Arbeitsrecht

Kein Erfordernis der Zuordnung von Vertragsbeziehungen zu einem bestimmten gesetzlich vertypten Vertragsverhältnis

Aktenzeichen  27 U 3647/18 Bau

Datum:
12.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33575
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
§ 522 Abs. 2

 

Leitsatz

Es obliegt dem Gericht nicht zwingend, Vertragsbeziehungen einem bestimmten gesetzlich vertypten Vertragsverhältnis abschließend zuzuordnen. Maßgeblich ist, ob für das Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage besteht oder nicht. Besteht eine solche und sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, spielt die theoretische Zuordnung zu einem gesetzlich vertypten Vertrag keine tragende Rolle mehr. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich dann auch nicht mehr aus dem Gesetz, sondern unmittelbar aus dem Vertrag. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 383/18 Bau 2018-10-10 Urt LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10.10.2018, Az. 11 O 383/18 Bau, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) entspricht der Sach- und Rechtslage.
Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
Zu den Einwendungen der Berufungsbegründung vom 10.1.2019 (Bl. 73 ff. d.A.) ist Folgendes zu bemerken:

Gründe

1. Die (Kern) Rüge der Berufung, dass das Erstgericht widersprüchlich argumentiert habe und den Vertrag nicht endgültig/klar einem bestimmten Vertragstypus zugeordnet habe, geht fehl.
a) Wie die Berufungserwiderung vom 4.2.2019 zutreffend ausführt, obliegt es dem Gericht nicht zwingend, Vertragsbeziehungen einem bestimmten gesetzlich vertypten Vertragsverhältnis abschließend zuzuordnen. Maßgeblich ist, ob für das Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage besteht oder nicht. Besteht eine solche und sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, spielt die theoretische Zuordnung zu einem gesetzlich vertypten Vertrag keine tragende Rolle mehr. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich dann auch nicht mehr aus dem Gesetz, sondern unmittelbar aus dem Vertrag. Genau so liegt der Fall hier. Wie das Erstgericht zutreffend herausgearbeitet hat, stellen die §§ 3 und 4 des von den Parteien im Februar 2017 abgeschlossenen Vertrages (Anlage K 1) die entsprechenden vertraglichen Anspruchsgrundlagen dar.
b) Unbeschadet dieser dogmatischen Herangehensweisen weist der Senat ergänzend darauf hin, dass es in der Rechtspraxis, insbesondere im Bauvertragsrecht, vielfach Vertragsgestaltungen gibt, die keinem gesetzlichen Vertragstypus in Reinform entsprechen, sondern verschiedene Elemente enthalten (sog. gemischte Vertragstypen, Verträge sui generis, …). Genau hierauf hat das Erstgericht bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.9.2018 hingewiesen (vgl. Bl. 45 d.A.). Treffen die Parteien in freier Willensbestimmung und im Rahmen der bestehenden Vertragsfreiheit eigenständige Regelungen, so sind diese grundsätzlich maßgeblich.
2. Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand der Berufung, dass keine werkvertragliche Abnahme erfolgt sei, fehl. Eine solche Fälligkeitsvoraussetzung wurde von den Parteien – im Rahmen bestehender Vertragsfreiheit – nicht vereinbart. Es besteht insoweit auch keine Vertragslücke, die durch gesetzliches Werkvertragsrecht geschlossen werden müsste bzw. dürfte. Im Gegenteil. Die Parteien haben die Abrechnungsbefugnis im vorliegenden Kündigungsfall sogar ausdrücklich geregelt und gerade nicht von einer vorherigen Abnahme der erbrachten Leistungen abhängig gemacht (vgl. § 9 des Vertrages).
