Arbeitsrecht

Informationsanspruch des Aufsichtsrats im Vorfeld der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft in Eigenverwaltung

Aktenzeichen  5 HK O 7878/18

Datum:
31.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DB – 2019, 245
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 276a S. 1
AktG § 90, § 111 Abs. 2, § 122 Abs. 3, § 136, § 142 Abs. 5
BGB § 34
GVG § 95 Abs. 1 Nr. 4a, § 96 Abs. 1
ZPO § 935, § 936, § 916 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Dem Aufsichtsrat steht auch im Verfahren der Eigenverwaltung ein Informationsrecht gegenüber dem Vorstand im Vorfeld einer Hauptversammlung zu.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für ein Stimmverbot der Mitglieder des Aufsichtsrats gilt die Regelung des § 34 BGB entsprechend. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Regelung über das Stimmverbot schließt eine vorbereitende Information der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat nicht aus. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 11.6.2018, Az. 5HK O 7878/18, berichtigt durch Beschluss vom 13.6.2018, Az. 5HK O 7878/18 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass dem Verfügungsbeklagten als Vorstand der Verfügungsklägerin geboten wird, dem Aufsichtsrat der Verfügungsklägerin alle Verträge und sonstigen Unterlagen der Verfügungsklägerin die Sp… LLC, A…, die Sp… … E… L… S.à.r.l., …, und Unternehmen betreffend, an denen dies Sp… LLC und/oder Sp… … E… L… S.à.r.l. beteiligt sind, vorzulegen,
– insbesondere den Vertrag über den Erwerb der gegen die Verfügungsklägerin gerichteten Darlehensforderung(en) durch die Sp… LLC bzw. die Sp… … E… L… S.à.r.l. bzw. durch Unternehmen, an denen die Sp… LLC und/oder E… E… L… S.à.r.l. beteiligt sind,
– und einschließlich der Unterlage die Zustimmung der Verfügungsklägerin zur Abtretung dieser Forderungen betreffend.
II. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits. Die Streithelferin trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet, weshalb die einstweilige Verfügung vom 11.6.2018 mit der im Tenor genannten Maßgabe aufrechtzuerhalten war.
1. Der Antrag ist zulässig.
a. Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Dies ergibt eine Auslegung der Prozesserklärungen, bei der nicht allein der Wortlaut maßgebend sein kann. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Für die Auslegung eines Klageantrages ist daher auch die Klagebegründung heranzuziehen (vgl. BGH NJW 2001, 3789 f. = WRP 2001, 1231, 1232 = GRUR 2001, 1036 m.w.N.). Vorliegend ergibt sich jedenfalls aus der Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass es der Klägerin um Einsicht in die Unterlagen geht, die die Grundlage für die Entscheidung in den Organen der Klägerin waren, dem Sanierungskonzept der Sp…-Gruppe zuzustimmen.
b. Die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen muss bejaht werden, weil es sich vorliegend um eine Handelssache im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 4 a GVG handelt und die Klägerin einen entsprechenden Antrag auf Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen gem. § 96 Abs. 1 GVG gestellt hat. Aufgrund von § 95 Abs. 1 Nr. 4 a GVG sind Handelssachen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in denen durch die Klage ein Anspruch aus einem Rechtsverhältnis zwischen den Vorstehern und der Handelsgesellschaft geltend gemacht wird. Der von der Klägerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, in Anspruch genommene Beklagte ist als Vorstand „Vorsteher“ der klagenden Handelsgesellschaft im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 3 a GVG. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch berührt unmittelbar gesellschaftsspezifische Rechte und Pflichten (vgl. Zöller-Lückemann, ZPO, 32. Aufl., § 95 GVG Rdn. 8); es geht um Ansprüche des Aufsichtsrates im Vorfeld einer Hauptversammlung. Allein der Umstand, dass über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Streithelfer zum Sachwalter bestellt wurde, vermag an der Charakteristik des Anspruchs nichts zu ändern.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet, weil der Klägerin ein Verfügungsanspruch zusteht und der Verfügungsgrund ebenfalls bejaht werden muss.
