Arbeitsrecht

Höhe einer Sozialplanabfindung – Einzelfallentscheidung

Aktenzeichen  1 AZR 759/14

Datum:
13.10.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:131015.U.1AZR759.14.0
Normen:
§ 77 Abs 4 S 1 BetrVG
§ 112 Abs 1 S 3 BetrVG
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Düsseldorf, 3. Februar 2014, Az: 12 Ca 5964/13, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 20. Oktober 2014, Az: 9 Sa 323/14, Urteil

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Oktober 2014 – 9 Sa 323/14 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Berechnung einer Sozialplanleistung.
2
Der am 10. August 1974 geborene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 1. September 1991 bei der Beklagten in deren Betriebsstätte in Düsseldorf beschäftigt. Bei der Beklagten ist der für den Betrieb Düsseldorf zuständige Betriebsrat Region West gebildet. Mit diesem vereinbarte die Beklagte, welche bis zum 11. September 2013 unter Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG (NSN) firmierte, am 13. August 2012 anlässlich einer Restrukturierungsmaßnahme einen Sozialplan (SP 2012). Dieser sieht den Übergang der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in die NSN Transfergesellschaft mbH (NSN TG) vor und lautet im Übrigen:
        
„…    
        
§ 5     
        
MINDESTBEDINGUNGEN DER TRANSFERARBEITSVERHÄLTNISSE
        
Der Übertritt in die Transfergesellschaft erfolgt auf Basis eines dreiseitigen Vertrages (= drei Vertragsparteien), der die Beendigung des mit NSN bestehenden Arbeitsvertrages und die Begründung eines befristeten Transferarbeitsverhältnisses bei der NSN Transfergesellschaft mbH beinhaltet.
        
Wesentliche Bestandteile dieses dreiseitigen Vertrages sind:
        
…       
        
        
(3)     
Die Beschäftigten erhalten innerhalb der BeE – unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit – ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 75 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen umfasst alle tariflichen sowie alle sonstigen individuellen monatlichen Entgeltbestandteile. Es ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf.
        
…       
        
        
(8)     
Die vermögenswirksamen Leistungen (AVWL) werden in der beE fortgeführt.
        
…       
        
        
(15)   
In dem Dreiseitigen Vertrag ist der Anspruch auf die Abfindung und deren Fälligkeit festzuhalten.
        
…       
        
§ 7     
        
ABFINDUNG
        
(1)     
Alle vom Geltungsbereich dieses Sozialplanes erfassten Beschäftigten haben mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages (Zustimmung zum Eintritt in die beE) einen Anspruch auf eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung.
        
(2)     
Abfindung = Abfindungsbetrag X 0,7
           
        
        
Der errechnete Abfindungsbetrag wird mit dem Faktor 0,7 multipliziert. Der Faktor von 0,7 ergibt sich aus dem Angebot einer Transfergesellschaft mit den in § 5 des Sozialplans geregelten Konditionen.
        
        
Abfindungsbetrag =
        
        
        
Anzahl der Beschäftigungsjahre (Dienstjahre) x Bruttomonatseinkommen x Faktor
        
        
(2.1) Der Faktor ergibt sich aus Lebensalter und Dienstalter:
        
        
        
…       
        
        
Stichtag für die Ermittlung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit ist das Austrittsdatum aus NSN. Es gelten die bis zu diesem Zeitpunkt vollendeten Jahre.
        
        
Unter Bruttomonatseinkommen sind feste regelmäßige monatliche Einkommensbestandteile auf Basis der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit zu verstehen. Ausgenommen sind Teile, die Aufwandsersatz darstellen, Einmalzahlungen sowie Mehrarbeitsvergütungen.
        
        
Bei Mitarbeitern, die Anspruch auf ein Incentive gem. der NSN GBV 2011/18 haben, wird der Bruttomonatsverdienst zusätzlich um 1/12 der zu beanspruchenden Incentives (BRM=1,0, Zielerreichung 100%) erhöht.
        
        
(2.2) Zuschlag pro Kind: Mitarbeiter mit unterhaltsberechtigten Kindern erhalten zusätzlich zu der Abfindung für jedes unterhaltsberechtigte Kind einen Betrag von 2.500,00 € brutto. Maßgeblich sind die bei NSN zum 31.08.2012 aufgrund der Angaben auf der Lohnsteuerkarte bekannten oder bis dahin vom Mitarbeiter mitgeteilten und nachgewiesenen Unterhaltsberechtigungen. Alleinerziehende erhalten einen zusätzlichen Betrag von einmalig 5.000,00 € brutto.
        
        
Sofern beide Ehepartner betroffen sind, wird der Zuschlag nur einmal fällig.
        
        
(2.3) Zuschlag für Schwerbehinderte: Zum Zeitpunkt der Kündigung oder des Abschlusses eines dreiseitigen Vertrages schwerbehinderte Menschen sowie schwerbehinderten Menschen Gleichgestellte (gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX), erhalten bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises einen Zuschlag von 750,00 Euro brutto je 10 Grad der Behinderung.
        
        
(2.4) Mitarbeiter ab dem 35. bis zum 46. Lebensjahr erhalten zusätzlich einen Zuschlag in Höhe von 3.000,00 €; ab dem 47. Lebensjahr einen Zuschlag von 6.000,00 € brutto.
        
(3)     
Die Abfindung ist mit dem Ausscheiden aus der beE zur Zahlung fällig. Die Auszahlung erfolgt mit der Entgeltabrechnung im Monat nach dem Ausscheiden aus der beE.
        
(4)     
Beschäftigte können abweichend davon die Zahlung der Abfindung bereits mit Ausscheiden aus der NSN verlangen.
        
(5)     
Abfindungsansprüche sind nach dem Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und vor Fälligkeit vererbbar, jedoch nicht abtretbar.
        
(6)     
Der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit ist in den dreiseitigen Vertrag aufzunehmen.
        
(7)     
Ein Anspruch auf Abfindung besteht nicht, wenn …“
3
Unter den Daten 23./24. August 2012 vereinbarten die Parteien und die NSN TG einen „dreiseitigen Vertrag“, nach dem das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des 30. September 2012 endete und er zum 1. Oktober 2012 in die NSN TG eintrat. Mit einer an die Beklagte gerichteten E-Mail vom 31. August 2012 teilte der Kläger mit, „von der Möglichkeit Gebrauch“ zu machen, „den Auszahlungstermin auf einen Monat nach meinem Austritt aus der … vorzuverlegen“.
4
Die Beklagte ermittelte die Sozialplanleistung nach der Rechenoperation:
        
Anzahl der Beschäftigungsjahre (Dienstjahre) x Bruttomonatseinkommen x individueller (Matrix-)Faktor nach § 7 (2.1) SP = Abfindungsbetrag;
        
(Abfindungsbetrag + Zuschläge nach § 7 [2.2] bis [2.4] SP 2012) x 0,7 = Zahlbetrag.
5
Bei der Höhe des in die Rechnung eingestellten Bruttomonatseinkommens berücksichtigte sie zwar eine „Leistungszulage %“ und eine „Ausgleichszulage“, nicht aber die von ihr monatlich gewährten Zuschüsse zur Vermögensbildung (vermögenswirksame Leistungen).
6
Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der Differenz geltend gemacht, die sich ergibt, wenn bei der Bemessung der Abfindung von einem höheren Bruttomonatseinkommen – unter Berücksichtigung der vermögenswirksamen Leistungen – ausgegangen wird, und entgegen der Berechnung der Beklagten die Zuschläge des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 nicht mit dem Faktor 0,7 multipliziert werden. Des Weiteren hat er gemeint, die Abfindungszahlung sei am 1. Oktober 2012 – bzw. ein Nachzahlungsbetrag am 1. November 2012 – fällig gewesen. Entsprechend hat er unter Berücksichtigung der von der Beklagten gezahlten Beträge Verzugszinsen in gestaffelter Höhe beansprucht.
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen
        
1.    
an ihn 1.962,70 Euro brutto zu zahlen;
        
2.    
an ihn Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 54.940,57 Euro seit dem 1. Oktober 2012 bis zum 31. Oktober 2012 und aus 1.962,70 Euro seit dem 1. November 2012 zu zahlen,
8
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, ihre Berechnung der Sozialplanleistung folge zwingend aus der Regelungssystematik des Sozialplans.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und dem Kläger einen Betrag von 1.962,70 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2012 zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.650,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2012 zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgen beide Parteien ihre bisherigen Anträge weiter.


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