Arbeitsrecht

Höhere Mehrflugdienststundenvergütung für das Cockpitpersonal einer Fluggesellschaft

Aktenzeichen  6 Sa 370/19

Datum:
19.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 39683
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TzBfG § 2 Abs. 1 S. 2, § 4 Abs. 1, § 22 Abs. 1
BGB § 611a Abs. 2, § 612
Manteltarifvertrag Nr. 4, gültig ab dem 1.3.2013, für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals der Lufthansa CityLine GmbH vom 8.12.2016 § 6
Vergütungstarifvertrag Nr. 6 für das Cockpitpersonal der Lufthansa CityLine GmbH vom 11.7.2014 § 4

 

Leitsatz

1. Die Zahlung einer gestaffelt höheren Mehrflugdienststundenvergütung für das Cockpitpersonal einer Fluggesellschaft, bei der die Zahlung der (nächst-)höheren Stundenvergütung an das Erreichen bestimmter fester Arbeitsstunden pro Monat geknüpft ist, stellt keine nach § 4 Abs. 1 TzBfG unzulässige Benachteiligung von Teilzeitkräften dar. Die Mehrflugdienststundenvergütung dient nicht der zusätzlichen Vergütung einer erbrachten höheren Arbeitsleistung, sondern soll die erhöhte Belastung der Mitarbeiter ausgleichen und die Arbeitgeberin, wie schon die Staffelung der zu leistenden Mehrzahlungen zeigt, von einer zu hohen Inanspruchnahme der Beschäftigten abhalten. (Rn. 40)
2. Bei einer tariflichen Regelung, derzufolge allein die Grundvergütung für die Berechnung der Jahresrentenbausteine maßgeblich ist, hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch, die tatsächlich für die erbrachte Arbeitsleistung zu beanspruchende (Durchschnitts-)Vergütung als rentenfähg heranzuziehen. (Rn. 64)

Verfahrensgang

12 Ca 13601/18 2019-05-29 ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.05.2019 – 12 Ca 13601/18 – in Ziff. I und III abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.05.2019 – 12 Ca 13601/18 – wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufungen sind statthaft. Die Berufung des Klägers hat jedoch keinen Erfolg, die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
I.
Die Berufungen sind zulässig.
Sie sind nach § 64 Abs. 1, 2b ArbGG statthaft sowie in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze I, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).
II.
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg (nachfolgend 1). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger eine erhöhte Mehrflugdienststundenvergütung bereits ab einer auf 90% abgesenkten Mehrflugdienststundengrenze zu gewahren. In der festgesetzten Grenze liegt keine Benachteiligung von Teilzeitkräften nach § 4 Abs. 1 TzBfG, da die höheren Zahlungen einen Ausgleich für eine erhöhte Belastung darstellen und die Arbeitgeberin von der übermäßigen Inanspruchnahme der Mitarbeiter abhalten sollen; die Mehrflugdienststundenvergütung stellt keine Vergütung für die erbrachte (erhöhte) Arbeitsleistung dar. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet (nachfolgend 2). Die Regelungen des TV Betriebliche Altersversorgung sehen gerade nur die Rentenfähigkeit der Grundvergütung, nicht aber die Rentenfähigkeit der jeweils (durchschnittlich) verdienten Vergütung des einzelnen Mitarbeiters vor.
1. Die Beklagte schuldet dem Kläger keine Mehrflugdienststundenzahlungen aus einer – auf welchem Stundensatz auch immer – abgesenkten Mehrflugdienststundengrenze für ihn als Teilzeitkraft. In der festen Regelung der Mehrflugdienststundengrenzen in § 6 VTV Nr. 6 i.V.m. III. Nr. 6 Eckpunktepapier „J.“ liegt kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Denn die Mehrflugdienststundenzahlungen stellen keine Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung, sondern einen Ausgleich für die übermäßige Belastung eines Flugzeugführers dar, die erstrebt, künftig seitens der Arbeitgeberin nicht mehr in dem erhöhten Umfang in Anspruch genommen zu werden. Der erstinstanzlich angebrachte Hilfsantrag, festzustellen, dass zwischen den Parteien kein Teilzeitarbeitsverhältnis begründet worden war, ist zwar in die Berufungsinstanz gelangt, allerdings ebenso als unbegründet abzuweisen.
a. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entrichtung einer Mehrflugstundenvergütung nach § 611a Abs. 2, § 612 BGB, § 4 Abs. 1 TzBfG). Die Regelung in § 4 VTV Nr. 6 und Nr. III Nr. 6 des Eckpunktepapiers J. sind nicht nach § 22 Abs. 1 TzBfG unwirksam, da für teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter keine Absenkung der Stundengrenzen entsprechend der individuellen Teilzeitarbeitszeit vorgesehen ist. Dafür ist ein sachlicher Grund gegeben, da die tariflichen Mehrflugstundenvergütungen nach Ansicht der Kammer dem Ausgleich einer besonderen Belastung dienen, wenn ein Mitarbeiter über eine bestimmte Zeit hinaus Arbeitsleistungen erbringt. Diese Regelung dient dazu, die Arbeitgeber von einer derartigen übermäßigen Inanspruchnahme anzuhalten.
aa. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dürfen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, der § 4 Nr. 1 und Nr. 2 der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. EG L 14 vom 20. 1. 1998, Seite 9: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit; ferner BAG v. 28. 5. 2013 – 3 AZR 266/11, USK 2013, 148 Rz. 24 m.w.N.), wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Entsprechend sind einem Teilzeitarbeitnehmer Arbeitsentgelt oder andere teilbare geldwerte Leistungen gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG pro rata temporis zu gewähren, also mindestens in dem Umfang, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Wie das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 23. 3. 2017 – 6 AZR 161/16, NZA-RR 2018, 45 Rz. 44) ausführt, konkretisiert § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG damit das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG für den Bereich von Entgelt bzw. teilbaren geldwerten Leistungen. Mit diesem Grundsatz müssen auch tarifliche Regelungen vereinbar sein, da diese Diskriminierungsverbote nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien stehen (BAG v. 23. 3. 2017, a.a.O.; BAG v. 19. 1. 2016 – 9 AZR 564/14, NZA 2016, 776 Rz. 14; BAG v. 10. 2. 2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005 Rz. 16).
Die Ungleichbehandlung einer Teilzeitkraft wegen der Teilzeitarbeit ist gegeben, wenn die das Kriterium, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft, die Dauer der zu erbringenden Arbeitszeit ist (BAG v. 19. 1. 2016 [Rz. 15], 23. 3. 2017 [Rz. 46], jeweils a.a.O.; BAG v. 27. 3. 2014 – 6 AZR 571/12, ZTR 2014, 475 Rz. 32). Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 TzBfG schützt vor einer unmittelbaren Benachteiligung ebenso wie vor einer mittelbaren (vgl. BAG 19. 1. 2016, a.a.O.).
bb. Ausgehend vom Vorstehenden ergibt sich eine unterschiedliche Behandlung zwischen Teilzeit- und Vollzeitkräften. Der Kläger hat als Teilzeitkraft Arbeitsstunden ohne Zuschlag zu leisten, bis die Mindestgrenze, ab der auch eine Vollzeitkraft Mehrflugstundenzuschläge verlangen kann, erreicht ist. Dies ist zwar nicht mit den vom 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 5. 11. 2003 – 5 AZR 7/03, NZA 2005, 222) aufgestellten Grundsätzen zu rechtfertigen. Wohl aber stellen die Mehrflugstundenzuschläge einen Ausgleich für eine besondere Belastung der Arbeitnehmer dar, welche den Arbeitgeber zur Minimierung der Mehrflugstunden anhalten sollen. Mithin liegt darin eine sachliche Rechtfertigung der nicht getroffenen Unterscheidung.
(1) Wenn das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 5. 11. 2003, a.a.O.) entschieden hatte, es liege keine Ungleichbehandlung vor, wenn Teilzeit- und Vollzeitkräfte für die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden die gleiche Vergütung erhielten, so war, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, diese Entscheidung nachfolgend aufgegeben worden (BAG v. 23. 3. 2017, a.a.O.; v. 19. 12. 2018 – 10 AZR 231/18, NZA 2019, 790). Entgegen früherer Ansicht auch des 10. Senats (BAG v. 26. 4. 2017 – 10 AZR 589/15, NZA 2017, 1069 Rz. 33) sei für die Prüfung, ob Teilzeitbeschäftigte benachteiligt werden, nicht auf die Gesamtvergütung abzustellen. Die formale Gleichbehandlung im Hinblick auf die Gesamtvergütung führe zu einer Ungleichbehandlung. Vielmehr sei der Vergleich von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten methodisch für jeden einzelnen Entgeltbestandteil vorzunehmen. Entgelte für die Regelarbeitszeit und für Mehr- oder Überarbeitsvergütungen seien gesondert zu vergleichen (bereits BAG v. 23. 3. 2017, a.a.O., Rz. 53).
(2) Allerdings sind die Mehrflugstundenzuschläge keine Vergütung, die pro rata temporis auch von den Teilzeitkräften zu beanspruchen wäre. Vielmehr stellen sie einen Ausgleich für die besondere Beanspruchung der Mitarbeiter dar und sollen die Arbeitgeberin von der Anordnung derart langer Arbeitszeiten abhalten. Dies folgt aus der Auslegung der zugrunde liegenden Tarifverträge.
(a) Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, kann mit einer tarifvertraglichen Bestimmung, die den Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Tages- oder Wochenarbeitsvolumen hinaus gearbeitet werde, im Wesentlichen der Zweck verfolgt werden, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch zusätzliches Entgelt auszugleichen. Es bedürfe aber bestimmter Anhaltspunkte im Tarifvertrag, um davon ausgehen zu können, den Tarifvertragsparteien gehe es darum, durch Verteuerung der über die individuell geschuldete Arbeitsleistung hinausgehenden Arbeitszeiten den individuellen Freizeitbereich zu schützen (etwa BAG v. 26. 4. 2017 [Rz. 28], 19. 12. 2018 [Rz. 35 m.w.N.], jeweils a.a.O.; BAG v. 14. 9. 2011 – 10 AZR 358/10, NZA 2011, 1358 Rz. 26). So mache eine quartalsbezogene Betrachtung und Ausgleichsmöglichkeit deutlich, dass nicht der Schutz des individuellen Freizeitbereichs bezweckt werde. Eingriffe des Arbeitgebers in den individuellen Freizeitbereich des Arbeitnehmers könnten evtl. ohne Mehrarbeitszuschläge kompensiert werden, indem der Arbeitnehmer in anderen Zeiträumen Freizeit erhält, ohne darüber selbst – etwa im Rahmen eines Arbeitszeitkontos – bestimmen zu können. Dient der Zweck eines Mehrarbeitszuschlages aber dem Ausgleich einer besonderen Arbeitsbelastung durch die Zusatzzahlung, so verlangt dieser Zweck erst dann einen finanziellen Ausgleich, wenn die Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter überschritten wird (BAG v. 26. 4. 2017, a.a.O., Rz. 30).
(b) Nach Auslegung des zugrunde liegenden Tarifvertrages VTV Nr. 6 (§ 4) ergibt auch unter Betrachtung der ähnlichen Regelung in Nr. 6 Eckpunktepapier J., dass die Mehrflugdienststundenvergütung keine Vergütung darstellt, sondern dem Ausgleich einer erhöhten Belastung des Flugpersonals dient. Die Verteuerung der Mehrflugdienststunden soll die Arbeitgeberin anhalten, die Dienstpläne so zu erstellen, dass solche Stunden möglichst vermieden werden. Der durch die einzuhaltenden Arbeitszeiten zu verzeichnende Eingriff in den Freizeitbereich der Teilzeitkräfte – hier: des Klägers – wird zudem durch erhöhte freie Tage ausgeglichen.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags erfolgt nach den bestehenden Regeln zur Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des Tarifvertrages. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wenn und soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, aus dem sich Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben können und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend zu ermitteln ist. Ergeben sich hieraus keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse, so können ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien, wie etwa die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Jeweils ist aber die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen, wobei im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 12. 8. 2015 – 7 AZR 592/13, NZA 2016, 173 Rz. 16; ferner BAG v. 10. 2. 2015 – 3 AZR 904/13, juris Rz. 27; BAG v. 22. 1. 2014 – 7 AZR 243/12, NZA 2014, 483 Rz. 28).
(aa) Aus dem Wortlaut des VTV Nr. 6, wie auch aus Nr. 6 Eckpunktepapier J. ergeben sich unmittelbar keine Anhaltspunkte über den Zweck der Zahlung.
(bb) Nach Sinn und Zweck der Regelung ist jedoch erkennbar, dass die Zahlung dem finanziellen Ausgleich einer besonderen Arbeitsbelastung der betroffenen Personen dient und nicht die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers schützt. So ist die Zahlung unabhängig von der Lage der Arbeitszeit zu erbringen. Die Mehrflugstundenvergütung in § 4 VTV Nr. 6 knüpft allein an der Anzahl der in einem Monat tatsächlich erbrachten Flugstunden an. Wann diese Flugstunden erbracht wurden oder inwieweit sie durch eine arbeitgeberseitige Disposition hinsichtlich des an einem/einzelnen Tag/-en zu leistenden Arbeitsumfanges zu erbringen waren, ist unerheblich. Maßgeblich kommt es allein auf die fliegerische Tätigkeit des einzelnen Mitarbeiters in einem bestimmten Umfang an; es soll lediglich eine besondere Arbeitsbelastung in Geld ausgeglichen werden (vgl. dazu BAG v. 5. 11. 2003 – 5 AZR 8/03, NZA 2005, 222 Rz. 49, 51; ArbG Frankfurt v. 14. 7. 2017 – 13 Ca 5491/16, juris Rz. 43, 52; ArbG München v. 24. 7. 2019 – 28 Ca 2204/19 n.v., unter 1.4.3 der Entscheidungsgründe, Bl. 384 ff. d. A.). Die Staffelung der Zuschläge für Mehrflugstunden belegt den vorstehenden Zweck der Zahlungen weiterhin. Die Belastung der Mitarbeiter nimmt mit zunehmender, zeitlich umfänglicher Arbeitsleistung zu (BAG v. 5. 11. 2003, a.a.O., Rz. 51 ff.; ArbG München v. 24. 7. 2019, a.a.O., unter 1.4.3. der Entscheidungsgründe).
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die anwendbaren Tarifverträge auch keine regelmäßige tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte vorsehen. Die Mehrflugstundenvergütung erfasst gerade nicht die über eine tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit, welche der Arbeitnehmer zu erbringen hat und die dann zusätzlich zu vergüten wäre, sondern bestimmte, monatlich aufgelaufene Zeiten, welche als Flugzeit erbracht worden war. Tariflich geregelt ist allein die maximal zulässige Höchstarbeitszeit (14 Flugstunden täglich auf der Kurzstrecke, § 6 (2) MTV Nr. 4; 1.000 Flugstunden im Jahr, § 7 (2) a MTV Nr. 4) geregelt. Dies spricht per se für durchaus unterschiedlich lange Arbeits- und auch Flugzeiten an den Arbeitstagen. Für Tage mit zu erbringendem Bodendienst ist eine regelmäßige Arbeitszeit in § 7 (2) b MTV Nr. 4 geregelt.
Daneben verwirklicht diese Tarifregelung auch das Ziel, den Arbeitgeber durch die progressive Verteuerung der Flugstunden von einer übermäßigen Inanspruchnahme der Arbeitnehmer abzuhalten, wie das Arbeitsgericht München (Urt. v. 24. 7. 2019, a.a.O.) zutreffend ausführt, abzuhalten. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus der Staffelung der erhöhten Vergütung. Für die Arbeitgeberseite soll es immer teurer werden, je mehr, d.h. je länger, sie einen Arbeitnehmer in einem Monat zur Arbeitsleistung heranzieht. Es wird damit nicht lediglich das vom Arbeitnehmer erbrachte Freizeitopfer zusätzlich vergütet, wie dies bei einer Überstundenvergütung der Fall ist, sondern es erfolgt eine gestaffelte erhöhte Zahlungsverpflichtung für den Arbeitgeber, also eine zunehmende Verteuerung der Flugstunden, werden diese durch einen Arbeitnehmer erbracht und nicht „auf mehrere Schultern“ verteilt.
