Aktenzeichen M 12 K 16.2825
SGB IX SGB IX § 69
Leitsatz
1 Bei der Versorgungsmedizin-Verordnung handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten, die nicht nur im Schwerbehindertenrecht für die Bildung des GdS/GdB, sondern auch für die Bildung der MdE im Rahmen eines Unfallausgleichs im Sinne des § 52 Abs. 1 BayBeamtVG zugrunde zu legen sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwischen den Begriffen MdE und GdS bestehen jedoch Unterschiede, sodass sich unterschiedliche Bewertungen ergeben können. Im Rahmen der MdE-Feststellung sind nur Behinderungen relevant, die Folge eines Dienstunfalls sind. Es kommt – anders als beim GdS – nicht auf die Auswirkungen in allen Lebensbereichen, sondern nur auf die Auswirkungen im allgemeinen Erwerbsleben an. (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Feststellung der MdE und des GdS gilt gleichermaßen, dass altersbedingte Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben müssen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Erhöhung des Unfallausgleichs und Neufestsetzung der durch den Dienstunfall vom … Juli 1959 bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Auf die vorliegende Verpflichtungsklage ist das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410, 528, berichtigt S. 764), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 (GVBl. S. 399) anzuwenden. Denn nach Art. 100 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG steht für die am 31. Dezember 2010 vorhandenen Unfallfürsorgeberechtigten ein vor dem 1. Januar 2011 erlittener Dienstunfall im Sinn des Beamtenversorgungsgesetzes in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung dem Dienstunfall im Sinn des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes gleich. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der am … Juli 1959 erlittene Dienstunfall des Klägers mit Bescheid vom 20. April 1960 gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG anerkannt wurde.
Gem. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG erhält ein Beamter, der infolge eines Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 von Hundert beschränkt ist, neben der Besoldung einen Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 4 BVG, solange dieser Zustand andauert. Eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit bleibt außer Betracht, Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG. Die Vorschriften stimmen inhaltlich mit den bis 31. Dezember 2010 geltenden Normen des § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG überein. Gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der seit dem Dienstunfall unverändert gültigen Fassung erhält ein verletzter Beamter, der infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt Unfallausgleich, solange dieser Zustand andauert. Wesentlich ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, wenn sie wenigstens 25 v.H. beträgt. Dies folgt aus der Verweisung in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG auf § 31 Bundesversorgungsgesetz (Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, § 35 Rn. 36).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (im Folgenden: MdE) ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Erwerbsfähigkeit ist die Kompetenz des Verletzten, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm abstrakt im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit wird nicht abgestellt. Es kommt nicht auf die individuellen Verhältnisse, also die persönlichen Kenntnisse oder die geistigen, körperlichen, psychischen und sozialen Fähigkeiten an. Die Festsetzung der MdE im Versorgungsrecht folgt den unfallversicherungsrechtlichen Anforderungen. Sie richtet sich auch dort nach den verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, die sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergeben (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Voraussetzung ist ein Vergleich der vor und nach dem Dienstunfall bestehenden individuellen Erwerbsfähigkeit.
Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Dieser ist nur dann erfüllt, wenn der Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht ist (BVerwG B.v. 7.2. 1989 – Az. 2 B 179/88, juris; VGH München B.v. 24.3.2004 – Az. 3 ZB 05.431, juris). Dies gilt sowohl für das Vorliegen eines behaupteten Körperschadens als auch für den Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, was auch für die Frage der Kausalität gilt, trifft die materielle Beweislast den Kläger, da im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten. Im Bereich des Unfallausgleichs gelten ebenfalls die allgemeinen Beweisgrundsätze (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.2.2013 – Au 2 K 11.1459). Derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet, trägt die materielle Beweislast, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen Überzeugungsgewissheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) weder feststellen noch ausschließen kann („non liquet“) und wenn sich aus der materiellen Anspruchsnorm nichts Abweichendes ergibt (BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09, ZBR 2012, 38).
Der Grad der MdE ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens zu ermitteln. Dabei bilden allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte, also antizipierte Sachverständigengutachten, in der Regel die Basis für die Bewertung der MdE durch den Sachverständigen. Die konkrete Bewertung muss jedoch stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen. Entscheidend ist, dass der Sachverständige bei seiner dienstunfallrechtlichen Bewertung als Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu Grunde legt (OVG NRW, B.v. 25.8.2011 – 3 A 3339/08, juris; BayVGH, B.v. 1.2.2013 – 3 ZB 11.1166, juris; Weinbrenner in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 35, Rn. 54).
Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) regelt nunmehr verbindlich die Grundsätze und Einzelheiten der Bildung des Grades der Schädigung (GdS). Sie schreibt dabei nahezu wortgleich die früher für die Feststellung des Grades der Behinderung nach § 69 SGB IX und der Voraussetzungen für den Unfallausgleich (vgl. BVerwG U.v. 21.9.2000 – 2 C 27.99 – BVerwGE 112, 92 = DÖD 2001, 68 = NVwZ-RR 2001, 168 = DÖV 2001, 294 = DVBl 2001, 732 = ZBR 2001, 251 = Buchholz 239.1 § 35 BeamtVG Nr. 4) heranziehbare, im Interesse der gleichmäßigen Beurteilung der Behinderungen anerkannte GdB/MdE-Tabelle der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP 2008) fort. Hierbei handelte es sich nach der nun obsolet gewordenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zu den entsprechenden Vorauflagen) um antizipierte Sachverständigengutachten, die (im sozialen Entschädigungsrecht) wie untergesetzliche Normen anzuwenden waren (BSG U.v. 11.11.2004 – B 9 SB 1/03 R – RegNr. 26835 (BSG-Intern); U.v. 18.9.2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 2 = BSGE 91, 205 = Breith 2004, 297). Das bedeutet, dass für die Bildung des GdS dieselben Grundsätze gelten wie für die Bildung der MdE, wobei es sich bei ersterem Begriff um einen Grad handelt, während der letztere ein Vomhundertsatz war.
Nach Nr. 3 a) der Anlage zu § 2 VersMedV Teil A sind bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen zwar Einzel-GdS anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdS durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdS ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Nach Nr. 3 c) der Anlage zu § 2 VersMedV Teil A ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdS in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdS 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen dabei zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen (Nr. 3 d) ee) der Anlage zu § 2 VersMedV Teil A).
Bei der Neufestsetzung des Unfallausgleichs für den Kläger war der Beklagte nicht an die Feststellung des Zentrums Bayern Familie und Soziales gebunden, das beim Kläger einen Grad der Behinderung von 80 v.H. festgestellt hat. Denn es fehlt insoweit an der inhaltlichen Gleichheit der Tatbestandsmerkmale „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ in Art. 52 BayBeamtVG und „Grad der Behinderung“ im Schwerbehindertenrecht (vgl. § 4 SchwbG). Denn während für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft die Gründe der Behinderung unerheblich sind, setzt der Unfallausgleich einen Dienstunfall voraus, wobei nur aufgrund und dem Umfang der durch den Dienstunfall eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit Unfallausgleich gewährt wird. Zudem sind bei der Bestimmung des Grades der Behinderung nach dem SchwbG auch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung in den verschiedenen Bereichen des Lebens zu berücksichtigen. Demgegenüber kommt es für den Unfallausgleich nach Art. 52 BayBeamtVG darauf an, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folge eines Dienstunfalls anerkannten Körperschäden nicht nur vorübergehend beeinträchtigt sind.
In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Gericht auf der Grundlage der VersMedV und der vorliegenden Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger für den hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. Februar 2016 eine MdE von 40 von Hundert vorliegt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. M … vom … Februar 2016, dem Gutachten des Orthopäden Dr. H … vom … November 2007 und dessen Stellungnahme vom … September 2008 sowie den Erläuterungen des sachverständigen Zeugen Dr. M … in der mündlichen Verhandlung.
Auszugehen ist dabei von den als dienstunfallbedingt anerkannten Körperschäden Unterschenkelfraktur links und Platzwunde am linken Unterschenkel, Arthrose am linken Sprunggelenk, Coxarthrose rechts, Großzehengrundgelenksarthrose links, Läsion des Endastes des linken Nervus peronaeus und Irritation des Endastes des linken Nervus tibialis. Weitere Körperschäden müssen außer Betracht bleiben, da diese nicht als Dienstunfallfolgen anerkannt sind.
Der sachverständige Zeuge Dr. M … führte in der mündlichen Verhandlung überzeugend aus, er orientiert sich bei der Bewertung der Einzelbehinderungen im Wesentlichen an der Versorgungsmedizin-Verordnung. Gegenüber den festgestellten Werten bzgl. des GdS, die alle Lebensbereiche betreffen, ist im Rahmen der MdE ein Abstrich zu machen. Zudem muss das Alter des Klägers berücksichtigt werden, da dieser 82 Jahre alt ist und dienstunfallunabhängige Abnutzungserscheinungen bei allen Gelenken vorliegen. Die festgestellten GdS-Werte lassen sich nicht eins-zu-eins auf die MdE übertragen.
Der sachverständige Zeuge führte weiter überzeugend aus, die Situation am Sprunggelenk wurde mit einer MdE von 30 von ihm bewertet. Diese ergibt sich aus der Versteifung des oberen Sprunggelenks in ungünstiger Stellung. Die GdS-Tabelle der VersMedV enthält dafür keinen entsprechenden Wert. Da sie aber für eine Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks in günstiger Stellung einen GdS-Wert von 30 und in ungünstiger Stellung einen GdS-Wert von 40 sowie für Bewegungseinschränkungen im oberen Sprunggelenk stärkeren Grades einen GdS-Wert von 20 (B 18.14 der Anlage zu § 2 VersMedV Teil B) ausweist, ist die Bewertung mit einem MdE von 30 durch den sachverständigen Zeugen plausibel und nachvollziehbar.
Die Rest-MdE von 10 ergibt sich aus der „springenden“ Großzehe links, welche eine Folge der unfallbedingt aufgetretenen Großzehengrundgelenksarthrose ist, den Gefühlsstörungen am Fußrücken links infolge der Nervenschädigungen und der schlechteren Beweglichkeit der Gliedmaßen, vor allem links. Diese Aussagen decken sich mit denen Dr. H … auf Seite 18 seines Gutachtens vom … November 2007, der auch von einer MdE von 40 von Hundert ausgeht. Dabei bewertete er die Nervenempfindungsstörungen und Teilausfälle mit einer Einzel-MdE von 10, da diese nicht mit einem vollständigen Ausfall der Nerven zu vergleichen sind. Nur bei einem vollständigen Ausfall kann die MdE ausgehend von einem GdS von 30 gemäß B 18.14 der Anlage zu § 2 VersMedV Teil B ermittelt werden, Teilausfälle der Nerven sind entsprechend geringer zu bewerten.
Weiter führte der sachverständige Zeuge überzeugend aus, die Coxarthrose rechts führt, wenn man diese dem Beklagten folgend als dienstunfallabhängig einstuft, zu keiner Erhöhung der MdE. Dies stimmt mit den Aussagen aus dem Gutachten Dr. H … vom … November 2007 und seiner Stellungnahme vom … September 2008 überein. Dr. H … stellte beim Kläger eine Tendoperiostose am rechten Rollhügel statt einer Coxarthrose rechts fest. Er kommt auf Seite 21 seines Gutachtens vom … November 2007 aber zu dem Ergebnis, dass die Tendoperiostose zu keiner messbaren Einzel-MdE führt und führt auf Seite 4 seiner Stellungnahme vom … September 2008 eindeutig aus, dass weder die Coxarthrose noch die Rollhügel-Tendoperiostose zu einem messbaren Einzel-MdE-Wert führen.
Der GdS- bzw. MdE-Wert umfasst auch die Schmerzen des Klägers. Gemäß Nr. 2 j) der Anlage zu § 2 VersMedV Teil A sind bei der Beurteilung des Grades der Schädigungsfolgen auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten. Die in der GdS (Grad der Schädigungsfolgen) – Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen erfahrungsgemäß auch besonders schmerzhafte Zustände. Ist nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden. Das kommt zum Beispiel bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputationen in Betracht. Solche Zustände liegen beim Kläger nicht vor bzw. sind nicht nachgewiesen.
Mit diesen vom Beklagten eingeholten Gutachten liegen dem Gericht ärztliche Sachverständigengutachten zu den entscheidungserheblichen Tatsachen vor, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden können (BVerwG, B.v. 30. 9. 2010 – 8 B 15/10 – juris). Die Einholung weiterer Sachverständigengutachten liegt bei diesem Sachverhalt im Ermessen des Gerichts (§ 98 VwGO; § 412 Abs. 1 ZPO). Eine weitere Beweiserhebung wäre nur dann erforderlich, wenn sich die Einholung eines zusätzlichen Gutachtens wegen fehlender Eignung der vorliegenden Gutachten aufdrängen würde. Dies wäre dann der Fall, wenn die vorhandenen Gutachten grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen würden, wenn sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters bestünde, ein anderer Sachverständige über neue oder überlegene Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügte oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert werden würde (vgl. BVerwG, B.v. 3. 2. 2010 – 7 B 38/09- juris).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die vorhandenen ärztlichen Sachverständigengutachten sind für das Gericht nachvollziehbar und weisen, soweit ersichtlich, keine Mängel oder Widersprüche auf; sie vermitteln dem Gericht einen hinreichenden Einblick in die Zusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger selbst hat keine Gutachten vorgelegt.
Der Einwand des Klägers, es sei widersprüchlich, dass der Beklagte entgegen des Vorschlags Dr. H … in seinem Gutachten vom … November 2007 die Coxarthrose als unfallabhängig bewertet und dennoch von einem MdE von 40 von Hundert ausgeht, ist unbegründet. Dr. H … stellt in seiner Stellungnahme von … September 2008 auf Seite 2 selbst fest, dass die Tendoperiostose zum Symptomkreis einer Coxarthrose gehört, darin enthalten ist und daher nicht getrennt aufgeführt werden muss und keine zusätzliche, in einem messbaren MdE-Wert sich darstellende Auswirkung hat. Weiter stellt er auf Seite 3, 4 fest, dass die Tendoperiostose am rechten großen Rollhügel keine weitere Unfallfolge, sondern eine Begleiterscheinung der Coxarthrose ist und nicht zusätzlich aufgeführt werden muss. Zudem führt die die Coxarthrose, wie oben bereits dargestellt zu keinem messbaren Einzel-MdE-Wert.
Der Einwand des Klägers, es sei rechtswidrig, dass die altersbedingten Auswirkungen nicht anerkannt würden, ist verfehlt. Nach Nr. 2 a) der Anlage zu § 2 VersMedV Teil A sind die physiologischen Veränderungen im Alter bei der Beurteilung des GdS – und somit auch der MdE – nicht zu berücksichtigen. Als solche sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen zu sehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d.h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Wie oben bereits ausgeführt wurde im Rahmen der MdE-Bewertung das Alter des Klägers berücksichtigt und Abstriche hinsichtlich der alterstypischen Auswirkungen gemacht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.