Arbeitsrecht

Handwerkskammerbeitrag, Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage, Gebot der Schätzgenauigkeit, Zuführung des Überschusses aus dem Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt

Aktenzeichen  22 B 20.1950

Datum:
8.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36722
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HwO §§ 106 Abs. 1, 113

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 2 K 16.371 2018-03-29 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. März 2018 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2016 wird aufgehoben.
II.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV.Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Die Berufung, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach der Vorschrift des § 113 Abs. 1 HwO, wonach die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, von den Inhabern eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes sowie den Mitgliedern der Handwerkskammer nach § 90 Abs. 3 HwO getragen werden, liegt der Beitragserhebung eine zweistufige Willensbildung zugrunde. Auf der ersten Stufe entscheidet die Vollversammlung der Beklagten vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer – unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben – im Voraus für das Wirtschaftsjahr über den notwendigen Mittelbedarf im Rahmen der Feststellung des Haushaltsplans (vgl. § 106 Abs. 1 Nr. 4 HwO). Auf der zweiten Stufe wird dieser Bedarf gemäß der Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. § 106 Abs. 1 Nr. 5 HwO). Die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zu Kammerbeiträgen hängt damit unter anderem davon ab, ob die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Dies haben die Verwaltungsgerichte inzident zu prüfen (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10.19 – juris Rn. 14; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 13). Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten im Sinne des § 113 Abs. 1 HwO, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 17; U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20). Vorliegend erweist sich die Feststellung des Mittelbedarfs der Beklagten für das Haushaltsjahr 2016 zumindest in Bezug auf die Bildung bzw. Beibehaltung einer Rücklage in Höhe von 4.000.000 € als rechtlich fehlerhaft.
1. Der Kammer kommt zwar hinsichtlich der Aufstellung des Haushaltsplans ein weiter, ihre Spielräume bei der Wahrnehmung und Ausgestaltung ihrer Aufgaben berücksichtigender Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 10.19 – juris Rn. 11; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn.16). Dieser besteht aber nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der zu beachtende Rahmen wird gebildet durch die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie durch ergänzende Satzungsbestimmungen.
Danach ist den Handwerkskammern die Bildung von Vermögen verboten; nach § 113 Abs. 1 HwO dürfen die Beiträge ausschließlich für die in dieser Bestimmung genannten Zwecke und damit nicht zur Vermögensbildung eingesetzt werden (vgl. BVerwG, U. v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 11; U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20). Dies schließt die Bildung von Rücklagen nicht insgesamt aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen der Kammertätigkeit. Auch die Höhe der Rücklage muss von dem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine von diesem Zweck nicht gedeckte Rücklage ist nicht angemessen und kommt einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan ist nicht nur rechtswidrig, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 11; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 17 f.; VGH BW, U.v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14 – juris; NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 130/17 – juris Rn. 49 ff).
Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt auch das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Danach müssen Prognosen aus der ex-ante-Sicht sachgerecht und vertretbar ausfallen. Ist dies der Fall, ist es unschädlich, wenn sich im Nachhinein die Prognose als unrichtig erweist (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 11; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16). Das Gebot der Schätzgenauigkeit verpflichtet dazu, den im Haushalt für einen bestimmten Zweck veranschlagten Mittelbedarf aufgrund der bei der Aufstellung des Haushaltsplans verfügbaren Informationen sachgerecht und vertretbar zu prognostizieren (BVerfG, U.v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04 – BVerfGE 119, 96/129 f.; BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16). Was dabei als vertretbar zu gelten hat, kann nur aufgrund einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose bestimmt werden. Unvertretbar sind jedenfalls bewusst falsche Etatansätze und gegriffene Ansätze, die trotz naheliegender Möglichkeit besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um realitätsgerechte Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen (BVerfG, U.v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04 – BVerfGE 119, 96/129, BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 19 f.). Die Mittelbedarfsprognose richtet sich auf eine möglichst realitätsgerechte Schätzung der künftigen Einnahmen und Ausgaben der Kammer. Die Verwaltungsgerichte sind bei der Inzidentprüfung des Haushaltsplans folglich nicht auf eine reine Willkürkontrolle beschränkt (BVerwG, a.a.O. Rn. 20).
Diesen Maßgaben genügt die Haushaltsplanung der Beklagten für das Jahr 2016 zumindest in Bezug auf die Bildung bzw. Beibehaltung einer Rücklage in Höhe von 4.000.000 € nicht.
2. Es bestehen bereits Zweifel, ob in Ansehung dieser Rücklage eine ordnungsgemäße Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten vorliegt.
Die von der Beklagten vorgelegte Mittelfristige Finanzplanung 2015 – 2020 weist für das Jahr 2016 eine „Betriebsmittelrücklage“ mit einem Planwert in Höhe von 4.000.000 € aus. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 4. August 2021 jedoch selbst vorgebracht, dass die Mittelfristige Finanzplanung kein Bestandteil des Haushaltsplans sei und lediglich nachrichtlichen Charakter habe. Demgegenüber hat die Beklagte im Schriftsatz vom 29. September 2016 an das Verwaltungsgericht vorgetragen, dass „die Entnahmen und Zuführungen zu den allgemeinen Rücklagen jeweils im Rahmen der Beschlussfassung über den Haushaltsplan und über die Jahresrechnung von der Vollversammlung festgesetzt wurden“. Tatsächlich ist in dem Haushaltsbeschluss vom 3. Dezember 2015 (soweit er sich bei den von der Beklagten vorgelegten Akten befindet) hinsichtlich der Mittelfristigen Finanzplanung 2015 – 2020 lediglich von einer Kenntnisnahme durch die Mitglieder der Vollversammlung die Rede. Eine konkrete Beschlussfassung über die Bildung einer Rücklage in Höhe von 4.000.000 € ist dem Haushaltsbeschluss auch ansonsten nicht zu entnehmen. Eine solche Beschlussfassung ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss der Vollversammlung vom 4. Dezember 2014 für das Haushaltsjahr 2015, auf den der Haushaltsbeschluss vom 3. Dezember 2015 „nachrichtlich“ verweist. Danach hat die Vollversammlung am 4. Dezember 2014 beschlossen, dass aus der „Allgemeinen Rücklage“ bei Bedarf ein Betrag von 2.000.000 € zur Baufinanzierung entnommen werden kann; damit hat sie wohl indirekt die Höhe einer „Allgemeinen Rücklage“ für das Haushaltsjahr 2015 bestätigt. Ein nachrichtlicher Verweis auf einen für das Haushaltsjahr 2015 gefassten Beschluss ersetzt jedoch nicht einen entsprechenden Beschluss für das Haushaltsjahr 2016. Ebenso wenig ist aus der im Haushaltsplan vorgesehenen Entnahme aus den Rücklagen zum Ausgleich des Vermögenshaushalts in Höhe von 6.233.500 € (vgl. Tz. 44 des Vermögenshaushalts nebst zugehöriger Erläuterung) konkret zu schließen, welche Rücklage(n) in welcher Höhe im Haushaltsjahr 2016 fortbestehen soll(en).
3. Ob es bereits an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Beklagten fehlt, kann jedoch letztlich offenbleiben. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Vollversammlung der Beklagten die Bildung bzw. Beibehaltung einer Rücklage in Höhe von 4.000.000 € für das Haushaltsjahr 2016 beschlossen hat, genügt diese nicht den haushaltsrechtlichen Anforderungen. Es ist bereits fraglich, ob der von der Beklagten beschriebene Rücklagenzweck haushaltsrechtlich zulässig ist. Dies braucht aber letztlich nicht entschieden zu werden (hierzu 3.1). Denn zumindest der Höhe nach, insbesondere im Hinblick auf das Gebot der Schätzgenauigkeit, erweist sich die Rücklagenbildung bzw. -beibehaltung als fehlerhaft (hierzu 3.2).
3.1 Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Rücklagenbildung den an sie dem Grunde nach zu stellenden haushaltsrechtlichen Anforderungen vollständig entspricht.
3.1.1 Die von der Beklagten im Berufungsverfahren genannten Zwecke der Rücklage mögen jedenfalls teilweise solche sein, die einen sachlichen Zweck im Rahmen der Kammertätigkeit begründen können. Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung zur Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 31.3.2021) erläutert, dass die gebildete „Allgemeine Rücklage“ in Höhe von 4.000.000 € der Sicherung und rechtzeitigen Leistung von Ausgaben, dem Ausgleich von Einnahme- und Ausgabenschwankungen sowie der angemessenen Eigenfinanzierung von anstehenden Investitionen diene. Der Sache nach soll die Rücklage nach dem Willen der Beklagten also (zumindest teilweise) sowohl Zwecke einer Liquiditäts- als auch einer Ausgleichsrücklage erfüllen; die Beklagte selbst hat im Laufe des Berufungsverfahrens diese Begrifflichkeiten verwendet (Schriftsatz vom 4.8.2021, S. 2). Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt grundsätzlich einen legitimen sachlichen Zweck für die Bildung einer Rücklage dar (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 18); namentlich Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage liegen Zwecke zu Grunde, welche vom Bundesverwaltungsgericht als im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gerechtfertigt angesehen wurden (zur Liquiditätsrücklage vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 18; zur Ausgleichsrücklage U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 18). Insoweit dürfte die Rücklage auch mit § 10 Abs. 1 HKRO in Einklang stehen (zur Relevanz dieser Bestimmung für die verwaltungsgerichtliche Prüfung vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16 und Rn. 19). Danach soll die „Allgemeine Rücklage“ die rechtzeitige Leistung von Ausgaben sichern und damit einer Liquiditätsrücklage entsprechen. Zwar ist die Bildung einer Rücklage zum Ausgleich von Beitragsschwankungen und -ausfällen, wie sie die Beklagte angeführt hat, in § 10 Abs. 1 HKRO nicht ausdrücklich vorgesehen. Allerdings stellt das Vorhalten einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeausfällen grundsätzlich einen sachlichen Zweck dar, der die Bildung einer entsprechenden Rücklage rechtfertigt (vgl. oben); die Ausgleichsrücklage dürfte danach von § 10 Abs. 1 HKRO gedeckt sein, weil eine rechtzeitige Leistung von Ausgaben neben dem zeitlichen Moment voraussetzt, dass Einnahmen überhaupt zur Verfügung stehen.
Nicht eindeutig beurteilen lässt sich, ob ein zulässiger Rücklagenzweck im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten vorliegt, die Rücklage solle auch der angemessenen Eigenmittelfinanzierung von anstehenden Investitionen bzw. für geförderte Beschaffungsmaßnahmen dienen. Soweit damit die Überbrückung des Zeitraums bis zum Eingang von Förder-, also Fremdmitteln gemeint sein sollte (in diese Richtung ließen sich die Ausführungen auf S. 12 des Schriftsatzes vom 31.3.2021 verstehen), stünden wiederum – zulässigerweise – Einnahmeverzögerungen inmitten; hingegen wäre fraglich, inwieweit die Vorhaltung der für eine Förderung nötigen anteiligen Eigenmittel (vgl. Schriftsatz vom 31.3.2021, S. 13 bzw. Schriftsatz vom 4.8.2021, S. 2) im konkreten Zusammenhang mit dem genannten Überbrückungszweck steht.
3.1.2 Fraglich ist ferner, ob es mit den Grundsätzen des Haushaltsrechts vereinbar ist, dass, wie die Beklagte geschildert hat (Schriftsatz vom 4.8.2021), zum 1. Januar 2016 eine Liquiditätsrücklage besteht, die aber im Jahresfortlauf als Ausgleichsrücklage „fortgeführt wird“. Denn die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und deren Höhe ist, wie ausgeführt, in jedem Haushaltsplan und damit jährlich neu zu treffen (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 18), und zwar von der Vollversammlung. Dass eine solche Entscheidung hinsichtlich des Wechsels des Rücklagenzwecks innerhalb des Haushaltsjahrs 2016 von der Vollversammlung der Beklagten mit dem Beschluss über den Haushaltsplan getroffen worden ist, ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht, ganz abgesehen von der Frage, ob und inwieweit eine in einer bestimmten Höhe dotierte Rücklage angesichts des Gebots der Schätzgenauigkeit während des laufenden Haushaltsjahres für unterschiedliche Zwecke verwendet werden kann.
3.2 All dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil die Rücklagenbildung jedenfalls der Höhe nach rechtsfehlerhaft ist.
3.2.1 Der Grundsatz der Haushaltswahrheit und das daraus folgende Gebot der Schätzgenauigkeit verlangen, wie ausgeführt, aus ex-ante-Sicht sachgerechte und vertretbare Prognosen. Dies setzt voraus, dass jeder Ansatz sachbezogen begründbar ist. Es obliegt der Beklagten im gerichtlichen Verfahren, im Einzelnen darzulegen, dass sie im Rahmen des ihr aus dem Selbstverwaltungsrecht erwachsenden weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren bei der Aufstellung des Haushaltsplans eingehalten hat, dass die Rücklage also nicht ins Blaue hinein vorgehalten wird und eine hinreichend nachvollziehbare, plausible Prognose angestellt worden ist. Kann das Gericht sich davon nicht überzeugen, ist der Haushaltsplan rechtswidrig (BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 21). Umstritten ist in der Rechtsprechung insoweit, ob für die gerichtliche Kontrolle nur die der Vollversammlung beim Beschluss über den Haushaltsplan bekannten Grundlagen der Prognose maßgeblich sind (sog. formelle Betrachtung), oder ob eine materielle Betrachtung geboten ist und das Gericht seiner Prüfung auch die von der Beklagten erst im Prozess vorgetragenen Tatsachen für die Bemessung der Höhe der Rücklage zugrunde legen darf (für die materielle Betrachtung: BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 22; NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 129/17 – juris Rn. 96; OVG Hamburg, U.v. 20.2.2018 – 5 Bf 213/12 – juris Rn. 55; offen gelassen durch OVG Berlin-Bbg, B.v. 6.1.2020 – OVG 1 N 62.18 – juris Rn. 19 m.w.N; Gegenansicht: VG Gelsenkirchen, U.v. 21.5.2019 – 19 K 2505/17 – juris Rn. 57; U.v. 21.11.2017 – 19 K 903/16 – juris Rn. 47; VG Koblenz, U.v. 25.11.2013 – 3 K 121/12.KO – GewArch 2014, 116). Dies kann vorliegend dahinstehen, da die Mittelbedarfsfeststellung bzgl. der Höhe der Rücklage bereits in materieller Hinsicht nicht nachvollziehbar und damit fehlerhaft ist.
3.2.2 Denn unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe entspricht die Rücklagenbildung bzw. -beibehaltung der Beklagten der Höhe nach für das hier in Rede stehende Haushaltsjahr 2016 auch unter Berücksichtigung der schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht den an sie zu stellenden haushaltsrechtlichen Anforderungen.
3.2.2.1 Die Rücklagenhöhe kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie sich innerhalb des durch § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO vorgegebenen Rahmens bewegt. Davon geht inzwischen auch die Beklagte aus. Denn bei der HKRO handelt es sich um von der Beklagten selbst gesetztes Recht. Es ist schon deshalb nicht geeignet, bundesgesetzliche Anforderungen verbindlich auszufüllen oder gar zu modifizieren (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 11; OVG Hamburg, U.v. 20.2.2018 – 5 Bf 213/12 – juris Rn. 65; NdsOVG, U.v. 17.9.2018 – 8 LB 130/17 – juris Rn. 62 ff; VGH BW, U.v. 2.11.2016 – 6 S 1261/14 – juris Rn. 36). Der Grundsatz der Haushaltswahrheit und das daraus folgende Gebot der Schätzgenauigkeit verlangen aus ex-ante-Sicht sachgerechte und vertretbare Prognosen. Dies setzt voraus, dass jeder Ansatz sachbezogen begründbar ist. Dagegen genügt nicht, dass er einen pauschal festgelegten maximalen Prozentsatz der geplanten Aufwendungen nicht überschreitet oder sich in einem durch solche Prozentanteile begrenzten Korridor bewegt.
3.2.2.2 Schon die Äußerung der Beklagten im Berufungsverfahren, „für den Fall, dass eine Schätzung in 2016 im Rahmen einer ex-ante-Betrachtung ohne Zugrundelegung der Maßstäbe aus der HKRO 2012 vorgenommen worden wäre“ (Schriftsatz vom 31.3.2021, S. 12), deutet darauf hin, dass der Höhe der Rücklage bereits von vornherein keine Schätzung des Mittelbedarfs unter Nutzung nahe liegender Informationsgewinnungsmöglichkeiten zu Grunde lag, sondern dass die Beklagte allein auf die – nicht entscheidenden (vgl. oben) – Maßstäbe des § 10 Abs. 1Satz 2 HKRO abgestellt hat. Ein solch grundlegender Mangel wäre nicht deshalb unbeachtlich, weil, wie die Beklagte geltend macht, „die Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit zu keinem anderen Ergebnis der Haushaltsansätze und der Rücklagen geführt“ hätte. Denn ebenso wenig, wie es darauf ankommt, dass sich eine dem Gebot der Schätzgenauigkeit entsprechende Prognose nachträglich als unrichtig erweist (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 11; U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16), kann eine Prognose, die nicht oder jedenfalls ohne tragfähige Grundlage erstellt worden ist, mit einer ex-post-Betrachtung begründet werden. Bereits im Ansatz unzutreffend wäre daher auch die weitere Erläuterung der Beklagten zur Höhe des Rücklagenbedarfs mittels einer „ex-ante-Betrachtung der geplanten Ausgaben für den Haushaltsplan 2016 aus heutiger Sicht“ (Schriftsatz vom 4.8.2021, S. 2 unten). Fraglich ist diesbezüglich zudem, ob das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Feststellung, dass das Gericht der Kontrolle der Mittelbedarfsprognose alle Erwägungen der Beklagten zugrunde zu legen hat, die sie zu den im Zeitpunkt des Beschlusses ihrer Vollversammlung über den betreffenden Wirtschaftsplan vorliegenden Tatsachen bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung prozessordnungsgemäß vorgebracht hat (U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 22), auch das von der Beklagten geschilderte Vorgehen als mit dem Gebot der Schätzgenauigkeit vereinbar ansehen würde.
3.2.2.3 Zudem ist die Höhe des Rücklagenansatzes von 4.000.000 € weder aus dem Haushaltsbeschluss samt Haushaltsplan und Mittelfristiger Finanzplanung noch aus den Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren nachvollziehbar geworden.
Die Zusammenrechnung eines Betrags von 3.175.000 € für Leistungen im Bereich der Ausgabentitel „Kosten für die Beitragserhebung, Personal, allgemeine Verwaltung, Prüfungen, Berufsbildungsmaßnahmen, Internat, besondere Kammeraufgaben und Vermögensverwaltung“ und eines aus der Zuführung an den Vermögenshaushalt herrührenden Betrags von 990.000 € mit dem Ergebnis einer Summe vom 4.165.000 € (Schriftsatz der Beklagten vom 31.3.2021, S. 12) soll offenbar nachträglich belegen, dass ein Bedürfnis für eine Rücklage in Höhe von circa 4.000.000 € bestanden habe. Damit kann die Beklagte weder hinsichtlich des Betrags von 3.175.000 € (dazu 3.2.2.3.1) noch des Betrags von 990.000 € (dazu 3.2.2.3.2) durchdringen.
3.2.2.3.1 Es ist nicht erkennbar, dass der von der Beklagten genannte Betrag von 3.175.000 € in einer dem Gebot der Schätzgenauigkeit entsprechenden Weise ermittelt wurde.
3.2.2.3.1.1 Aus der Erläuterung diverser Ausgabenansätze aus dem Verwaltungshaushalt 2016 (Schriftsatz der Beklagten vom 31.3.2021, S. 7-11) ergibt sich nichts Konkretes in Bezug auf den Mittelbedarf für eine Rücklage in Höhe von 3.175.000 €.
3.2.2.3.1.2 Die von der Beklagten genannten Ausgabenbeträge, aus denen sich dieser Betrag zusammensetzt (Schriftsatz vom 31.3.2021, S. 12, und vom 4.8.2021, S. 2), lassen sich zwar insoweit zumindest ansatzweise nachvollziehen, als die Beklagte nunmehr anhand der Ist-Werte für die Jahre 2014 und 2015 und des Verweises auf die allgemeine Preissteigerung darlegt, dass sie in den Monaten Januar und Februar mit den genannten Beträgen in Vorleistung treten muss, bis die Einnahmen aus den Beiträgen und Gebühren zur Verfügung stehen. Allerdings können die durchgängig gegenüber den Vorjahren für das Jahr 2016 erhöhten erforderlichen Liquiditätsreserven nicht pauschal mit einer allgemeinen Preissteigerung gerechtfertigt werden. In den Bereichen „Bildungsmaßnahmen“ und „Internat“ geht die Beklagte etwa von Liquiditätsengpässen, die 20% über dem Niveau der Vorjahre liegen, aus, ohne dies näher zu begründen. Im Bereich der Kosten für die Beitragserhebung wird eine Verdoppelung der Kosten erwartet. Mit der Vermutung einer höheren Beitragssollstellung lässt sich dies nicht begründen.
3.2.2.3.1.3 Die Beklagte hat auch nicht nachvollziehbar belegt, dass sich aus dem Gebot der Schätzgenauigkeit die Notwendigkeit eines Betrags von 3.175.000 € als Ausgleichsrücklage ergibt bzw. welche konkrete Summe daraus für eine Ausgleichsrücklage benötigt wird.
Die gebotene Prognose muss sich bei der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann (vgl. OVG Hamburg, U.v. 20.2.2018 – 5 Bf 213/12 – juris Rn. 66). Doch bedarf es positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr die ex-ante-Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge u.a. von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615/616). Dabei liegt es nahe, auf die Erfahrungen in den letzten Jahren zurückzugreifen (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.2020 – 8 C 9.19 – juris Rn. 23; VG Düsseldorf, U. v. 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 372). Die Beklagte ist also auch in Bezug auf die Ausgleichsrücklage gehalten, das Bedürfnis in ihrer konkreten Höhe nachvollziehbar zu begründen und alle voraussichtlich zu erwartenden ergebniswirksamen Schwankungen möglichst zutreffend zu prognostizieren.
Vorliegend fehlt es an stichhaltigen Angaben der Beklagten zu Beitrags- oder auch Gebührenausfällen in den vorangegangenen Haushaltsjahren, die die konkrete Höhe einer Ausgleichsrücklage rechtfertigen könnten. Zwar führt die Beklagte aus, dass Ende des Jahres 2015 offene Beitragsforderungen in Höhe von 1.000.000 € und voraussichtlich offene Gebührenforderungen in Höhe von 500.000 € bestanden hätten (Schriftsatz vom 4.8.2021, S. 4). Sie benennt auch mögliche Ausfallgründe. Es fehlt aber an jeglicher Darlegung, in welcher Höhe in den letzten Jahren oder sonst in der Vergangenheit tatsächlich Gebühren- und Beitragsausfälle, nicht nur Verzögerungen bei der Begleichung, eingetreten sind. Hierzu lässt sich auch den Erläuterungen zum Haushaltsplan nichts entnehmen. Zudem liegt die Summe von 1.500.000 € deutlich unter dem von der Beklagten genannten Betrag von 3.175.000 €, der (auch) für eine Ausgleichsrücklage benötigt werden soll. Schließlich liegt der für offene Beitragsforderungen genannte Zeitpunkt (31.12.2015) nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Vollversammlung (3.12.2015). Dass es sich – wie hinsichtlich der Gebühren – lediglich um einen voraussichtlichen Betrag handelt, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen; vielmehr verdeutlicht auch dieses Vorbringen der Beklagten, dass ihre nunmehrigen Angaben zum Rücklagenbedarf – rechtlich unzulässig – auf einer ex-post-Betrachtung beruhen.
Die Höhe des in Bezug auf mögliche Einnahmeausfälle weiter genannten Betrags von 3.071.000 € bei Fördermitteln hat die Beklagte ebenfalls nicht nachvollziehbar begründet. Weder lässt sich wegen der fehlenden Bezugnahme auf die entsprechenden Haushaltstitel im Haushaltsplan feststellen, in welcher Höhe erwartete Fördermittel für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) in den Haushaltsplan 2016 eingestellt worden sind, noch legt die Beklagte offen, in welcher Höhe aufgrund der Erfahrungen in den letzten Haushaltsjahren mit einem Ausfall der eingeplanten Fördermittel zu rechnen ist.
3.2.2.3.2 Der Beklagten ist es auch nicht gelungen, ein Bedürfnis für die Höhe der Rücklage von 4.000.000 € nachvollziehbar zu begründen, soweit bei deren Bemessung zusätzlich zu den bereits genannten 3.175.000 € ein Betrag von 990.000 € eingeflossen sein soll.
3.2.2.3.2.1 Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die Zuführung in Höhe von 990.000 € vom Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt der allgemeinen Liquiditätssicherung im Vermögenshaushalt diene, dass sie mit Blick auf Zahlungsverpflichtungen und Beschaffungen im Vermögenshaushalt Planungssicherheit benötige und dass Eigenmittel für geförderte Beschaffungen vorzuhalten seien, um die Auflagen der Zuwendungsgeber zu erfüllen. Die Zuführung zum Vermögenshaushalt müsse gleich zu Beginn des Haushaltsjahres zur Verfügung stehen.
Den Erläuterungen im Haushaltsplan (zu Titel 718) ist zu entnehmen, dass sich aufgrund der Haushaltsansätze bei den Einnahmen und Ausgaben ein Überschuss im Verwaltungshaushalt ergibt, der dem Vermögenshaushalt zugeführt wird. Diese Vorgehensweise entspricht § 11 Abs. 2 HKRO. Diesen Überschuss hat die Beklagte im Haushaltsplan 2016 als Einnahme im Vermögenshaushalt eingeplant, so dass mit dem entsprechenden Haushaltsbeschluss auch über die Verwendung des Überschusses zur Deckung der Ausgaben im Vermögenshaushalt entschieden worden sein mag. Ob die Beklagte darüber hinaus auch hätte beschließen müssen, zur Deckung welcher konkreten Ausgaben im Vermögenshaushalt der Überschuss aus dem Verwaltungshaushalt verwendet werden soll, kann offenbleiben. Ebenso kann offenbleiben, ob die geplante Bildung eines Überschusses von 990.000 € im Verwaltungshaushalt mit dem Ziel der Deckung von Ausgaben des Vermögenshaushaltes überhaupt mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar ist. Denn die Rücklagenbildung erweist sich auch insoweit aus anderen Gründen als rechtswidrig.
3.2.2.3.2.2 § 11 Abs. 3 HKRO sieht eine Zuführung zur allgemeinen Rücklage von im Vermögenshaushalt zur Deckung der Ausgaben nicht benötigten Einnahmen vor. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Haushaltsplan der Beklagten für 2016 eine solche Zuführung zur Rücklage aus dem Vermögenshaushalt enthält. Dem Vermögenshaushalt lässt sich nur die Zuführung aus dem Verwaltungshaushalt (Titel 44), aber keine Zuführung zu den Rücklagen entnehmen (Titel 83).
3.2.2.3.2.3 Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht, weshalb der im Laufe des (gesamten) Haushaltsjahres 2016 erwirtschaftete Überschuss im Verwaltungshaushalt gleich zu Beginn des Jahres in die „Allgemeine Rücklage“ als Liquiditätsreserve eingestellt werden muss, bevor die Einnahmen bzw. die Überschüsse aus den jeweiligen Haushaltstiteln im Gesamtplan Verwaltungshaushalt zur Verfügung stehen. Dass ein Überschuss in Höhe vom 990.000 € zur Liquiditätssicherung in Bezug auf Eigenmittel für geförderte Beschaffungen bei ex-ante-Betrachtung dem Gebot der Schätzgenauigkeit entsprach, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der pauschale Verweis auf die geplanten Investitionen des Haushaltsjahres 2016 (Schriftsatz vom 4.8.2021, S. 2) gibt keinerlei Aufschluss darüber, inwieweit hieraus ein Mittelbedarf für eine Rücklage in Höhe von 990.000 € folgen sollte. Die von der Beklagten (a.a.O.) konkret angeführten verbleibenden Eigenmittel für die Maßnahmen in den Einzelplänen 30 und 50 in Höhe von 138.000 € und 71.000 € rechtfertigen jedenfalls die Dotierung einer „Liquiditätsreserve“ von 990.000 € auch nicht ansatzweise.
Ob die Vorhaltung von Eigenmitteln für geförderte Beschaffungen angesichts § 10 Abs. 1 HKRO überhaupt ein zulässiger Rücklagenzweck sein konnte, kann daher, wie bereits erwähnt, offenbleiben.
3.3 Für einen Verstoß gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit spricht auch, dass die Vollversammlung der Beklagten bereits für das Haushaltsjahr 2015 den Beschluss gefasst hat, bei Bedarf aus der „Allgemeinen Rücklage“ einen Betrag von 2.000.000 € zu entnehmen und der zweckgebundenen Rücklage zuzuführen, auf den bei der Beschlussfassung über den Haushaltsplan 2016 nachrichtlich hingewiesen worden ist. Dies zeigt, dass die „Allgemeine Rücklage“ nicht nur dem Zweck der Liquiditätssicherung gedient hat, sondern so bemessen war, dass bei Bedarf auch Anschaffungen, die dem Vermögenshaushalt der Beklagten zuzuordnen sind, finanziert werden konnten. Dieses Vorgehen widerspricht dem aus § 113 Abs. 1 HwO folgenden Verbot der Vermögensbildung.
3.4 Insgesamt hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass es sich bei den von der Beklagten genannten Beträgen, die eine Rücklage von 4.000.000 € nachvollziehbar belegen sollen, um gegriffene Ansätze handelt, die die Rücklagenbildung lediglich ex-post rechtfertigen sollen. Dies entspricht nicht einer nach dem Gebot der Schätzgenauigkeit erforderlichen ex-ante-Prognose; es lässt sich nicht erkennen, dass die Beklagte Erwägungen vorgebracht hat, die sich auf die bereits im Zeitpunkt des Beschlusses ihrer Vollversammlung über den betreffenden Wirtschaftsplan vorliegenden Tatsachen beziehen (siehe schon 3.2.2.2)
4. Eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung (hier die Bemessung einer Rücklage in Höhe von 4.000.000 €) im maßgeblichen Haushaltsplan hat die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Dies allein rechtfertigt die Aufhebung des angefochtenen Beitragsbescheids.
5. Auf die im Berufungsverfahren vom Kläger weiter aufgeworfenen Fragen, ob die Beklagte die Realisierung ausstehender Forderungen bei der Mittelbedarfsplanung berücksichtigt und sie einen gewerblichen Hotelbetrieb unterhalten hat, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Das Gleiche gilt bezüglich der im Berufungsverfahren nicht mehr thematisierten Bemessung der Baurücklage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO) bestehen nicht.


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