3. Soweit die Berufung die (Un) Zulässigkeit der Einbeziehung der VOB/B in § 1 des Vertrages problematisiert, hilft auch dies nicht weiter. Zum einen spielen VOB/B-Normen keine streitentscheidende Rolle (vgl. zutreffend Ziffer I.1 im Ersturteil). Zum anderen würde die unzulässige Einbeziehung der VOB/B-Normen die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt lassen, vgl. § 11 des Vertrages.
4. Unbehelflich bleiben auch die weiteren Einwendungen der Berufung zum Vorliegen einer Überraschungsentscheidung, zu unwirksamen AGBs, zur Benachteiligung des Beklagten und vermeintlicher Vereitelung von Gewährleistungsrechten,
a) Zum einen hat das Erstgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.9.2018 nicht „zugesichert“, dass es von der Ungültigkeit der Einbeziehung der VOB und dem (sicheren) Vorliegen eines Verbrauchervertrages ausgeht, sondern lediglich auf die Thematik hingewiesen und eine – wie immer vor Urteilserlass – vorläufige Einschätzung abgegeben (vgl. Wortlaut: „möglicherweise daran scheitert“; Bl. 45 d.A.).
b) Zum anderen erfolgte der Hinweis (auch nur) mit Blick auf die Einbeziehung der VOB-Vorschriften. Auf diese kommt es im Rahmen der Entscheidung jedoch gerade nicht an (s.o.).
c) Soweit die Berufung das Vorliegen von AGBs unstreitig stellt, geht auch dies fehl.
Zum einen handelt es sich insoweit um eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.
Zum anderen bleibt unklar, wann und wo die Beklagtenseite in einem Schriftsatz konkret das Vorliegen von AGBs mit Sachvortrag dargestellt haben will (vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Mehrzahl von Verträgen). Die Besonderheiten der vertraglichen Regelungen, die gerade von den gesetzlichen Vertragstypen abweichen (s.o.), sprechen bei Lichte besehen gerade gegen AGBs und für einen individuellen Zuschnitt auf das streitgegenständliche Bauvorhaben.
d) Unbeschadet hiervon hat das Landgericht das Vorliegen eines Verbrauchervertrages in der Sache vertretbar abgelehnt und hierzu den von den Parteien unterbreiteten Tatsachenstoff gewürdigt (Anlage K 1 Vertragspartner war eine gewerblich tätige GmbH, zu errichtendes Bauobjekt sollte vermietet werden, …).
e) Abgesehen davon liegt ein AGBrechtlicher Verstoß aber auch in der Sache fern. Durchgreifende Gesichtspunkte, die den Beklagten – einen im Wirtschaftsleben nicht ganz Unerfahrenen – unangemessen benachteiligen könnten, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Frage der Gewährleistung. Gewährleistungsrechte werden dem Beklagten gerade nicht „abgeschnitten“. Im Gegenteil. § 7 des Vertrages trifft hierzu eine – im Wirtschaftsleben – nicht ganz ungewöhnliche Regelung. Demnach wird dem Beklagten – nach Abschluss und Übergabe des Bauwerks – eine direkte Durchgriffshaftung ermöglicht. Greifbare Anhaltspunkte für eine individuelle Rechtsvereitelung durch die Klägerseite sind nicht belegt. Im Gegenteil. Der Sach- und Rechtsvortrag der Klägerseite während des gesamten Prozesses (einschließlich der nunmehr vorgelegten Anlage K 29) sowie die klare Regelung in Anlage K 1 sprechen vielmehr dafür, dass die Klägerseite lediglich an dem vertraglich Vereinbarten festhalten will. Ein derartiges vertragstreues Verhalten kann nicht in eine Rechtsvereitelung umgedeutet werden.
Das Ersturteil hat damit Bestand.
Die Berufung hat unter keinem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg. Der Senat rät der Beklagtenpartei zur Rücknahme der Berufung. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Soweit etwaige Gewährleistungsrechte gegen ausführende Unternehmen inmitten stehen, sollte sich die Beklagtenseite – auch mit Blick auf die Verjährungsthematik – entsprechend § 7 des geschlossenen Vertrages an die ausführenden Unternehmer halten.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 7. März 2019.


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