine mit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbare Beeinträchtigung verbunden, die bezogen auf den Zweck des Erholungsurlaubs eine Gleichbehandlung gebietet. Wie das Arbeitsgericht anschaulich ausgeführt hat, hängt es vielmehr von der Person des betreffenden Arbeitnehmers und dessen Bedürfnissen bzw. Interessen ab, ob und inwieweit der Urlaubsanspruch durch die Quarantäne beeinträchtigt wird, d.h. letztlich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Für eine analoge Gesetzesanwendung muss jedoch die typische Vergleichbarkeit und nicht der im Einzelfall festzustellende Grad der Beeinträchtigung ausschlaggebend seien (LAG Baden-Württemberg 16. Februar 2022 – 10 Sa 63/21 – Rn. 44).
2. Die Klage ist auch nicht unter Schadensersatzgesichtspunkten begründet.
Im Streitfall kann im Berufungsverfahren dahinstehen, ob die Klägerin ihren Klageanspruch erstinstanzlich auch auf einen Schadensersatzanspruch als ggf. weiteren Streitgegenstand gestützt und das Arbeitsgericht hierüber ohne Verstoß gegen § 308 ZPO entscheiden durfte. Jedenfalls wäre ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO dadurch geheilt, dass die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung einen entsprechenden Schadensersatzanspruch hilfsweise geltend gemacht und damit diesen Klagegrund im Wege einer nach § 533 ZPO zulässigen Klageänderung (Erweiterung der Klage durch den hilfsweise als Klagegrund erhobenen Schadensersatzanspruch) zum (weiteren) Streitgegenstand (im Eventualverhältnis) im Berufungsverfahren gemacht hat.
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 326 BGB vorliegend nicht anwendbar. Die §§ 320 ff. BGB gelten nur für Leistungspflichten, zwischen denen eine synallagmatische Abhängigkeit besteht. Auf die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Verpflichtungen sind vielmehr die allgemeinen Regeln anwendbar. Auf Schadensersatzverpflichtungen sind auch bei gegenseitigen Verträgen die allgemeinen Vorschriften der §§ 280 ff. BGB anzuwenden. Auf den nicht synallagmatischen Urlaubsanspruch findet § 326 BGB keine Anwendung.
b) Der Klageanspruch folgt nicht aus §§ 283 Satz 1, 280 Abs. 1, 275 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB. Der Umstand, dass der zur Quarantäneanordnung führende Kontakt der Klägerin zu einer infizierten Person nicht in ihrem privaten Umfeld, sondern während ihrer Arbeit bei der Beklagten stattgefunden hat, begründet keinen Schadensersatzanspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub für den untergegangenen Urlaubsanspruch von sieben Urlaubstagen.
Wie bereits oben ausgeführt, hat der Schuldner des Urlaubsanspruchs mit der Festlegung des Urlaubszeitraums das Erforderliche getan. Wird der Freistellungserfolg nachträglich unmöglich, geht der durch die Festlegung des Arbeitgebers konkretisierte Freistellungsanspruch dennoch nach §§ 243 Abs. 2, 275 Abs. 1 BGB unter.
Der Schuldner der nachträglich unmöglich gewordenen Leistungspflicht kann nach §§ 280, 283 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein. Gemäß § 283 Satz 1 BGB hat der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Schuldner gemäß § 275 Abs. 1 BGB nicht zu leisten braucht. Die Haftung des Schuldners ist nur ausgeschlossen, wenn er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Im Streitfall hat die Beklagte die nachträglich eingetretene Unmöglichkeit nicht zu vertreten. Der Nichteintritt des Freistellungerfolgs während des gewährten Urlaubs in der Zeit vom 12. bis 20. November 2020 beruhte nicht auf einem schuldhaften Verhalten der Beklagten, sondern darauf, dass aufgrund des Kontaktes der Klägerin zu einem infizierten Patienten während ihrer Arbeit eine Quarantäneanordnung erlassen worden ist. Von der Beklagten ggf. zu widerlegende Umstände, die für ihr Verschulden oder für die Ursächlichkeit ihres Verschuldens hinsichtlich der eingetretenen Unmöglichkeit des Freistellungserfolgs sprechen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kontakt der Klägerin mit einem infizierten Patienten während der Arbeit bei der Beklagten stattgefunden hat, spricht noch nicht für eine der Beklagten zuzurechnende Sorgfaltspflichtverletzung. Im Hinblick, dass an den Entlastungsbeweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen und auch von Seiten der Klägerin keinerlei Anhaltspunkte angeführt worden sind, die auf eine Verletzung von Sorgfaltspflichten auch nur hindeuten könnten, ist im Streitfall gemäß dem Vortrag der Beklagten davon auszugehen, dass ein Vertretenmüssen der Arbeitgeberin nicht vorliegt und die letztlich von keiner Partei zu vertretende Quarantäneanordnung zur Unmöglichkeit des Freistellungserfolgs in der Zeit vom 12. bis 20 November 2020 geführt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben