Arbeitsrecht

Hebammenvergütung – Hebammengemeinschaft

Aktenzeichen  S 6 KR 627/15

Datum:
27.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148540
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 134a
BGB §§ 705 ff.
GG Art 12

 

Leitsatz

1 Zur Rechtsgrundlage für die Abrechnung der Leistungen “Hilfen bei Schwangerschaftsbeschwerden oder bei Wehen” und “Cardiotokographische Überwachung”. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Hebammengemeinschaft im Sinne des Vertrages über die Versorgung mit Hebeammenhilfe nach § 134a SGB V. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.916,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Die gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist unbegründet.
Der von der Klägerin geltend gemachte weitere Gebührenanspruch für von ihr erbrachte Leistungen nach der HebVV in Höhe von 2.956,50 Euro besteht nämlich nicht. Vielmehr hat die Beklagte zu Recht die von der Abrechnungsstelle M. GmbH für die Klägerin und den mit ihr an der Kreisklinik A-Stadt tätigen Beleghebammen eingereichten Rechnungen vom 19.04.2011, 09.05.2011, 07.06.2011, 05.01.2012 16.01.2012, 02.03.2012, 26.07.2012, 26.09.2012, 02.01.2013, 22.02.2013, 24.06.2013, 09.07.2013, 16.07.2013, 06.09.2013, 20.01.2014, 28.07.2014, 18.09.2014, 08.10.2014, 19.01.2015, 17.03.2015, 13.03.2015, 12.06.2015 und 06.08.2015 um den streitgegenständlichen Betrag gekürzt.
Rechtsgrundlage hierfür ist der Abschnitt B „Geburtshilfe“ des Leistungsverzeichnisses zur HebVV ab Juli 2010. Hierin wird unter a) bestimmt, dass die Gebühren für die Leistungen nach der Nr. 090x bis 131x die Hilfen für die Dauer von bis zu acht Stunden vor der Geburt des Kindes oder einer Fehlgeburt umfassen und die Hilfe für die Dauer von bis zu drei Stunden danach einschließlich aller damit verbundenen Leistungen und Dokumentationen. Hieraus ergibt sich, dass Leistungen nach den Gebührenziffern 0500 bis 0512 (Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden), 0600 bis 0602 (cardiotopographische Überwachung) sowie die Gebührennummern 3000 bis 3352 dann nicht mehr abgerechnet werden können, wenn die Gebühren nach Nr. 090x bis 131x angefallen sind. Genau dies war aber in den streitgegenständlichen Rechnungen der Fall, nämlich, dass trotz Entstehung einer Gebühr nach Nr. 090x bis 131x noch Gebühren nach den Gebührenziffern 0500 bis 0512, 0600 bis 0602 und den Nrn. 3000 bis 3352 geltend gemacht wurden. Diese waren aber nach der genannten Regelung in der Gebührenordnung (Abschnitt B „Geburtshilfe“) von der Beklagten nicht zu übernehmen.
Soweit vom Bevollmächtigten vorgetragen worden ist, dass die streitigen Gebühren deshalb abrechenbar gewesen wären, weil nach dem Urteil des BSG vom 21.08.1996 – 3 RK 22/95 davon auszugehen sei, dass der Hebammenvergütungsverordnung nicht entnehmbar sei, dass Hebammengebühren nur einmal anfielen, so dass eine weitere Hebamme, die die Versicherte ebenfalls behandelt hat, keinen Gebührenanspruch mehr geltend machen könne, liegt der Entscheidung des BSG nach Auffassung des Gerichts ein anderer Sachverhalt zugrunde als der vorliegende. In dem Urteil vom 21.08.1996 ist nämlich das BSG in dem konkreten Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen den beiden tätig gewordenen Hebammen keine Hebammengemeinschaft vorlag. Hier ist das Gericht aber davon überzeugt, dass die Klägerin mit den weiter an der Kreisklinik A-Stadt behandelnden Hebammen, Frau E. (S 6 KR 628/15), Frau E. (S 6 KR 629/15), Frau S. (S 6 KR 638/15), Frau S. (S 6 KR 639/15), eine Hebammengemeinschaft im Sinn des § 6 Abs. 2 Satz 2 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V bildet. In dieser Norm ist geregelt, dass die Leistungen von der Hebamme persönlich zu erbringen sind (§ 6 Abs. 2 Satz 1 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V). Eine solche persönliche Leistung kann aber nicht nur von einer Hebamme allein sondern nach der Bestimmung des § 6 Abs. 2 Satz 2 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V auch durch eine Hebammengemeinschaft erbracht werden. Damit ist für das Gericht aber gleichzeitig festgelegt, dass es sich bei Leistungen einer Hebammengemeinschaft um eine persönliche Leistung dieser handelt mit der Folge, dass nur diese von der Hebammengemeinschaft erbrachte persönliche Leistung Gegenstand der gebührenrechtlichen Abrechnung nach der HebVV sein kann. Es liegen in einem solchen Fall damit nicht mehrere persönliche Leistungen der einzelnen Hebammen der Hebammengemeinschaft vor, sondern eine persönliche Leistung der Hebammengemeinschaft. Bestätigt wird diese Rechtsauffassung, wie von der Beklagten vorgetragen worden ist, durch § 6 Abs. 2 Satz 3 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V, wonach die Leistungen von angestellten Hebammen ebenfalls der Gemeinschaft zugerechnet werden und somit als persönliche Leistungserbringung der Gemeinschaft gelten. Der § 6 Abs. 2 Satz 3 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfen nach § 134a SGB V führt somit zu dem Ergebnis, dass bei Vorliegen einer Hebammengemeinschaft entgegen dem Sachverhalt in dem Urteil des BSG vom 21.08.1996 die Gebührenordnung keine Abrechnung der Leistungen der Hebammengemeinschaft ohne Berücksichtigung der eingeführten Pauschalen bei Leistung von Geburtshilfe nach dem Abschnitt B des Leistungsverzeichnisses zulässt mit der Argumentation, die Versicherte sei von zwei unterschiedlichen Hebammen behandelt worden.
Dass es sich bei den an der Kreisklinik A-Stadt tätigen Hebammen um eine Hebammengemeinschaft im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V handelt, ergibt sich für das Gericht gemäß den §§ 705 ff. BGB. Die §§ 705 ff. BGB sind nicht allein nur auf Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, sog. GbR s, anzuwenden, sondern auch auf gesellschaftsähnliche Rechtsverhältnisse (eingehend Lettl DB 04, 365). Zu diesen gesellschaftsähnlichen Rechtsverhältnissen, auf die – wie gesagt – die §§ 705 ff. BGB anzuwenden sind, zählen auch Arbeits- und Interessengemeinschaften. Diese treten häufig nur in Form einer Innengesellschaft auf (siehe hierzu Palandt, BGB, § 705 Rz. 33, 37 und 42). Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin kommt es daher gerade nicht ausschließlich darauf an, wie die Hebammen gegenüber den Versicherten aufgetreten sind, sondern insbesondere und gerade auf die im Innenverhältnis getroffenen Absprachen und Regelungen. Nach der Einvernahme der Klägerin steht für das Gericht aber fest, dass diese mit den weiteren Hebammen an der Kreisklinik A-Stadt eine Arbeits- und Interessengemeinschaft bildet und damit ein gesellschaftsähnliches Rechtsverhältnis im Sinne der §§ 705 ff. BGB und somit eine Hebammengemeinschaft. So hat die Klägerin selbst angegeben, dass sie ihren Gebührenanspruch für ihre erbrachten Hebammenleistungen dadurch verwirklicht, dass von der M. GmbH die an die Beklagte in Rechnung gestellten Gebühren auf ein gemeinschaftliches Treuhandkonto fließen und die dortigen Geldeingänge monatsweise nach ihren Anwesenheitszeiten verteilt werden. Von der Hebamme E. wurde in ihrem Klageverfahren hierzu noch weiter vorgetragen, dass es sich hierbei um einen so genannten „Pool“ handelt. Sie bestätigte zudem, dass hierauf eingegangene Gelder monatsweise nach den geleisteten Dienstzeiten abgerechnet werden und nicht nach den tatsächlich von der einzelnen Hebamme erbrachten Hebammenleistung. Dies stellt aber den klassischen Fall eines Zusammenschlusses zur gemeinschaftlichen Gewinnerwirtschaftung dar (siehe dazu BFH – WM 64, 800 sowie Palandt, a.a.O., Rn. 42). Insoweit unterscheidet sich das Wirtschaften der Klägerin und der weiteren Hebammen an der Kreisklinik A-Stadt von dem Fall des BSG vom 21.08.1996. Hier führten nämlich die beiden Hebammen gerade kein gemeinschaftliches Konto mit einem Verteilungsschlüssel, sondern jede Hebamme rechnete für sich allein die Gebühren für ihre tatsächlich erbrachte Hebammenleistung ab.
Neben dem gemeinsamen Konto mit dem genannten Verteilungsschlüssel besteht nach Auffassung des Gerichts zwischen den Hebammen auch eine Arbeitsgemeinschaft dahingehend, dass durch das gemeinsame Erstellen des Dienstplanes geregelte Arbeitszeiten sichergestellt werden und dass trotz unterschiedlicher Arbeitszeiten dennoch eine aus der Sicht der beteiligten Hebammen gerechte Verteilung der Gebühren erfolgt. Insgesamt ergibt sich somit für das Gericht ein gemeinschaftlicher Zweck aller dort tätigen Hebammen dahingehend, dass die Belegung der geburtshilflichen Abteilung der Kreisklinik A-Stadt durch Beleghebammen entsprechend den Vorgaben der Klinik sichergestellt wird unter Einbringung von für jede Hebamme planbare Anwesenheitszeiten und Erhalt sicherer Einnahmen unabhängig von der tatsächlich erbrachten Gebührenleistung nach der HebVV. Diese reicht für eine gesellschaftsrechtliche Zielsetzung im Sinne der §§ 705 ff. BGB aus, so dass von einer Hebammengemeinschaft im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 des Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V auszugehen ist.
Für eine Hebammengemeinschaft spricht zudem die steuerliche Veranlagung der Klägerin. So hatte diese angegeben, dass von ihrem Steuerberater nur die Einnahmen aus Gewerbebetrieb an das Finanzamt gemeldet werden, die sie aus dem Treuhandkonto nach dem Verteilungsschlüssel erhält. Wäre die Klägerin nach dem Vortrag des Bevollmächtigten jedoch eine von den übrigen Hebammen selbstständig tätige Hebamme, müsste sie nach dem Entstehungsgrundsatz im Finanzrecht genau die Leistungen versteuern, die sie tatsächlich erbracht hat, auch wenn sie diese abgetreten haben will. Der Steuerberater hätte damit jede einzelne Leistung an das Finanzamt zu melden, die von der Klägerin nach dem Vortrag des Bevollmächtigten zur Abrechnung an eine andere Hebamme abgetreten worden ist.
Dass die Klägerin und die übrigen Hebammen an der Kreisklinik A-Stadt sich gegebenenfalls nicht bewusst waren, dass sie eine Hebammengemeinschaft im Sinne der §§ 705 ff. sind, ist für die Zuordnung nicht entscheidungserheblich (s. Palandt, a.a.O., Rn. 9f). Ebenso unerheblich ist, dass die Klägerin und die weiteren Hebammen an der Kreisklinik A-Stadt nach außen gegenüber Dritten nicht als Gesellschaft auftreten wollten (vgl. BGH NJW – RR 04, 275).
Insgesamt war daher die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).


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