a. Dem Aufsichtsrat steht ein Anspruch auf Information im Vorfeld der Hauptversammlung zu, der vorliegend durch die Klägerin geltend gemacht werden kann, nicht durch den Aufsichtsrat selbst. Ein Organstreitverfahren, bei dem der Aufsichtsrat selbst Partei wäre, findet – von wenigen Ausnahmen namentlich der Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage abgesehen – innerhalb einer Aktiengesellschaft nach der h.M. nicht statt. Es gibt keine zivilrechtliche Grundlage, die dem Aufsichtsrat eine eigenständige Rechts- oder Prozessführungsbefugnis geben würde; der Aufsichtsrat bleibt vielmehr innerhalb der Korporation ein Organ mit rein innenrechtlich ausgestalteten Befugnissen (so ausdrücklich Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 76 Rdn. 55; Hüffer/Koch AktG, 13. Aufl., § 90 Rdn. 15). Doch selbst die Vertreter der Gegenansicht, die einen Intraorganstreit mit eigenem Klagerecht des Aufsichtsrates zulassen wollen, halten eine Klage der Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, für zulässig (vgl. Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 90 Rdn. 97), weshalb die Kammer nicht abschließend entscheiden muss, welcher Auffassung zu folgen wäre.
(1) Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus den Rechtsgedanken, der den §§ 90, 111 Abs. 2 AktG zugrunde liegt. In diesen Vorschriften ist geregelt, dass der Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben Einsichtsrechte hat. Dieser Grundgedanke muss dann aber auch zur Anwendung gelangen, wenn es um Informationen im Vorfeld der Hauptversammlung geht. Zwar hat der Aufsichtsrat keine Pflicht, aber das Recht, zu dem Einberufungsverlangen eines oder mehrerer Aktionäre einen eigenständigen Beschlussvorschlag zu formulieren oder eine inhaltliche Stellungnahme abzugeben (vgl. nur Butzke in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 124 Rdn. 63; Bürgers/Körber in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 124 Rdn. 20; Ziemons in: Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 124 Rdn. 41; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 124 Rdn. 41; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 124 Rdn. 32; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 124 Rdn. 24; Bungert in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 Aktiengesellschaft, 4. Aufl., § 36 Rdn. 78). Es handelt sich hier gerade nicht um die Ausübung der Kontrollfunktion aus § 111 AktG gegenüber dem Vorstand, die bei der Eigenverwaltung aufgrund von § 276 a Satz 1 InsO dem Sachwalter obliegt. Vielmehr geht es bei den Aufgaben des Aufsichtsrates im Vorfeld der Hauptversammlung um den insolvenzfreien Raum. Dabei ist die Kammer an die rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts München hinsichtlich der Gegenstände der Tagesordnung und der Zuständigkeit der Hauptversammlung für eine Beschlussfassung gebunden, was sich aus der Bindungswirkung von Entscheidungen gem. § 40 Abs. 1 FamFG ergibt. Demgemäß wird die Wirksamkeit der in der nachfolgenden Hauptversammlung gefassten Beschlüsse auch nicht wegen eines Fehlers bei der gerichtlichen Ermächtigung berührt. (vgl. BayObLGZ 1986, 289, 293 f.; LG München I AG 2018, 206, 207; Noack/Zetzsche in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 122 Rdn. 124; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 129 Rdn. 68; Wagner ZZP 1992, 294, 303). Dem steht auch nicht das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 27.6.2018, Az. 7 U 2752/17 entgegen, weil es in diesem Fall gerade keine Entscheidung des Amtsgerichts München – Registergericht – über die Verhältnismäßigkeit des Sonderprüfungsbeschlusses gab; im streitgegenständlichen Fall hatte der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München sich aber ausdrücklich mit der Frage der Kompetenz der Hauptversammlung für die einzelnen Tagesordnungspunkte befasst.
Es ist auch glaubhaft gemacht, dass der Aufsichtsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, die entsprechenden Informationen beim Beklagten als Vorstand der Klägerin einzufordern. Am 4.6.2018 verfasste der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. M…eine E-Mail, in der er darauf verwies, der Aufsichtsrat habe entschieden, alle Verträge mit Bezug auf Sp… und deren Tochtergesellschaft, insbesondere den Forderungsverkauf zwischen der Bank und Sp… anzufordern und ihn als Vorsitzenden zur Durchführung dieses Beschlusses ermächtigt zu haben. Die eidesstattliche Versicherung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 7.6.2018 (Anlage Ast 12) belegt, dass vor dem Stellen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Reaktion des Vorstands abgewartet werden sollte, weil der Antrag bei Gericht nur im Falle der erneuten Verweigerung gestellt werden sollte. Dies steht im Einklang mit dem Beschlussvorschlag aus der Einladung vom 6.6.2013 (Anlage ASt 13) dass beim fehlenden Eingang bis zum 7.6.2018, 18.00 Uhr gerichtliche Schritte eingeleitet werden können.
(2) Diesem Anspruch können die vom Beklagten und dem Streithelfer geltend gemachten Einwendungen nicht erfolgreich entgegengehalten werden.
(a) Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, es bestehe ein Interessenskonflikt insbesondere in der Person des Aufsichtsratsvorsitzenden, der eine Meinungsbildung und Stimmabgabe im Aufsichtsrat unmöglich mache. Dies wäre dann denkbar, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrates einem Stimmrechtsverbots unterliegen würden, weil sie dann keinen Beschluss als Basis einer Stellungnahme oder eines eigenständigen Beschlussvorschlages für die Hauptversammlung fassen könnten. Ein derartiges Stimmrechtsverbot der Mitglieder des Aufsichtsrates lässt sich vorliegend jedoch nicht bejahen. Das Aktiengesetz selbst enthält keine Bestimmungen über Stimmrechtsverbote von Aufsichtsratsmitgliedern bei Abstimmungen innerhalb des Aufsichtsrats. Allerdings geht die h.M. zutreffend davon aus, dass § 34 BGB analoge Anwendung finden müsse, nicht jedoch § 181 BGB oder § 136 AktG. § 34 BGB regelt nämlich das Stimmrechtsverbot explizit bei Beschlüssen von Gesellschaftsorganen und erfasst die spezifische Interessenkollision besser als die Vorschriften des § 181 BGB, weil Tatbestand und Rechtsfolge des Verbots von In-Sich-Geschäften nicht auf die Konstellation bei Abstimmungen in Gesellschaftsorganen wie dem Aufsichtsrat zugeschnitten sind. § 34 BGB weist mit der Abstimmung in einem Gesellschaftsorgan als körperschaftlichem, rechtsgeschäftlichem Akt deutlich größere Berührungspunkte auf. § 136 AktG scheidet deshalb aus, weil darin gerade kein Stimmrechtsverbot für Beschlüsse über Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit dem Stimmberechtigten oder der In-Sich-Geschäfte geregelt ist (vgl. BayObLGZ 2003, 89, 92 = AG 2003, 427, 428; OLG München AG 2006, 337, 338 f.; Spindler in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 108 Rdn. 27; Breuer/Fraune in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 108 AktG Rdn. 10; Drygala in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 108 Rdn. 15; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O. § 108 Rdn. 29; Uwe H. Schneider in: Festschrift für Goette, 2011, S. 475, 481 f). Die Voraussetzungen des § 34 BGB sind nach seinem unmittelbaren Regelungsgehalt vorliegend nicht erfüllt, weil es bei der Beschlussfassung im Vorfeld der Hauptversammlung weder um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Mitglied des Aufsichtsrats noch um die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit dem Verein geht. Inwieweit darüber hinaus ein Interessenkonflikt des Aufsichtsratsmitglieds, der dem Wohle des Unternehmens und nicht den Interessen eines einzelnen Aktionärs verpflichtet ist, ein Stimmrechtsverbot zu begründen vermag, wird nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird die Auffassung vertreten, § 34 BGB enthalte ein allgemeines Prinzip und konkretisiere lediglich, was als schwerer Interessenkonflikt anzusehen sei (vgl. Uwe H. Schneider in: Festschrift für Goette, a.a.O., S. 475, 482 f.). Dieser Ansicht kann indes nicht gefolgt werden. Ein allgemeines Stimmrechtsverbot bei Interessenkonflikten ist dem Aktienrecht nämlich fremd (vgl. Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 108 Rdn. 10; Mertens/Cahn in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 108 Rdn. 65; Hofmann-Becking in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 Aktiengesellschaft, 4. Aufl., § 31 Rdn. 70; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 6. Aufl., Rdn. 731; Jaeger in: Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, 79. Lfg. 03.2018, Rdn. 9.232). Zwar wird mit sehr guten Gründen die Auffassung vertreten, ein Stimmrechtsverbot bestehe in dieser Konstellation regelmäßig dann, wenn ein vom Aufsichtsratsmitglied beherrschtes Unternehmen betroffen ist, wobei dies auf die M… GmbH zutreffen würde, nachdem das Aufsichtsratsmitglied Dr. M…der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist. Vorliegend geht es allerdings nicht um ein Rechtsgeschäft mit dieser Gesellschaft, sondern um die Information der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat im Vorfeld derselben. Die Hauptversammlung der Klägerin besteht indes aus einer Vielzahl von Aktionären und kann folglich nicht mit der M… GmbH gleichgesetzt werden. Zudem spricht die Parallele zu folgender Konstellation gegen ein Stimmrechtsverbot. Gerade bei der Stellungnahme zu dem Sonderprüfungsantrag ist zu beachten, dass ein Aufsichtsratsmitglied, um dessen Fehlverhalten es bei einer intendierten Sonderprüfung geht, bei der Stellungnahme nach § 142 Abs. 5 AktG nach h.M. keinem Stimmrechtsverbot unterliegt (so ausdrücklich Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG a.a.O. § 108 Rdn. 32; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, a.a.O., Rdn. 731). Die Stellungnahme des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung hat dabei den Charakter einer unverbindlichen Meinungsäußerung, an der sich die Aktionäre bei ihren Stimmverhalten zwar gegebenenfalls orientieren können, aber dazu keinesfalls verpflichtet sind. Der Beklagte verweist zudem stets nur auf die beiden Initiatoren des Ergänzungsverlangens M… GmbH und L… M… I… SICAV, S.A.. Damit ist aber nicht deutlich erkennbar, dass das Aufsichtsratsmitglied So… aktuell noch einem Interessenkonflikt unterliegen würde.
(b) Ebenso wenig kann von einem fehlenden Informationsbedürfnis des Aufsichtsrats ausgegangen werden mit der Begründung, der Aufsichtsrat verfüge bereits über alle erforderlichen Informationen zur Abgabe der Stellungnahme. Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Aufsichtsrat verfüge über alle erforderlichen Informationen, um sich ein sachgerechtes Bild über die Kapitalerhöhung zu machen. Diese ist erkennbar als Alternative zum Sanierungskonzept der Sp…-Gruppe gedacht. Dann aber benötigt der im Interesse des Unternehmens, nicht eines einzelnen Aktionärs agierende Aufsichtsrat die entsprechenden Informationen insbesondere über den Vertrag mit dem Bankenkonsortium, um sich ein Bild machen zu können. Dabei ergibt sich eine vollständige Information des Aufsichtsrats gerade nicht aus der Befassung des Restrukturierungsausschusses mit dieser Thematik. Zum einen ist nach der eidesstattlichen Versicherung des früheren Aufsichtsratsmitglied … St… vom 15.6.2018 (Anlage AG 11) nur glaubhaft gemacht, die wesentlichen Vereinbarungen mit dem Investor insbesondere mit dem Kreditgebern über den Verkauf der Darlehensforderung seien ausführlich diskutiert worden und ein zustimmender Beschluss sei gefasst worden. Ein Vorliegen dieser Vereinbarung als Grundlage des Beschlusses kann dieser Erklärung nicht entnommen werden. Zum anderen enthielten die weiteren Mitglieder des Aufsichtsrates – damals Herr Dr. M…und Herr So… – keine näheren Informationen über die Arbeit des Ausschusses, weshalb § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG verletzt wurde, wonach dem Aufsichtsrat regelmäßig über die Arbeit der Ausschüsse zu berichten ist. Diese unzureichende Information ergibt sich namentlich aus der E-Mail des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden … St… vom 11.6.2018 (Anlage ASt 15), in der er ausführte, seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – also ab dem 1.12.2017 – für die Übersendung der erbetenen Unterlagen keinen Anlass zu sehen. Der Restrukturierungsausschuss wurde vom Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 8.12.2017 durch einen entsprechenden Beschluss eingerichtet. Daher hatten die aktuellen Mitglieder des Aufsichtsrats unter Verstoß gegen § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG keinerlei Informationen über die Tätigkeit dieses Ausschusses erhalten. Aus diesem Grund kann die Kontinuität der Aufsichtsratsarbeit auch bei wechselnder Besetzung keinen Grund darstellen, dem Aufsichtsrat jegliche Informationen vorzuenthalten. Wenn ungeachtet der Eigenverwaltung Zustimmungsbeschlüsse des Aufsichtsrats zu dem Sanierungskonzept gefasst wurden, was durch die insoweit eindeutige eidesstattliche Versicherung von Herrn St… glaubhaft gemacht ist, dann kann § 276 a Satz 1 InsO dem Informationsbegehren des Gesamtaufsichtsrates gleichfalls nicht entgegen gehalten werden. Allein der Umstand, dass die Aktionärinnen M… GmbH und L… M… I… SICAV, S.A., einen entsprechenden Antrag insbesondere zur Sonderprüfung, zum Vertrauensentzug und zur Durchführung einer Kapitalerhöhung gestellt haben, vermag ein Informationsbedürfnis nicht auszuschließen. Zum einen muss zwischen der Stellung von Herrn Dr. M…als Geschäftsführer der Aktionärin einerseits und als Mitglied des Aufsichtsrats andererseits unterschieden werden. Zum anderen ist aber nach dem Vortrag der Parteien insbesondere nicht hinreichend erkennbar, dass Herr So… als Mitglied des Aufsichtsrats auch einen der im Verfahren nach § 122 Abs. 3 AktG antragstellenden Aktionäre repräsentieren würde. Wenn die Vorlage insbesondere des Vertrages über den Forderungskauf für die Meinungsbildung erforderlich ist, kommt es nicht mehr darauf an, inwieweit sich der Vorstand bereits über die Voraussetzungen des Vertrauensentzugs gegenüber dem Beklagten eine abschließende Meinung gebildet hat und ob der Umstand, dass die Überprüfung der eine Pflichtverletzung begründenden Tatsachen Aufgabe des Sonderprüfers, nicht des Aufsichtsrats ist, einem Informationsbegehren entgegensteht, weil jedenfalls für die Kapitalerhöhung als Gegenstand der Tagesordnung der einzuberufenden Hauptversammlung die Informationen zur Meinungsbildung erforderlich sind.
(c) Das Begehren des Aufsichtsrats kann auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen heraus als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Wie jedes Recht steht allerdings auch dieses Informationsverlangen des Aufsichtsrats der Klägerin unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs. Dieser kann indes nur angenommen werden, wenn die Rechtsausübung als solche zu missbilligen ist, weil sie ihrer Art oder den Begleitumständen nach ungehörig ist, sie anderweitige Pflichten verletzt oder ihr kein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt (vgl. BSG NJW 2010, 1485, 1486; Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 242 Rdn. 243; Mansel in: Jauernig, BGB, 17. Aufl., § 242 Rdn. 34). Dabei kann vorliegend über die bereits oben angesprochenen Aspekte des fehlenden schutzwürdigen Interesses hinausgehend auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung anderweitiger Pflichten kein Rechtsmissbrauch angenommen werden. Eine derart gravierende Pflichtverletzung lässt sich insbesondere nicht daraus ableiten, dass die Rechtsanwaltkanzlei Graf Kanitz, Schüppen & Partner die Möglichkeit erhielt, den Schriftsatz der Beklagten vom 17.6.2018 als Anlage zu einem Schriftsatz der M… GmbH an das Amtsgericht München – Insolvenzgericht – weiterzuleiten. Ausgangspunkt der Überlegungen ist allerdings die Tatsache, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und folglich auch gegenüber einem Aktionär Informationen aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nicht weitergeben darf. Dabei beschränkt sich die Verschwiegenheitspflicht aus §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG indes auf vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, was durch § 116 Satz 2 AktG auf vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen erweitert wird. Vorliegend muss zwar davon ausgegangen werden, dass der Schriftsatz der Beklagten über Herrn Dr. M…an die von der M… GmbH im Insolvenzverfahren mandatierte Rechtsanwaltskanzlei gelangte, weil ein anderer Weg wie beispielsweise über ein Akteneinsichtsgesuch ausgeschlossen werden kann. Indes genügt dies nicht, um den Rückschluss zu ziehen, Herr Dr. M…werde vertrauliche Angaben über den Inhalt der Verträge mit den Gesellschaften der Sp…-Gruppe unzulässiger Weise weiterleiten. Bei dem Inhalt eines Schriftsatzes wird es sich nämlich nicht um Geheimnisse der Gesellschaft handeln, weil dies nur solche Tatsachen sind, die nicht offenkundig sind und nach dem aus dem Gesellschaftsinteresse ableitbare mutmaßlichen Willen der Aktiengesellschaft auch nicht offenkundig werden sollen, sofern ein objektives Geheimhaltungsinteresse besteht. Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass es im Interesse des Unternehmens notwendig werden kann, eine im Aufsichtsrat besprochene Angelegenheit in einem geschlossenen Kreis oder auch in der Öffentlichkeit zu erörtern, weil dadurch beispielsweise Missverständnisse ausgeräumt werden können (vgl. BGHZ 64, 325, 331 = NJW 1975, 1412, 1413 = WM 1975, 678, 679, = DB 1975, 1308, 1310 = BB 1975, 894, 895 f. = DNotZ 1976, 177, 180 = VersR 1975, 716, 717; NJW 2016, 2569, 2570 f. = NZG 2016, 910, 912 = AG 2016, 493, 495 f = ZIP 2016, 1063, 1066 f = DB 2016, 1307, 1309 f. = BB 2016, 1421, 1423 = BM 2016, 1031, 1034 = Der Konzern 2016, 352, 353 f. = MDR 2016, 779; Hüffer/Koch, AktG a.a.O., § 93 Rdn. 30; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 116 Rdn. 55; Spindler in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 116 Rdn. 110; Drygala in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 116 Rdn. 29). Der Inhalt eines Schriftsatzes aus einem streitigen Zivilprozess wird in öffentlicher Verhandlung erörtert, weshalb bereits nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, die darin geschilderten Tatsachen seien Geheimnisse der Gesellschaft. Zudem wurden wesentliche Inhalte der von Sp… vorgesehenen Kapitalmaßnahme, wie sie in dem Schriftsatz vom 17.6.2018 wieder gegeben werden, bereits im Bericht des Vorstandes zu der für den 10.10.2016 einberufenen Hauptversammlung publiziert, wobei auch die Gründe für das vorgeschlagene Restrukturierungskonzept aus Sicht des Vorstands genannt werden, ohne dass daraus auf den gesamten Inhalt geschlossen werden kann, der aber zur Abgabe einer sachgerechten Stellungnahme des Aufsichtsrates zur Kapitalerhöhung als Alternative bekannt sein muss. Dann aber lässt sich ein geheimhaltungsbedürftiger Tatbestand nicht bejahen. Abgesehen davon bestehen zwischen dem Aufsichtsrat der Klägerin einerseits und ihrem Vorstand sowie dem Streithelfer unterschiedliche Auffassungen darüber, welches der beiden Sanierungskonzepte eher im Interesse des Unternehmens ist. Die Fragestellung, welches der beiden Konzepte im besseren Unternehmensinteresse liegt, ist erst mit rechtskräftiger Feststellung des Insolvenzplanes gemäß §§ 270 Abs. 1 Satz 2, 217, 254 Abs. 1 InsO festgelegt, weil erst mit der Rechtskraft des Insolvenzplans feststeht, dass das Sanierungskonzept über den Dept-E-Swap durchzuführen ist nach Maßgabe des Insolvenzplanes. Abgesehen davon muss auch hier zwischen der Stellung von Herrn Dr. M…als Aufsichtsratsmitglied und der Eigenschaft als Gläubiger der Klägerin unterschieden werden; in dieser Eigenschaft muss es möglich sein, Informationen an das Insolvenzgericht weiterzuleiten.
2. Der Verfügungsgrund im Sinne der Dringlichkeit nach §§ 935, 936, 916 Abs. 1 ZPO muss bejaht werden, auch wenn mit der Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist. Die Verwirklichung des Rechts der Klägerin, vertreten durch den Aufsichtsrat, wäre verletzt oder wesentlich erschwert (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., § 935 Rdn. 10; Huber in: Musielak, ZPO, 15. Aufl. § 935 Rdn. 13; Drescher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 935 Rdn. 16 und § 940 Rdn. 9). Dies ergibt sich aus der Erwägung heraus, dass im Falle einer Einberufung der Hauptversammlung die Möglichkeit der Stellungnahme des Aufsichtsrats Klägerin auf hinreichender Informationsbasis nicht möglich wäre, weil eine rechtskräftige Entscheidung im Zivilprozess, der sich erfahrungsgemäß über mindestens zwei Instanzen und damit mindestens 2 Jahre andauern würde, nicht abgewartet werden kann. Demgemäß ergibt sich die Dringlichkeit aus der Erwägung heraus, dass es nach der Lebenserfahrung mehr als naheliegend ist, dass die Hauptversammlung nicht erst nach einem rechtskräftigen Urteil stattfinden wird. Wenn Aktionäre den Weg des § 122 Abs. 3 AktG beschreiten, dann entspricht es der Lebenserfahrung, dass ihnen an einer raschen Umsetzung gelegen ist. Ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung werde der Anspruch der Klägerin ernsthaft gefährdet – gerade diese zeitliche Dimension macht vorliegend deutlich, dass eine rechtskräftige Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann. Dem kann der Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht entgegengehalten werden; eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist damit nicht verbunden, weil vorliegend die Klägerin bereits durch eine Beschlussverfügung gesichert war. Die hier gegebene Konstellation unterscheidet sich grundlegend von dem Sachverhalt, der dem Urteil des OLG Hamm vom 15.9.2009, Az. 4 U 103/09, weil dort gerade keine Sicherung durch eine bereits erlassene Beschlussverfügung vorlag.
Angesichts dessen war die einstweilige Verfügung mit der im Tenor genannten Maßgabe aufrechtzuerhalten, weil die nunmehr aufgeführte weitere Gesellschaft erst aufgrund des Vortrages der Beklagten berücksichtig werden konnte. Letztlich zeigt aber auch der Umstand, dass diese weitere Gesellschaft im ursprünglichen Antrag der Klägerin nicht genannt wurde, das der Aufsichtsrat nicht über die notwendigen Informationen für die Abgabe einer Stellungnahme verfügte.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da die einstweilige Verfügung aufrechterhalten wurde, hat der Beklagte auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streithelfer, der der unterlegenen Partei beigetreten ist, kann keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die unterstütze und unterlegene Partei geltend machen. Die Vorschriften der §§ 101 Abs. 1, 100 ZPO regeln einen Kostenerstattungsanspruch nur im Verhältnis zum Gegner der unterstützten Partei, weil ausschließlich ihm gegenüber eine prozessuale Gegnerschaft besteht. Daher sind die außergerichtlichen Kosten dem Streithelfer selbst aufzuerlegen (vgl. OLG Köln MDR 1995, 313; OLG Düsseldorf BauR 2017, 148; Zöller-Herget, ZPO, a.a.O., § 101 Rdn. 1 und 3).
2. Eine Entscheidung über den Beschluss vom 18.6.2018 musste nicht mehr ergehen, weil dieser durch die Entscheidung in der Hauptsache hinfällig wird (vgl. Zöller-Herget, ZPO, a.a.O., § 707 Rdn. 20).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben