Arbeitsrecht

Heimrecht, Stationäre Pflegeeinrichtung, Feststellung eines Mangels, Beratung, Fachkraftquote, Personalschlüssel, Krankenhausaufenthalte der Bewohner

Aktenzeichen  B 10 K 19.560

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51655
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PfleWoqG Art. 3
PfleWoqG Art. 17a Abs. 1
PfleWoqG Art. 12 Abs. 2 S. 1
AVPfleWoqG § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden, weil die Beteiligten auf die Durchführung derselben verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Prüfbericht der Beklagten vom 27.6.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.5.2019 ist im angefochtenen Umfang rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, so dass er nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, sondern die dagegen erhobene Klage abzuweisen war.
1. Die Klage ist zulässig.
Statthafte Klageart ist hier, da es sich bei dem Prüfbericht um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt, die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO (VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 – AN 15 K 15.01444 – juris, Rn. 62 f.; vgl. auch Art. 17d Abs. 1 PfleWoqG; BayVGH, B.v. 21.1.2020 – 12 ZB 16.268 – juris, Rn. 39). Die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO wurde eingehalten. Der Widerspruchsbescheid vom 6.5.2019 wurde der Klägerin am 15.5.2019 zugestellt, sodass die einmonatige Klagefrist am 16.5.2019 zu laufen begann und grundsätzlich am 15.6.2019 endete (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Allerdings handelte es sich bei diesem Tag um einen Samstag, sodass die Frist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO erst mit Ablauf des darauffolgenden Werktags, also des 17.6.2019, endete. Die Klageerhebung an diesem Tag erfolgte somit fristgemäß.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Prüfbericht vom 27.6.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung … vom 6.5.2019 ist in der allein angefochtenen Nr. IV.3.1.2 formell und materiell rechtmäßig; insbesondere ist die dort getroffene Mängelfeststellung hinsichtlich der Nicht-Einhaltung der Fachkraftquote in der betroffenen Einrichtung nicht zu beanstanden.
2.1 Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Mangels in einem Prüfbericht ist Art. 17a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 2 PfleWoqG. Hiernach umfasst der aufgrund einer Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 PfleWoqG in stationären Einrichtungen der Pflege zu verfassende Pflege-Prüfbericht u.a. die am Tag der Überprüfung getroffenen wesentlichen Feststellungen der zuständigen Behörde in dem durch Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 PfleWoqG festgelegten Qualitätsbereich der pflegerischen Versorgung zu Mängelfeststellungen nach Art. 12 und 13 PfleWoqG, sowie nach den Vorgaben des PfleWoqG geplante oder bereits angeordnete Maßnahmen zur Mängelbeseitigung. Mängel in diesem Sinne sind nach der Legaldefinition des Art. 12 Abs. 1 PfleWoqG alle Abweichungen von den Anforderungen des PfleWoqG.
2.2 Bei der durch den streitgegenständlichen Prüfbericht betroffenen Einrichtung der Klägerin handelt es sich um eine stationäre Einrichtung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG, auf die gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 3 PfleWoqG die Bestimmungen des Zweiten Teils des PfleWoqG – und damit insbesondere auch die Art. 12 und 17 PfleWoqG – anwendbar sind. Denn das …ist unstreitig eine Einrichtung, die dem Zweck dient, ältere Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuungs- oder Pflegeleistungen zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten. Die Einrichtung ist zudem in ihrem Bestand von Wechsel sowie Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig und wird entgeltlich betrieben.
2.3 Zum Zeitpunkt der turnusmäßigen Prüfung des … am 11.5.2017 war die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG erforderliche Fachkraftquote von 50%, wie durch den Beklagten festgestellt, unterschritten. Diese Abweichung von der Vorgabe dieser Verordnung stellt bereits für sich genommen einen Mangel dar, der gemäß Art. 17a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PfleWoqG in den Prüfbericht aufzunehmen war.
2.3.1
Nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 PfleWoqG haben der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung sicherzustellen, dass „eine angemessene Qualität der pflegerischen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner nach dem allgemein anerkannten Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse gesichert ist; hierzu gehört insbesondere, dass ausreichend fachlich geeignetes Personal eingesetzt wird, um unter Achtung der Menschenwürde eine nach Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit angemessene individuelle Lebensgestaltung zu ermöglichen und bei Pflegebedürftigen eine humane und aktivierende Pflege zu gewährleisten, die erforderlichen Hilfen zu gewähren sowie freiheitseinschränkende Maßnahmen nur anzuwenden, wenn sie zum Schutz gegen eine dringende Gefahr für Leib und Leben unerlässlich sind“. Zudem hat der Träger einer stationären Einrichtung gemäß Art. 3 Abs. 3 Nr. 1 PfleWoqG sicherzustellen, dass „Pflege- und Betreuungskräfte in ausreichender Zahl und mit der für die von ihnen zu leistende Tätigkeit erforderlichen persönlichen und fachlichen Eignung vorhanden sind, insbesondere regelmäßige Qualifizierungsangebote für die Beschäftigten gewährleistet sind und die interkulturelle Kompetenz der Betreuungs- und Pflegekräfte gefördert wird, für stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe eine entsprechende Leitung und für jede stationäre Einrichtung in der Altenhilfe eine eigene Pflegedienstleitung tätig ist, soweit nicht ein Gesamtversorgungsvertrag im Sinn des § 72 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) besteht“.
Zur Durchführung dieser Regelungen wurde auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PfleWoqG die AVPfleWoqG vom 27. Juli 2011 erlassen. Deren § 15 Abs. 1 Satz 2 sieht vor, dass betreuende Tätigkeiten nur durch Fachkräfte oder unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden dürfen. Hierbei muss mindestens eine betreuend tätige Person, bei mehr als 20 nicht pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern oder bei mehr als vier pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 AVPfleWoqG mindestens jede zweite weitere betreuend tätige Person eine Fachkraft im Sinn der nach § 16 Abs. 2 Satz 1 AVPfleWoqG erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften sein.
Diese Vorgabe war im … am 11.5.2017 nicht eingehalten. Die Einrichtung hatte unstreitig zu diesem Zeitpunkt weit mehr als vier pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner, sodass bei ihr mindestens jede zweite betreuend tätige Person eine Fachkraft hätte sein müssen. Dies war jedoch nicht der Fall. Vielmehr waren in der betroffenen Einrichtung statt der erforderlichen 7,855 Fachkraftstellen zum fraglichen Zeitpunkt lediglich 7,53 Stellen mit Fachkräften besetzt.
a) Bei der Berechnung der Fachkraftquote ist nicht das tatsächlich vorhandene, also insgesamt eingestellte Personal (Ist-Zustand) als Vergleichsgröße heranzuziehen. Vielmehr ist der Berechnung zugrunde zu legen, wie viel Personal, in Planstellen gerechnet, insgesamt mindestens vorhanden sein müsste (Soll-Zustand bzw. Personal-Soll). Zwar enthält § 15 AVPfleWoqG keine ausdrückliche Regelung dazu, auf welcher Grundlage die Fachkraftquote zu berechnen ist. Es ergibt sich jedoch nicht zuletzt aus dem Sinn und Zweck der Norm, diese anhand des Personal-Solls zu berechnen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Zwar könnte für eine Berechnung (nur) anhand des tatsächlich beschäftigten Personals der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG sowie jener des Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PfleWoqG sprechen. Denn während erstgenannte Norm von „betreuend tätigen Personen“ spricht, ermächtigt die letztgenannte die Staatsregierung qua Verordnung Regelungen u.a. über den „Anteil der Fachkräfte an dem vorhandenen Personal“ zu erlassen. Dies ließe sich durchaus so interpretieren, dass jeweils nur das tatsächlich vorhandene, also konkret tätige Personal gemeint ist.
