Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung

Aktenzeichen  M 21 K 16.938

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2609
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 154 Abs. 1
BDG § 3, § 14, § 22 Abs. 1
BRRG § 126 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Aus § 126 Abs. 3 BRRG folgt, dass ein an den Dienstherrn gerichteter, hinreichend konkretisierter Schadensersatzantrag, der auch im Rahmen eines Widerspruchs erfolgen kann, eine im Prozess nicht nachholbare Voraussetzung für die Erhebung einer Schadensersatzklage aus dem Beamtenverhältnis ist (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 48415). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat der Beamte es fahrlässig unterlassen, nach dem Abschluss seines Disziplinarverfahrens gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Rechtsmitteln das Ziel seiner Beförderung zu verfolgen, kann er wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes (§ 839 Abs. 3 BGB) hierauf keinen Schadensersatzanspruch mehr stützen. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage kann keinen Erfolg haben, weil sie als allgemeine Leistungsklage mangels ordnungsgemäßer Konkretisierung des Schadensersatzbegehrens spätestens im Widerspruchsverfahren unzulässig ist und weil es der Kläger zudem hinsichtlich des von ihm inzident geltend gemachten Beförderungsbegehrens schuldhaft unterlassen hat, von den ihm zu Gebote stehenden primären Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
Die Klage ist bereits unzulässig, weil der Kläger sein nun geltend gemachtes Schadensersatzbegehren nicht spätestens im Widerspruchsverfahren gegenüber der Beklagten ordnungsgemäß konkretisiert hat.
Aus § 126 Abs. 3 BRRG folgt, dass ein an den Dienstherrn gerichteter, hinreichend konkretisierter Schadensersatzantrag, der auch im Rahmen eines Widerspruchs erfolgen kann, eine im Prozess nicht nachholbare Voraussetzung für die Erhebung einer Schadensersatzklage aus dem Beamtenverhältnis ist (vgl. nur OVG SL, B.v. 14.11.2016 – 1 A 215/15 – juris Rn. 27 ff. m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.6.2015 – 3 ZB 12.2178 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.). Die hinreichende Konkretisierung eines solchen Schadensersatzantrags gegenüber der zuständigen Behörde setzt jedenfalls Angaben zum Zeitraum, für den Schadensersatz geltend gemacht wird (vgl. nur OVG SL, B.v. 14.11.2016 – 1 A 215/15 – juris Rn. 33), zur Pflichtverletzung, zum Verschulden, sowie zu Kausalität und zum (konkret geltend gemachten) Schaden voraus (vgl. nur VGH BW, B.v. 21.7.2016 – 4 S 757/15 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 24.6.2015 – 3 ZB 12.2178 – juris Rn. 11).
Diesen Erfordernissen hat der Kläger nicht entsprochen und der Beklagten somit nicht bereits spätestens im Vorverfahren die erforderliche Gelegenheit zur verwaltungsinternen Prüfung und zu dem Versuch gegeben, entweder durch Abhilfe oder durch nähere Begründung ihres Standpunktes einen Rechtsstreit zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2001 – 2 C 48/00 – juris Rn. 15).
Die erstmals im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten zur weiteren Klagebegründung vom 10. Juli 2016 enthaltenen Ausführungen belegen, dass dem Kläger eine gewisse, als solche allerdings auch noch nicht hinreichende Konkretisierung seines Schadensersatzbegehrens bereits gegenüber der zuständigen Behörde möglich gewesen wäre. Erst in diesem Schriftsatz vom 10. Juli 2016 hat der Kläger erstmals zu seinem Schadensersatzbegehren nähere Angaben in zeitlicher Hinsicht und in punkto Schaden machen lassen, wobei festzuhalten ist, dass die damaligen Vorstellungen des Klägers zum aus seiner Sicht maßgeblichen Zeitpunkt für den Abschluss des Disziplinarverfahrens von seinen diesbezüglichen, nach mündlicher Verhandlung in einem Klageantrag zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen abweichen. Ausführungen zur vom Kläger geltend gemachten Pflichtverletzung der Beklagten, zu ihrem diesbezüglichen Verschulden und der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden sind aber selbst in dieser weiteren Klagebegründung vom 10. Juli 2016 nicht enthalten. Selbst in der mündlichen Verhandlung ist insbesondere zu diesen Punkten von der Klägerseite noch kein tragfähiger Sachvortrag erfolgt. Ein insoweit zumindest prüffähiger Sachvortrag wäre aber angesichts des komplexen, gegen den Kläger geführten und mehrfach ausgedehnten Disziplinarverfahrens spätestens im Widerspruchsverfahren unabdingbar gewesen. Denn nach wie vor liegt es etwa keinesfalls auf der Hand, in welchen konkreten Phasen des Disziplinarverfahrens die Beklagte schuldhaft gegen die ihr vom Kläger vorgehaltene Verletzung des Verbotes, sein berufliches Fortkommen ohne rechtlichen Grund zu behindern (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1987 – 6 C 32/85 – juris), verstoßen haben soll. In diesem Zusammenhang ist jedenfalls festzuhalten, dass die Länge des komplexen Disziplinarverfahrens dem Kläger in erheblichem Umfang schon allein deshalb zurechenbar ist, weil er weitere Strafverfahren gegen sich verursacht (vgl. § 22 BDG), eine Reihe disziplinarrechtlicher Rechtsbehelfe und Rechtsmittel genutzt und auch weitere disziplinarrechtliche Ermittlungen der zuständigen Behörde veranlasst hat (vgl. nur BVerwG, U.v. 14.9.2017 – 2 WD 4/17 – juris Rn. 41 ff. m.w.N.).
Zudem kann die Klage keinen Erfolg haben, weil es der Kläger hinsichtlich des von ihm inzident geltend gemachten Beförderungsbegehrens schuldhaft unterlassen hat, von den ihm zu Gebote stehenden primären Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
Nach dem auch im Beamtenrecht geltenden, vom Bundesverwaltungsgericht auch auf die Konstellation von Massenbeförderungen angewandten Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln nicht ein, wenn der Verletzte mögliche Rechtsbehelfe unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung, insbesondere gerichtlichen Rechtsschutz nach Durchführung des Vorverfahrens, ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat. Denn der zeitnah in Anspruch genommene Primärrechtsschutz ist nach Durchführung des Vorverfahrens am ehesten zur Aufklärung und Würdigung komplexer Verwaltungsentscheidungen – wie etwa der Auswahl unter vielen Beförderungsbewerbern – geeignet. Ob es der Verletzte schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen, hängt davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen des Verkehrskreises verlangt werden muss, dem der Verletzte angehört. Danach hat es der auch damals anwaltlich vertretene Kläger jedenfalls fahrlässig unterlassen, nach dem Abschluss seines Disziplinarverfahrens gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Rechtsmitteln das Ziel seiner Beförderung nach A9 zu verfolgen.
Nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, an denen die Kammer nicht zweifelt, wäre es dem Kläger im Zeitraum ab Dezember 2010 jederzeit möglich gewesen, sich trotz laufender Disziplinarverfahren auf einzelne Beförderungsdienstposten zu bewerben. Im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Disziplinarverfahren ist – nach den weiteren Ausführungen des Beklagtenvertreters – die Einbeziehung des Klägers in kollektive Beförderungsaktionen im Rahmen der Beförderungsaktion 2015 erstmals wieder von Amts wegen möglich gewesen.
Somit und angesichts des Umstands, dass das Bundesverwaltungsgericht seit Langem Ausnahmen des betroffenen Beamten von einer möglichen Beförderung oder einer entsprechenden Maßnahme für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Untersuchung billigt (vgl. nur BVerwG, U.v. 13.5.1987 – 6 C 32/85 – juris Rn. 12), hätte der auch damals anwaltlich vertretene Kläger schon bei nächster sich bietender Gelegenheit nach der Einstellungsverfügung der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 4. Dezember 2011 – zunächst durch Antragstellung gegenüber der zuständigen, personalverwaltenden Behörde und später gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz – das Ziel seiner Beförderung nach A9 verfolgen müssen. Das hat er jedoch – obwohl es ihm auch zu diesem späteren Zeitpunkt erkennbar möglich gewesen wäre – selbst nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Januar 2015 (6 ZB 14.2121), welcher das Klageverfahren gegen die in der Einstellungsverfügung vom 4. Dezember 2011 enthaltene, missbilligende Äußerung rechtskräftig abschloss, nicht getan.
Nach all dem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 Sätzen 1 und 2 ZPO.


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