(cc) Dagegen sprechen auch nicht die geringeren Stundenansätze nach dem Eckpunktepapier „J.“, da die Stundengrenzen für den Fernverkehr bereits mit 93 Stunden in der 1. Stufe, mit 106 Stunden in der 2. Stufe und 120 Stunden in der 3. Stufe vorgesehen sind. Diese Absenkung spricht nicht eindeutig dafür, wie der Kläger meint, dass damit auch den im Fernbereich eingesetzten Piloten die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, Mehrflugdienststundenvergütung zu erzielen, die sie sonst nicht oder nur schwer hätten erreichen können. Vielmehr dient die Absenkung der Stundengrenzen auch einem Ausgleich besonderer Belastungen im Fernbereich. Bei Fernflügen besteht nicht nur eine andere Verantwortung der im Flugdienst eingesetzten Arbeitnehmer gegenüber derjenigen, der eingesetzten Arbeitnehmer im Nahbereich. Zudem sind zusätzliche Belastungen, wie etwa längere Aufenthalte im Ausland, Nachtflugzeiten oder der Jetlag zu berücksichtigen.
b. Ist nach Auslegung des VTV Nr. 6 keine proratatemporis-Reduzierung der Stun dengrenzen für die Mehrflugstundenvergütung geboten, so muss über den erstinstanzlich angebrachten Hilfsantrag, festzustellen, es sei kein Teilzeitarbeitsverhältnis zustande gekommen, entschieden werden.
aa. Der Hilfsantrag ist nicht bereits deswegen obsolet, da er in der Berufungsinstanz nicht expressis verbis benannt worden war. Vielmehr war dieser, da das Erstgericht dem Hauptantrag stattgegeben hatte und demnach nicht über den Hilfsantrag hatte entscheiden müssen, automatisch mit in die Berufungsinstanz gelangt. Er wurde allein durch die Rechtsmitteleinlegung der beklagten Partei Gegenstand des Berufungsverfahrens (BGH, 20. 9. 2004 – II ZR 264/02, NJW-RR 2005, 220 m.w.N.; BGH, 20. 9. 1999 – II ZR 345/97, NJW 1999, 3779, betreffend ein Revisionsverfahren; LAG München, 7. 5. 2013 – 6 Sa 864/12 n. v.; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 16. Aufl., § 528 Rz. 7; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 528 Rz. 20; a.M. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, ZPO, 5. Aufl., § 528 Rz. 46; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl., § 537 Rz. 10). Es zählt zu den auch im Rechtsmittelverfahren geltenden Grundbedingungen, dass die Klagepartei durch ihre Anträge bestimmt, mit welchen Ansprüchen sich das Gericht zu befassen hat. Diese vom Kläger zur Überprüfung gestellten Streitgegenstände kann der Beklagte allein durch ein Anerkenntnis oder durch die Hinnahme einer Verurteilung, nie aber durch bloße Rechtsmitteleinlegung beschränken. Nachdem die Klagepartei erstinstanzlich mit ihrem Begehren voll durchgedrungen war, bestand für sie, unabhängig von der hinsichtlich der abgewiesenen Streitgegenstände ebenso eingelegten Berufung, kein Anlass, den erstinstanzlich nicht zu verbescheidenden Hilfsantrag in die Rechtsmittelinstanz zu bringen, um eine volle Überprüfung des unveränderten Rechtsbegehrens sicherzustellen (BGH v. 20. 9. 2004, a.a.O.).
bb. Ein Teilzeitarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 TzBfG ist dann gegeben, wenn die regelmäßige Wochenarbeitszeit eines Arbeitnehmers kürzer ist, als diejenige eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Bei Fehlen einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TzBfG auf den Durchschnitt eines bis zu einem Jahr dauernden Zeitabschnittes abzustellen.
Da vorliegend keine tägliche/oder wöchentliche Arbeitszeit für die Arbeitnehmer im Flugdienst vereinbart ist, muss nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TzBfG eine Durchschnittsbetrachtung angestellt werden. Diese ergibt jedoch, dass ein Teilzeitarbeitsverhältnis begründet worden war.
(1) Willensmängel bei Abschluss des Teilzeitvertrages sind weder vorgetragen noch zu erkennen.
(2) Eine konkrete Begründung, weswegen kein Teilzeitarbeitsverhältnis begründet worden sein soll, findet sich aber weder in der Klageschrift vom 26. Dez. 2018, noch im anwaltlichen Schriftsatz vom 12. Feb. 2019. In letzterem Schriftsatz wird lediglich ausgeführt, es sei tatsächlich möglich, dass er eine größere Anzahl von Flugstunden zu leisten habe, als ein vergleichbarer Vollzeitmitarbeiter. Dies reicht jedoch nicht hin, einen Teilzeitvertrag per se bereits zu verneinen.
Maßgeblich ist nicht, dass es möglich erscheint, der Kläger könne als Teilzeitkraft mehr Stunden als eine vergleichbare Vollzeitkraft in einem Monat erbringen müssen. Es kommt vielmehr auf einen Vergleich über einen repräsentativen Zeitraum an, der aber nicht angestellt worden war. Ausgehend von der erhöhten Zahl der freien Tage für den Kläger in dem gewählten Teilzeitmodell, erscheint es zweifelhaft, dass er etwa über ein Jahr gesehen, mehr Arbeitsstunden zu erbringen hat, als eine vergleichbare Vollzeitkraft erbringt. Konkrete Einwände gegen diese Annahme sind dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen. Es bedürfte aber eines konkreten Vortrags, um eine Gegenüberstellung der geleisteten Arbeitsstunden des Klägers und einer vergleichbaren Vollzeitkraft vornehmen zu können.
2. Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Anträge wegen der Berechnung des Jahresrentenbausteines hat das Arbeitsgericht zutreffend zurückgewiesen. Insoweit war die Teilzeittätigkeit des Klägers zu berücksichtigen.
Vorweg wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 ArbGG). Ergänzend ist auszuführen:
a. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die Beklagte eine höhere als die tatsächlich berücksichtigte Grundvergütung bei der Berechnung des Jahresrentenbausteines zugrunde legt. Die Versorgungszusage nach dem TV Betriebliche Altersversorgung sieht in seinem § 5 (1) gerade vor, dass als rentenfähiges Einkommen für einen Jahresrentenbaustein „die Summe der … im Bemessungszeitraum bezogenen Vergütung zugrundegelegt“ wird, nämlich im Tarifbereich die monatlichen Grundvergütungen einschließlich des Grundvergütungsanteils des 13. Monatsgehalts und im AT-Bereich die vertraglich als rentenfähig vereinbarte Vergütung. Sonstige Zulagen und Zuschläge sollen bei der Ermittlung des rentenfähigen Einkommens unberücksichtigt bleiben (§ 5 (2) TV Betriebliche Altersversorgung). Damit haben die Tarifpartner die zu berücksichtigende Vergütung für eine nach dem TV versprochene Altersversorgung verbindlich festgelegt. Weitere, über die maßgebliche Grundvergütung hinausgehende Vergütungsbestandteile bleiben unberücksichtigt. Weder die Tarifvertragsparteien noch der Arbeitgeber sind gehalten, alle Entgeltbestandteile bei einem Altersversorgungsversprechen zu berücksichtigen (BAG v. 19. 7. 2016 – 3 AZR 141/15, NZA-RR 2016, 604 Rz. 25). Schwankende, zeitpunktabhängige oder auf das Jahr bezogene Vergütungen müssen nicht berücksichtigt werden (vgl. BAG v. 13. 11. 2012 – 3 AZR 557/10, juris Rz. 23).
b. Die vom Kläger erstrebte Berücksichtigung der vollen verdienten Vergütung, nicht nur der Grundvergütung, bedeutete die Berücksichtigung von Überstundenvergütungen im Rahmen der Altersversorgung, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist. Diese sind aber nach § 5 Abs. 1 TV Betriebliche Altersversorgung gerade bei der Berechnung des Jahresrentenbausteines nicht einzustellen. Überstundenvergütungen sind nicht rentenfähig.
III.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war wegen der Bedeutung der Rechtssache auch für andere vergleichbare Beschäftigte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


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