In einem weiteren Kontext betrachtet ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG festgelegte Fachkraftquote wie dargestellt eine Konkretisierung u.a. des Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 PfleWoqG darstellt. Sie soll also als objektives Kriterium dazu dienen, sicherzustellen, dass „ausreichend fachlich geeignetes Personal eingesetzt wird, um unter Achtung der Menschenwürde eine nach Art und Umfang der Betreuungsbedürftigkeit angemessene individuelle Lebensgestaltung zu ermöglichen und bei Pflegebedürftigen eine humane und aktivierende Pflege zu gewährleisten, die erforderlichen Hilfen zu gewähren sowie freiheitseinschränkende Maßnahmen nur anzuwenden, wenn sie zum Schutz gegen eine dringende Gefahr für Leib und Leben unerlässlich sind“. Außerdem ist § 15 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG in Zusammenhang zu lesen mit dem ersten Satz dieses Absatzes, wo es heißt: „Betreuende Tätigkeiten dürfen nur durch Fachkräfte oder unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden.“ Dabei bedeutet eine angemessene Beteiligung von Fachkräften, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits zum nach alter Rechtslage einschlägigen § 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über personelle Anforderungen für Heime – HeimPersV – ausführte, dass das Fachwissen der Pflegefachkraft für die Art und Weise des Dienstleistungsvollzugs prägend ist. Zu einer angemessenen Beteiligung gehören z.B. eine fachliche Überprüfung des Pflegebedarfs, die Anleitung der Hilfskräfte und die Kontrolle der geleisteten Arbeit (BayVGH, B.v. 12.4.2000 – 22 CS 99.3761 – juris Rn. 30). Es ist daher auch schlüssig und gut nachvollziehbar, wenn der Verordnungsgeber in seiner Begründung zur AVPfleWoqG auf Seite 25 ausführt, durch die Einhaltung der Fachkraftquote solle gewährleistet werden, dass Betreuungstätigkeiten, die eine bestimmte Sachkunde erfordern, fachgerecht durchgeführt werden, fachlich nicht geschulte Betreuungskräfte jederzeit auf eine kompetente Ansprechpartnerin bzw. einen kompetenten Ansprechpartner zurückgreifen können und in Notsituationen eine sofortige und angemessene Reaktion zu ihrer Abwendung möglich ist. Erforderlich sei hierfür zwar keine ständige Anwesenheit einer Fachkraft im unmittelbaren Umfeld einer Hilfskraft, jedoch könnten betreuende Tätigkeiten nur dann auf Hilfskräfte oder angelernte Kräfte übertragen werden, wenn diese unter der ständigen fachlichen Anleitung einer Fachkraft tätig werden. Letzteres ergibt sich im Übrigen schon direkt aus dem oben zitierten § 15 Abs. 1 Satz 1 AVPfleWoqG. Die Ausführung von betreuenden Tätigkeiten unter direkter Beteiligung von Fachkräften soll demnach also den Regelfall darstellen und gerade dies soll durch die Fachkraftquote erreicht werden.
Ist nun aber in einer Einrichtung zwar die Hälfte des vorhandenen Personals fachlich ausgebildet, insgesamt – zahlenmäßig – aber weniger Personal vorhanden als eigentlich erforderlich wäre, so mag es zum Zeitpunkt der Prüfung der Einrichtung womöglich nicht zu konkreten Mängeln in der Pflege kommen. Gleichwohl ist dann jedoch gerade nicht gewährleistet, dass zu jedem Zeitpunkt – insbesondere bei ungewöhnlichen Sachverhalten und speziell in Notsituationen – unmittelbar eine Fachkraft zu Rate gezogen werden könnte, da sowohl Fach- als auch Hilfskräfte ohnehin schon insgesamt mehr leisten müssen, als ihnen eigentlich zugedacht ist. Folglich wäre die angemessene Beteiligung von Fachkräften dann gerade nicht mehr mit der Sicherheit gewährleistet, wie sie der Verordnungsgeber erreichen wollte.
Zudem würde eine Berechnung der Fachkraftquote anhand des Ist-Zustands des Personalspiegels dazu führen, dass die jeweilig betroffene Einrichtung dieses durch den Verordnungsgeber sicherlich bewusst gewählte objektiv messbare Kriterium letztlich dadurch umgehen könnte, dass sie insgesamt möglichst wenig Personal einstellt, um dann auch weniger teures Fachpersonal einstellen zu müssen. Dies wiederspricht aber ganz evident der Zielrichtung des § 15 Abs. 1 AVPfleWoqG, der gerade eine Verbesserung der Personalstruktur in stationären Pflegeeinrichtungen erreichen möchte.
Auch führt bei Zugrundelegung des Personal-Solls zur Berechnung der Fachkraftquote eine Unterbesetzung des (Gesamt-)Personals durchaus nicht zwingend immer auch zu einem Mangel, der als solches im Prüfbericht festzuhalten wäre, wie es die Klägerin anführt. Denn denkbar wäre durchaus auch eine Konstellation, in der zwar insgesamt zu wenig Personal eingesetzt ist, aber so viele Fachkräfte, dass die Fachkraftquote auch bei Zugrundelegung des Personal-Solls eingehalten ist. In diesem Fall käme es dann für die Feststellung eines Mangels im Prüfbericht wiederum allein darauf an, ob am Prüfungstag Mängel in der Pflege festgestellt werden konnten, die auf die Nichteinhaltung des Personalbedarfs zurückzuführen sind.
Umgekehrt ist durch die strikte Berechnung der Fachkraftquote anhand des Personal-Solls zugleich gewährleistet, dass Einrichtungen über das erforderliche Maß hinaus so viele weitere Kräfte einstellen können, wie sie wollen bzw. können, ohne gleichzeitig sicherstellen zu müssen, dass auch die Hälfte des „überschüssigen“ Personals die entsprechende fachliche Ausbildung hat. Dies wiederum ist nur schlüssig, denn wenn sich die gesamte Arbeit „auf mehr Schultern verteilt“, so verbleiben den Fachkräften auch mehr Kapazitäten, die Hilfskräfte besonders in ungewohnten Situationen zu unterstützen und zu schulen, also angemessen beteiligt zu werden, wie es § 15 Abs. 1 Satz 1 AVPfleWoqG fordert (vgl. hierzu auch Burmeister-Bießle/Gaßner/Melzer/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, 2. Aufl. 2015, S. 195 Rn. 5; Dickmann in: ders., Heimrecht, 11. Aufl. 2014, Kapitel G. III. Fachkraftquote, Rn. 23).
Es ist daher im Ergebnis davon auszugehen, dass sowohl § 15 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG als auch Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PfleWoqG schlicht voraussetzen und gewissermaßen mitdenken, dass eine Einrichtung insgesamt so viel Personal zur Verfügung hat, wie es zu einer angemessenen Qualität der pflegerischen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner nach dem allgemein anerkannten Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz PfleWoqG).
Dieses Ergebnis wird auch bestätigt durch die Begründung der AVPfleWoqG, wo auf Seite 26 klar erläutert wird, dass zur Berechnung der Fachkraftquote zunächst die Anzahl der Bewohner am Stichtag der Einrichtungsbegehung zu erfassen und der Personalbedarf zu ermitteln ist. Von diesem ermittelten Personalbedarf, gerechnet in Planstellen, müssten bei vier pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern 50 Prozent Fachkräfte sein. Dies zeigt deutlich, dass der Verordnungsgeber bei Normierung der Fachkraftquote eine Berechnung anhand des Personalbedarfs, also anhand des Personal-Solls im Blick hatte und nicht eine Berechnung anhand des tatsächlich eingestellten Personals.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass auch die auf diese Weise berechnete Fachkraftquote nicht absolut starr ist, sondern von ihr nach § 51 Abs. 4 AVPfleWoqG in Ausnahmefällen abgewichen werden kann, wenn die zuständige Behörde dem vorab zustimmt und dies für eine fachgerechte Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend ist. Auf diese Weise können Sonderkonstellationen, wie etwa das Vorhandensein zwar nicht fachlich ausgebildeten, aber beispielsweise besonders erfahrenen Personals, grundsätzlich durchaus berücksichtigt werden. Dies setzt allerdings einen Dialog und damit auch eine insgesamt engere Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde voraus.
b) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die erforderliche Personalausstattung (Personal-Soll) des … anhand des von der Klägerin mit der …, verschiedenen Ersatzkassen und dem … vereinbarten Personalschlüssels berechnete (so im Ergebnis auch Burmeister-Bießle/Gaßner/Melzer/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, a.a.O., S. 195 Rn. 5; ähnlich wohl VG Lüneburg, U.v. 12.12.2017 – 4 A 639/16 – juris Rn. 54 zu § 5 Abs. 1 HeimPersV, das dem vereinbarten Personalschlüssel jedoch allenfalls eine indizielle Bedeutung beimisst).
Die Beurteilung, welche Zahl an Beschäftigten für eine Einrichtung ausreichend ist, muss grundsätzlich nach der Lage des Einzelfalls und den dafür relevanten Gesichtspunkten getroffen werden. Zu berücksichtigen sind demnach u.a. die konkrete Heimart, der Gesundheitszustand der Bewohner, der Grad der Pflegebedürftigkeit und damit der Arbeitsintensität und Schwierigkeit der personellen Leistungen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2000 – 22 CS 99.3761 – juris Rn. 35; Burmeister-Bießle/Gaßner/Melzer/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, a.a.O. S. 193 Rn. 3).
Der Beklagte hat vorliegend zur Konkretisierung der Frage, ob eine im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 PfleWoqG hinreichende Zahl an Pflegekräften vorhanden ist, die oben angeführten Ministerialschreiben des StMAS und des StMGP herangezogen. In diesen heißt es, bei der Berechnung der Fachkraftquote könnten zur Feststellung der grundsätzlich benötigten Zahl der Pflege- und Betreuungskräfte die zwischen den Einrichtungen und den Kostenträgern vereinbarten Personalschlüssel als Orientierung herangezogen werden.
Die Gerichte sind zwar an derartige verwaltungsinterne Vorgaben nicht gebunden. Dennoch können sie sich an diesen Verwaltungsvorschriften orientieren, wenn es keinen Anhaltspunkt für fehlerhafte Interpretation gibt (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 40 Rn. 147 und 156 m.w.N., VG Würzburg, U.v. 8.2.2018 – W 3 K 17.6078 – juris Rn. 45). Eine solche fehlerhafte Interpretation ist vorliegend nicht ersichtlich. Zu bedenken ist dabei, dass es sich bei den von den Trägern einer Einrichtung mit den Kostenträgern vereinbarten Personalschlüsseln um für den Einzelfall vereinbarte, also aufgrund der für das jeweilig betroffene Heim beiderseits bekannten Informationen, ausgehandelte Richtwerte handelt, in die also etwaige Besonderheiten der jeweils betroffenen Einrichtung bereits mit einfließen konnten. Auch ist kaum anzunehmen, dass in einer solchen Vereinbarung weitaus höhere Personalschlüssel vereinbart werden würden, als erforderlich, da hieran insbesondere die Kostenträger kaum ein Interesse haben dürften. Es ist daher davon auszugehen, dass der vorliegend von der Klägerin mit …, verschiedenen Ersatzkassen und dem … vereinbarte Personalschlüssel zur Ermittlung des Personalbedarfs des … zumindest als Orientierung herangezogen werden konnte.
In Ermangelung normativ bestimmter Personalschlüssel konnten zudem auch nach ehemals geltendem (Bundes-)Recht die vom Landespflegeausschuss empfohlenen und von den Pflegekassen und Bezirken im Rahmen der Verhandlungen über Vergütungsvereinbarungen angebotenen Personalschlüssel als Orientierungswerte oder Anhaltspunkte zur Konkretisierung des notwendigen Personalbedarfs herangezogen werden (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2001 – 22 CS 99 3133 – juris, Rn. 18). Legt man diesen Gedanken dem vorliegenden Fall zugrunde, so fällt diesbezüglich auf, dass der durch die Klägerin mit den Kostenträgern vereinbarte Personalschlüssel genau mit jenem übereinstimmt, den die Landespflegesatzkommission in ihrer Sitzung am 5.12.2016 vereinbart hatte (siehe Antwort des StMGP vom 22.12.2016 auf die Schriftliche Anfrage des Landtagsabgeordneten Ulrich Leiner vom 28.11.2016 – LT-Drs. 17/14907) und den die Kostenträger und Leistungserbringer entsprechend ihren jeweiligen Verhandlungen zu Grunde legten. Auch dies spricht hier noch einmal zusätzlich dafür, dass der vorliegend vereinbarte Personalschlüssel durchaus dem tatsächlich erforderlichen Personalspiegel in der geprüften Einrichtung entsprach. Denn hätte die Klägerin konkrete Argumente dafür vorbringen können, warum im speziellen Fall des …ein geringerer Personalaufwand erforderlich war als gewöhnlich, so wären diese sicherlich in die Verhandlungen mit eingeflossen. Der Umstand, dass man sich gerade auf den durch die Landespflegesatzkommission empfohlenen Personalschlüssel geeinigt hatte, zeigt hingegen auf, dass es offenbar gerade keine Veranlassung dazu gegeben hatte, von diesem nach oben oder unten hin abzuweichen.
Es ist angesichts dieser Übereinstimmung mit dem Vorschlag der Landespflegesatzkommission auch nicht anzunehmen, dass im speziellen Fall des … etwa ein höherer Personalschlüssel vereinbart worden ist, als eigentlich erforderlich, um etwa eine höhere Qualität gewährleisten zu können als vergleichbare Pflegeeinrichtungen. Und schließlich ist dem Vorbringen der Klägerin auch nicht zu entnehmen, dass und warum gerade in dieser Einrichtung eigentlich ein geringerer Personalaufwand nötig wäre, als vereinbart wurde.
c) Entgegen den Ausführungen der Klägerin waren bei der Berechnung des Personal-Solls, auf dessen Grundlage schließlich die Fachkraftquote zu berechnen war (s.o.), auch diejenigen Bewohner des … mit einzurechnen, die sich am Tag der Prüfung der Einrichtung im Krankenhaus befanden.
Es ist zwar selbstverständlich schon denklogisch richtig, dass während des Krankenhausaufenthaltes eines Bewohners für diesen keine Betreuungstätigkeiten in der Pflegeeinrichtung anfallen, sodass im Ergebnis für jeden tatsächlich nicht anwesenden Bewohner auch entsprechend weniger Personal benötigt wird. Allerdings ist diesbezüglich zu beachten, dass sich die einzuhaltende Fachkraftquote nicht darauf bezieht, wie viele Fachkräfte zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich in der Einrichtung anwesend sein sollen, sondern sie auf die von der Einrichtung insgesamt vorzuhaltenden Planstellen abzielt (vgl. VG Lüneburg, U.v. 12.12.2017 – 4A 639/16 – juris Rn. 61). Krankenhausaufenthalte der Bewohner sind für die jeweilige Einrichtung nicht im eigentlichen Sinne planbar und sie haben mit Sicherheit in aller Regel auch keine direkte Auswirkung darauf, wie viel Personal insgesamt eingestellt wird. Entsprechend wird eine Pflegeeinrichtung kein Personal entlassen, weil ein oder mehrere Bewohner vorübergehend nicht anwesend sind. Umgekehrt würde es eine Einrichtung bei kurzzeitiger Erkrankung einer Pflegekraft schließlich auch nicht in Betracht ziehen – und sie wäre auch nicht dazu verpflichtet – allein deshalb weiteres Personal einzustellen. Vielmehr würde sie diesen Ausfall durch entsprechende Anpassung der Schichtpläne etc. kompensieren. Ganz entsprechend kann sie die Schichtpläne anpassen, wenn einzelne Bewohner vorübergehend nicht betreut werden müssen, ohne dass dies auf die auf Dauer angelegte Gesamtplanung der Stellen einen signifikanten Einfluss hätte.
Damit ist auch insoweit den das Gericht zwar nicht bindenden, aber als Orientierung dienenden Ministerialschreiben des StMAS vom 10.5.2013 (III 3/0021.06-1/01.04.2008 Mü) und des StMGP vom 6.3.2018 (G43f-G8300-2018/58-4) beizupflichten, dass Krankenhausaufenthalte grundsätzlich keinen Einfluss auf die Fachkraftquote haben.
Krankenhausaufenthalte und sonstige vorübergehende Abwesenheiten der Bewohner könnten bei der Berechnung des Personal-Solls allenfalls insoweit berücksichtigt werden, als sie für die Gesamtplanung der Einrichtung eine Rolle spielen. Insofern muss sicherlich durchaus u.a. mit einkalkuliert werden, wie häufig und für welche Dauer solche vorübergehenden Abwesenheiten der Bewohner statistisch gesehen auftreten. Allerdings ist davon auszugehen, dass die mit den Kostenträgern vereinbarten Personalschlüssel bereits eine Art Mischkalkulation vornehmen, die sowohl die in einer Pflegeeinrichtung regelmäßig zu erwartenden Krankenhausaufenthalte der Bewohner als auch etwa Krankenstände im Personal u.ä. bereits berücksichtigen.
Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Bewohner des … – unabhängig von der Frage der Auslastung des vorhandenen Personals – durchschnittlich öfter oder für längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden mussten als Bewohner anderer Pflegeheime, ohne dass dies in dem vereinbarten Personalschlüssel bereits berücksichtigt worden wäre, liegen nicht vor. Entsprechendes wurde durch die Klägerin auch nicht vorgetragen.
d) Legt man nun diese oben dargelegten Berechnungsgrundlagen zugrunde, hätten am 11.5.2017 unter Zugrundelegung des mit den Kostenträgern vereinbarten Personalschlüssels und der Bewohnerliste von diesem Tag (Behördenakte des Landratsamts …, Blatt 4-6) wie durch den Beklagten errechnet insgesamt (gerundet) 15,71 Betreuungskräfte und damit mindestens 7,855 Fachkräfte im … beschäftigt gewesen sein müssen. Tatsächlich ergibt sich aus der Aufstellung der Klägerin, laut entsprechendem Aufdruck erstellt am 11.5.2017, dass zu diesem Stichtag dort insgesamt – auf Vollzeitstellen umgerechnet – nur 7,53 Fachkräfte beschäftigt waren (vgl. Behördenakte des Landratsamts …, Blatt 10). Dies entspricht – die errechnete Anzahl insgesamt erforderlicher Betreuungskräfte zugrunde gelegt – lediglich einem Anteil von 47,93% anstatt des durch die AVPfleWoqG vorgeschriebenen Anteils von 50%. Die entsprechende Feststellung des Beklagten unter Nr. IV 3.1.2. des Prüfberichts war also zutreffend.
Dabei sei hierzu noch vermerkt, dass die sogenannten „sonstigen Dienste/Pflege und Betreuung“, die nach der von der Klägerin mit den Kostenträgern geschlossenen Vereinbarung bei der Ermittlung der Fachkraftquote ausdrücklich nicht berücksichtigt werden sollten, hier auch tatsächlich nicht in die Berechnung einbezogen wurden. Diese sonstigen Dienste, die laut der Angestelltenliste des … (Behördenakte des Landratsamts …, Blatt 11) durch zwei Pflegehelferinnen mit insgesamt 1,43 Stellen ausgeführt wurden, wurden nicht zu dem oben dargestellten Personalschlüssel hinzugezählt und erhöhten somit auch nicht die errechnete Zahl an erforderlichen Fachkräften in dem Heim.
2.3.2
Die Unterschreitung der Fachkraftquote des § 15 Abs. 1 Satz 2 AVPfleWoqG stellt für sich genommen bereits einen Mangel im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG dar, der die zuständige Behörde dazu berechtigt, den Träger der Einrichtung über die Möglichkeiten zur Abstellung des Mangels zu beraten und der entsprechend gemäß Art. 17a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PfleWoqG im Pflege-Prüfbericht aufzuführen ist. Nicht erforderlich ist es daher, dass bei der Prüfung der Einrichtung zusätzlich auch noch pflegerische Mängel festgestellt werden, die auf der Unterschreitung der Fachkraftquote beruhen.
Mängel im Sinne des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG sind „Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes“ (Legaldefinition). Hiervon umfasst sind auch Abweichungen von den Anforderungen der AVPfleWoqG, da diese aus dem PfleWoqG direkt abgeleitet ist (Art. 25 PfleWoqG). Die Feststellung eines Mangels erfolgt demnach zu Recht bereits dann, wenn der von der Behörde im Rahmen der Prüfung festgestellte Sachverhalt zutreffend ermittelt wurde und er tatsächlich eine solche Abweichung darstellt (so VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 – AN 15 K 15.01444 – juris Rn. 71; vgl. auch VG Würzburg, U.v. 8.2.2018 – W 3 K 17-608 – juris; VG München, U.v. 19.1.2017 – M 17 K 16.2392). Dies war hier, wie oben dargestellt, der Fall.
Zuletzt bleibt hierzu festzuhalten, dass die Beratung, die der Beklagte bei der Klägerin aufgrund der Nicht-Einhaltung der Fachkraftquote durchführte, den geringsten Eingriff darstellt, der bei Feststellung eines Mangels in Betracht kommt. Die Maßnahme war damit auch verhältnismäßig.
3. Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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